Karl Kaspar von der Leyen

Erzbischof und Kurfürst von Trier (1652-1676)

René Hanke (Koblenz)

Karl Kaspar von der Leyen, Darstellung in Caspar Merians Beschreibung vnd Abbildung Aller Königl. vnd Churfürstl. Ein-Züge, Wahl vnd CrönungsActa, so geschehen zu Franckfurt am Mayn, im Jahr 1658, Original in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.

Karl Kas­par von der Ley­en hat­te ne­ben sei­nen geist­li­chen Funk­tio­nen den Wie­der­auf­bau des Kur­fürs­ten­tums Trier nach dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg (1618-1648) zu be­wäl­ti­gen. Gleich­zei­tig muss­te er sich au­ßen­po­li­tisch zwi­schen Frank­reich und den Habs­bur­gern be­haup­ten; letz­te­re herrsch­ten nicht nur als Kai­ser in Wien, son­dern auch in den be­nach­bar­ten spa­ni­schen Nie­der­lan­den.

Ge­bo­ren wur­de Karl Kas­par am 18.12.1618 als Sohn des kur­trie­ri­schen Amt­manns, Land­hof­meis­ters und Statt­hal­ters in Trier Da­mi­an von der Ley­en (1583-1639) und des­sen Ehe­frau An­na Ka­tha­ri­na (1587-1666), ei­ner ge­bo­re­nen Wald­bott von Bas­sen­heim. Karl Kas­pars Fa­mi­lie stand tra­di­tio­nell im Dienst der Trie­rer Erz­bi­schö­fe und hat­te mit Jo­hann VI. schon ein­mal ei­nen Kur­fürs­ten (1556-1567) ge­stellt. Karl Kas­pars Bru­der Da­mi­an Hart­ard (1624-1678) soll­te zum Erz­bi­schof und Kur­fürs­ten von Mainz auf­stei­gen. Dar­über hin­aus wa­ren die von der Ley­ens mit Fa­mi­li­en ver­wandt, die über Ge­ne­ra­tio­nen ho­he Po­si­tio­nen in geist­li­chen und welt­li­chen Äm­tern des Rhein­lan­des be­klei­de­ten: So war Karl Kas­par zum Bei­spiel der Nef­fe von Jo­hann Phil­ipp von Schön­born (1605-1673), der ihm als Reich­serz­kanz­ler, Erz­bi­schof und Kur­fürst von Mainz (Epis­ko­pat 1647-1673) über wei­te Stre­cken die po­li­ti­sche Li­nie vor­gab. Sei­nen Nef­fen Jo­hann Hu­go von Ors­beck ließ Karl Kas­par 1672 zu sei­nem Ko­ad­ju­tor wäh­len, wo­mit er des­sen Nach­fol­ge als Erz­bi­schof und Kur­fürst an­bahn­te.

Be­deu­tung ge­wann Karl Kas­par erst­mals als An­füh­rer der Op­po­si­ti­on des Trie­rer Dom­ka­pi­tels ge­gen Phil­ipp Chris­toph von Sö­tern am En­de von des­sen Amts­zeit als Erz­bi­schof und Kur­fürst von Trier. Von Sö­tern hat­te sich durch sein selbst­herr­li­ches Re­gi­ment und durch die An­leh­nung an Frank­reich wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges Fein­de ge­macht. Dass der Kur­fürst auch nach sei­ner Rück­kehr aus zehn­jäh­ri­ger Ge­fan­gen­schaft 1645 nicht von die­sem Kurs ab­wich und 1649 un­ter Miss­ach­tung des Wahl­rechts des Dom­ka­pi­tels ver­such­te, Phil­ipp Lud­wig von Reif­fen­berg als Ko­ad­ju­tor ein­zu­set­zen, trieb die Dom­herrn ins Exil nach Köln. Dort sam­mel­ten sie Trup­pen, an de­ren Spit­ze Karl Kas­par und Hu­go Eber­hard Kratz von Schar­fen­stein 1649 Trier be­setz­ten, wo sie den Erz­bi­schof in ih­re Ge­walt brach­ten. Der Erz­bi­schof muss­te die Dom­her­ren wie­der auf­neh­men, de­ren kon­fis­zier­te Gü­ter und Rech­te zu­rück­er­stat­ten und dem Dom­ka­pi­tel ei­ne Be­tei­li­gung an der Re­gie­rung ein­räu­men. Be­sie­gelt wur­de die­se Wen­dung 1650 durch die Wahl Karl Kas­pars zum Ko­ad­ju­tor des Erz­bi­schofs, der 1652 starb.

Die Wahl­ka­pi­tu­la­ti­on, das hei­ßt die Be­din­gun­gen, auf die Karl Kas­par sich bei sei­ner Nach­fol­ge ge­gen­über den Trie­rer Dom­her­ren als sei­nen Wäh­lern ver­pflich­te­te, stand ganz im Zei­chen schar­fer Ab­gren­zung von der Po­li­tik sei­nes Vor­gän­gers: Sie räum­te dem Dom­ka­pi­tel we­sent­li­che Mit­re­gie­rungs­be­fug­nis­se ein und ver­pflich­te­te Karl Kas­par zur Treue ge­gen­über Kai­ser und Reich. Auch dass der 1652 ein­be­ru­fe­ne Land­tag Karl Kas­par auf­gab, ein ein­heit­li­ches Zi­vil­recht für den Trie­rer Kur­staat zu schaf­fen, war ei­ne Re­ak­ti­on auf Miss­bräu­che un­ter sei­nem Vor­gän­ger. Karl Kas­par hat die­ses Ver­spre­chen 1668 in Ge­stalt des Land­rechts für Kur­trier ein­ge­löst; die­se ers­te Zi­vil­rechts­ko­di­fi­ka­ti­on für den Kur­staat lös­te die ört­li­chen Ge­wohn­heits­rech­te durch ei­ne Rechts­ord­nung ab, die sich am rö­mi­schen und ka­no­ni­schen Recht ori­en­tier­te, und die in der 1713 über­ar­bei­te­ten Fas­sung bis zum Un­ter­gang des Kur­staa­tes in­fol­ge der fran­zö­si­schen Be­set­zung in den Re­vo­lu­ti­ons­krie­gen galt.

Ins­be­son­de­re in Trier för­der­te Karl Kas­par den Wie­der­auf­bau durch In­ves­ti­tio­nen, Steu­er­be­frei­un­gen und pla­ne­ri­sche Maß­nah­men. Er ließ die Fes­tun­gen Ko­blenz und Eh­ren­breit­stein aus­bau­en und ein Jagd­schloss in Kär­lich (heu­te Mül­heim-Kär­lich) er­rich­ten. Er re­si­dier­te in Eh­ren­breit­stein; aus Trier, wo er 1655 die ein­zi­ge gro­ße Aus­stel­lung des Hei­li­gen Rocks zwi­schen 1585 und 1810 ab­hal­ten ließ, da­tiert kei­ne sei­ner Ver­ord­nun­gen. Er stif­te­te ein Kna­ben­wai­sen­haus in Trier und för­der­te die Je­sui­ten, die sich un­ter ihm Ver­diens­te um die Trie­rer Uni­ver­si­tät er­war­ben. Auch die Nie­der­las­sung an­de­rer Or­den, zum Bei­spiel der Ka­pu­zi­ner in St. Goar und der Kar­me­li­ter in Ko­blenz wur­den ge­för­dert. 1667 wur­de in Trier auf­grund ei­ner Stif­tung des Lüt­ti­cher Dom­de­chan­ten Fer­di­nand Frei­herr von Bo­choltz-Orey  ein Se­mi­nar für Theo­lo­gen ge­grün­det, das Karl Kas­par 1668 durch Stif­tun­gen für bür­ger­li­che Stu­den­ten er­gänz­te und un­ter­stütz­te, in­dem er Ge­bäu­de zur Ver­fü­gung stell­te. 1654 ver­bot er He­xen­pro­zes­se. Au­ßen­po­li­tisch war das an die spa­ni­schen Nie­der­lan­de gren­zen­de Kur­trier höchst ge­fähr­det: Zwar hat­te der West­fä­li­sche Frie­den 1648 den Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg be­en­det, doch der Fran­zö­sisch-Spa­ni­sche Krieg (1635-1659) dau­er­te an. Dass der habs­bur­gi­sche Kai­ser dem spa­ni­schen Zweig sei­ner Dy­nas­tie Hilfs­trup­pen in die spa­ni­schen Nie­der­lan­de sand­te, ob­wohl der West­fä­li­sche Frie­den dies ver­bot, konn­te zum Über­grei­fen des Krie­ges auf das Reich füh­ren. Dort zo­gen im­mer noch ehe­ma­li­ge Söld­ner und Kriegs­her­ren in spa­ni­schen Diens­ten wie der Her­zog Karl IV. von Loth­rin­gen (1604-1675) und Louis II. Fran­cois, Fürst von Con­dé (1621-1686) plün­dernd um­her und hiel­ten ein­zel­ne Or­te wie zum Bei­spiel die kur­trie­ri­sche Fes­tung Ham­mer­stein be­setzt. Karl Kas­par er­ober­te die Fes­tung 1654 mit Un­ter­stüt­zung durch Kur­k­öln, Bran­den­burg und Müns­ter zu­rück. Die im sel­ben Jahr mit Kur­k­öln, Müns­ter und Pfalz-Neu­burg ge­schlos­se­ne Köl­ner Al­li­anz soll­te der Si­cher­heit die­nen. Die­ses Bünd­nis wur­de 1655 mit der 1651 zwi­schen Kur­trier, Kur­k­öln und Kur­mainz ge­schlos­se­nen Kur­rhei­ni­schen Al­li­anz ver­ei­nigt.

Bei der Kai­ser­wahl 1658 ga­ben un­ter an­de­rem Karl Kas­par und sein On­kel, der Main­zer Kur­fürst Jo­hann Phil­ipp von Schön­born, ih­re Stim­men dem habs­bur­gi­schen Erz­her­zog Leo­pold (1640-1705). Leo­pold I. (1658-1705) muss­te sich in der Wahl­ka­pi­tu­la­ti­on ver­pflich­ten, Spa­ni­en kei­ne Hilfs­trup­pen zu sen­den. Um ihn zur Ein­hal­tung die­ser Ver­pflich­tung zu zwin­gen, schloss Kur­mainz 1658 mit an­de­ren Reichs­fürs­ten und Frank­reich den Rhein­bund mit der Ver­pflich­tung für al­le Teil­neh­mer, kai­ser­li­chen Hilfs­trup­pen den Durch­marsch zu ver­wei­gern; aber in ein Bünd­nis mit Frank­reich woll­te Karl Kas­par sei­nem On­kel nicht mehr fol­gen - wohl aus Furcht vor habs­bur­gi­schen Re­pres­sio­nen. Der Kai­ser ent­sand­te wei­ter­hin Hilfs­trup­pen.

Dass Karl Kas­par 1662 doch noch dem Rhein­bund bei­trat, lag wohl we­ni­ger an der Be­en­di­gung des Krie­ges in den spa­ni­schen Nie­der­lan­den durch den Py­renä­nen­frie­den 1659 als an den fol­gen­den Grün­den: Loth­rin­gen hat­te im Py­re­nä­en­frie­den Ge­bie­te an Frank­reich ab­ge­tre­ten, die zum Erz­bis­tum Trier ge­hör­ten, und aus de­nen das Dom­ka­pi­tel Ein­künf­te be­zog; es be­stan­den Strei­tig­kei­ten mit Frank­reich über den Be­sitz des Schlos­ses Mont­clair an der Saar und über Kur­triers Lehns­herr­lich­keit über die Graf­schaft Vel­denz. Dar­über hin­aus be­müh­te sich Frank­reich, die Bis­tü­mer Metz, Toul und Ver­dun aus der Trie­rer Erz­diö­ze­se zu lö­sen. Der Bei­tritt zum Rhein­bund war der Preis da­für, dass Frank­reich in die­sen Fra­gen nach­gab.

Al­ler­dings lief der Rhein­bund un­ter dem Ein­druck der Er­obe­rungs­ab­sich­ten Frank­reichs ge­gen­über den spa­ni­schen Nie­der­lan­den im De­vo­lu­ti­ons­krieg (1667/1668) 1668 aus. 1672 trat Kur­trier der Ma­ri­en­bur­ger Al­li­anz bei, der un­ter an­de­rem Kur­mainz und der Kai­ser an­ge­hör­ten. Als Frank­reich zu Be­ginn des Fran­zö­sisch-Hol­län­di­schen Krie­ges (1672-1678) frei­en Durch­marsch ver­lang­te, muss­te Karl Kas­par zwar nach­ge­ben, doch führ­te er sein Erz­stift noch 1672 in ein Bünd­nis mit dem Kai­ser und Bran­den­burg. Ob­wohl er die­sen Schritt zu­nächst ge­heim hielt, be­setz­te Frank­reich 1673 Trier und den grö­ß­ten Teil des Kur­fürs­ten­tums. 1674 schloss Karl Kas­par ein Bünd­nis mit dem Kai­ser und Kur­mainz. Die ver­bün­de­ten Trup­pen schlu­gen die Fran­zo­sen 1675 an der Kon­zer Brü­cke und er­ober­ten Trier zu­rück, aber Karl Kas­par er­leb­te das Kriegs­en­de nicht mehr: Er starb am 1.6.1676 und wur­de im Trie­rer Dom bei­ge­setzt. Sein Grab­denk­mal wur­de 1802 zer­stört; nur die Stuck­de­cke in der West­ap­sis blieb er­hal­ten.

Literatur

Brau­bach, Max, Vom West­fä­li­schen Frie­den bis zum Wie­ner Kon­gress (1648-1815), in: Rhei­ni­sche Ge­schich­te, hg. von Franz Pe­tri u. Ge­org Dro­ege, Band 2, 3. Auf­la­ge, Düs­sel­dorf 1980, S. 219-365.
Erd­manns­dörf­fer, Bern­hard, Deut­sche Ge­schich­te vom West­fä­li­schen Frie­den bis zum Re­gie­rungs­an­tritt Fried­richs des Gro­ßen. 1648-1740, 2 Bän­de, Darm­stadt 1962 (Ori­gi­nal­aus­ga­be Ber­lin 1892/1893; un­ver­än­der­ter Nach­druck der Aus­ga­be Leip­zig 1932).
Leh­nen, Ja­kob, Bei­trä­ge zur kur­fürst­lich-trie­ri­schen Po­li­tik un­ter Karl Kas­par von der Ley­en 1652-1672, Dis­ser­ta­ti­on­Straß­burg 1914.
Leo­nar­dy, Jo­hann, Ge­schich­te des Trie­ri­schen Lan­des und Vol­kes. In sie­ben Bü­chern, nach den bes­ten Quel­len be­ar­bei­tet und bis in die neu­es­te Zeit fort­ge­führt, Trier 1877. [www.di­li­bri.de/ub­tr/con­tent/tit­le­info/13013]
Sei­brich, Wolf­gang, Karl Kas­par, Reichs­rit­ter (seit 1653 Reichs­frei­herr) von der Ley­en-Ho­hen­ge­rolds­eck in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe des Hei­li­gen Rö­mi­schen Rei­ches. 1648 bis 1803. Ein bio­gra­phi­sches Le­xi­kon, Ber­lin 1990, S. 273-276.

Online

Brau­bach, Max, „Karl Kas­par von der Ley­en“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 11 (1977), S. 265 f. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Hanke, René, Karl Kaspar von der Leyen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-kaspar-von-der-leyen/DE-2086/lido/57c93232714e64.23105040 (abgerufen am 06.12.2024)