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Adelheid ist die früheste Bonnerin, über die sich eine biographische Skizze schreiben lässt. Wichtigste Quelle hierfür ist die um das Jahr 1057 entstandene Lebensbeschreibung „Vita Adelheidis". Ihre Verfasserin ist die aus vornehmer rheinischer Familie stammende Bertha, eine Schwester des Abtes Wolfhelm von Brauweiler, die ihren eigenen Worten zufolge in ihrer Kindheit eine Schülerin Adelheids gewesen war. Berthas Motiv war dabei, für die nicht nur bei ihr in hohem Ansehen stehende Adelheid eine adäquate Erinnerung zu schaffen, den Kölner Erzbischof Anno II. über das heiligmäßige Leben Adelheids zu informieren und ihn zur Genehmigung ihrer liturgischen Verehrung zu veranlassen.
Adelheid war das jüngste von fünf Kindern des adeligen Ehepaars Gerberga und Megingoz. Der Bruder Gottfried starb auf dem Böhmenfeldzug Ottos II. (Regierungszeit 973-983) 976/ 977. Die beiden Schwestern Irmintrud und Alverad heirateten standesgemäß, die Schwester Bertrada war Ordensfrau, später Äbtissin des Kölner Stifts Sankt Maria im Kapitol.
Die Mutter Gerberga stammte aus edelstem Geschlecht (nobilissimo germine), wie es in der „Vita Adelheidis" heißt. Neueren Forschungen zufolge war sie die Tochter des lothringischen Pfalzgrafen Gottfried und eine Nichte des Kölner Erzbischofs Wichfried (Episkopat 924-953); sie hatte karolingische und liudolfingische Vorfahren. Über den Vater Megingoz, der zuweilen als Graf (comes) tituliert wird, offenbar jedoch dem niederen Adel entstammte, ist weniger bekannt. Er scheint aus dem niederrheinischen Geldern zu stammen, zumindest hatte seine Familie dort Besitz.
Adelheid, geboren nach 965 und vor 970, trat – wie seinerzeit üblich – bereits als Kind in das Kölner Stift Sankt Ursula ein, wo sie, so wird berichtet, durch besonderen Eifer und besondere Ernsthaftigkeit aufzufallen wusste. Ihr Interesse an Bildung, sowohl der eigenen als auch an der der ihr Anvertrauten, war groß; es heißt, sie habe sich schon früh in den „Hallen der Philosophie" bewegt. Ganz offenbar war es der Tod des einzigen Sohnes und Erben Gottfried auf dem Schlachtfeld, der Adelheids Eltern dazu bewog, vermutlich im Jahr 978 auf ihrem Grund und Boden in (Bonn-)Vilich ein Frauenkloster zu gründen und die entsprechenden Gebäude errichten zu lassen.
Mittelpunkt der Neugründung war ein dort bereits seit dem 8. oder 9. Jahrhundert befindliches Kirchlein, das als Friedhofskapelle, vielleicht sogar schon als Pfarrkirche genutzt worden war. Im Januar 987 auf dem Hoftag zu Andernach wurde dieses neu gegründete Institut König Otto III. (Regierungszeit 996-1002) übergeben: „aus der adeligen Familiengründung" wurde „ein Reichsstift". Die aus diesem Anlass vom König gewährte Immunität bedeutete eine besondere Privilegierung der Vilicher Kirche und ist zugleich der früheste Beleg für ihre Existenz. Erste Äbtissin wurde Adelheid, die Tochter des Gründerpaares, die hierfür aus dem Stift Sankt Ursula „freigekauft" werden musste.
Noch während der Gründungsphase scheint es zu Spannungen um den Charakter der Vilicher Kirche gekommen zu sein; während insbesondere die Mutter Gerberga eine strengere klösterliche Disziplin wünschte, fühlte sich Adelheid gewiss nicht zuletzt aufgrund ihrer Erziehung in Köln zu der etwas freieren Form des stiftischen Lebens berufen. Erst Jahre nach dem Tod der Mutter (vor 996) führte Adelheid das strengere Regelwerk der Benediktiner und damit den Schleier in Vilich ein. Drei Jahre nach seiner Frau starb auch Megingoz; beide wurden in der Vilicher Kirche beigesetzt.
Der anfängliche Widerstand gegen die elterlichen Vorstellungen kann dabei durchaus als emanzipatorischer Akt verstanden werden. Überhaupt muss Adelheid auch bei kritischster Betrachtung ihrer „Vita" als außergewöhnliche Frau ihrer Zeit betrachtet werden. Die hingebungsvolle und demütige Haltung ihren Mitschwestern gegenüber, ihr großes soziales Engagement sowie der hohe Wert, den sie auf einen qualitätvollen Unterricht legte, sind, um nur diese Beispiele zu nennen, mehr als nur bemerkenswert.
Legendär und durch die „Vita" nicht überliefert ist Adelheids Tun in Pützchen, wo sie während einer Dürre eine Quelle (lateinisch puteus) zum Sprudeln gebracht haben soll; allerdings ist erst für das Jahr 1367 vom sente Aleyte born in Pützchen in den Quellen die Rede.
Während der Amtszeit des Kölner Erzbischofs Heribert, vielleicht um das Jahr 1003, übernahm Adelheid nach dem Tod ihrer Schwester Bertrada zusätzlich zu ihrer Funktion in Vilich auch die Leitung des Stifts Sankt Maria im Kapitol in Köln. Dort starb Adelheid an einem 3. Februar (Fest des heiligen Blasius), vielleicht im Jahr 1015, wo sie auf Wunsch Erzbischof Heriberts auch beigesetzt werden sollte. Auf das Drängen der Vilicher Schwestern hin wurde Adelheid jedoch in Vilich bestattet, und zwar ihrem Wunsch entsprechend nicht in der Stiftskirche, sondern bescheiden im Kreuzgang.
Folgt man weiter dem Bericht ihrer Biographin Bertha, so ereigneten sich schon bald nach Adelheids Tod an ihrem Grab beziehungsweise auf ihre Fürsprache hin zahlreiche Wunderheilungen, die erste Wallfahrer und Pilger nach Vilich führten. Die Anlage war dem Andrang nicht gewachsen; der Leichnam Adelheids wurde nicht nur in die Kirche umgebettet (Bau einer Ringkrypta), es wurde gleichzeitig ein neues, deutlich größeres Gotteshaus (Fertigstellung um 1040) errichtet, zugleich ein Hinweis auf die mit der Verehrung Adelheids einhergehende Prosperität des Klosters.
Offenbar ebbte der öffentliche Kult um Adelheid im Laufe des Mittelalters ab. Der Bau der Adelheidiskapelle, des ältesten Bauteils der heutigen Vilicher Kirche, und die erneute Translozierung der Gebeine zu Beginn des 13. Jahrhunderts belegen jedoch die ungebrochene Tradition in Vilich selbst. Bei der Altarweihe in diesem Kapellenraum im Jahre 1222 ist auch die Rede vom altare sancte Aleidis, ein eindeutiger Beleg für eine – wann auch immer – erfolgte „Heiligsprechung" auf Bistumsebene. Eine Beteiligung Roms und der Weltkirche an einer Kanonisation war zu dieser Zeit noch nicht notwendig.
Endgültig seit dem 17. Jahrhundert wurde der erwähnte Brunnen in Pützchen das Ziel von Pilgern und Wallfahrern, wo zunächst Eremiten, später ein von der Vilicher Äbtissin eingesetzter Geistlicher, schließlich ein vom bergischen Herzog gestifteter Karmeliter-Konvent die Betreuung der Frommen übernahm. „Pützchens Markt", bis heute einer der größten Jahrmärkte in Deutschland, entstand vor diesem Hintergrund. Vilich hatte seine Bedeutung als Pilgerziel spätestens 1641 verloren, als man das Grab der Heiligen in der Vilicher Stiftskirche öffnete und feststellen musste, dass es leer war. Der Verbleib der Reliquien und der Zeitpunkt ihres Verlustes, möglicherweise im Truchsessischen Krieg am Ende des 16. Jahrhunderts, blieb ungeklärt.
Bei der Neuweihe der vormaligen Kloster- und nunmehrigen Pfarrkirche in Pützchen (Sankt Adelheid-Patrozinium) im Jahre 1897 fiel auf, dass Adelheid nicht im „offiziellen" Heiligenkatalog stand. Das jahrzehntelange Bemühen um eine förmliche Kanonisation fand durch ein entsprechendes Dekret des Heiligen Stuhls vom 27.1.1966 ihren Abschluss. Mit Urkunde vom 8.9.2008 wurde Adelheid seitens der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung neben den römischen Märtyrern Cassius und Florentius zur dritten Stadtpatronin von Bonn erhoben.
Quellen
Piesik, Heinz (Bearb.), Vita Adelheidis. Das Leben der heiligen Adelheid von Vilich, Bonn 2003.
Literatur
Corsten, Severin, Megingoz und Gerberga, Gründer des Stiftes Vilich, in: Bonner Geschichtsblätter 30 (1978), S. 7-25.
Giersiepen, Helga, Das Kanonissenstift Vilich von seiner Gründung bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, Bonn 1993.
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, 3., verbesserte und erweiterte Auflage, Bonn 2011, S. 15-16.
Schlafke, Jakob, Leben und Verehrung der hl. Adelheid von Vilich, in: Achter, Irmingard, Die Stiftskirche St. Peter in Vilich, Düsseldorf 1968, S. 261-343.
Wisplinghoff, Erich, Gründung und Frühgeschichte des Stiftes Vilich, in: Höroldt, Dietrich (Hg.), 1000 Jahre Stift Vilich 978-1978. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart von Stift und Ort Vilich, Bonn 1978, S. 23-40.
Online
Schumacher, Wilfried/Sentis, Reinhard, Heilige Adelheid von Vilich. Zweite Stadtpatronin von Bonn (Information über die Bonner Stadtpatronin auf der Website stadtpatrone.de der Bonner Münsterpfarrei St. Martin). [Online]
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Schloßmacher, Norbert, Adelheid von Vilich, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adelheid-von-vilich/DE-2086/lido/56eb20df86ddb9.16056935 (abgerufen am 06.12.2024)