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Carl Pelman gilt als einer der bedeutendsten Psychiater des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Als Anhänger des Non-Restraint-Prinzips forderte er eine menschliche Behandlung psychisch Kranker und lehnte die bis dahin in der Psychiatrie üblichen Zwangsmethoden ab.
Carl Georg Wilhelm Pelman wurde am 24.1.1838 als Sohn eines Kanzleirats am preußischen Oberbergamt in Bonn geboren. Seine Mutter, ebenfalls eine Bonnerin, war literarisch sehr begabt und kannte durch ihren Kontakt mit dem Bonner Maikäferbund unter anderem Johanna und Gottfried Kinkel, Georg Herwegh (1817-1875) und Carl Schurz. Pelmans Vater war aktives Mitglied im Bonner Karnevalsverein.
Pelman besuchte bis 1855 das Gymnasium in Bonn. Schon in dieser Zeit entwickelte er großes Interesse an der lateinischen und griechischen Literatur, entschied sich aber nach dem Abitur für ein Studium der Medizin in Bonn. 1860 wurde er mit der Dissertation "Die medicinische Topographie der Stadt Bonn" promoviert. Während der Studienzeit absolvierte Pelman unter der Leitung des Psychiaters Friedrich Albert Hoffmann (1820-1863) ein vierwöchiges Praktikum in der auf dem Siegburger Michaelsberg angesiedelten ersten Provinzial-Irrenanstalt der Rheinprovinz. Nach bestandenem Staatsexamen fand er hier für die Dauer eines Jahres eine Anstellung als Assistenzarzt.
Anfang 1862 wechselte Pelman in gleicher Funktion an eine Privatirrenanstalt in Görlitz, wo er ab 1863 auch seinen Militärdienst als Einjährig Freiwilliger ableistete. Im Krieg gegen Dänemark 1864 nahm er als Feldarzt an der Erstürmung der Düppeler Schanzen teil. Nach Kriegsende kehrte Pelman nach Siegburg zurück, wo er ab dem 23.9.1864 zunächst als Assistenzarzt und von 1866 bis 1871 als zweiter Arzt tätig war. 1867 gründete er mit anderen rheinischen Irrenärzten den "Psychiatrischen Verein der Rheinprovinz".
Von 1871 bis 1876 wirkte er auf Betreiben des preußischen Ministerialdirektors Friedrich Althoff, einem Bonner Studiengenossen, als Leiter der elsässischen Irrenanstalt Stephansfeld. In dieser Position erhielt Pelman erstmals die Möglichkeit, seine Vorstellungen von einer menschenwürdigen Behandlung psychisch Kranker in vollem Umfang umzusetzen zu können. In seinen Erinnerungen schilderte er die bis dahin in der Behandlung der Kranken gängigen Disziplinarmaßnahmen und Zwangsmethoden. So schrieb er über die Anwendung der so genannten „Dusche": „Bei der Dusche wurde der nackte Kranke auf einen Zwangsstuhl gesetzt und der Oberwärter leitete den Strahl einer Brandspritze auf seinen Rücken, und die Arabesken, die sich unter dem scharfen Strahle in breiten Striemen auf der Haut bildeten, zeugten ebenso von der langen Übung des ausübenden Beamten, wie das Gebrüll des Kranken von den angenehmen Empfindungen, die er dabei empfand."
Pelman erwies sich als ein entschiedener Gegner derartiger Methoden, sein Ziel galt der Umwandlung der „Irrenanstalten" in „Humanitätsanstalten". Nach seiner Ansicht, die unter anderem auch von seinem Kollegen Bernhard von Gudden geteilt wurde, eröffnete allein eine menschenwürdige Behandlung und Versorgung der Kranken sowie ein partnerschaftliches Verhältnis von Arzt und Patient die Möglichkeit zur Heilung und letztlich auch zu einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Dies schloss jedoch gleichzeitig die Aufnahme geisteskranker Verbrecher in die von ihm konzipierten „freien Anstalten" aus. Da sich diese von „Zwang und Strafe" gelöst hätten, plädierte Pelman dafür, die im Verdacht einer Geisteskrankheit stehenden Kriminellen in der Obhut des Strafvollzugs zu belassen. 1876 kehrte Carl Pelman in das Rheinland zurück und übernahm die Leitung der neu eröffneten Provinzial-Irrenanstalt Grafenberg bei Düsseldorf. 1884 gründete er den „Düsseldorfer Hülfsverein", mit dem "entlassenen Geisteskranken" bei ihrer Wiedereingliederung im Alltag geholfen werden sollte, auch finanziell. Ab 1889 führte Carl Pelman den Vorsitz des „Psychiatrischen Vereins der Rheinprovinz". Er war auch Mitherausgeber der „Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie" und psychiatrischer Schriftsteller.
1889 wurde er,- nicht zuletzt auf Drängen Althoffs - als Nachfolger von Werner Nasse (1822-1889) zum Direktor der „Provinzial-Irrenanstalt Bonn" und gleichzeitig zum ersten ordentlichen Professor für Psychiatrie an der Universität Bonn berufen. Die Bonner Anstalt hatte in den Anfängen mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, da sie unter anderem auch einen Teil des alten Siegburger Inventars – zum Beispiel Betten älteren Typs – übernehmen musste. Nach dem Urteil von Pelman war die Bonner Anstalt bei seiner Ankunft als Leiter „unpraktisch, unschön und ungemütlich" gebaut. Eine Änderung der Wohn- und Arbeitsbedingungen sowohl für die Patienten als auch für das Personal war auch hier Pelmans Bestreben. In seiner Funktion als Universitätsprofessor fand Pelman in der letzten Phase seines beruflichen Schaffens eine weitere Aufgabe, die seinen vielseitigen Befähigungen, trotz anfänglicher Skepsis, entgegen kam. Obgleich in seiner Lehrtätigkeit ein Spätberufener, erfreuten sich seine inhaltlich präzisen und dennoch unterhaltsamen Vorlesungen bei den Studenten einer großen Beliebtheit.
1904 trat Pelman in den Ruhestand, den er bei bester Gesundheit unter anderem mit literarischen Studien und der Abfassung seiner Lebenserinnerungen verbrachte.
Carl Pelman starb am 21.12.1916 an einer Lungenentzündung. Sein Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof in Bonn.
Schriften (Auswahl)
Die medicinische Topographie der Stadt Bonn, Dissertationsschrift, Bonn 1860.
Erinnerungen eines alten Irrenarztes, Bonn 1912.
Literatur
Orth, Linda/Bradl, Christian/Klenk, Wolfgang, Die Irren im Bonn des 19. Jahrhunderts, in: Mazerath, Josef (Hg.), Bonn. 54 Kapitel Stadtgeschichte, Bonn 1989, S. 209-216.
Orth, Linda, Pass op. sonst küss de bei de Pelman. Das Irrenwesen im Rheinland des 19. Jahrhunderts, Bonn 1996, S. 18-20.
Umpfenbach, Friedrich, Carl Wilhelm Pelman, in: Theodor Kirchhoff, Deutsche Irrenärzte, Band 2, Berlin 1924, S. 144-148.
Online
Geschichte des LVR-Klinikums Düsseldorf - Psychiatrie im Wandel der Zeit (Information auf der Website des LVR-Klinikums Düsseldorf). [Online]
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Orth, Linda, Carl Wilhelm Pelman, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-wilhelm-pelman/DE-2086/lido/57c9589ef03391.07144296 (abgerufen am 08.09.2024)