Adelheid von Vilich

Stadtpatronin von Bonn

Norbert Schloßmacher (Bonn)

Adelheid von Vilich vor den Wallfahrtsstätten Pützchen und Vilich. Original als Kupferstich, hier der Abdruck auf einem Pilgerblatt von 1718.

Adel­heid ist die frü­hes­te Bonner­in, über die sich ei­ne bio­gra­phi­sche Skiz­ze schrei­ben lässt. Wich­tigs­te Quel­le hier­für ist die um das Jahr 1057 ent­stan­de­ne Le­bens­be­schrei­bung „Vi­ta Adel­hei­dis". Ih­re Ver­fas­se­rin ist die aus vor­neh­mer r­hei­ni­scher Fa­mi­lie stam­men­de Ber­tha, ei­ne Schwes­ter des Ab­tes Wolf­helm von Brau­wei­ler, die ih­ren ei­ge­nen Wor­ten zu­fol­ge in ih­rer Kind­heit ei­ne Schü­le­rin Adel­heids ge­we­sen war. Bert­has Mo­tiv war da­bei, für die nicht nur bei ihr in ho­hem An­se­hen ste­hen­de Adel­heid ei­ne ad­äqua­te Er­in­ne­rung zu schaf­fen, den Kölner Erz­bi­schof An­no II. über das hei­lig­mä­ßi­ge Le­ben Adel­heids zu in­for­mie­ren und ihn zur Ge­neh­mi­gung ih­rer lit­ur­gi­schen Ver­eh­run­g zu­ ­ver­an­las­sen.

Adel­heid war das jüngs­te von fünf Kin­dern des ade­li­gen Ehe­paars Ger­ber­ga und Me­gin­goz. Der Bru­der Gott­fried starb auf dem Böh­men­feld­zug Ot­tos II. (Re­gie­rungs­zeit 973-983) 976/ 977. Die bei­den Schwes­tern Ir­min­trud und Al­ve­rad hei­ra­te­ten stan­des­ge­mäß, die Schwes­ter Ber­tra­da war Or­dens­frau, spä­ter Äb­tis­sin des Köl­ner Stifts Sankt Ma­ria im Ka­pi­tol.

Die Mut­ter Ger­ber­ga stamm­te aus edels­tem Ge­schlecht (no­bi­lis­si­mo ger­mi­ne), wie es in der „Vi­ta Adel­hei­dis" hei­ßt. Neue­ren For­schun­gen zu­fol­ge war sie die Toch­ter des loth­rin­gi­schen Pfalz­gra­fen Gott­fried und ei­ne Nich­te des Köl­ner Erz­bi­schofs Wich­fried (Epis­ko­pat 924-953); sie hat­te ka­ro­lin­gi­sche und li­udol­fin­gi­sche Vor­fah­ren. Über den Va­ter Me­gin­goz, der zu­wei­len als Graf (co­mes) ti­tu­liert wird, of­fen­bar je­doch dem nie­de­ren Adel ent­stamm­te, ist we­ni­ger be­kannt. Er scheint aus dem nie­der­rhei­ni­schen Gel­dern zu stam­men, zu­min­dest hat­te sei­ne Fa­mi­lie dort Be­sitz.

Adel­heid, ge­bo­ren nach 965 und vor 970, trat – wie sei­ner­zeit üb­lich – be­reits als Kind in das Köl­ner Stift Sankt Ur­su­la ein, wo sie, so wird be­rich­tet, durch be­son­de­ren Ei­fer und be­son­de­re Ernst­haf­tig­keit auf­zu­fal­len wuss­te. Ihr In­ter­es­se an Bil­dung, so­wohl der ei­ge­nen als auch an der der ihr An­ver­trau­ten, war groß; es hei­ßt, sie ha­be sich schon früh in den „Hal­len der Phi­lo­so­phie" be­wegt. Ganz of­fen­bar war es der Tod des ein­zi­gen Soh­nes und Er­ben Gott­fried auf dem Schlacht­feld, der Adel­heids El­tern da­zu be­wog, ver­mut­lich im Jahr 978 auf ih­rem Grund und Bo­den in (Bonn-)Vi­lich ein Frau­en­klos­ter zu grün­den und die ent­spre­chen­den Ge­bäu­de er­rich­ten zu las­sen. 

Mit­tel­punkt der Neu­grün­dung war ein dort be­reits seit dem 8. oder 9. Jahr­hun­dert be­find­li­ches Kirch­lein, das als Fried­hofs­ka­pel­le, viel­leicht so­gar schon als Pfarr­kir­che ge­nutzt wor­den war. Im Ja­nu­ar 987 auf dem Hof­tag zu An­der­nach wur­de die­ses neu ge­grün­de­te In­sti­tut Kö­nig Ot­to III. (Re­gie­rungs­zeit 996-1002) über­ge­ben: „aus der ade­li­gen Fa­mi­li­en­grün­dung" wur­de „ein Reichs­stift". Die aus die­sem An­lass vom Kö­nig ge­währ­te Im­mu­ni­tät be­deu­te­te ei­ne be­son­de­re Pri­vi­le­gie­rung der Vi­li­cher Kir­che und ist zu­gleich der frü­hes­te Be­leg für ih­re Exis­tenz. Ers­te Äb­tis­sin wur­de Adel­heid, die Toch­ter des Grün­der­paa­res, die hier­für aus dem Stift Sankt Ur­su­la „frei­ge­kauft" wer­den muss­te.

Noch wäh­rend der Grün­dungs­pha­se scheint es zu Span­nun­gen um den Cha­rak­ter der Vi­li­cher Kir­che ge­kom­men zu sein; wäh­rend ins­be­son­de­re die Mut­ter Ger­ber­ga ei­ne stren­ge­re klös­ter­li­che Dis­zi­plin wünsch­te, fühl­te sich Adel­heid ge­wiss nicht zu­letzt auf­grund ih­rer Er­zie­hung in Köln zu der et­was freie­ren Form des stif­ti­schen Le­bens be­ru­fen. Erst Jah­re nach dem Tod der Mut­ter (vor 996) führ­te Adel­heid das stren­ge­re Re­gel­werk der Be­ne­dik­ti­ner und da­mit den Schlei­er in Vi­lich ein. Drei Jah­re nach sei­ner Frau starb auch Me­gin­goz; bei­de wur­den in der Vi­li­cher Kir­che bei­ge­setzt.

Der an­fäng­li­che Wi­der­stand ge­gen die el­ter­li­chen Vor­stel­lun­gen kann da­bei durch­aus als eman­zi­pa­to­ri­scher Akt ver­stan­den wer­den. Über­haupt muss Adel­heid auch bei kri­tischs­ter Be­trach­tung ih­rer „Vi­ta" als au­ßer­ge­wöhn­li­che Frau ih­rer Zeit be­trach­tet wer­den. Die hin­ge­bungs­vol­le und de­mü­ti­ge Hal­tung ih­ren Mit­schwes­tern ge­gen­über, ihr gro­ßes so­zia­les En­ga­ge­ment so­wie der ho­he Wert, den sie auf ei­nen qua­li­tät­vol­len Un­ter­richt leg­te, sind, um nur die­se Bei­spie­le zu nen­nen, mehr als nur be­mer­kens­wert.

Le­gen­där und durch die „Vi­ta" nicht über­lie­fert ist Adel­heids Tun in Pütz­chen, wo sie wäh­rend ei­ner Dür­re ei­ne Quel­le (la­tei­nisch pu­teus) zum Spru­deln ge­bracht ha­ben soll; al­ler­dings ist erst für das Jahr 1367 vom sen­te Aley­te born in Pütz­chen in den Quel­len die Re­de.

Wäh­rend der Amts­zeit des Köl­ner Erz­bi­schofs He­ri­bert, viel­leicht um das Jahr 1003, über­nahm Adel­heid nach dem Tod ih­rer Schwes­ter Ber­tra­da zu­sätz­lich zu ih­rer Funk­ti­on in Vi­lich auch die Lei­tung des Stifts Sankt Ma­ria im Ka­pi­tol in Köln. Dort starb Adel­heid an ei­nem 3. Fe­bru­ar (Fest des hei­li­gen Bla­si­us), viel­leicht im Jahr 1015, wo sie auf Wunsch Erz­bi­schof He­ri­berts auch bei­ge­setzt wer­den soll­te. Auf das Drän­gen der Vi­li­cher Schwes­tern hin wur­de Adel­heid je­doch in Vi­lich be­stat­tet, und zwar ih­rem Wunsch ent­spre­chend nicht in der Stifts­kir­che, son­dern be­schei­den im Kreuz­gang. 

Folgt man wei­ter dem Be­richt ih­rer Bio­gra­phin Ber­tha, so er­eig­ne­ten sich schon bald nach Adel­heids Tod an ih­rem Grab be­zie­hungs­wei­se auf ih­re Für­spra­che hin zahl­rei­che Wun­der­hei­lun­gen, die ers­te Wall­fah­rer und Pil­ger nach Vi­lich führ­ten. Die An­la­ge war dem An­drang nicht ge­wach­sen; der Leich­nam Adel­heids wur­de nicht nur in die Kir­che um­ge­bet­tet (Bau ei­ner Ring­kryp­ta), es wur­de gleich­zei­tig ein neu­es, deut­lich grö­ße­res Got­tes­haus (Fer­tig­stel­lung um 1040) er­rich­tet, zu­gleich ein Hin­weis auf die mit der Ver­eh­rung Adel­heids ein­her­ge­hen­de Pros­pe­ri­tät des Klos­ters.

Of­fen­bar ebb­te der öf­fent­li­che Kult um Adel­heid im Lau­fe des Mit­tel­al­ters ab. Der Bau der Adel­hei­dis­ka­pel­le, des äl­tes­ten Bau­teils der heu­ti­gen Vi­li­cher Kir­che, und die er­neu­te Trans­lo­zie­rung der Ge­bei­ne zu Be­ginn des 13. Jahr­hun­derts be­le­gen je­doch die un­ge­bro­che­ne Tra­di­ti­on in Vi­lich selbst. Bei der Al­tar­wei­he in die­sem Ka­pel­len­raum im Jah­re 1222 ist auch die Re­de vom al­ta­re sanc­te Alei­dis, ein ein­deu­ti­ger Be­leg für ei­ne – wann auch im­mer – er­folg­te „Hei­lig­spre­chung" auf Bis­tum­s­ebe­ne. Ei­ne Be­tei­li­gung Roms und der Welt­kir­che an ei­ner Ka­no­ni­sa­ti­on war zu die­ser Zeit noch nicht not­wen­dig.

End­gül­tig seit dem 17. Jahr­hun­dert wur­de der er­wähn­te Brun­nen in Pütz­chen das Ziel von Pil­gern und Wall­fah­rern, wo zu­nächst Ere­mi­ten, spä­ter ein von der Vi­li­cher Äb­tis­sin ein­ge­setz­ter Geist­li­cher, schlie­ß­lich ein vom ber­gi­schen Her­zog ge­stif­te­ter Kar­me­li­ter-Kon­vent die Be­treu­ung der From­men über­nahm. „Pütz­chens Markt", bis heu­te ei­ner der grö­ß­ten Jahr­märk­te in Deutsch­land, ent­stand vor die­sem Hin­ter­grund. Vi­lich hat­te sei­ne Be­deu­tung als Pil­ger­ziel spä­tes­tens 1641 ver­lo­ren, als man das Grab der Hei­li­gen in der Vi­li­cher Stifts­kir­che öff­ne­te und fest­stel­len muss­te, dass es leer war. Der Ver­bleib der Re­li­qui­en und der Zeit­punkt ih­res Ver­lus­tes, mög­li­cher­wei­se im Truch­ses­si­schen Krieg am En­de des 16. Jahr­hun­derts, blieb un­ge­klärt.

Bei der Neu­wei­he der vor­ma­li­gen Klos­ter- und nun­meh­ri­gen Pfarr­kir­che in Pütz­chen (Sankt Adel­heid-Pa­tro­zi­ni­um) im Jah­re 1897 fiel auf, dass Adel­heid nicht im „of­fi­zi­el­len" Hei­li­gen­ka­ta­log stand. Das jahr­zehn­te­lan­ge Be­mü­hen um ei­ne förm­li­che Ka­no­ni­sa­ti­on fand durch ein ent­spre­chen­des De­kret des Hei­li­gen Stuhls vom 27.1.1966 ih­ren Ab­schluss. Mit Ur­kun­de vom 8.9.2008 wur­de Adel­heid sei­tens der rö­mi­schen Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sa­kra­men­ten­ord­nung ne­ben den rö­mi­schen Mär­ty­rern Cas­si­us und Flo­ren­ti­us zur drit­ten Stadt­pa­tro­nin von Bonn er­ho­ben.

Quellen

Pie­sik, Heinz (Be­arb.), Vi­ta Adel­hei­dis. Das Le­ben der hei­li­gen Adel­heid von Vi­lich, Bonn 2003.

Literatur

Cors­ten, Se­ve­rin, Me­gin­goz und Ger­ber­ga, Grün­der des Stif­tes Vi­lich, in: Bon­ner Ge­schichts­blät­ter 30 (1978), S. 7-25.
Gier­sie­pen, Hel­ga, Das Ka­no­nis­sen­stift Vi­lich von sei­ner Grün­dung bis zum En­de des 15. Jahr­hun­derts, Bonn 1993.
Nie­sen, Jo­sef, Bon­ner Per­so­nen­le­xi­kon, 3., ver­bes­ser­te und er­wei­ter­te Auf­la­ge, Bonn 2011, S. 15-16.
Schlaf­ke, Ja­kob, Le­ben und Ver­eh­rung der hl. Adel­heid von Vi­lich, in: Ach­ter, Ir­min­gard, Die Stifts­kir­che St. Pe­ter in Vi­lich, Düs­sel­dorf 1968, S. 261-343.
Wi­spling­hoff, Erich, Grün­dung und Früh­ge­schich­te des Stif­tes Vi­lich, in: Höroldt, Diet­rich (Hg.), 1000 Jah­re Stift Vi­lich 978-1978. Bei­trä­ge zur Ge­schich­te und Ge­gen­wart von Stift und Ort Vi­lich, Bonn 1978, S. 23-40.

Online

Schu­ma­cher, Wil­fried/Sen­tis, Rein­hard, Hei­li­ge Adel­heid von Vi­lich. Zwei­te Stadt­pa­tro­nin von Bonn (In­for­ma­ti­on über die Bon­ner Stadt­pa­tro­nin auf der Web­site stadt­pa­tro­ne.de der Bon­ner Müns­ter­pfar­rei St. Mar­tin). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Schloßmacher, Norbert, Adelheid von Vilich, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adelheid-von-vilich/DE-2086/lido/56eb20df86ddb9.16056935 (abgerufen am 19.03.2024)