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Johann Abundius Anton Joseph Maehler (Mähler) war von 1818 bis 1847 Oberbürgermeister von Koblenz. Nach zwei Herrschaftswechseln vom Ancien Régime zur französischen und schließlich zur preußischen Herrschaft stellte seine Amtszeit einen hohen Kontinuitätsfaktor dar. Sein Wirken erleichterte sowohl die Beibehaltung von Errungenschaften aus der französischen Zeit als auch die Konsolidierung der preußischen Herrschaft im Rahmen neuer Herausforderungen und sozialer Probleme. In Koblenz entstanden während seiner Amtszeit wichtige Einrichtungen der städtischen Infrastruktur.
Abundius Maehler wurde am 1.6.1777 als Sohn des kurtrierischen Hofrats und Geheimsekretärs Franz Josef Mähler (1724–1787) und seiner Ehefrau Anna Johanna, geborene Vacano (1744-1797), in Ehrenbreitstein (heute Stadt Koblenz) geboren. Sein Bruder war der spätere Maler und Komponist Willibrord Joseph Mähler (1778-1860). Die Familie war katholisch. 1786 zog sie nach Koblenz.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Gießen trat Abundius Maehler 1798 in französische Verwaltungsdienste, wurde Gerichtsschreiber in Virneburg und Sekretär der Munizipalverwaltungen von Cochem und Mayen. 1803 übernahm er die Leitung des Kontributionsbüros in Koblenz. 1804 ließ er sich als Notar in Mayen nieder. Das Notariat stellte aufgrund der unter Napoleon betriebenen Veräußerung des adeligen und kirchlichen Feudalbesitzes, den sogenannten Nationalgüterversteigerungen, eine lukrative Einnahmemöglichkeit dar. Maehler ging dem Notarsberuf bis zum Ende der französischen Zeit nach.
Nach dem Einmarsch der Alliierten zum Jahreswechsel 1813/14 wurde Maehler Sekretär der Präfektur des Rhein-Mosel-Departements bei der preußischen Übergangsverwaltung in Koblenz. 1816 konnte er sich als Kreispolizeiinspektor einen begehrten Posten als Sekretär bei der neuen Bezirksregierung sichern und die für das Bürgermeisteramt erforderlichen Qualifikationen erwerben. Da die Polizeigewalt nach der weiter gültigen französischen Kommunalordnung dem Gemeindevorsteher oblag, wurde der seit 1813 als Maire beziehungsweise Bürgermeister amtierende Johann Joseph Mazza (1752-1828) unter Angabe dieser Qualifikationskriterien trotz Wiederwahl und Protesten des Stadtrats von der preußischen Regierung nicht im Amt bestätigt. Stattdessen ernannte das Innenministerium am 31.3.1818 den mit 15 Stimmen an zweiter Stelle gewählten Maehler zum Polizeidirektor und Oberbürgermeister von Koblenz. Er erhielt erstmalig die vergleichsweise hohe jährliche Entschädigungssumme von 1.200 Talern und war strenggenommen bei der Regierung angestellt. In seiner fast 30-jährigen Amtszeit trat er mehr als Vertreter der Bevölkerung denn als Staatsinstanz vor Ort in Erscheinung. Dabei konnte er sich auf seine juristischen Kenntnisse und den Rückhalt des 30-köpfigen Stadtrats stützen.
Den Stadtrat hatte er gemeinsam mit neun weiteren Kollegen bei der Bezirksregierung, vielen Juristen und hunderten Einwohnern bereits vor seiner Ernennung in einer provinzübergreifenden Petitionsbewegung unterstützt, die für die Einlösung des Verfassungsversprechens nach dem königlichen Besitzergreifungspatent von 1815 und somit für eine größere politische Beteiligungsmöglichkeit eintrat. 1819 verfasste er in einer Stadtratssitzung einen scharf formulierten und in der Presse veröffentlichten Protest gegen die Einführung der preußischen Steuergesetze und löste eine weitere Petitionsbewegung aus. Gleichzeitig kritisierte er in der Druckschrift Erörterung und Bitte betreffend das Serviswesen überhaupt und insbesondere der Stadt Koblenz die Einquartierungslast der Bevölkerung und die übermäßige Präsenz des Militärs. Auch mit Blick auf die Handelsbeziehungen und Gewerbebetriebe wurden laut Maehler fortwährend nur Klagen über den Verfall derselben vorgebracht[1], die er stets weiterleitete und um Empfehlungen ergänzte. Sein Ziel war es, als Fürsprecher des Theils, dem er vorsteht, […] zu sprechen, damit nicht eben seine Untätigkeit und sein Schweigen als Einwilligung und Entsagung gelten möge.[2]
Mit der verstärkten Publikationstätigkeit sollte die Distanz zwischen den Gebietenden und den Gehorchenden verringert werden. Maehler war nach eigenen Aussagen bestrebt, mit Belehrung über jene Kluft die Brücke [zu] bauen, auf der Verwalter und Verwaltete sich freundlich begegnen und die Hand reichen können. Dieses Amtsverständnis wurde in einem seinen Mitbürgern gewidmeten Handbuch zum Ausdruck gebracht und erinnerte an Ideen der Aufklärung. Bei näherer Betrachtung stellte Maehler in der 132 Seiten starken Schrift die Schwerfälligkeit der preußischen Regierung den in 78 Sitzungen seiner Amtszeit bewältigten 375 Aufgaben des Stadtrats gegenüber. Verbunden mit der Offenlegung des kommunalen Rechnungsetats war er damit seiner Zeit um 20 Jahre voraus und verfolgte eine öffentliche Informationspolitik, die der Verschwiegenheitspflicht entgegenstand und spätestens seit den Karlsbader Beschlüssen 1819 verboten war. Dass ihn daran niemand hinderte, hing mit seiner Stellung als Lokalzensor zusammen, die er bis 1834 innehatte.
Die Zensur stellte eine Gratwanderung zwischen der ambivalenten Funktion als Ausführungsorgan der Regierung und Repräsentant der Bevölkerung dar. So beschlagnahmte Maehler 1819 die reißerische Schrift Teutschland und die Revolution von Joseph Görres, trat aber dennoch für den flüchtigen Autor und den Geschäftsausfall des verantwortlichen Verlegers Jakob Hölscher (1798-1862) ein. Alle drei gehörten einem Freundeskreis an, der in preußischen Regierungskreisen als „Club der Andächtler und Mystiker“[3] beargwöhnt wurde. Der Dichter Clemens von Brentano (1778-1842) berichtet, dass sich die ihm gut bekannte Gruppe von angesehenen Männern jeden Dienstag bei Witwe Typpus traf, um innerliche Formen von Kirchlichkeit zu praktizieren und theologische Schriften zu diskutieren. Maehler hielt er in seiner alten sanften, sinnvollen, treuen, demüthigen, und geduldigen Disposition, [für] eine ungemein schöne und liebenswürdige Natur.[4] In den 1840er Jahren soll auch der spätere Zentrumspolitiker August Reichensperger an diesen Treffen teilgenommen haben. Sein Vater Franz Joseph Reichensperger (1768-1813) hatte am 9.2.1804 Maehlers Heirat mit Anna Maria Stadtmeyer (*1779 Dresden) vor dem Koblenzer Standesamt bezeugt.[5]
Ein weiteres bekanntes Mitglied der Typpus- oder Dienstagsgesellschaft war Stadtrat Hermann Joseph Dietz (1782–1862). Dietz besaß eine Blechwarenfabrik, leitete die städtische Armenverwaltung und vertrat die Stadt im Rheinischen Provinziallandtag. Gemeinsam mit Maehler und seiner Ehefrau Antonetta, geborene Maas (*1782), der Vorsteherin des Katholischen Frauenvereins, gelang es Dietz in den 1820er Jahren, das städtische Hospital zum zentralen Krankenhaus auszubauen und der steigenden Armut unter der Bevölkerung entgegenzuwirken. Außerdem wurden eine Armenschule, ein Waisenhaus, eine Bürgerschule und die Stadtbibliothek (1827) mit Hilfe von Spenden errichtet.
In den Krisenzeiten während der Teuerungskrise 1817/18, zu Beginn der 1830er Jahre und 1845/46 waren diese ehrenamtlichen Netzwerke besonders wichtig. Maehler vertrat die Ansicht, daß alle extraordinairen anfallenden Unterstützungen der ärmeren Klasse, so bedeutend sie auch werden mögen, durch Collekten und milde Beyträge gedeckt werden sollten.[6] Dahinter stand neben der Idee der christlichen Nächstenliebe und einem bürgerlichen Selbstverständnis vor allem die Tatsache, dass sich infolge der preußischen Steuerpolitik die öffentlichen Einnahmen verminderten.[7]
Diese Einnahmen versuchte Maehler durch die vehemente Verteidigung der kommunalen Patrimonial- und Eigentumsrechte an Gebäuden und Nutzflächen sowie zahlreiche – zumeist erfolglose – Steuerinitiativen wie die vorrübergehende Einführung einer Einkommenssteuer zu sichern. Um den weniger begüterten Einwohnern die Gelegenheit zu geben, einen Sparpfennig vorteilhaft anzulegen, wurde die Reorganisation des städtischen Pfandhauses auf seine Initiative mit der Gründung einer Sparkasse 1821 (Eröffnung 1822) verbunden, was sich andere Städte der Provinz, zum Beispiel Köln, zum Vorbild nahmen. Umgekehrt bot die Anpassung des französischen Handelskammermodells in Aachen, Düsseldorf und Köln den Koblenzer Stadträten Mitte der 1830er Jahre den willkommenen Anlass, eigene wirtschaftspolitische Ansprüche zu stellen und eine Handelskammer für Koblenz zu gründen. Nach Genehmigung durch den preußischen König vom 14.3.1833 nahm diese 1834 ihre Tätigkeit auf.
In der Folgezeit konnten so ein Freihafen (1837) errichtet und der regelmäßige Dampfschifffahrtsverkehr (ab 1826) – nicht aber der beginnende Eisenbahnbetrieb – gewährleistet werden. Hinzu kamen die Aktivitäten eines neuen Gewerbevereins (1835), die Weidereinführung zweier Messen im Jahr (1836) und die Durchführung verschiedener Infrastrukturprojekte, beispielsweise zur Gasversorgung und zur Straßenbeleuchtung (ab 1840), sowie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ab 1845). Maehler zeichnete sich durch einen enormen Arbeitseifer aus, der in über 400 eigenhändig angefertigten Aktenbänden überliefert ist und im Vergleich zu anderen Städten keineswegs üblich war. Obwohl ihm ein städtischer Sekretär zustand, brachte Maehler nahezu alle internen Behördenberichte einschließlich der wöchentlichen Stadtratsprotokolle eigenhändig zu Papier. Diese Protokolle zeugen von einer produktiven, vertrauensvollen Zusammenarbeit, die durch Herausforderungen wie die Juli-Revolution 1830 oder das Kölner Ereignis 1837/38 scheinbar nicht beeinträchtigt wurde. Als Oberbürgermeister nahm Maehler zwar am städtischen Vereinsleben, nicht aber an liberalen Protestbekundungen teil. Er unterstützte die Lesegesellschaft, den Veteranenverein, den Karneval und verkehrte in der Casinogesellschaft. Ab 1818 stand er dem Musik-Institut und dem Katholischen Frauenverein, ab 1845 dem Katholischen Männerverein vor.
Nach der Einführung der Rheinischen Gemeindeordnung von 1845 wurde Maehler am 6.3.1847 in den Ruhestand entlassen. Zuvor soll es seit seinem sechsmonatigen, krankheitsbedingten Ausfall im Herbst 1837 zu Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung gekommen sein. Seine letzte Amtshandlung bestand in der Einführung der neuen Gemeindeordnung und der Durchführung der Wahlen, bei denen er sich abermals für mehr politische Partizipation und öffentliche Kommunikation einsetzte.
Seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm Alexander Bachem (1806–1878) hinterließ er bei seinem Ausscheiden am 6.3.1847 eine Zusammenfassung seiner vielfältigen Aufgaben mit nützlichen Hinweisen zu seiner persönlichen, über die Jahre immer komplizierter gewordenen Aktenführung. Bachem leitete eine neue, gleichwohl fortschrittliche Phase der Kommunalverwaltung ein. Über Maehlers Verhalten während der Revolution ist nichts bekannt.
Abundius Maehler starb nach zweijähriger Krankheit am 18.2.1853 in Niederheimbach. An Maehlers große Verdienste um das Koblenzer Kommunalwesen und Gemeinwohl erinnert seit 2004 der Maehlerplatz im Stadtteil Ehrenbreitstein.
Quellen
Ungedruckte Quellen
Landeshauptarchiv Koblenz (LHAKo) Best. 441, 978 Zeitungsberichte (1816); 441, 11779 Anstellung der Bürgermeister im Kreise Koblenz (1817); 441, 5127 Beschlagnahme der Schrift „Teutschland und die Revolution" (J. Görres) (1819–1821).
Stadtarchiv Koblenz (StAK) 623, 2180 Acta die Ergänzung des Stadt-Raths und die Bürgermeister Wahl betreffend vom 8.3.1817; 623, 2186 Stadtratsprotokolle 1818–1822; 623, 2188 Stadtratsprotokolle 1831–1838, 623,2 Zivilstandsregister für die Heiraten 1803/1804; KH 71, 2.
Gedruckte Quellen
Görres, Joseph, Teutschland und die Revolution, Teutschland (Koblenz) 1819.
Koblenzer Anzeiger Nr. 30 (26.7.1822). Maehler, Abundius, Erörterung und Bitte betreffend das Serviswesen überhaupt und insbesondere der Stadt Koblenz. Seiner Durchlaucht dem Königlich-Preußischen Staats-Kanzler Fürsten von Hardenberg und dem Königlichen hohen Staats-Rathe unterthänigst vorgetragen von dem Stadt-Rathe zu Koblenz, Koblenz 1819. [Online]
Maehler, Abundius, Die Stadt Coblenz und ihre Verwaltung in den Jahren 1818–1823 seinen Mitbürgern gewidmet und zum Beßten des Armen-Fonds hg. von dem Ober-Bürgermeister der Stadt, Koblenz 1825. [Online]
Oehring, Sabine (Hg.), Clemens Brentano. Sämtliche Werke und Briefe, Band 8, Stuttgart 2015.
Literatur
Bär, Max, Aus der Geschichte der Stadt Koblenz 1814–1914, Koblenz 1922.
Bátori, Ingrid (Red)., Geschichte der Stadt Koblenz, Band 2: Von der französischen Stadt bis zur Gegenwart, Stuttgart 1993.
Dotzauer, Winfried, Die Triebkräfte einer Sparkassengründung im gesellschaftlichen Umbruch der Napoleonischen Ära: Die städtische Sparkasse Koblenz, in: Zeitschrift für bayerische Sparkassengeschichte 1 (1987), S. 149–173.
Faber, Karl-Georg, Die Rheinlande zwischen Restauration und Revolution. Probleme der rheinischen Geschichte von 1814 bis 1848 im Spiegel der zeitgenössischen Publizistik, Wiesbaden 1966.
Herres, Jürgen, Das preussische Koblenz, in: Bátori, S. 49-118.
Herres, Jürgen, Städtische Gesellschaft und katholische Vereine 1840–1870, Essen 1996.
Koelges, Michael, Die Revolution von 1848/49 in Koblenz, in: Borck, Heinz-Günther (Hg.), ‚…ein freies Volk zu sein!‘ Die Revolution von 1848/49, Koblenz 1998, S. 147–208.
Leonhard, Jörn, Politisches Gehäuse und ideologische Sprache des Fortschritts. Verfassung, Verfassungsstaat und Liberalismus im 19. Jahrhundert, in: Aschmann, Birgit (Hg.), Durchbruch der Moderne? Neue Perspektiven auf das 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2019, S. 218–251.
Schütz, Wolfgang, Koblenzer Köpfe, 2. Ausgabe, Mülheim-Kärlich 2005, S. 361-362.
Thielen, Katharina, Notabelnpolitik in Koblenz. Partizipationschancen in der reaktionären Rheinprovinz 1815–1848, Trier 2020.
Thielen, Katharina, Politische Partizipationsprinzipien und ihre Umsetzung in der ersten preußischen Gemeinderatswahl 1846/47, in: Unsere Archive 66 (2021), S. 20–23.
Weber, Christoph, Aufklärung und Orthodoxie am Mittelrhein 1820–1850, München [u.a.] 1973.
Wex, Norbert, Staatsbürgerliche Gleichheit und Politische Mitwirkung – Aspekte der kommunalen Selbstverwaltung in der preußischen Rheinprovinz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 25 (1999), S. 363–400.
- 1: LHAKo Best. 441, 978, Zeitungsbericht vom 28.12.1820.
- 2: StAK 623, 2186, Entwurf einer Petition an das Innenministerium vom 27.6.1819. Zu den politischen Partizipationsforderungen im Vormärz vgl. Faber.
- 3: Weber, S. 30, 62–64.
- 4: Vgl. die Briefe Brentanos an Dietz und Görres, Oehring, S. 51, 80.
- 5: StAK 623,2 Heiraten Nr. 330/1804. Zur Gesellschaft vgl. Herres, Gesellschaft, S. 102–117.
- 6: StAK 623, 2188, Stadtratsprotokoll Nr. 37 vom 19.10.1831.
- 7: Thielen, Notabelnpolitik, S. 129–150.
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Thielen, Katharina, Abundius Maehler, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/abundius-maehler/DE-2086/lido/6479d8cd07f265.73280087 (abgerufen am 05.11.2024)