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Ferdinand Ries war zu seinen Lebzeiten ein in ganz Europa bekannter Komponist und Klaviervirtuose, Schüler und Freund Ludwig van Beethovens und Direktor der Londoner Royal Philharmonic Society. 1824 kehrte er ins Rheinland zurück und leitete von 1825 bis 1837 acht Mal die Niederrheinischen Musikfeste. Gemeinsam mit Beethovens Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler (1769-1848) verfasste er die „Biographischen Notizen über Ludwig van Beethoven". Er hinterließ ein umfangreiches Oeuvre. Es umfaßt 186 mit opus-Nummer sowie circa 100 als Werke ohne opus-Nummer gezählte Kompositionen aus allen seinerzeit gängigen Gattungen. Im Rheinland wirkte er als wichtiger Impulsgeber für die Entwicklung des bürgerlichen Musiklebens.
Ferdinand Ries wurde am 28.11.1784 in Bonn geboren. Sein Vater, der Geigenvirtuose Franz Anton Ries wurde 1791 zum Musikdirektor der kurfürstlichen Hofkapelle berufen, in der schon sein Großvater Johann Ries (1723-1784) tätig gewesen war. Seine große musikalische Begabung wurde früh erkannt. Vom Vater erhielt er den ersten und dabei…sehr gründlichen Unterricht im Clavierspiele und in der Musik überhaupt. Das Cello zu spielen lernte er von Bernhard Romberg (1767-1841), mit dem er auch in späteren Jahren eng verbunden blieb. Seine Vorliebe galt seit seinen Jugendtagen den Werken von Johann Sebastian Bach (1685-1750), Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und Beethoven. Da sich die Bonner Hofkapelle 1794 beim Einmarsch der napoleonischen Armee ins Rheinland auflöste, wurde ihm eine Ausbildung und spätere Anstellung im Kreise der mit berühmten Musikern besetzten Hofkapelle unmöglich gemacht. Seit seinem 14. Lebensjahr war er daher gezwungen, sich auf Wanderschaft zu begeben, um bei auswärtigen Lehrern zu studieren.
Die für ihn wichtigste Lehrzeit verbrachte er von 1801 bis 1805 und dann wieder in den Jahren 1808 und 1809 in Wien, wo Beethoven den jungen Landsmann und Sohn seines früheren Geigenlehrers herzlich aufnahm. Er akzeptierte ihn als Schüler, und Ries wurde für ihn auch als „Privatsekretär", Kopist und Klavierinterpret tätig. Am 1.8.1804, noch nicht 20 Jahre alt, führte er im Wiener Augarten Beethovens 3. Klavierkonzert (op.37) mit einer eigenen Kadenz auf. Beethoven selbst dirigierte und drehte nur um und vielleicht wurde nie ein Konzert schöner begleitet.
Zwischenzeitlich nach Bonn zurückgekehrt, nutzte er die Zeit für die Komposition von Klavier- und Kammermusik und bearbeitete im Auftrag des Verlegerfreundes Nikolaus Simrock (1751-1832) auch Werke anderer Komponisten. Daneben konzertierte er allein oder gemeinsam mit seinem Vater Franz Ries in verschiedenen Städten des Rheinlandes und führte schon seit 1806 vorwiegend Beethovensche, aber auch eigene Werke auf.
Ein Engagement in Russland führte Ries Anfang 1811 über Kassel, Marburg, Hamburg, Kopenhagen und Stockholm nach St. Petersburg, wo er den Cellisten Bernhard Romberg wieder traf. Gemeinsam begaben sie sich auf eine Konzerttournee nach Kiew, Riga, Reval und anderen Städten, die 1812 eigentlich nach Moskau führen sollte, aber durch Napoleons Russlandfeldzug unmöglich gemacht wurde. Ries ging inzwischen der Ruf eines berühmten Klaviervirtuosen und exzellenten Komponisten voraus. In Stockholm, wo er auf der Reise nach London gastierte, ehrte man ihn Anfang 1813 mit der Aufnahme in die Königlich Schwedische Musikakademie.
Im April 1813 erreichte er London, in dem der frühere Geigenlehrer seines Vaters, Johann Peter Salomon (1745-1815) eine wichtige Rolle im Musikbetrieb spielte. Noch im gleichen Jahr wurde er Mitglied der berühmten Royal Philharmonic Society und 1815 zu einem ihrer Direktoren berufen. In dieser Funktion bestellte er bei Beethoven die 9. Sinfonie und lud ihn nach England ein. Seine guten Beziehungen zu Londoner Musikverlegern erlaubten ihm auch hier als sein Geschäftsvertreter zu fungieren. 1814 heiratete er die junge und wohlhabende Londonerin Harriet Mangeon (1796-1863). Bis 1824 lebte er in London als Komponist, Pianist und Dirigent. Daneben war er ein begehrter Lehrer in den höheren Kreisen der Londoner Gesellschaft.
Im Mai 1824 gab er in London ein Abschiedskonzert. Aus diesem Anlass berichtete die Musikzeitung „The Harmonicon": „Mr. Ries wird zu recht als einer der besten Klavierspieler dieser Tage gefeiert. Seine Hand ist kraftvoll, und seine Execution ist sicher – oft überraschend. Doch vor allem unterscheidet sich sein Spiel von dem aller anderen durch seine romantische Wildheit. Wer sich auf seinen Stil einlässt, erlebt einen Effekt, den man nur mit den unerwartetsten Kombinationen und Übergängen vergleichen kann, die eine Äolsharfe hervorbringt."
Im Juli 1824 kehrte Ferdinand Ries mit seiner nun fünfköpfigen Familie ins Rheinland zurück. Er erwarb das vom Vater erbaute Haus neben der Redoute im eleganten Badeort Godesberg (heute Stadt Bonn) und begann eine intensive Kompositionstätigkeit. Nicht nur weitere Symphonien, Klavierkonzerte, Kammermusik und Lieder entstanden, er wagte sich auch auf das ihm bisher unbekannte Gebiet der Opern- und Oratorienmusik.
Sein Einfluss auf die Entwicklung der bürgerlichen Musikkultur im Rheinland ist besonders an seinem großen Engagement für die Niederrheinischen Musikfeste abzulesen, die abwechselnd in Aachen, Köln und Düsseldorf stattfanden. Für sie schuf er mehrere große Werke und führte die 9. Symphonie von Beethoven zum ersten Mal in Deutschland auf. Zwischen 1825 bis 1837 leitete er sie acht Mal, und dirigierte 1831 auch das Musikfest in Dublin. 1827 übersiedelte er in die freie Reichs- und Handelsstadt Frankfurt mit ihrem reichen kulturellen Leben. 1828 konnte dort die Uraufführung seiner ersten Oper Die Räuberbraut stattfinden. Bei einigen Bewerbungen auf größere Kapellmeisterstellen kam er nicht zum Zuge, denn entweder passte seine ganz auf deutsche Musik konzentrierte musikalische Haltung nicht, oder er selbst schlug, wenn ihm die geforderte gänzliche Unabhängigkeit in musikalischer Richtung nicht garantiert wurde, entsprechende Angebote aus. So konnte er nur gelegentlich mit großen Orchestern und exzellenten Musikern zusammen arbeiten.
1832/1833 unternahm er mit seiner Frau eine ausgedehnte musikalische „Bildungsreise" nach Italien. Neben England, das er immer wieder besuchte, weilte er 1836 fünf Monate in Paris und nahm regen Anteil am dortigen Musikleben. Gemeinsam mit dem Arzt Franz Gerhard Wegeler, einem ehemaligen Bonner und lebenslangen Freund Beethovens und der Familie Ries, verfasste er 1837 die „Biographischen Notizen zu Ludwig van Beethoven", eine einzigartige und zuverlässige Quelle zum Leben des Komponisten. Sie erschienen posthum 1838 in Koblenz.
Kurz nachdem er die Leitung des Frankfurter Cäcilienvereins übernommen hatte, starb er am 13.1.1838 im Alter von 53 Jahren. Sein Grab befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof.
In der von Robert Schumann herausgegebenen „Neuen Zeitschrift für Musik" urteilte ein Kritiker kurz nach seinem Tode: „Seine Symphonien …werden … immer zu dem Besten gehören, was die neuere und neueste Zeit in diesem Genre zu Tage gefördert hat". Die Archäologin und Pianistin Sybille Mertens-Schaafhausen organisierte zum Andenken an Ries im Frühjahr 1838 in Bonn eine Messe mit der Aufführung von Mozarts Requiem.
Ferdinand Ries war Mitglied in der Königlich-Schwedischen Musikakademie und in den Kaiserlich- Österreichischen und Königlich Holländischen Musik-Vereinen. Unter den sieben, für Preußen und die Rheinlande wichtigsten Komponisten ist er neben seinem Freund und Lehrer Beethoven auf dem Denkmal für Friedrich Wilhelm III. (Regentschaft 1797-1840) am Kölner Heumarkt dargestellt.
175 Jahre nach seinem Tod gründete sich Ende 2008 in Bonn die Ferdinand Ries Gesellschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Leben und Werk des Komponisten zu erforschen und Aufführungen seiner Werke zu initiieren und zu unterstützen.
Werke (Auswahl)
Biographische Notizen über Ludwig van Beethoven, zusammen mit Franz Gerhard Wegeler, 2. Nachdruck der Ausgaben von 1838 und 1845, Hildesheim 2000.
Quellen
Beethoven, Ludwig van, Beethoven-Briefe an Nikolaus Simrock, F.G. Wegeler, Eleonore v. Breuning und Ferdinand Ries, hg. von Leopold Schmidt, 2. Auflage, München u. a. 1992.
Ferdinand Ries – Briefe und Dokumente, bearb. von Cecil Hill, Bonn 1982.
Literatur
Hauchecorne, Wilhelm, Blätter der Erinnerung an die fünfzigjährige Dauer der Niederrheinischen Musikfeste, Köln 1868.
Hill, Cecil, Ferdinand Ries: a thematic catalogue, Berlin 1977.
Memoir of Ferdinand Ries, in: The Harmonicon, Nr. 15, März 1824, S. 33-35, hier S. 35
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, Bonn 2006, S. 254-255.
Online
Eitner, Robert, Artikel „Ries", in: Allgemeine Deutsche Biographie 28 (1889), S. 569-573. [Online]
Ferdinand Ries Gesellschaft (Informationsportal zu Leben und Werk von Ferdinand Ries). [Online]
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Mülhens-Molderings, Barbara, Ferdinand Ries, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ferdinand-ries/DE-2086/lido/57cd201151ae83.73566660 (abgerufen am 08.09.2024)