Zu den Kapiteln
Robert Schumann, geboren am 8.6.1810 in Zwickau, wurde zum rheinischen Musiker erst in seinen letzten Lebensjahren, nachdem er im September 1850 von Dresden nach Düsseldorf übergesiedelt war und hier in der Nachfolge Ferdinand Hillers das Amt des Städtischen Musikdirektors übernommen hatte. Ihm oblag die Leitung des Allgemeinen Musikvereins, in dem ein überwiegend aus Laien bestehendes Orchester und eine Chorvereinigung zusammengeschlossen waren.
Die Übernahme des Dirigentenamtes in Düsseldorf war mehrfach motiviert: In der kunstsinnigen Stadt blühte das von namhaften Vorgängern (F. Mendelssohn Bartholdy, F. Rietz, F. Hiller) gepflegte und in seinen organisatorischen Strukturen gefestigte Musikleben, das durch die im Wechsel mit Köln und Aachen durchgeführten Niederrheinischen Musikfeste deutschlandweit Beachtung fand. Zugleich boten sich Möglichkeiten, eigene Werke unmittelbar klanglich zu erproben und über die Programmgestaltung Einfluss auf das Musikleben der Stadt und der Region auszuüben. Ein Teil der in Düsseldorf entstandenen Kompositionen wurde im Rahmen der von Schumann geleiteten Abonnementskonzerte (z.B. die 3. Symphonie „Rheinische" op. 97, 4. Symphonie op. 120) und in Kammermusik-Soireen beziehungsweise beim Niederrheinischen Musikfest (1853) uraufgeführt. Nicht zuletzt versprach eine feste berufliche Anstellung eine gewisse soziale Absicherung der mittlerweile kinderreichen Familie, und Clara Schumann ihrerseits konnte auf eine einträgliche Unterrichtstätigkeit und auf Solo- bzw. Kammermusikauftritte hoffen.
Dieses erste und einzige offizielle Amt, das Schumann bekleidete, war allerdings durch gesundheitliche Probleme und institutionelle Konflikte beeinträchtigt. Dessen ungeachtet entstand in der kurzen Düsseldorfer Zeit (September 1850 – März 1854) nahezu ein Drittel seines kompositorischen Gesamtwerks. Nach einem Selbstmordversuch (Sprung in den Rhein am 27.2.1854) verbrachte Schumann mehr als zwei Jahre in der Nervenheilanstalt in Endenich bei Bonn.
Der Grundstein zu Schumanns kompositorisch-literarischer Doppelbegabung wurde im Zwickauer Elternhaus gelegt. Der Vater August Schumann war als Verleger, Buchhändler und Autor tätig und förderte das jüngste von fünf Geschwistern auch in musikalischer Hinsicht. Der eher mittelmäßige Zwickauer Domorganist Johann Gottfried Kuntsch (1777-1855) erteilte dem Jungen ersten Klavierunterricht. Schumann soll bereits früh ein begnadeter Improvisator gewesen sein. Während der Zwickauer Schulzeit (1820-1828) boten sich Möglichkeiten zu musikalischen Auftritten. Erste Kompositionsversuche unternahm der Elfjährige (Vertonung des 150. Psalms, Lieder, Klavierstücke, Opernfragmente). Ein von Schumann 1825 gegründeter „Literarischer Schülerverein" förderte seine Literaturkenntnisse und regte zu eigenen dichterischen Versuchen an. Während der Vater sich bemühte, Carl Maria von Weber als Kompositionslehrer seines Sohns zu gewinnen (was durch Webers frühen Tod im Jahre 1826 jedoch verhindert wurde) drängten Mutter und Vormund nach dem Tod des Vaters (1826) auf einen Brotberuf. Halbherzig studierte Schumann in Leipzig (1828) und Heidelberg (1829/30) Jura. Vor Beginn des Studiums reiste er mit dem Freund Gisbert Rosen zum Wirkungsort des zeitlebens hoch geschätzten Schriftstellers Jean Paul (Bayreuth) und zu dem für Cotta tätigen Redakteur Heinrich Heine (München).
Ab 1828 nahm Schumann in Leipzig bei Friedrich Wieck Klavierunterricht. Wieck genoss aufgrund seiner an der eigenen Tochter Clara eingelösten Ausbildungserfolge den Ruf eines hervorragenden Klavierpädagogen. Vor Beginn der Heidelberger Studienzeit bereiste Schumann Italien. In Mailand lernte er Opern unter anderem von Bellini und Rossini kennen. In Heidelberg und Mannheim boten sich dem jungen Studenten Auftritte als Pianist und Improvisator. In der Neckarstadt wurde 1829 die erste mit einer Opuszahl versehene Komposition (Abegg-Variationen op. 1) begonnen. Sie wurde aber erst 1831 in Leipzig beendigt. Die Begegnung mit dem Geigenvirtuosen Niccolò Paganini (1782-1840) in einem Konzert in Frankfurt a. M. (Ostern 1830) gab einen entscheidenden Anstoß, das Jurastudium aufzugeben, um sich ganz der Musik zu widmen (Brief an die Mutter vom 20.7.1830). Schumann begab sich erneut in die Ausbildung Friedrich Wiecks (Herbst 1830) mit dem Vorsatz, sich binnen kürzester Zeit zum Klaviervirtuosen auszubilden. Durch übertriebenen Gebrauch einer Fingertrainings-Maschine zog sich Schumann eine partielle Fingerlähmung zu, welche die Hoffnungen auf eine Virtuosenlaufbahn zunichte machte. Schumann widmete sich verstärkt den bereits früher aufgenommenen kompositionstheoretischen Studien, die er vornehmlich autodidaktisch und durch kurzen Privatunterricht (zum Beispiel bei Heinrich Dorn 1831/1832) betrieb. Die Begegnung mit Chopins Klaviervariationen über Mozarts „Là mi darem la mano" op. 2 (Sommer 1831), beeinflusste nicht nur den eigenen kompositorischen Weg, sondern lenkte Schumanns literarische Begabung in musikjournalistische Bahnen. Seine früheste musikpublizistische Abhandlung (in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung" 1831) ist diesem Werk gewidmet. Mit ihr verknüpft ist die Idee eines Davidsbunds, der – wie der biblische Namensgeber anzeigt – der verflachten Musikkultur bürgerlicher Philister (Spießbürger) den Kampf ansagte. Mit der Gründung und Leitung der (heute noch existierenden) „Neuen Zeitschrift für Musik" (1834) schuf Schumann ein Presseorgan, das sich nicht nur kämpferisch für musikalischen Fortschritt einsetzte, sondern mittels eines europaweit geflochtenen Korrespondentennetzes wesentliche musikhistorische Ereignisse dokumentierte. Schumann gab sich selbst (mit Florestan und Eusebius) und den von ihm ernannten, ansonsten aber fiktiven Davidsbündlern Pseudonyme. Die scheinhafte Aktivität dieses Geheimbundes erhöhte in der Zeit des Vormärz die publizistische Attraktivität der Musik-Zeitschrift und ermöglichte außerdem einen musikkritischen Perspektivwechsel bei der Beurteilung zeitgenössischer Kompositionen.
Obwohl durch seine Redakteurstätigkeit stark beansprucht, schuf Schumann zunächst ausschließlich Kompositionen für Klavier (Symphonische Etüden op. 13, Fantasie op. 17, Humoreske op. 20, Drei Klaviersonaten opp. 11, 14 und 22 und poetische Zyklen: Davidsbündlertänze op. 6, Carnaval op. 9, Fantasiestücke op. 12, Kinderszenen op. 15, Kreisleriana op. 16). Das frühe Klavierwerk war nicht nur für die nachfolgende Musikergeneration richtungweisend, sondern gilt auch heute noch als epochenprägend. Ein achtmonatiger Aufenthalt in Wien (1838/1839) diente vornehmlich der Sondierung von Übersiedelungsplänen, an die sich die Hoffnung auf eine baldige Eheschließung mit Clara Wieck, der Tochter seines Klavierlehrers, schloss.
Die Übersiedlung scheiterte unter anderem an der Zensur, die den Tendenzen der „Neuen Zeitschrift für Musik" misstraute. Doch brachte der Wienaufenthalt die Entdeckung von Franz Schuberts großer C-Dur-Sinfonie, die Mendelssohn in Leipzig uraufführen sollte. Nach schweren Konflikten und mit Hilfe juristischer Schritte wurden Schumann und Clara Wieck am 12.9.1840 in Leipzig-Schönefeld getraut. Die seinerzeit schon europaweit bekannte Pianistin (1838 vom Kaiser zur K. K. Kammervirtuosin ernannt) reduzierte in den folgenden Ehejahren ihre Konzertauftritte und schränkte auch die eigene kompositorische Tätigkeit ein. 1840 widmete sich Schumann überwiegend vokalen Kompositionen, die seinen Ruhm als Liedkomponist begründeten (unter anderem Heine-Vertonungen op. 24, Eichendorff-Liederkreis op. 39, Dichterliebe op. 48). Im Frühjahr 1841 entstand die 1. Sinfonie op. 38 (Frühlingssinfonie). Es folgten „Ouvertüre, Scherzo und Finale" op. 52 und die zunächst einsätzige Fassung des späteren Klavierkonzerts op. 54, das in seiner dreisätzigen Druckfassung (1845) zum Inbegriff des romantischen Klavierkonzerts werden sollte. 1842 verlegte sich Schumanns Interesse auf die Komposition von Kammermusik (zum Beispiel Streichquartette op. 41). In der Dozententätigkeit (Klavier, Partiturspiel, Komposition) am 1843 gegründeten Leipziger Konservatorium tat sich keine dauerhafte berufliche Perspektive auf. Im selben Jahr entstand das weltliche Oratorium „Das Paradies und die Peri" op. 50, das im 19. Jahrhundert eines der meistaufgeführten Werke Schumanns war.
Im Anschluss an eine von gesundheitlichen und psychischen Krisen geschüttelte Konzerttournee nach Russland (St. Petersburg, Moskau, 15.1.-31.5.1844), auf der die Ehefrau als Virtuosin gefeiert, der in Russland kaum bekannte Komponist aber nur von wenigen Kennern beachtet wurde, gab Schumann seine Redaktionstätigkeit auf und übersiedelte nach Dresden. Mendelssohns allmählich vorbereiteter Wechsel nach Berlin, der damit verbundene Rückzug aus Leipzig und nicht zuletzt die für Schumann enttäuschende Ernennung Niels W. Gades als zweiter Gewandhauskapellmeister führten zu einer biographischen Zäsur. Schumann übergab die Redaktion der „Neuen Zeitschrift" an Oswald Lorenz und übersiedelte nach Dresden (1845), wo er nunmehr als freier Komponist lebte. Der von ihm gegründete Gesangverein motivierte die Komposition zahlreicher Chorwerke. Viele Jahre beanspruchte die Vollendung der vokalsinfonischen „Szenen aus Goethes Faust" WoO 3. Kammermusikwerke aber auch Klaviermusik (darunter das außerordentlich erfolgreiche Album für die Jugend op. 68), Liedkompositionen und die einzige Oper „Genoveva" op. 81 (1847/48, Uraufführung in Leipzig am 25.6.1850) entstanden während der Dresdner Jahre (bis Herbst 1850).
Schumanns Krankheit kündigte sich in Schüben an. Streitigkeiten mit den Musikorganisatoren und Musikern Düsseldorfs führten zu irreparablen Zerwürfnissen. Schumanns schweigsames Wesen, seine Introvertierheit, das Fehlen dirigentischer Routine, der Mangel an Führungsqualitäten in Verbindung mit besagten Konflikten veranlassten Schumann Ende 1853 zur Amtsniederlegung. Zwar trägt das Jahr 1853 noch reiche kompositorische Früchte (unter anderem das Violinkonzert WoO 1, Gesänge der Frühe op. 133), es führt zu bedeutsamen persönlichen Begegnungen (J. Brahms, J. Joachim, Bettina von Arnim) und bringt die musikhistorisch bedeutsame Anthologie der „Gesammelten Schriften über Musik und Musiker" (4 Bände, veröffentlicht 1854) auf den Weg, aber die schleichende Erkrankung steigert sich im Februar 1853 zu einem gesundheitlichen Zusammenbruch. Es handelte sich mutmaßlich um die Spätfolgen einer Syphilisinfektion (1832), die auch durch den mehr als zweijährigen Klinikaufenthalt nicht ausgeheilt werden konnte. Kurz vor seinem Tod konnte Schumann seine Frau ein letztes Mal sehen. Er starb am 29.7.1856 in der Endenicher Klinik. Er und seine 1896 verstorbene Gattin Clara wurden auf dem Alten Friedhof in Bonn beigesetzt.
Quellen
Appel, Bernhard R. (Hg.), Robert Schumann in Endenich (1854-1856). Krankenakten, Briefzeugnisse und zeitgenössische Berichte, Mainz u.a. 2006.
Robert Schumann. Eine Lebenschronik in Bildern und Dokumenten von Ernst Burger unter Mitarbeit von Gerd Nauhaus, Mainz 1998.
Literatur
Edler, Arnfried, Robert Schumann. Sein Leben und seine Zeit, 2. Auflage, Laaber [Oberpfalz] 2002.
Worthen, John, Robert Schumann. Life and death of a musician, New Haven (Conn.) u.a. 2007.
Online
Biografie Schumanns („Schumann-Haus" Bonn, mit weiter führenden Quellen- und Literaturangaben). [Online]
Website des „Schumann-Portals" (Bonn). [Online]
Autographen Robert Schumanns in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. [Online]
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Appel, Bernhard R., Robert Schumann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/robert-schumann/DE-2086/lido/57c94c9c6a8ab2.06713876 (abgerufen am 15.10.2024)