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Josef Brisch war der letzte sozialdemokratische Bürgermeister Solingens vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, die ihn im März 1933 absetzten. Während des Zweiten Weltkriegs unterhielt er Kontakte zum Kölner Kreis. Nach 1945 war er maßgeblich am Aufbau der Gewerkschaften beteiligt.
Josef (Joseph) Brisch wurde am 4.4.1889 im oberschlesischen Hüttendorf im Kreis Oppeln (heute Opole in Polen) geboren. Seine Eltern waren der Bäckermeister und Kolonist Josef Brisch und Marie geborene Myschliwietz, die beide katholischen Glaubens waren. Ab dem Alter von sechs Jahren besuchte Josef die Volksschule in Krascheow (heute Krasiejów, Polen), die er 1903 mit 14 Jahren abschloss. Während seiner Schulausbildung arbeitete er im Geschäft seiner Eltern mit, anschließend erlernte er den Beruf des Maurers. Nach dem Umzug nach Hindenburg (heute Zabrze, Polen) trat Brisch 1907 in den Zentralverband der Maurer ein und besuchte 1911 die Gewerkschaftsschule in Berlin. Mit dem Eintritt in die SPD im Jahre 1909 begann seine politische Karriere, unterbrochen durch Militär- und Kriegsdienst. Ab 1911 leistete Brisch die gesetzlich vorgeschriebene militärische Dienstpflicht ab, und zwar in der Ersten Matrosen-Division in Kiel. Im Ersten Weltkrieg diente er als Obermatrose beziehungsweise ab März 1918 als Bootsmannsmaat.
Nach Kriegsende kehrte Brisch nach Oberschlesien zurück und arbeitete weiter an seiner politischen Karriere: Ab Dezember 1918 war er Parteisekretär der SPD in Oberschlesien, ab September 1919 Redakteur des sozialdemokratischen Presseorgans „Volkswillen“ in Kattowitz (heute Katowice, Polen). Außerdem baute er in dieser Zeit in Hindenburg den Bauarbeiterverband auf und war ehrenamtlicher Gemeindevertreter. In Hindenburg lernte er auch seine zukünftige Ehefrau Gertrud Kutsche (1899-1988) kennen, Tochter des ortsansässigen Fleischermeisters Emanuel Kutsche. Sie heirateten am 7.9.1921; in Oppeln wurden ihre zwei Söhne geboren: Klaus (1923-2001) und Ulrich (1925). Klaus wurde ein bekannter Islamarchäologe und war 1966-1988 Direktor des Museums für Islamische Kunst in Berlin.
Im Zuge der bevorstehenden Volksabstimmung in Oberschlesien im März 1921, die im Versailler Vertrag verankert war und die über die nationale Zugehörigkeit des Gebiets entscheiden sollte, wurde Brisch im Mai 1920 Mitglied des deutschen Plebiszitkommissariats. Dort war er als Pressedezernent tätig und für die Aufstellung der Abstimmungspolizei verantwortlich. Wegen seiner Leistungen während der Volksabstimmung wurde er als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Behandlung der Grenzangelegenheiten und für Fragen des Minderheitenschutzes in die Regierung Oppeln berufen. Dadurch knüpfte er unter anderem Kontakt mit dem preußischen Innenminister Carl Severing (1875-1952, Amtszeit als preußischer Innenminister 1920-1926, als Reichsinnernminister 1920-1932). Nach der Berufung in das Regierungspräsidium Oppeln begann eine Zeit wechselnder Anstellungen für Brisch, die ihn im April 1925 in das Landratsamt Delitzsch in Nordsachsen und schließlich 1926 als Regierungsrat nach Düsseldorf führten, unterbrochen durch eine Beurlaubung für das Reichsarbeitsministerium. Am 15.10.1927 wurde er zum Schlichter im Schlichterbezirk Westfalen ernannt und schließlich am 1.9.1929 zum Direktor des Oberversicherungsamtes Dortmund.
Zum 1.4.1930 setzte das preußische Staatsministerium Josef Brisch als kommissarischen Oberbürgermeister in Solingen ein. Die Wahl der Regierung war auf den Sozialdemokraten Brisch gefallen, nachdem der Regierungspräsident die Oberbürgermeisterwahl des kommunistischen Kandidaten Hermann Weber (1888-1937) am 21.1.1930 – der ersten nach der kommunalen Neugliederung von 1929 - nicht bestätigt hatte. Die definitive Ernennung von Brisch zum Oberbürgermeister auf zwölf Jahre erfolgte am 27.1.1931. Dass die kommunalen Parteien in Solingen, insbesondere die KPD, mit dem oktroyierten Oberbürgermeister keineswegs einverstanden waren, zeigten sie eindrucksvoll bei der Amtseinführung am 23.2.1931, indem sie ihn mit faulen Eiern bewarfen.
Doch Brisch musste nicht nur gegen den Widerstand der linken Parteien ankämpfen, sondern auch gegen die prekäre wirtschaftliche Lage der Stadt in Zeiten der Weltwirtschaftskrise. Er versuchte durch einschneidende Sparmaßnahmen den Schuldenberg zu verringern und die Liquidität der Stadt zu sichern. Seine Politik verfolgte eine vernünftige Strategie, war aber unpopulär. Als die Konflikte mit der KPD drohten, die Entscheidungskraft der Stadtverordnetenversammlung zu lähmen, änderte Brisch deren Geschäftsordnung dahingehend, dass er die alleinige Entscheidungsgewalt über das Ausschließen von Stadtverordneten erhielt. Das führte dazu, dass ständig mehrere KPD-Stadtverordnete fehlten und die SPD/KPD-Fraktion in der Minderheit war. Brisch suchte daher die Mehrheit im den bürgerlichen Parteien und nicht in seiner eigenen. Der endgültige Bruch zwischen ihm und der Solinger SPD kam im Oktober 1932, als er ein Vorhaben mit der Unterstützung der bürgerlichen Parteien in der Stadtversammlung durchbrachte, gegen den erklärten Widerstand der eigenen Partei. Das war für die SPD inakzeptabel, weshalb sie am 7.10.1932, zwei Tage nach der Sitzung, den Parteiausschluss Brischs beantragte. Das im Januar 1933 damit befasste SPD-Schiedsgericht hielt einen Parteiausschluss jedoch nicht für gerechtfertigt. Die Solinger Sozialdemokraten wollten daraufhin den für März 1933 geplanten Parteitag anrufen. Doch dieser fand wegen der inzwischen erfolgten Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr statt. So blieb Brisch zwar Mitglied der SPD, musste sich nun aber gegen die Nationalsozialisten behaupten, die ihn aus der Kommunalverwaltung entfernt sehen wollten. Den Höhepunkt markierten zwei Vorfälle, die sich am 8.3.1933 ereigneten und die Brisch zu einer Beschwerde über die SA an den Düsseldorfer Regierungspräsidenten Karl Bergemann (1878-1949) veranlassten. In seiner Beschwerde schilderte Brisch, dass sich vor seinem Haus und seinem Büro jeweils eine Gruppe von bewaffneten SA- und SS-Männern versammelt und ihn bedroht hatte. Das Schreiben wurde am 10. März der Regierung in Düsseldorf zugestellt, konnte jedoch keine Wirkung mehr entfalten, denn am selben Tag wurde Brisch von SA-Männern in seinem Büro im Rathaus verhaftet und vom Solinger NSDAP Ortsgruppenleiter, Dr. Rudolf Brückmann (1891-1964), in das Polizeipräsidium nach Düsseldorf gebracht, wo ihn der Regierungspräsident beurlaubte. Die endgültige Entlassung aufgrund des § 4 Berufsbeamtengsetzes (BBG) erfolgte am 20.8.1933.
Josef Brisch zog bald nach seiner Beurlaubung nach Köln auf den Sudermanplatz 1. Über sein Leben in der Zeit des Nationalsozialismus ist nicht viel bekannt. Sein Einkommen bestritt er mit seiner Pension, die er von der Stadt Solingen allerdings nur eingeschränkt ausbezahlt bekam. Der praktizierende Katholik gehörte zur Kölner St. Agnes-Pfarre, der auch Nikolaus Groß und Bernhard Letterhaus angehörten und über die sie sich kennenlernten. Groß und Letterhaus bildeten die Spitze des Kölner Kreises und trafen sich öfters mit Brisch im Kölner Kettelerhaus, der Zentrale der Katholischen Arbeiterbewegung. Durch ihn knüpften Gross und Letterhaus auch Kontakte zu Brischs Parteigenossen Carl Severing und dem Gewerkschaftler Wilhelm Leuschner (1890-1944), der der Widerstandsgruppe um Carl Friedrich Goerdeler (1884-1945) angehörte. Ob oder inwieweit Brisch von den Plänen des Attentats vom 20. Juli wusste, ist nicht bekannt.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs blieb Josef Brisch zunächst in Köln. Dort war er von März bis Mai 1945 am Aufbau der Stadtverwaltung beteiligt. Unter Oberbürgermeister Willi Suth (1881-1956, Oberbürgermeister 16.3.1945-11.4.1946) nahm Brisch an Verwaltungskonferenzen teil und war für Fragen der allgemeinen Verwaltung zuständig. Die britische Militärregierung berief ihn im Juni 1945 erneut zum kommissarischen Oberbürgermeister von Solingen. Dort sah er sich abermals mit gravierenden Problemen und dem Missfallen der politischen Akteure, insbesondere der SPD und KPD, konfrontiert. Brisch nahm sich in Solingen besonders des Problems der arbeitsrechtlichen Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern an: Nachdem die Alliierten alle NS-Arbeitsorganisationen aufgelöst hatten fehlte der Stadt eine Vertretungs- und Organisationsplattform für Arbeitnehmer. Nach der Entscheidung der West-Alliierten vom Juli 1945, gewerkschaftliche Zusammenschlüsse zuzulassen, richtete er im August 1945 Schlichtungsausschüsse ein. Diese waren zu gleichem Anteil mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt und konnten auf arbeitsrechtlicher Ebene beraten und urteilen. Damit trug Brisch wesentlich zum Gewerkschaftsaufbau in Solingen bei. Doch durch das Misstrauen auf beiden Seiten, das aus der Situation während der ersten Amtszeit Brischs in Solingen resultierte, kam es zu keiner funktionsfähigen Stadtverwaltung. Im Februar 1946 zog die britische Militärregierung daher ihren Auftrag an Brisch zurück und übergab das Amt an Albert Müller (1891-1951, Oberbürgermeister Februar-Oktober 1946).
Josef Brisch zog daraufhin mit seiner Familie nach Köln-Ehrenfeld. Der spätere Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Hans Böckler, den Brisch aus der Zeit im Kölner Kettelerhaus kannte, war dort mit dem Aufbau der Gewerkschaften beschäftigt. Im Mai 1946 entschied sich Brisch, ihn dabei zu unterstützen. Ab Juli 1946 wirkte er unter anderem als Leiter einer vom gewerkschaftlichen Zonenausschuss der britischen Besatzungszone eingesetzten Kommission, die Richtlinien zur Auslegung des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 aufstellen und eine Wahlordnung für die Betriebsrätewahlen erstellen sollte. Hintergrund war die Unzufriedenheit der im Aufbau befindlichen Gewerkschaften über die im Gesetzeswerk des Alliierten Kontrollrats nur unzureichend geregelten Rechte und Kompetenzen der Betriebsräte. Nachdem 1949 der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gegründet worden war, arbeitete er als Leiter der Abteilung Arbeitsrecht im DGB-Landesbezirk NRW und wurde ein Jahr später hauptamtliches Vorstandsmitglied für diesen Bezirk. Neben seiner Tätigkeit in der Gewerkschaftsbewegung vertrat er außerdem seit Anfang 1949 im Verwaltungsrat der Rheinischen Girozentrale und Provinzialbank, der späteren WestLB, die Arbeiter- und Angestelltenschaft.
Am 14.2.1952 starb Josef Brisch an den Folgen eines Autounfalls auf der B9, den Gertrud Brisch schwerverletzt überlebte. Die Beisetzung fand am 19.2.1952 in Köln-Bocklemünd auf dem Westfriedhof statt. Unter den Trauergästen waren unter anderem der Leiter des DGB-Landesbezirks NRW Werner Hansen (1905-1972), der Kölner Oberbürgermeister Ernst Schwering (1886-1962) und dessen Solinger Amtskollege Eugen Maurer (1884-1959).
Quellen
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Literatur
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Saam, Alena, Josef Brisch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/josef-brisch-/DE-2086/lido/5d5551e86395d6.21494540 (abgerufen am 03.12.2024)