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Die Brüder Zimmermann gelten als Pioniere der chemischen Industrie in Deutschland. In Wesseling begründeten sie nicht nur eines der größten Industriezentren im Rheinland, sondern ergriffen auch umfangreiche Maßnahmen zur sozialen Absicherung und zur Hebung der Lebensqualität ihrer Arbeiter und deren Familien.
Heinrich und Franz Zimmermann wurden als Söhne des Wirts und Branntweinbrenners Heinrich Zimmermann 1846 beziehungsweise 1852 in Köln geboren. Spätestens seit Heinrich Zimmermann ab 1860 die Königliche Provinzial-Gewerbeschule zu Köln besuchte, wurde seine besondere Vorliebe für die Chemie deutlich. So wird ihm im Abschlusszeugnis von 1863 attestiert: „In der Chemie und zwar im ganzen Gebiete der unorganischen Chemie hat er sich gründliche Kenntnisse erworben (…)" sowie „Bei den praktischen Uebungen im chemischen Laboratorium und während seiner freien Zeit hat er sich mit der Zusammenstellung und dem Gebrauche der Apparate, sowie mit der Benutzung der chemischen Reagentien in hohem Grade vertraut gemacht."
Anschließend besuchte er sechs Semester die königliche Gewerbe-Akademie zu Berlin bis zum 25.7.1866. Hier wurden ihm auf dem Abgangszeugnis für die „Arbeiten im anorganischen Laboratorium" gute, im „Entwerfen von chemischen Anlagen" sogar sehr gute Leistungen bescheinigt. So verwundert es nicht, dass er unmittelbar nach Beendigung seines Studiums eine Anstellung fand. Zunächst arbeitete er als Chemiker und Komptorist in der Zuckerfabrik C. Pfeiffer & Co. in Köln-Ossendorf, ehe er 1868 nach Aachen ging. Nach weiteren Stationen als Ingenieur und Hüttendirektor wurde er 1873 Betriebsleiter des Alaunwerkes Freienwalde (Oder). Dieses Werk gehörte zum Komplex der „Chemischen Fabrik Kunheim & Co.". Schon zwei Jahre später berief deren Inhaber Hugo Kunheim (1838-1897) den begabten Chemiker zum Betriebsleiter des Berliner Werkes.
In dieser Funktion machte Heinrich Zimmermann eine grundlegende Entdeckung. Die Fabrik in Berlin verarbeitete „Gaswasser", das als Abfallprodukt bei der Gewinnung von Leuchtgas für die Straßenbeleuchtung entstand. Kunheim & Co. gewannen aus dem „Gaswasser" Ammoniak. Bei einer neueren Methode wurde natürliches Eisenerz zur Gasreinigung verwendet. Heinrich Zimmermann sollte nun dieses Abfallprodukt auf zu gewinnende Chemikalien untersuchen. Dabei stieß er auf Cyan und Schwefel – Chemikalien, die in besonders hoher Konzentration in diesem „Abfall" vorhanden waren. Daraufhin entwickelte der junge Chemiker ein Verfahren, durch das aus der Gasreinigungsmasse das begehrte gelbe Blutlaugensalz (Ferrocyankalium), sprich Gelbkali, gewonnen werden konnte. Gelbkali wurde benötigt, um einen wichtigen Farbstoff, das „Berliner Blau", auch „Preußisch-Blau" oder „Pariser Blau" genannt, herzustellen. Durch diese Entdeckung konnte aus wertlosem Abfall das kostbare gelbe Salz, oder wie in Wesseling kolportiert wurde, „Gold aus Dreck" gewonnen werden. Das Deutsche Reichspatent Nr. 26884 garantierte Heinrich Zimmermann das Urheberrecht.
Doch bei der industriellen Verarbeitung der Gasreinigungsmasse in Berlin zeigte sich bald ein Problem. Die Transportkosten für das vor allem in den Kokereien an der Ruhr anfallende Abfallprodukt waren aufgrund der weiten Entfernung zur Reichshauptstadt zu hoch. So entschloss sich Heinrich Zimmermann, eine neue Fabrik in Westdeutschland aufzubauen. Erstaunlich war, dass er diesen mutigen Schritt ohne seinen bisherigen Chef und Förderer tat, und Kunheim ihm trotzdem in Freundschaft verbunden blieb. Der Umstand, dass der angehende Industrielle Wesseling zum neuen Standort auswählte, mag auch seiner Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Köln geschuldet gewesen sein. Innerhalb der Stadt waren die Grundstücke jedoch zu teuer. Dann spielte der Zufall eine Rolle. Heinrichs Schwägerin Elise von Thenen las in einem Zeitungsinserat von einem „für ein Fabriketablissement geeigneten Gelände in Wesseling am Rhein". Heinrich sagte das Gelände zu. Elises Vater, Eberhard von Thenen, hatte durch den Verkauf von Ländereien im späteren Kölner Vorort Ehrenfeld ein Vermögen verdient und konnte so seiner Tochter eine beachtliche Mitgift geben, als sie Heinrichs Bruder Franz, seines Zeichens Kaufmann, ehelichte. Das in die Ehe eingebrachte Vermögen diente jetzt zum Aufbau der Fabrik. Franz Zimmermann trat als gelernter Kaufmann mit in das Unternehmen ein. Beide Brüder ergänzten sich in idealer Weise: Heinrich brachte seine Fähigkeiten als Chemiker und Techniker ein, Franz seine Ausbildung als Kaufmann und das Geld seiner Frau.
Die neue Fabrik wurde am 1.5.1880 in das Handelsregister des Amtsgerichts Bonn als „H. & F. Zimmermann" eingetragen. Doch die Konzession zur Verarbeitung der Gasreinigungsmasse wurde erst am 9.2.1881 erteilt, weil 17 Einsprüche die Genehmigung verzögert hatten: Das in Wesseling erworbene Fabrikgebäude der ehemaligen Papierfabrik Heymann lag im Dorf an zentraler Stelle, so dass die Wesselinger nicht zu Unrecht eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität befürchteten. Tatsächlich verursachte die am Rande der Landstraße abgelagerte, ausgebeutete Masse einen unangenehm nach Schwefel riechenden Gestank.
Schnell blühte das neue Unternehmen auf. Schon bald war das Gelände der ehemaligen Heymanschen Fabrik zu klein. Deshalb erwarb man 1883 das am nördlichen Dorfausgang liegende Grundstück am Sandberg. Doch erst nach zehn Jahren, 1893, konnte der gesamte Betrieb auf das neue Gelände verlagert werden. Immer neue Anlagen wurden errichtet. Den Abschluss dieser Ausbauphase im Jahre 1900 sollte Heinrich Zimmermann aber nicht mehr erleben. Auf der Rückfahrt von einer Italienreise starb er am 26.7.1899 in Basel. Sein Sohn Josef trat für ihn in die Firma ein, obwohl er sein Chemiestudium noch nicht beendet hatte. Heinrichs Bruder Franz blieb der Firma als „hervorragender Kaufmann und unermüdlicher Organisator" bis zu seinem Tode 1909 erhalten.
Bedeutend waren diese Pioniere der chemischen Industrie auch auf sozialpolitischem Gebiet. Als katholische Unternehmer fühlten sie sich für ihre Belegschaft verantwortlich, auch wenn damit politische Zielsetzungen verbunden waren. 1894 legte Heinrich Zimmermann in einem Memorandum an den Wesselinger Bürgermeister Peter Joseph Anton Klein seine Ansicht „zur Bekämpfung der Sozialdemokratie" dar: Neben der Betonung der Rolle der (katholischen) Kirche bei dieser Aufgabe sah er als entscheidend an, dass „der Arbeiter einen genügenden Lohn erhalte"; „wenn Krankheit und Noth kommt muß der Arme beim Wohlhabenden, der Arbeiter beim Arbeitgeber ein mitfühlendes Herz finden und Hilfe erhalten mit Rat und in der Tat. Das Familienleben muß gefördert werden."
Diesen programmatischen Äußerungen entsprechend verhielten sich die Brüder. So wurden schon in den 1880er Jahren eine Arbeiterküche, Wasch- und Badeanlagen sowie seit 1899 Wohnungen für die Belegschaft in Häusern aus Backstein an der Brühler Straße in Wesseling errichtet (1998 leider abgerissen). Die „Zimmermanns" kümmerten sich oft persönlich in Notfällen um ihre Arbeiter. Ein Arbeiterwohlfahrtskonto wurde eingerichtet. 1905 – zum 25-jährigen Firmenjubiläum – stattete die Familie Zimmermann dieses Konto mit weiteren 25.000 Reichsmark aus. Noch heute fühlen sich die Unternehmen Degussa beziehungsweise Evonik, in deren Besitz die Firma H. & F. Zimmermann beziehungsweise die Chemische Fabrik Wesseling übergingen, diesen Traditionen verpflichtet.
Quellen
Evonik Industries AG, Konzernarchiv; Stadtarchiv Wesseling A 306.
Literatur
Chemische Fabrik Wesseling (Hg.), 75 Jahre chemische Fabrik Wesseling AG: 1880/1955, Wesseling 1955.
Drösser, Wolfgang, Wesseling – Geschichte, Bonn 2008.
Hansen, Antje, 100 Jahre Degussa in Wesseling – 125 Jahre Standort, Bochum 2005.
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Drösser, Wolfgang, Heinrich und Franz Zimmermann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-und-franz-zimmermann/DE-2086/lido/57c82b4f8361d3.28064131 (abgerufen am 05.12.2024)