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Wilhelm von Haw war der erste bedeutende Oberbürgermeister Triers in preußischer Zeit. Seine Amtszeit war geprägt von Konflikten mit der preußischen Regierung. Er vertrat die Interessen seiner Stadt wie der umliegenden Eifel- und Mosellandschaft sowohl im Rheinischen Provinziallandtag als auch im Preußischen Abgeordnetenhaus. Dort war er einer der Mitbegründer der katholischen Fraktion, aus der später die Zentrumspartei hervorging.
Wilhelm (von) Haw wurde am 7.2.1783 in Daun als Sohn des kurtrierischen Hofrats Christoph Haw (1749-1788) und seiner Ehefrau Theresia, geborene Lippe (geb. 1755) geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters gab Kurfürst Clemens Wenzeslaus Wilhelm die Zusage eines Kanonikats sowie eines Studienstipendiums, die mit dem Einmarsch der französischen Truppen 1794 jedoch erlosch.
Haws Kindheit und Jugend war von den Umbruchssituationen seiner Zeit geprägt, mit denen er sich zu arrangieren wusste. Unter französischer Herrschaft absolvierte er ein rechtswissenschaftliches Studium in Trier und Paris und stieg rasch im französischen Staatsdienst auf. 1807 ließ er sich als Advokat am Trierer Appellationsgerichtshof nieder, wurde am 16.9.1809 zum Syndikus der Trierer Steuerverwaltung berufen und gleichzeitig zum „Conseiller-auditeur“ am Berufungsgericht. Ende 1809 ernannte Napoleon ihn zum Kommandanten der Nationalgarde des Saardépartements. 1810 wurde er zum Auditeur erster Klasse im Staatsrat zu Paris und am 14.11.1810 schließlich zum ”Secrétaire Général de la Direction de la Police dans le Département de la Hollande” berufen. 1812, aufgestiegen zum Generalkommissar der Polizei in ‘s-Hertogenbusch (Bois-le-Duc) im kurz zuvor gegründeten Département Bouches-du-Rhin, verwaltete Haw 1812-1813 die Polizei der Hansestadt Bremen, bevor er am 24.2.1814 den Höhepunkt seiner Karriere im französischen Staatsdienst erreichte: Die Ernennung zum kommissarischen Präfekten des Département de l’Aube – ein Amt, das er zwar nur bis zum 2.5.1814 bekleidete, was es jedoch nicht minder beachtenswert macht. Nach der Niederlage Napoleons musste Wilhelm Haw sich erneut mit einem neuen Landesherrn – diesmal dem preußischen König – arrangieren. Doch zunächst bewarb er sich um die Aufnahme in den Dienst der bayerischen Pfalz, um nicht gezwungen zu sein, in seiner Heimatstadt unter einer domination prussienne seinen Dienst zu verrichten.
Mit der Ablehnung dieser Bewerbung begann seine politische Karriere in Trier. Als am 27.12.1817 der Trierer Oberbürgermeister und vormalige Maire Anton Joseph Recking (1743-1817) hochbetagt starb, begann in Trier die Diskussion um die Neubesetzung der Stelle wie um die personelle Ausrichtung der Neuwahl. Nachdem der Stadtmagistrat zur Einreichung eines Dreiervorschlags berechtigt worden war, wählte dieser am 24.8.1818 mehrheitlich Wilhelm Haw an die Spitze der Liste. Im preußischen Innenministerium folgte man dem Vorschlag aus Trier und ernannte Haw am 25.9.1818 zunächst zum kommissarischen Oberbürgermeister der Stadt und Landrat des Stadtkreises Trier, bevor er am 14.11.1818 offiziell vom König im Amt bestätigt wurde. Nicht unwesentlich für Haws Erfolg in Trier war seine bevorstehende Eheschließung mit Elisabeth Franziska von Nell (1785-1849), der Tochter des erfolgreichen Kaufmanns, Oberfischermeisters zu Trier und preußischen Geheimen Kommerzienrats Christoph Philipp von Nell (1753-1825). Die Ehe wurde 1819 geschlossen und brachte den Sohn Christoph Philipp Haw (1825-1865) hervor.
Haws Amtszeit als Trierer Oberbürgermeister war geprägt von Konflikten mit der preußischen Regierung, wie sie sich beispielsweise aus den jährlichen Konduitenlisten und dem behördlichen Schriftverkehr herauslesen lassen. Bereits die ersten Amtsjahre wurden von Auseinandersetzungen begleitet. Haw nutzte die monatlich und jährlich abzuliefernden Verwaltungsberichte dazu, seinen Unmut hinsichtlich der Stellenbesetzung von Beamten und der desaströsen Lage vor Ort kundzutun. Er bemängelte die schlechte Ausstattung der kommunalen Verwaltungsorgane und die fehlende Kenntnis der „fremden Beamten“ der rheinischen Verhältnisse. Häufige Streitpunkte waren auch die wirtschaftliche Notlage der Menschen und die Armenfürsorge, wobei er die staatlichen Unterstützungsleistungen für nicht ausreichend hielt. Einer der Hauptvorwürfe, die ihm der Trierer Regierungspräsident wie der Oberpräsident der Rheinprovinz machten, war Vernachlässigung der Amtsgeschäfte zugunsten der „Verwaltung und Verschoenerung seiner Güter“. Das um 1821 von Haw erworbene Weißhaus und die dazugehörenden Ländereien, welche er sukzessive ausbaute und der Trierer Bevölkerung als Naherholungsgebiet öffnete, dürfte das von der Regierung beklagte Übel gewesen sein. Neben dem Weißhaus besaß Haw ein Rittergut in Taben-Rodt, welches in die Rittergutsmatrikel aufgenommen wurde, sein Wohnhaus in der Trierer Simeonstraße und mindestens drei weitere Mietshäuser am Judenplatz und in der Simeonstraße.
Spätestens seit den frühen 1830er Jahren rückte die nachlässige Amtsführung in den Hintergrund, als die andauernde oppositionelle Haltung Haws und die damit verbundene Missstimmung in der Trierer Bevölkerung zum neuen Hauptkonfliktpunkt wurde. In den Augen der preußischen Regierung war Haw zu liberal und seine zuvor bemängelte nachlässige Amtsverwaltung führte man auf seine in der französischen Zeit erfolgten Prägung zurück. So machte die preußische Verwaltung die Enttäuschung über den Karriereknick, den Haw mit dem Ende der napoleonischen Herrschaft erfahren hatte, nicht nur für seine schlechte Amtsführung, sondern auch für seine Abneigung gegenüber dem preußischen Staat verantwortlich. Noch im September 1838 beschrieb der Oberpräsident der Rheinprovinz, Ernst Freiherr von Bodelschwingh, Haw als einen Beamten, der „obergleich er ein höheres Amt bekleidet, doch leider zu denjenigen Personen gehört, deren politische Gesinnung und deren treue Anhänglichkeit an König und Vaterland erheblichen Zweifeln unterliegen.“
Ein Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen dem Trierer Stadtoberhaupt und den preußischen Behörden war der sogenannte „Casinostreit“, der am 25.1.1834 auf dem Stiftungsfest der Gesellschaft seinen Anfang nahm. Dabei sollen laut Anzeige die anwesenden Casinomitglieder die Marseillaise und andere revolutionäre Lieder gesungen haben. Obwohl Haw nicht daran teilgenommen hatte, verwandte er sich vehement für seine Mitgesellschafter und Freunde. In dem gegen ihn deshalb angestrengten Disziplinarverfahren erhielt er eine Geldstrafe, außerdem wurde ihm die Polizeiverwaltung der Stadt Trier entzogen, während das Oberpräsidium die Suspension von allen seinen Ämtern gefordert hatte.
Seit Jahresbeginn 1834 arbeitete man auf eine Pensionierung Haws hin, die nach zweimaliger Verweigerung einer Revision der Stadtratssitzungen durch einen preußischen Regierungsbeamten noch dringender empfunden wurde. Haw reichte zunächst ein formloses Rücktrittsgesuch ein, in dem er vorschlug, entweder in die Regierung berufen oder mit höheren Pensionszahlungen inklusive Nobilitierung in Gnaden entlassen zu werden. Obwohl man sich hinsichtlich des Vorgehens bei der Amtsenthebung nicht einig wurde, genehmigte man schließlich ein „Zuschussachtel“ zu seiner Pension und sicherte ihm schließlich die Erhebung in den Adelsstand zu, die 1842 vollzogen wurde. Am 12.10.1839 wurde Haw nach 21 Dienstjahren als Oberbürgermeister und Landrat in den Ruhestand versetzt.
Während seiner knapp 20-jährigen Amtszeit wirkte Wilhelm von Haw vor allem in den Bereichen der infrastrukturellen Aufwertung Triers und seiner Umgebung sowie der Sanierung und Verbesserung der städtischen Bausubstanz. Zu erwähnen sind insbesondere die Verfüllung des Weberbachs in der Simeonstraße, die Befestigung und Neupflasterung der städtischen Straßen, der Umbau des Rathauses am Kornmarkt seit 1819, der Wiederaufbau der 1817 brandbeschädigten Paulinuskirche und den Ankauf des Justizgebäudes. Des Weiteren setzte Haw sich für eine Verbesserung des städtischen Bildungssystems und der Armenfürsorge ein. Als Maßnahmen der infrastrukturellen Aufwertung Triers und der umliegenden Landstriche sind die Kanalisierung der Mosel und der Bau einer Eisenbahnlinie zu nennen.
Auch nach seiner Pensionierung blieb Wilhelm von Haw gesellschaftlich und politisch aktiv. In Trier war er weiter in leitenden Positionen in einflussreichen Vereinen und Gesellschaften organisiert. 1847 gehörte er dem Vereinigten Landtag an. Bis 1860 blieb er Abgeordneter des Rheinischen Provinziallandtags, dem er seit 1829 angehörte. 1849-1851 war er Mitglied der Ersten und 1852-1853 Mitglied der Zweiten Kammer des Preußischen Abgeordnetenhauses. Wie in seinen städtischen Ämtern setzte er sich dort unter anderem für Steuererleichterungen, Belange der unteren Bevölkerungsschichten, Armenfürsorge und Pressefreiheit ein. Im Abgeordnetenhaus wurde Haw mit sechs weiteren Trierer Abgeordneten zu einem der Mitbegründer der katholischen Fraktion, aus der später die Zentrumspartei hervorging.
Haw wurden verschiedenen Ehrungen zuteil: Neben dem preußischen Roten Adler-Orden dritter Klasse, der ihm 1825 verliehen und 1833 mit der Schleife zum Rothen Adlerorden aufgewertet wurde, wurde Wilhelm von Haw 1842 in den Adelsstand erhoben. 1826 wurde ihm der „Situations Plan der Stadt Trier“ gewidmet. In der Moselstadt erinnert die Hawstraße an ihn.
Wilhelm von Haw starb am 4.8.1862 in seiner Heimatstadt Trier. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem dortigen Hauptfriedhof.
Quellen
Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 403, Nrn. 2494, 6600; Best. 442, Nrn. 3389, 3401, 3402, 3707, 3720, 6740; Best. 700,019, Nr. 1.
Stadtarchiv Trier: NL Haw; Tb 12, Nrn. 40, 53, 54, 55, 326, 327 und Tb 14, Nr. 539.
Literatur
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Haase, Lena, Wilhelm Georg Nikolaus von Haw, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-georg-nikolaus-von-haw/DE-2086/lido/5f1052451545f4.45093236 (abgerufen am 07.09.2024)