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Petrus Mosellanus war Humanist, Philologe und katholischer Theologe der frühen Reformationszeit. Während seines Studiums an der Universität Köln widmete er sich intensiv Texten antiker Schriftsteller, stieg später zum Rektor der Leipziger Universität auf und hielt 1519 die Eröffnungsrede der Leipziger Disputation.
Mosellanus, dessen Geburtsname Peter Schade/Schad lautet und der auch unter dem Synonym Protegensis bekannt ist, wurde 1493 in Bruttig (heute Bruttig-Fankel) an der Mosel als jüngstes von 14 Kindern des Winzers Johannes Schade und dessen Frau Katharina geboren. Der bereits früh durch seine Begabungen aufgefallene Junge besuchte durch die Vermittlung und finanzielle Unterstützung eines Onkels aus Beilstein sowie seines Cochemer Großvaters die dortige Schule und anschließend Lateinschulen in Luxemburg, Limburg und Trier. Von Trier aus, wo er dem Kollegium St. German der Brüder vom gemeinsamen Leben angehörte, ging Mosellanus 1509 nach Köln. Ausschlaggebend für den Wechsel war möglicherweise der Wunsch seiner Finanziers, ihr Schützling möge dort eine geistliche Laufbahn einschlagen.
Doch Mosellanus wählte einen anderen Weg; in der Metropole am Rhein kam er in Berührung mit humanistisch-akademischen Kreisen. So studierte er in der Montanerburse bei dem Gräzisten Johannes Caesarius (1468-1550), möglicherweise auch bei dem englischen Philologen und Professor der griechischen Sprache Richard Croce/Crocus (wohl 1489-1558). Erst nach über zwei Jahren in Köln schrieb er sich offiziell an der Universität ein. Unter Peter Schayde de Proythgen findet sich in den Matrikeln zum 2.1.1512 seine Einschreibung für die Artistenfakultät. Ein Grund für sein Zögern bei der Immatrikulation kann in der Ablehnung der humanistischer Bildungsideale durch Kölner Gelehrte, insbesondere der Theologen, gesehen werden. Sie drückte sich unter anderem in der Zensur humanistischer Schriften aus. Allerdings ist die ältere Ansicht, Köln sei eine von den Dominikanern beherrschte scholastische Bastion gegen den Humanismus gewesen, dahingehend zu relativieren, dass sie in ihrer Einseitigkeit zu sehr von den Inhalten und Auswirkungen der Dunkelmännerbriefe geprägt worden ist.
Inwieweit Caesarius und seine Schüler von Repressalien und Anfeindungen betroffen waren, lässt sich nicht sagen. Da sie den Schutz des Kölner Domherrn und späteren Universitätskanzlers Hermann von Neuenahr (1482-1530) genossen, welcher ein ehemaliger Schüler und enger Vertrauter von Caesarius war und um den sich der bekannteste außeruniversitäre Humanistenkreis der Stadt bildete, dürfte die Situation der Gruppe vergleichsweise stabil gewesen sein.
Mosellanus erwarb in Köln 1511/1512 das Baccalaureat. Es ermöglichte ihm, privaten akademischen Sprachunterricht zu geben. Eine Lehrstelle erhielt er anschließend jedoch nicht in Köln, sondern im sächsischen Freiberg. Der zeitweise zum Kölner Humanistenkreis zählende Johannes Rhagius, auch Johannes Aesticampianus (1457-1520), hatte dort eine Lateinschule gegründet und warb unter den Kölner Gelehrten und Studenten um Lehrer. Jacob Sobenius, zu dem Mosellanus bereits während des Studiums Kontakt geknüpft hatte, und Caspar Borner (um 1492-1547) veranlassten ihn, diese Gelegenheit wahrzunehmen. Gemeinsam mit dem ebenfalls angeworbenen Borner übersiedelte er nach Sachsen.
Die Angaben über Ankunft und Aufenthalt in Freiberg variieren, teilweise wird seine Lehrtätigkeit an der Schule bereits ab 1513 angenommen (Boeck/Franz, S. 135). Diese Datierung ist zweifelhaft, weil Mosellanus und Borner Köln wohl erst im Dezember 1513 verließen. Andere datieren die Ankunft in Freiberg auf den 6.1.1514 (Schober, S. 21) oder seinen Antritt als Lehrer auf den 1.1.1515 (Kremer 1990, S. 8). Die unterschiedlichen Daten korrespondieren mit unterschiedlichen Angaben zum Gründungsjahr der Lateinschule, das sowohl mit 1511 (Schober, S. 21) als auch mit 1514 angegeben wird (Kremer, S. 17).
Festzuhalten ist, dass sich Mosellanus nur einige Monate, höchstens ein gutes Jahr in Freiberg aufhielt. Am 23.4.1515 schrieb er sich an der Leipziger Universität ein. Hintergrund war die kurz zuvor erfolgte Neubesetzung des Lehrstuhls für griechische Sprache durch den sächsischen Herzog Georg den Bärtigen (1471-1539), der damit auf eine Initiative des Erasmus von Rotterdam (1466/1469-1536) reagierte. Zusätzlich mag auch ein angespanntes Verhältnis zu Rhagius Mosellanus zum Weggang aus Freiberg bewogen haben. Auf den Lehrstuhl berief Herzog Georg Richard Crocus, in dessen Umfeld Mosellanus an der Universität lehrte. Als Crocus 1517 auf Wunsch von König Heinrich VIII. (1491-1547) nach England ging, wurde Mosellanus Crocus‘ Nachfolger auf dem Leipziger Lehrstuhl. Fürsprecher beim sächsischen Herzog hatte er dabei in Crocus selbst, aber auch in seinem Leipziger Schüler Julius Pflug (1499-1564) und dessen Vater Cäsar Pflug (1450/1455-1524), einem herzoglichen Hofrat.
Bereits unmittelbar nach seiner Berufung geriet Mosellanus in heftigen Konflikt mit scholastischen Theologen. In seiner Antrittsvorlesung beschäftigte er sich mit der Bedeutung einer gründlichen Sprachkenntnis und sprach sich, offensichtlich von Idealen des Erasmus inspiriert, für die Orientierung an den griechischen Texten der Kirchenväter aus. Daraufhin griffen ihn sowohl Scholastiker der Universität Leipzig als auch insbesondere der Löwener Theologe Jakob Latomus (um 1475-1544) heftig an. Erasmus, mit dem Mosellanus in brieflichem Kontakt stand und dem er seine Rede übersandt hatte, stellte sich öffentlich auf seine Seite. Die Auseinandersetzungen verschärften sich, als Mosellanus theologische Vorträge über die Schriften des Augustinus und die Paulusbriefe hielt. Versuche, den Anfeindungen in Leipzig durch einen Wechsel nach Wittenberg 1518 zu entgehen, scheiterten. In der Folge profitierte Mosellanus von einer zunehmenden Förderung durch Herzog Georg und wurde durch dessen Unterstützung im April 1520 Rektor der Universität. 1523 wurde er erneut in dieses Amt gewählt.
Als Mitte 1519 die Disputation zwischen Martin Luther (1483-1546), Andreas Bodenstein (1482-1541) und Johannes Eck (1486-1543) in Leipzig bevorstand, beauftragte Herzog Georg Mosellanus mit der Eröffnungsrede. Das Manuskript musste er dem Fürsten zur Genehmigung vorlegen. Am 27.6.1519 appellierte Mosellanus mit seiner Rede in erster Linie an die Beteiligten, sich in ihrer Konfrontation zu mäßigen. Darüber hinaus diskutierte er die Bedeutung philosophischer Argumentation für die Theologie. Aufgrund seiner ohnehin schmächtigen Erscheinung und einer nicht ausgestandenen Erkrankung machte Mosellanus auf die Anwesenden einen schwächlichen Eindruck; auch seine Rede beeindruckte die Zuhörer ganz offensichtlich wenig. Dennoch kann sie als ein Höhepunkt seiner akademischen Tätigkeit gelten.
Bereits 1518 hatte Mosellanus die „Paedalogia“ veröffentlicht. Diese als Schulbuch konzipierte Zusammenstellung von 37 lateinischen Dialogen basierte auf seinen Unterrichtserfahrungen an Schule und Universität. Sie erschien bis etwa 1700 in 79 Auflagen und beeinflusste die Ausbildungsinhalte von Artistenfakultäten bis ins 18. Jahrhundert hinein. Heute gilt sie als sein Hauptwerk.
Mosellanus verstarb am 19.4.1524 in Leipzig mutmaßlich an der Pest und wurde in der dortigen Nicolaikirche beigesetzt. Die Trauerrede in der Aula der Universität hielt Julius Pflug.
Werke (Auswahl)
Oratio de variarum linguarum cognitione paranda, Leipzig 1517 (Antrittsrede an der Leipziger Universität).
Paedalogia in puerorum usum conscripta, Leipzig 1518.
De ratione disputandi praesertim in re theologica, Leipzig 1519.
Eine bedeutende Sammlung von Werken befindet sich in der Stadtbibliothek/Stadtarchiv Trier [siehe Boeck/Gunther in Literatur]
Literatur
Boeck, Anne/Gunther, Franz, Schriften von Peter Mosellanus in der Stadtbibliothek Trier. Zum 500. Geburtstages des Humanisten Peter Schade, in: Kurtrierisches Jahrbuch 33 (1993), S. 135-145.
Kremer, Ulrich Michael, Mosellanus: Humanist zwischen Kirche und Reformation, in: Archiv für Reformationsgeschichte 73 (1982), S. 20-34.
Kremer, Ulrich Michael, Petrus Mosellanus und Julius Pflug, in: Neuss, Elmar/Pollet, J.V. (Hg.), Pflugiana. Studien über Julius Pflug (1499-1564): Ein internationales Symposium, Münster 1990, S. 3-22.
Meuthen, Erich, Kölner Universitätsgeschichte, Band 1, Köln 1988.
Scheible, Hans, Artikel „Mosellanus, Petrus, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 5 (2002), Sp. 1543-1544.
Schober, Robert, Petrus Mosellanus (Familienname Peter Schade), 1493-1524. Ein vergessener Humanist, Koblenz 1979.
Schommers, Reinhold, Petrus Mosellanus aus Bruttig – zum 500. Geburtstag. Die älteste Lebensbeschreibung des bedeutenden Mosel-Humanisten aus dem Jahre 1536, in: Jahrbuch des Kreises Cochem-Zell (1993), S. 117-122.
Weier, Reinhold, Die Rede des Petrus Mosellanus "Über die rechte Weise, theologisch zu disputieren", in: Trierer Theologische Zeitschrift 83 (1974), S. 232-245.
Wim, Francois, The plea by the humanist Petrus Mosellanus for a knowledge of the three biblical languages: A Louvain perspective, in: Revue d'histoire ecclésiastique 98 (2003), S. 438-481.
Online
Grimm, Heinrich, „Mosellanus, Petrus“, in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 170-171. [Online]
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Kaltscheuer, Christoph, Petrus Mosellanus, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/petrus-mosellanus/DE-2086/lido/57c9502c92b978.83937837 (abgerufen am 07.10.2024)