Paulus Melchers

Erzbischof von Köln (1866-1885)

Joachim Oepen (Köln)

Paulus Kardinal Melchers, Porträtfoto.

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Mel­chers war ei­ner der Ex­po­nen­ten des Kul­tur­kamp­fes und als sol­cher bei den Ka­tho­li­ken au­ßer­or­dent­lich po­pu­lär.

Pau­lus Lu­dolf Mel­chers, so der voll­stän­di­ge Na­me, wur­de am 6.1.1813 in Müns­ter als Sohn ei­ner wohl­ha­ben­den Kauf­manns­fa­mi­lie ge­bo­ren. Ein ent­fern­ter On­kel war der Müns­te­ra­ner Weih­bi­schof und Ge­ne­ral­vi­kar Franz Ar­nold Mel­chers (1765–1851). Nach dem schu­li­schen Wer­de­gang und dem Ab­itur 1829 am Gym­na­si­um Pau­li­num in Müns­ter stu­dier­te Pau­lus Mel­chers an der Uni­ver­si­tät Müns­ter nur sehr kurz Phi­lo­so­phie. Es folg­ten von 1830 bis 1833 ein Ju­ra­stu­di­um in Bonn, die Ab­sol­vie­rung der Mi­li­tär­pflicht so­wie da­nach der Jus­tiz­dienst in Müns­ter. Erst 1839 wand­te er sich mit dem Ent­schluss, Pries­ter zu wer­den, dem Theo­lo­gie­stu­di­um in Mün­chen zu. Der Pries­ter­wei­he 1841 folg­te ein be­acht­li­che geist­li­che Kar­rie­re: Nach der Ka­plan­zeit in Hal­tern wur­de Mel­chers Sub­re­gens des Pries­ter­se­mi­nars Müns­ter, dann Dom­ka­pi­tu­lar und Ge­ne­ral­vi­kar (1852). 1857 folg­te die Er­nen­nung zum ers­ten Bi­schof des wie­der­er­rich­te­ten Bis­tums Os­na­brück. Ein wei­te­res, schwie­ri­ges Amt kam im dar­auf fol­gen­den Jahr hin­zu: Als Apos­to­li­scher Pro­vi­kar der Nor­di­schen Mis­sio­nen Deutsch­lands und Dä­ne­marks wa­ren Mel­chers vor al­lem die Ka­tho­li­ken in der nord­deut­schen Dia­spo­ra an­ver­traut.

 

Be­reits im Re­vo­lu­ti­ons­jahr 1848 hat­te Mel­chers – wie auch an­de­re Geist­li­che – der Deut­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung in der Frank­fur­ter Pauls­kir­che an­ge­hört, wo er als Ab­ge­ord­ne­ter den Kreis Ahaus ver­trat. Die­ses Man­dat hat­te er nur mit Zö­gern an­ge­nom­men und leg­te es be­reits nach zwei Mo­na­ten nie­der. Als Bi­schof von Os­na­brück nahm Mel­chers 1860 am Köl­ner Pro­vin­zi­al­kon­zil un­ter der Lei­tung des Köl­ner Erz­bi­schofs und Kar­di­nals Jo­han­nes von Geis­sel teil, wel­ches Aus­sa­gen über die lehr­amt­li­che Un­fehl­bar­keit des Paps­tes vor­weg­nahm, die das Ers­te Va­ti­ka­ni­sche Kon­zil zehn Jah­re spä­ter als Dog­ma de­fi­nier­te. 1866 folg­te Mel­chers dann Geis­sel auf dem Stuhl de­s Köl­ner Erz­bi­schofs. Zu­vor wa­ren die Wahl­ver­hand­lun­gen er­geb­nis­los ge­blie­ben, so­dass Mel­chers schlie­ß­lich von Papst Pi­us IX. (Pon­ti­fi­kat 1846-1878) als Kom­pro­miss­kan­di­dat er­nannt wur­de. In den gut zehn Jah­ren sei­nes Wir­kens als Erz­bi­schof er­füll­te Mel­chers ein er­staun­li­ches Ar­beits­pen­sum, in­dem er bei­spiels­wei­se fast al­le der rund 800 Pfar­rei­en im Erz­bis­tum be­such­te. Fer­ner fiel ihm auf­grund der Be­deu­tung des Köl­ner Spren­gels gleich­sam au­to­ma­tisch ei­ne Füh­rungs­rol­le im preu­ßi­schen Epis­ko­pat zu. So wähl­te ihn die Kon­fe­renz der (klein-)deut­schen Bi­schö­fe, die sich seit 1867 re­gel­mä­ßig in Ful­da traf, zum Vor­sit­zen­den.

Auf dem Ers­ten Va­ti­ka­ni­schen Kon­zil kri­ti­sier­te Mel­chers den wach­sen­den rö­mi­schen Zen­tra­lis­mus, nahm aber zu der auf der Ta­ges­ord­nung ste­hen­den Un­fehl­bar­keits­fra­ge kei­ne Stel­lung. Ei­nen Tag vor der ent­schei­den­den Schluss­ab­stim­mung über das neue Dog­ma der päpst­li­chen Un­fehl­bar­keit (18.7.1870) ver­ließ Mel­chers das Kon­zil zu­sam­men mit 55 an­de­ren Kon­zils­vä­tern der Mi­no­ri­tät, die der De­fi­ni­ti­on nicht zu­stim­men woll­te. Zu­vor er­klär­te er schrift­lich, dass er sich den Kon­zils­be­schlüs­sen un­ter­wer­fen wer­de. Grund­sätz­li­che Ein­wän­de ge­gen die päpst­li­che Un­fehl­bar­keit heg­te Mel­chers kei­ne, wohl lehn­te er de­ren Dog­ma­ti­sie­rung ab, weil er sie für theo­lo­gisch nicht aus­ge­reift und ins­be­son­de­re nicht op­por­tun hielt. Gleich­wohl pu­bli­zier­te Mel­chers den Kon­zils­be­schluss als ers­ter der deut­schen Mi­no­ri­täts­bi­schö­fe in sei­nem Erz­bis­tum. Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen um das Un­fehl­bar­keits­dog­ma führ­ten zur Ab­spal­tung der alt­ka­tho­li­schen Kir­che, de­ren Bi­schof sei­nen Sitz in Bonn nahm, al­so im Be­reich des Erz­bis­tums Köln. Oh­ne­hin war die Bon­ner Uni­ver­si­tät Schau­platz hef­ti­ger Kon­flik­te um das Dog­ma, nicht zu­letzt weil Mel­chers von den Theo­lo­gie­pro­fes­so­ren ei­ne ein­deu­ti­ge Er­klä­rung zur An­nah­me des Dog­mas ver­lang­te. Drei Bon­ner Pro­fes­so­ren sus­pen­dier­te und ex­kom­mu­ni­zier­te Mel­chers schlie­ß­lich. In dem sich an­schlie­ßen­den Kul­tur­kampf wur­den ge­gen Mel­chers we­gen Ver­stö­ßen ge­gen die im We­sent­li­chen zwi­schen 1871 und 1875 er­las­se­ne Kul­tur­kampf­ge­setz­ge­bung mehr­fach Geld­stra­fen ver­hängt, de­ren Zah­lung der Erz­bi­schof im Sin­ne ei­nes pas­si­ven Wi­der­stan­des ab­lehn­te. Es folg­ten zwei Pfän­dun­gen und schlie­ß­lich am 31.5.1874 die spek­ta­ku­lä­re und Auf­se­hen er­re­gen­de Ver­haf­tung Mel­chers’, der et­was mehr als ein hal­bes Jahr im Köl­ner Ge­fäng­nis „Klin­gel­pütz" ver­brin­gen muss­te. Im Fol­ge­jahr lei­te­ten die Re­gie­rungs­be­hör­den die Ab­set­zung des Erz­bi­schofs ein, der sich am 13.12.1875 ei­ner zwei­ten dro­hen­den Ver­haf­tung durch Flucht ent­zog. Er reis­te über Ven­lo und Ro­er­mond ins nie­der­län­di­sche Maas­tricht, wo er im Fran­zis­ka­ner­klos­ter Auf­nah­me fand. Die Jah­re sei­nes Exils ver­brach­te Mel­chers haupt­säch­lich im Gar­ten­haus des Klos­ters. Von dort ver­such­te er das Erz­bis­tum und die Ful­da­er Bi­schofs­kon­fe­renz wei­ter­hin zu lei­ten, was ins­be­son­de­re durch ei­ne reich­hal­ti­ge Kor­re­spon­denz so­wie durch den Ein­satz zu­ver­läs­si­ger Pries­ter als „Ge­heim­de­le­ga­ten" er­folg­te. Kon­takt zu den Gläu­bi­gen ver­such­te Mel­chers durch die Her­aus­ga­be von Klein­schrif­ten er­bau­li­chen und po­pu­lä­ren Cha­rak­ters zu hal­ten.

Die staat­li­chen Be­hör­den be­müh­ten sich ver­geb­lich, den Auf­ent­halts­ort des Köl­ner Erz­bi­schofs in Er­fah­rung zu brin­gen. In­zwi­schen er­klär­te der 1873 ge­schaf­fe­ne Ge­richts­hof für kirch­li­che An­ge­le­gen­hei­ten Mel­chers am 28.6.1876 für ab­ge­setzt. Die Ver­wal­tung des Kir­chen­ver­mö­gens wur­de ei­nem staat­lich be­stell­ten Kom­mis­sar über­tra­gen.

Die star­ren Fron­ten wur­den erst auf­ge­bro­chen, als 1878 an die Stel­le von Papst Pi­us IX. der ver­bind­li­che­re Leo XIII. (Pon­ti­fi­kat 1878–1903) trat und Reichs­kanz­ler Ot­to von Bis­marck (1815–1898) ein Ein­len­ken rat­sam er­schien. Im Rah­men ei­nes An­näh­rungs­kur­ses zwi­schen rö­mi­scher Ku­rie und preu­ßi­schem Staat kam es im Lau­fe des nächs­ten Jahr­zehnts zur Bei­le­gung des Kul­tur­kamp­fes. Da­mit wa­ren Mel­chers und der eben­falls im aus­län­di­schen Exil le­ben­de Erz­bi­schof von Po­sen-Gne­sen, Miec­zysław Hal­ka von Le­dóchow­ski (1822–1902), zu Hin­der­nis­sen ei­nes Aus­glei­ches ge­wor­den: Die preu­ßi­sche Re­gie­rung stimm­te ei­ner Re­ha­bi­li­tie­rung und Rück­kehr der Erz­bi­schö­fe, in de­nen sie die Haupt­ex­po­nen­ten des kirch­li­chen Wi­der­stan­des ver­mu­te­te, nicht zu; die Ku­rie konn­te ih­rer­seits Mel­chers und Le­dóchow­ski nicht fal­len las­sen. Schlie­ß­lich er­nann­te Leo XIII. den bis­he­ri­gen Erm­län­der Bi­schof Phil­ipp Kre­mentz 1885 zum neu­en Erz­bi­schof von Köln und be­rief Mel­chers ab; im Kon­sis­to­ri­um vom 27.7.1885 wur­de er vom Papst zum Kar­di­nal er­nannt.

Mit der Er­nen­nung zum Kar­di­nal sie­del­te Mel­chers nach Rom über, wo er im Col­le­gi­um Ger­ma­ni­cum wohn­te. Un­kennt­nis der ita­lie­ni­schen Spra­che und zu­neh­men­de Kränk­lich­keit be­ding­ten, dass Mel­chers in Rom re­la­tiv zu­rück­ge­zo­gen leb­te und die Mög­lich­kei­ten, die sich in der Po­si­ti­on als Ku­ri­en­kar­di­nal bo­ten, kaum nutz­te. Wohl setz­te er sei­ne schrift­stel­le­ri­sche Tä­tig­keit durch die Her­aus­ga­be ei­nes Hand­bu­ches über die Vi­si­ta­ti­on („De ca­no­ni­ca dio­ce­si­um vi­si­ta­tio­ne cum ap­pa­en­di­ce de vi­si­ta­tio­ne Sa­co­rum Li­mi­num", 1893) fort. Ei­ne schwe­re Krank­heit war für Mel­chers der An­lass, 1892 mit päpst­li­cher Er­laub­nis dem Je­sui­ten­or­den bei­zu­tre­ten. Am 14.12.1895 starb er in Rom. Sein Leich­nam wur­de nach Köln über­führt und am 27. De­zem­ber im Dom bei­ge­setzt.

Mel­chers pfleg­te ei­nen stren­gen und as­ke­ti­schen Le­bens­stil. Er­win Gatz wer­tet ihn als „her­ben, ju­ris­tisch nüch­ter­nen und ganz und gar un­poe­ti­schen West­fa­len", der „ein merk­wür­di­ges In­ter­es­se für my­thi­sche Phä­no­me­ne [hat­te]". Den Fä­hig­kei­ten auf ver­wal­tungs­tech­ni­schem Ge­biet stand ei­ne eher mit­tel­mä­ßi­ge theo­lo­gi­sche Be­ga­bung ge­gen­über. Gleich­wohl so­li­da­ri­sier­ten sich Kle­rus und Volk im Ver­lauf des Kul­tur­kamp­fes mit dem Köl­ner Erz­bi­schof. Schnell wur­den Mel­chers ein ho­her Be­kannt­heits­grad und Ver­eh­rung zu­teil; er galt vie­len Ka­tho­li­ken als „Be­ken­n­er­bi­schof". So er­hiel­ten be­reits 1901 die im Sü­den der Köl­ner Neu­stadt neu ge­grün­de­te Pfar­rei so­wie die da­zu­ge­hö­ri­ge Pfarr­kir­che den Ti­tel St. Pau­lus. Ein Ka­pel­len­an­bau der Kir­che wur­de als Pau­lus-Mel­chers-Ge­dächt­nis­ka­pel­le ge­stal­tet. Dar­über hin­aus ist er Eh­ren­bür­ger der Stadt Müns­ter.

Werke (Auswahl)

De ca­no­ni­ca dio­ce­si­um vi­si­ta­tio­ne cum ap­pa­en­di­ce de vi­si­ta­tio­ne Sa­co­rum Li­mi­num, Köln 1893.
Die ka­tho­li­sche Leh­re von der Kir­che, Köln 1881.
Ei­ne Un­ter­wei­sung über das hei­li­ge Al­tars-Sa­cra­ment, Köln 1878.

Literatur

Bo­ren­gäs­ser, Nor­bert M., Ar­ti­kel „Mel­chers", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 5 (1993), Sp. 1190-1193.Gatz, Er­win, Mel­chers, Paul Lu­dolf, in: Gatz, Er­win (Hg.): Die Bi­schö­fe der deutsch­spra­chi­gen Län­der 1785/1803 bis 1945. Ein bio­gra­phi­sches Le­xi­kon, Ber­lin 1983, S. 493–497.
He­gel, Edu­ard, Das Erz­bis­tum Köln zwi­schen der Re­stau­ra­ti­on des 19. Jahr­hun­derts und der Re­stau­ra­ti­on des 20. Jahr­hun­derts. 1815–1962 (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 5), Köln 1987, S. 70–85, 531–576.
Oepen, Joa­chim, Pau­lus Kar­di­nal Mel­chers, in: Köl­ner Erz­bi­schö­fe im Kon­flikt mit dem preu­ßi­schen Staat. Cle­mens Au­gust Frei­herr Dros­te zu Vi­sche­ring († 1845), Pau­lus Kar­di­nal Mel­chers († 1895). Ge­denk­aus­stel­lung des His­to­ri­schen Ar­chivs des Erz­bis­tums Köln, Köln 1995, S. 19–25. 

Online

Gatz, Er­win, Ar­ti­kel „Mel­chers, Paul", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 17 (1994), S. 4-5. [On­line]
Stein­mann, Marc, Grab­kam­mer des Kar­di­nals Mel­chers(In­for­ma­ti­on auf der Web­site des Köl­ner Doms). [On­line]

Erzbischof Paulus Melchers, Porträtfoto.

 
Zitationshinweis

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Oepen, Joachim, Paulus Melchers, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paulus-melchers/DE-2086/lido/57c94d06b08318.00270652 (abgerufen am 14.12.2024)