Zu den Kapiteln
Karl Kaspar von der Leyen hatte neben seinen geistlichen Funktionen den Wiederaufbau des Kurfürstentums Trier nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zu bewältigen. Gleichzeitig musste er sich außenpolitisch zwischen Frankreich und den Habsburgern behaupten; letztere herrschten nicht nur als Kaiser in Wien, sondern auch in den benachbarten spanischen Niederlanden.
Geboren wurde Karl Kaspar am 18.12.1618 als Sohn des kurtrierischen Amtmanns, Landhofmeisters und Statthalters in Trier Damian von der Leyen (1583-1639) und dessen Ehefrau Anna Katharina (1587-1666), einer geborenen Waldbott von Bassenheim. Karl Kaspars Familie stand traditionell im Dienst der Trierer Erzbischöfe und hatte mit Johann VI. schon einmal einen Kurfürsten (1556-1567) gestellt. Karl Kaspars Bruder Damian Hartard (1624-1678) sollte zum Erzbischof und Kurfürsten von Mainz aufsteigen. Darüber hinaus waren die von der Leyens mit Familien verwandt, die über Generationen hohe Positionen in geistlichen und weltlichen Ämtern des Rheinlandes bekleideten: So war Karl Kaspar zum Beispiel der Neffe von Johann Philipp von Schönborn (1605-1673), der ihm als Reichserzkanzler, Erzbischof und Kurfürst von Mainz (Episkopat 1647-1673) über weite Strecken die politische Linie vorgab. Seinen Neffen Johann Hugo von Orsbeck ließ Karl Kaspar 1672 zu seinem Koadjutor wählen, womit er dessen Nachfolge als Erzbischof und Kurfürst anbahnte.
Bedeutung gewann Karl Kaspar erstmals als Anführer der Opposition des Trierer Domkapitels gegen Philipp Christoph von Sötern am Ende von dessen Amtszeit als Erzbischof und Kurfürst von Trier. Von Sötern hatte sich durch sein selbstherrliches Regiment und durch die Anlehnung an Frankreich während des Dreißigjährigen Krieges Feinde gemacht. Dass der Kurfürst auch nach seiner Rückkehr aus zehnjähriger Gefangenschaft 1645 nicht von diesem Kurs abwich und 1649 unter Missachtung des Wahlrechts des Domkapitels versuchte, Philipp Ludwig von Reiffenberg als Koadjutor einzusetzen, trieb die Domherrn ins Exil nach Köln. Dort sammelten sie Truppen, an deren Spitze Karl Kaspar und Hugo Eberhard Kratz von Scharfenstein 1649 Trier besetzten, wo sie den Erzbischof in ihre Gewalt brachten. Der Erzbischof musste die Domherren wieder aufnehmen, deren konfiszierte Güter und Rechte zurückerstatten und dem Domkapitel eine Beteiligung an der Regierung einräumen. Besiegelt wurde diese Wendung 1650 durch die Wahl Karl Kaspars zum Koadjutor des Erzbischofs, der 1652 starb.
Die Wahlkapitulation, das heißt die Bedingungen, auf die Karl Kaspar sich bei seiner Nachfolge gegenüber den Trierer Domherren als seinen Wählern verpflichtete, stand ganz im Zeichen scharfer Abgrenzung von der Politik seines Vorgängers: Sie räumte dem Domkapitel wesentliche Mitregierungsbefugnisse ein und verpflichtete Karl Kaspar zur Treue gegenüber Kaiser und Reich. Auch dass der 1652 einberufene Landtag Karl Kaspar aufgab, ein einheitliches Zivilrecht für den Trierer Kurstaat zu schaffen, war eine Reaktion auf Missbräuche unter seinem Vorgänger. Karl Kaspar hat dieses Versprechen 1668 in Gestalt des Landrechts für Kurtrier eingelöst; diese erste Zivilrechtskodifikation für den Kurstaat löste die örtlichen Gewohnheitsrechte durch eine Rechtsordnung ab, die sich am römischen und kanonischen Recht orientierte, und die in der 1713 überarbeiteten Fassung bis zum Untergang des Kurstaates infolge der französischen Besetzung in den Revolutionskriegen galt.
Insbesondere in Trier förderte Karl Kaspar den Wiederaufbau durch Investitionen, Steuerbefreiungen und planerische Maßnahmen. Er ließ die Festungen Koblenz und Ehrenbreitstein ausbauen und ein Jagdschloss in Kärlich (heute Mülheim-Kärlich) errichten. Er residierte in Ehrenbreitstein; aus Trier, wo er 1655 die einzige große Ausstellung des Heiligen Rocks zwischen 1585 und 1810 abhalten ließ, datiert keine seiner Verordnungen. Er stiftete ein Knabenwaisenhaus in Trier und förderte die Jesuiten, die sich unter ihm Verdienste um die Trierer Universität erwarben. Auch die Niederlassung anderer Orden, zum Beispiel der Kapuziner in St. Goar und der Karmeliter in Koblenz wurden gefördert. 1667 wurde in Trier aufgrund einer Stiftung des Lütticher Domdechanten Ferdinand Freiherr von Bocholtz-Orey ein Seminar für Theologen gegründet, das Karl Kaspar 1668 durch Stiftungen für bürgerliche Studenten ergänzte und unterstützte, indem er Gebäude zur Verfügung stellte. 1654 verbot er Hexenprozesse. Außenpolitisch war das an die spanischen Niederlande grenzende Kurtrier höchst gefährdet: Zwar hatte der Westfälische Frieden 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendet, doch der Französisch-Spanische Krieg (1635-1659) dauerte an. Dass der habsburgische Kaiser dem spanischen Zweig seiner Dynastie Hilfstruppen in die spanischen Niederlande sandte, obwohl der Westfälische Frieden dies verbot, konnte zum Übergreifen des Krieges auf das Reich führen. Dort zogen immer noch ehemalige Söldner und Kriegsherren in spanischen Diensten wie der Herzog Karl IV. von Lothringen (1604-1675) und Louis II. Francois, Fürst von Condé (1621-1686) plündernd umher und hielten einzelne Orte wie zum Beispiel die kurtrierische Festung Hammerstein besetzt. Karl Kaspar eroberte die Festung 1654 mit Unterstützung durch Kurköln, Brandenburg und Münster zurück. Die im selben Jahr mit Kurköln, Münster und Pfalz-Neuburg geschlossene Kölner Allianz sollte der Sicherheit dienen. Dieses Bündnis wurde 1655 mit der 1651 zwischen Kurtrier, Kurköln und Kurmainz geschlossenen Kurrheinischen Allianz vereinigt.
Bei der Kaiserwahl 1658 gaben unter anderem Karl Kaspar und sein Onkel, der Mainzer Kurfürst Johann Philipp von Schönborn, ihre Stimmen dem habsburgischen Erzherzog Leopold (1640-1705). Leopold I. (1658-1705) musste sich in der Wahlkapitulation verpflichten, Spanien keine Hilfstruppen zu senden. Um ihn zur Einhaltung dieser Verpflichtung zu zwingen, schloss Kurmainz 1658 mit anderen Reichsfürsten und Frankreich den Rheinbund mit der Verpflichtung für alle Teilnehmer, kaiserlichen Hilfstruppen den Durchmarsch zu verweigern; aber in ein Bündnis mit Frankreich wollte Karl Kaspar seinem Onkel nicht mehr folgen - wohl aus Furcht vor habsburgischen Repressionen. Der Kaiser entsandte weiterhin Hilfstruppen.
Dass Karl Kaspar 1662 doch noch dem Rheinbund beitrat, lag wohl weniger an der Beendigung des Krieges in den spanischen Niederlanden durch den Pyrenänenfrieden 1659 als an den folgenden Gründen: Lothringen hatte im Pyrenäenfrieden Gebiete an Frankreich abgetreten, die zum Erzbistum Trier gehörten, und aus denen das Domkapitel Einkünfte bezog; es bestanden Streitigkeiten mit Frankreich über den Besitz des Schlosses Montclair an der Saar und über Kurtriers Lehnsherrlichkeit über die Grafschaft Veldenz. Darüber hinaus bemühte sich Frankreich, die Bistümer Metz, Toul und Verdun aus der Trierer Erzdiözese zu lösen. Der Beitritt zum Rheinbund war der Preis dafür, dass Frankreich in diesen Fragen nachgab.
Allerdings lief der Rheinbund unter dem Eindruck der Eroberungsabsichten Frankreichs gegenüber den spanischen Niederlanden im Devolutionskrieg (1667/1668) 1668 aus. 1672 trat Kurtrier der Marienburger Allianz bei, der unter anderem Kurmainz und der Kaiser angehörten. Als Frankreich zu Beginn des Französisch-Holländischen Krieges (1672-1678) freien Durchmarsch verlangte, musste Karl Kaspar zwar nachgeben, doch führte er sein Erzstift noch 1672 in ein Bündnis mit dem Kaiser und Brandenburg. Obwohl er diesen Schritt zunächst geheim hielt, besetzte Frankreich 1673 Trier und den größten Teil des Kurfürstentums. 1674 schloss Karl Kaspar ein Bündnis mit dem Kaiser und Kurmainz. Die verbündeten Truppen schlugen die Franzosen 1675 an der Konzer Brücke und eroberten Trier zurück, aber Karl Kaspar erlebte das Kriegsende nicht mehr: Er starb am 1.6.1676 und wurde im Trierer Dom beigesetzt. Sein Grabdenkmal wurde 1802 zerstört; nur die Stuckdecke in der Westapsis blieb erhalten.
Literatur
Braubach, Max, Vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongress (1648-1815), in: Rheinische Geschichte, hg. von Franz Petri u. Georg Droege, Band 2, 3. Auflage, Düsseldorf 1980, S. 219-365.
Erdmannsdörffer, Bernhard, Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen. 1648-1740, 2 Bände, Darmstadt 1962 (Originalausgabe Berlin 1892/1893; unveränderter Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1932).
Lehnen, Jakob, Beiträge zur kurfürstlich-trierischen Politik unter Karl Kaspar von der Leyen 1652-1672, DissertationStraßburg 1914.
Leonardy, Johann, Geschichte des Trierischen Landes und Volkes. In sieben Büchern, nach den besten Quellen bearbeitet und bis in die neueste Zeit fortgeführt, Trier 1877. [www.dilibri.de/ubtr/content/titleinfo/13013]
Seibrich, Wolfgang, Karl Kaspar, Reichsritter (seit 1653 Reichsfreiherr) von der Leyen-Hohengeroldseck in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. 1648 bis 1803. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1990, S. 273-276.
Online
Braubach, Max, „Karl Kaspar von der Leyen“, in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 265 f. [Online]
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Hanke, René, Karl Kaspar von der Leyen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-kaspar-von-der-leyen/DE-2086/lido/57c93232714e64.23105040 (abgerufen am 06.12.2024)