Zu den Kapiteln
Salentin von Isenburg war sicherlich der weltlichste unter den Kölner Erzbischöfen des 16. Jahrhunderts. Schon vor seiner Wahl stand fest, dass er die Kurwürde nur solange übernehmen würde, bis er aus dynastischen Gründen als Landesherr in seine kleine Grafschaft Isenburg-Grenzau zurückkehren müsste. Dennoch ging er die während und durch die Regierungen seiner Vorgänger angehäuften Probleme des Erzstifts tatkräftig an und schaffte eine zumindest vorübergehende Stabilisierung.
Angesichts der wechselhaften und kirchenpolitisch schwierigen Regierungen nach 1556 drängten bei der anstehenden Neuwahl sowohl Kaiser und Papst als auch das Herzogtum Bayern, das eine konsequente Sekundogenitur-Politik für seine Prinzen verfolgte, auf Mitsprache. Der Papst verwendete sich für den Augsburger Bischof Kardinal Otto von Waldburg (Episkopat 1543-1573), was der Kaiser in besserer Kenntnis der Mehrheitsverhältnisse im Kölner Domkapitel jedoch nicht unterstützte. Ihm lag allerdings auch an einer katholischen Lösung, um das konfessionelle Gleichgewicht im Reich nicht zu gefährden. Die im Domkapitel vereinten Adligen schließlich wollten sich die Chancen künftiger Pfründen nicht verbauen, ohne sich für oder gegen eine bestimmte Kirchenpolitik vereinnahmen zu lassen. Diese libertäre und konfessionell kaum bestimmte Haltung war ein Kennzeichen des Reichsadels überhaupt. Dass die Wahl am 23.12.1567 auf Salentin von Isenburg fiel, kann daher als Kompromiss aus allen Positionen verstanden werden, der nicht zu viel Schaden anrichten würde.
Salentin entstammte einer Seitenlinie des weit verzweigten Grafengeschlechts der Isenburger, die vornehmlich im Westerwald begütert waren. Schon zum Zeitpunkt seiner Geburt im Jahr 1538 war der Fortbestand der Dynastie nur schwach gesichert: seine Eltern, Graf Heinrich von Isenburg (1522-1552) und Margarete von Wertheim (gestorben 1538), hatten drei Söhne (Johann, Salentin und Anton) und zwei Töchter, wobei der älteste Sohn früh verstarb. Damit rückte der schon in eine geistliche Laufbahn gegebene Johann in der Erbfolge an die erste Stelle, starb aber bereits im Jahr 1565. Trotz der familienpolitisch instabilen Situation erhielt auch Salentin im Jahr 1548 seine ersten geistlichen Pfründen als Domherr in Mainz und Straßburg; Köln folgte 1552. Am Kölner Gereonstift hatte er 1562-1567 das Dekanat inne, darin wohl seinen Onkel Gerlach von Isenburg (gestorben 1562) beerbend. Nach der Rücktrittsankündigung Friedrichs IV. von Wied wurde er im August 1567 zum Subdekan des Kölner Domkapitels und damit in eine geeignete Ausgangsposition für die Nachfolge im Erzbistum gewählt.
Der neue Erzbischof war auf der einen Seite ein aufrichtiger, ja geradezu kämpferischer Katholik. Andererseits unterhielt er beste Beziehungen etwa zum mehrheitlich protestantisch orientierten Wetterauer Grafenverein, dessen Söhne damit weiterhin gute Aussichten auf Pfründen im Erzstift hatten. Und schließlich war klar, dass Salentin, der nach dem Tod seines Bruders Johann die Landesherrschaft in Isenburg-Grenzau übernommen hatte, bei der nächsten passenden Gelegenheit von seinem geistlichen Amt resignieren würde, um eine Familie zu gründen und für den Fortbestand seiner Familie Sorge zu tragen. Das Domkapitel hatte damit also auf der einen Seite ein seinem Stand entsprechendes, deutliches Signal an die katholischen Kräfte gegeben, sich aber gleichzeitig alle Möglichkeiten entgegen einer konfessionspolitisch eindeutigen Verortung offen gehalten.
In dem Wissen, unter den gegebenen Umständen der bestmögliche Kandidat zu sein, entwickelte Salentin ein großes Selbstbewusstsein, das ihn auch, anders als seinen Vorgänger Friedrich von Wied, einen immerhin sechsjährigen Kampf um die apostolische Bestätigung seines Episkopats durchstehen ließ. Während Pius IV. (Pontifikat 1559-1565) und Pius V. (Pontifikat 1566-1572) noch rigoros auf dem Tridentinischen Glaubenseid bestanden hatten, akzeptierte Gregor XIII. (Pontifikat 1572-1585) eine eigens für Salentin formulierte und vom Nuntius Kaspar Gropper (1519-1594), einem ehemaligen Kölner Domherren, ausgehandelte Eidesformel, die ihm den Status quo als gleichzeitiger Erzbischof und weltlicher Landesherr ermöglichte, ohne die Priesterweihe zu empfangen und damit auf die dynastische Absicherung seiner Herrschaft zu verzichten. Gregors Zugeständnisse gingen sogar so weit, Salentin im April 1574 auch noch als Administrator des Bistums Paderborn anzuerkennen. So erfolgreich Salentins Politik gegenüber der Kurie war, so sehr hatte er das Domkapitel gegen sich aufgebracht. Dabei griff er Vorstöße seiner beiden Vorgänger auf und wollte sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine effiziente Landesherrschaft im Erzstift Köln verbessern als auch das Domkapitel mit in die Verantwortung für die Sanierung der maroden Finanzen nehmen. So forderte er etwa die Herausgabe der Stadt Zons, die seit 1463 an das Domkapitel verpfändet war und mit ihrem Zoll reiche Einkünfte garantierte. Das Kapitel weigerte sich, aber Salentin besaß genug Chuzpe, die Festung kurzerhand mit eigenen Truppen zu besetzen. In der Folge führte er einen jahrelangen Rechtsstreit vor dem Wiener Reichshofrat gegen sein eigenes Domkapitel, den er am Ende verlor und der das zerrüttete Verhältnis zwischen beiden Seiten besiegelte. Dementsprechend wenig empfänglich waren die Domherren für Salentins Plan, den Herzog Ernst von Bayern zu seinem Nachfolger in Köln zu wählen, während in Paderborn der auch in Köln als Kandidat gehandelte Herzog Heinrich von Sachsen-Lauenburg (1550-1585) zum Zuge kommen sollte, der allerdings Protestant war. Mit dieser Lösung wollte Salentin beiden Konfessionsparteien gefallen, scheiterte aber am heftigen Widerstand des Kölner Domkapitels, das sich in seiner Wahlfreiheit nicht beschränken lassen wollte und anstelle von Ernst am 5.12.1577 Gebhard Truchsess von Waldburg zum Erzbischof und Kurfürsten wählte. Es ist bezeichnend, dass Salentin, der zwei Monate zuvor, am 13. September, seinen Rücktritt erklärt hatte, zu seinem Abschiedsmahl keinen einzigen Domherrn eingeladen hatte.
Allerdings blieb der ehemalige Erzbischof ein einflussreicher und wichtiger Politiker und Feldherr im Erzstift. Nach seiner Hochzeit mit Antonia Wilhelmine von der Mark-Arenberg-Ligne (1557-1626) am 10.12.1577 in Bonn kam er zunächst seinen dynastischen Pflichten nach und zeugte zwei Söhne. Der jüngere, Ernst (1584-1664), brachte es immerhin zum General der spanischen Artillerie und Gouverneur von Luxemburg. Als sein Nachfolger Gebhard von Waldburg einen neuerlichen Reformationsversuch in Kurköln unternahm, bat Kaiser Rudolf II. (Regierungszeit 1576-1612) den ehemaligen Landesherrn um Beobachtung und Berichterstattung. Es muss für Salentin eine besondere Genugtuung gewesen sein, als das Domkapitel ihn einen Monat später ersuchte, sich um den Schutz der kurkölnischen Besitzungen zu kümmern. Im April 1583 übernahm er als Generalverwalter die Führung der kurkölnischen Truppen, die er in manche Schlacht gegen Gebhard und seine Anhänger führte. Über das militärische Engagement kehrte er auch wieder zunehmend in die Landespolitik zurück: 1587 ernannte ihn Erzbischof Ernst von Bayern zum Statthalter im Erzstift, als der er 1594 am Reichstag zu Regensburg teilnahm. Er ließ sich allerdings nicht nur für kurkölnische Dienste vereinnahmen, sondern trat auch als kaiserlicher Kommissar bei Landtagen auf, und besetzte damit eine Schlüsselposition an den Schnittstellen von Reichs- und Landespolitik.
Salentin starb im hohen Alter von 78 Jahren am 19.12.1610 auf seinem Stammsitz, der Isenburg, und wurde in der Familiengrabstätte in der Abteikirche von Rommersdorf beigesetzt. Für den Zustand der Kölner Kirche im 16. Jahrhundert ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet derjenige Herrscher, der ausschließlich Kurfürst und nur dem Titel nach Erzbischof war, sich die größten Verdienste um die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse erwerben konnte.
Literatur (Auswahl)
Bosbach, Franz, Isenburg, Salentin Graf von (um 1532-1610), in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648, Berlin 1996, S. 327-330.
Graff, Karl Heinrich, Der Kölner Kurfürst Salentin von Isenburg, Köln 1937.
Kampschulte, Heinrich Johannes, Salentin von Isenburg, freiresignierter Churfürst und Erzbischof von Köln sowie Administrator des Fürstbistums Paderborn, in: Zeitschrift für Vaterländische Geschichte und Altertumskunde 32.2 (1874), S. 20-32.
Kohl, Wilhelm, „Salentin von Isenburg", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 17 (2000), Sp. 1186-1188.
Lossen, Max, Der Kölnische Krieg, 2 Bände, Gotha/München 1882/1897.
Molitor, Hansgeorg, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe 1515-1688 (Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008, S. 192-208.
Online
Wasser, Eugen, Salentin von Isenburg. Erzbischof und Kurfürst von Köln, Bischof von Paderborn, in: Heimat-Jahrbuch für den Kreis Neuwied (2006), S. 91-96 (Textausgabe auf der Website der Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde von Bendorf und Umgebung e.V.). [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Bock, Martin, Salentin von Isenburg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/salentin-von-isenburg/DE-2086/lido/57c941c3388031.60037803 (abgerufen am 05.12.2024)