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Norbert Burgmüller war einer der begabtesten Komponisten der nachklassischen Ära, die heute als Romantik bezeichnet wird. Kein Geringerer als Robert Schumann schrieb nach dem Studium einige seiner Werke: „Nach Franz Schuberts frühzeitigem Tod konnte keiner schmerzlicher treffen als der Burgmüllers. Anstatt dass das Schicksal einmal in jenen Mittelmäßigkeiten dezimieren sollte, wie sie scharenweise herumlagern, nimmt es uns die besten Feldherrentalente selbst weg. Franz Schubert sah sich zwar noch bei seinen Lebzeiten gepriesen; Burgmüller aber genoss kaum der Anfänge einer öffentlichen Anerkennung und war nur einem kleinen Kreise bekannt.“ Dennoch blieben Burgmüllers Werke lange Zeit vergessen und wurden erst Mitte der 1980er Jahre wieder entdeckt. Inzwischen ist sein Schaffen in einer siebenbändigen historisch-kritischen Gesamtausgabe zugänglich, die in der Reihe „Denkmäler rheinischer Musik“ erschienen ist. Initiiert wurde die Ausgabe von der Norbert-Burgmüller-Gesellschaft e.V., namhaft unterstützt von der Kunststiftung NRW und dem Landschaftsverband Rheinland. Fast alle Werke liegen auch auf CD vor.
Burgmüller wurde am 8.2.1810 in Düsseldorf geboren. Er war das dritte und jüngste Kind des aus Magdeburg stammenden Kapellmeisters August Burgmüller (1766–1824), der in Düsseldorf den Posten des Städtischen Musikdirektors bekleidete, und dessen Gattin, der Pianistin und Sängerin Therese von Zandt (1771–1858). Seine Geschwister waren Franz Burgmüller (1805–1834), der eine militärische Laufbahn einschlug, und der ebenfalls als Komponist tätige Friedrich Burgmüller (1806–1874). Friedrich machte sich insbesondere mit leicht spielbaren Etüden einen Namen, die noch heute im Klavierunterricht Verwendung finden.
Norberts früheste erhaltene Komposition, das 1. Streichquartett, stammt aus dem Jahre 1825 und ist bereits ein durchaus eigenständiges Werk. Etwa zur selben Zeit fand er in dem Grafen Franz von Nesselrode-Ehreshoven (1783–1847) einen einflussreichen Mäzen. Auf dessen Schloss in Ehreshoven komponierte Burgmüller im Herbst 1826 ein weiteres Quartett und übersiedelte anschließend nach Kassel, wo er Schüler von Louis Spohr (1784–1859) und Moritz Hauptmann (1792–1868) wurde. Finanziert wurde das Studium von Graf Nesselrode, dem Burgmüller dafür das Hauptwerk der Kasseler Jahre widmete, sein 1828/1829 entstandenes fis-Moll-Klavierkonzert. Es belegt eindrucksvoll, dass Burgmüller auch ein ausgezeichneter Pianist war, der das anspruchsvolle, fast sinfonische Werk am 14.1.1830 in Kassel selbst zur Uraufführung brachte. Im selben Konzert, das Louis Spohr leitete, wirkte auch Burgmüllers damalige Verlobte, die in Kassel beliebte Opernsängerin Sophia Roland (1804–1830) mit. Sie brach einige Wochen später zu einem Gastspiel nach Paris auf, löste die Verbindung mit dem Komponisten und starb kurz darauf in Aachen an Typhus. Für Burgmüller, dessen Karriere so hoffnungsvoll begonnen hatte, war dies ein Schicksalsschlag, über den er nur schwer hinweg kam. Die Folge waren epileptische Anfälle, die ihn im Herbst 1830 zwangen, nach Düsseldorf zurückzukehren, wo er bis zu seinem Tod zurückgezogen bei der Mutter lebte.
Eine Wende brachte das Jahr 1833, als Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) in Düsseldorf das Amt des Städtischen Musikdirektors übernahm und sich nachhaltig für Burgmüllers Schaffen engagierte. Mendessohn spielte am 3.5.1834 Burgmüllers Klavierkonzert und ermöglichte ihm am 13.11.1834 die Uraufführung der 1. Sinfonie, die auf ein äußerst positives Echo stieß. 1838 brachte Mendelssohn sie auch im Leipziger Gewandhaus zur Aufführung, was Schumann, der sich unter den Zuhörern befand, zu der Bemerkung veranlasste, er halte sie für „das bedeutendste, nobelste Werk im Sinfonienfach, das die jüngere Zeit hervorgebracht.“
Ermutigt von dem großen Erfolg begann Burgmüller im Herbst 1834 mit der Komposition der 2. Sinfonie, die unvollendet blieb – oder nur unvollständig überliefert ist. Nur die ersten beiden Sätze sind vollständig orchestriert, beim dritten Satz, dem Scherzo, bricht die Instrumentation mit Beginn des Trios ab. Der Satz wurde später nach Burgmüllers erhaltener Particell-Skizze von Schumann vervollständigt. Trotz des fehlenden Finales wirkt das Werk in sich geschlossen und stellt einen bedeutenden Beitrag zur Sinfonik des 19. Jahrhunderts dar.
Zu den in jeder Hinsicht ausgereiften „Spätwerken“ Burgmüllers zählen daneben das 4. und letzte Streichquartett, das dem befreundeten Landschaftsmaler Johann Wilhelm Schirmer gewidmet wurde, sowie die Rhapsodie für Klavier, die bereits an Johannes Brahms (1833–1897) gemahnt, der später tatsächlich zu den Bewunderern Burgmüllers gehörte. In Brahms’ Nachlass, der sich heute im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindet, fand sich auch ein Exemplar von Burgmüllers einziger Klaviersonate.
Wenngleich Mendelssohn Düsseldorf schon 1835 wieder verließ, um den attraktiven Dirigentenposten in Leipzig zu übernehmen, blieb Burgmüllers Schaffenskraft ungebrochen. Zudem brachte es die lebenslange Förderung durch den Grafen Nesselrode mit sich, dass sich der Komponist während eines Sommeraufenthalts in Ehreshoven in die gräfliche Gouvernante, die junge Französin Josephine Collin verliebte, die seine zweite Verlobte wurde. Beide planten, Düsseldorf zu verlassen und sich in Paris niederzulassen, wo bereits Norberts Bruder Friedrich lebte. Wie glücklich Burgmüller über die Liebe zu Josephine war, lässt sich in gewisser Weise auch an seinen Werken ablesen: Hatte er seine Manuskripte bisher mit dem Monogramm „N.B.“ signiert, so unterzeichnete er jetzt mit „N.B.J.C.“, die Buchstaben eng ineinander verschlungen. Außerdem erweiterte er sein bisheriges Motto „a.m.G.“ (alles mit Gott), das sich auf vielen Autographen findet, zu „a.m.G.u.m.J.“ (alles mit Gott und meiner Josephine).
In den letzten Jahren seines Lebens verband Burgmüller eine ungewöhnliche Freundschaft mit dem exzentrischen Dramatiker Christian Dietrich Grabbe (1801–1836), der 1834 nach Düsseldorf kam. Der verarmte und dem Alkohol verfallene Grabbe erhoffte sich dort Hilfe von dem Schriftsteller und Theaterleiter Karl Immermann, der das Theater der Stadt zu einer der ersten Bühnen Deutschlands reformiert hatte. War Grabbe mit Immermann bald zerstritten, so blieb seine Beziehung mit Burgmüller bestehen. Legendär waren die Zechgelage der beiden in der Künstlerkneipe „Zum Drachenfels“. Burgmüller besaß auch das Porträt Grabbes von Wilhelm Pero (1808–1868), eine Zeichnung, die als bestes Porträt Grabbes gilt und heute zu dem Sammlungen des Wallraf-Richartz-Museums in Köln gehört. Wenngleich Burgmüller in Grabbe einen der bedeutendsten Dramatiker seiner Zeit sah, so kannte seine Bewunderung auch Grenzen. Grabbes aberwitzige Opernparodie „Der Cid“, die er speziell für Burgmüller verfasste, hat dieser nicht vertont.
Anfang Mai 1836 reiste der Komponist zur Kur nach Aachen, wo er am 7. Mai im „Quirinusbad“ ertrank, wahrscheinlich in Folge eines epileptischen Anfalls. Die Leiche wurde nach Düsseldorf überführt und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt. Der gerade in Düsseldorf weilende Mendelssohn schrieb zum Begräbnis einen Trauermarsch, Grabbe veröffentliche einen ergreifenden Nachruf.
Erst 1838 wurden erstmals einige Werke Burgmüllers gedruckt, die Robert Schumann mit dem eingangs zitierten Ausspruch kommentierte. Schumanns Anregung ist es auch zu verdanken, dass einer der Freunde Burgmüllers, der Schriftsteller Wolfgang Müller von Königswinter, seine Erinnerungen an Burgmüller zu Papier brachte, die Schumann 1840 in seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“ veröffentlichte. 1864 wurde auf Burgmüllers Grab auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof ein Grabmal errichtet, das die heilige Cäcilia darstellt. Das Grab ist heute Dauerehrengrab der Stadt Düsseldorf.
Werke (Auswahl)
- Sinfonie c-Moll op. 2, 1830/1833.
- Sinfonie D-Dur op. 11, 1834/1836.
Ouvertüre f-Moll op. 5, 1826/1834.
Klavierkonzert fis-Moll op. 1, 1828/1829.
Vier Entr’actes für kleines Orchester op. 17, 1827/1828.
Vier Streichquartette opp. 4, 7, 9 und 14, 1825, 1825/1826, 1826, 1835.
Duo Es-Dur für Klarinette und Klavier op. 15. 1834.
Lieder opp. 3, 6, 10 und 12, 1827–1836.
Sonate f-Moll op. 8 für Klavier, 1826.
Rhapsodie h-Moll op. 13 für Klavier, 1834/1835.
Polonaise F-Dur op. 16 für Klavier, 1832.
Literatur
Bolzan, Claudio, Norbert Burgmüller. La vita e l’opera di un grande sinfonista nella Germania del primo ’800, Treviso 1995.
Eckert, Heinrich, Norbert Burgmüller. Ein Beitrag zur Stil- und Geistesgeschichte der deutschen Romantik, Augsburg 1932.
Koch, Tobias/Kopitz, Klaus Martin (Hg.), Nota Bene Norbert Burgmüller. Studien zu einem Zeitgenossen von Mendelssohn und Schumann, Köln 2009.
Kopitz, Klaus Martin, Der Düsseldorfer Komponist Norbert Burgmüller. Ein Leben zwischen Beethoven – Spohr – Mendelssohn, Kleve 1998.
Müller von Königswinter, Wolfgang, „Ich glaubte nur an Musik.“ Erinnerungen an Norbert Burgmüller, kommentiert von Klaus Martin Kopitz, Begleitbuch zur Ausstellung zum 200. Geburtstag Norbert Burgmüllers im Heinrich-Heine-Institut vom 8. Februar bis 14. April 2010, Düsseldorf 2010.
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Kopitz, Klaus Martin, Norbert Burgmüller, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/norbert-burgmueller-/DE-2086/lido/57c58b16210ea1.41983774 (abgerufen am 06.12.2024)