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Edith Ennen war eine deutsche Historikerin des 20. Jahrhunderts, die mit wegweisenden Forschungen zur europäischen Stadtgeschichte des Mittelalters und der Frühneuzeit hervorgetreten ist. Weitere Schwerpunkte ihrer Forschertätigkeit waren die Geschichte der Frauen im Mittelalter und die rheinische Landesgeschichte vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert.
Edith Ennen wurde am 28.10.1907 in Merzig an der Saar geboren (Kreis Merzig-Wadern), wo ihr Vater Direktor der dortigen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt war. Die Familie stammte aus Emmerich. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Altphilologie in Freiburg, Berlin und Bonn wurde Edith Ennen 1933 bei Franz Steinbach in Bonn promoviert. Es folgte die Ausbildung zum höheren Archivdienst in Berlin-Dahlem. Nach deren Abschluss wurde sie trotz eines Prädikatsexamens nicht in den preußischen Archivdienst übernommen. Dieser war noch eine reine Männerdomäne; außerdem wollte Edith Ennen nicht Mitglied der NSDAP werden. So kehrte sie 1935 als „wissenschaftliche Hilfskraft" in das Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn zurück.
An der im Institut seit Mitte der 1930er-Jahre betriebenen so genannten „Westforschung" hatte sie dabei keinen Anteil. Sie leistete in dieser Zeit Vorarbeiten für ein geplantes „Historisches Ortslexikon der Rheinlande", das ab 1972 für die Städte als "Rheinischer Städteatlas" realisiert wird. Während des Krieges und der Abwesenheit des Institutsdirektors Franz Steinbach hielt sie den Lehr- und Publikationsbetrieb des Instituts aufrecht. 1947 wurde sie die erste wissenschaftlich ausgebildete Archivarin der Stadt Bonn, in deren Dienst sie bis 1964 blieb.
Seit 1961 Honorarprofessorin der Universität Bonn, wechselte sie zum Sommersemester 1964 als Nachfolgerin von Hektor Ammann (1894-1967) auf den Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Zum Sommersemester 1968 kehrte sie an die Universität Bonn zurück, wo sie bis zum 31.3.1974 den Lehrstuhl für mittelalterliche und neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Rheinischen Landesgeschichte inne hatte und damit gleichzeitig Direktorin des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande war.
Die Stadt des Mittelalters und der Frühneuzeit war Edith Ennens lebenslanges Forschungsobjekt, beginnend mit der Dissertation von 1933 über die Selbstverwaltung in den Saarstädten vom Spätmittelalter bis zur französischen Zeit. Ihr Hauptwerk, die „Frühgeschichte der europäischen Stadt", erschien 1953 und begründete ihren Ruf als bedeutende europäische Stadthistorikerin. Einen Überblick über „Die europäische Stadt des Mittelalters" bietet das gleichnamige Werk von 1972, das vier Auflagen erfuhr (zuletzt 1987). Seine Wirksamkeit über Europa hinaus zeigen Übersetzungen ins Japanische und sogar Koreanische. Dass Stadt- und Agrargeschichte einander bedingen, bewies Edith Ennen 1979 zusammen mit dem Archäologen Walter Janssen (1936-2001) in einer vor allem für Studierende gedachten Einführung zur Deutschen Agrargeschichte.
Seit 1955 gehörte Edith Ennen zu den Gründungsmitgliedern der „Commission Internationale pour l’Histoire des Villes" im Internationalen Historikerverband. Hier gestaltete sie vor allem den deutschen Teil des Quellenwerks „Elenchus Fontium Historiae Urbanae" (erschienen 1967) und die Diskussionen um die Gründung von nationalen Typenatlanten des europäischen Städtewesens entscheidend mit. Aus letzteren entstand in ihrem rheinischen Wirkungsfeld in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) der seit 1972 erscheinende Rheinische Städteatlas. Darin verbinden sich Erfordernisse der vergleichenden europäischen Stadtgeschichtsforschung mit der Tradition der Bonner geschichtlichen Landeskunde. Für ein zweites landesgeschichtliches Grundlagenwerk, den Geschichtlichen Atlas der Rheinlande, der 2008 abgeschlossen worden ist, schuf Edith Ennen ebenfalls die Grundlagen.
Unter Edith Ennens stadtgeschichtlichen Forschungen nehmen die Städte Köln und Bonn einen besonderen Platz ein. Vor allem die Stadt Bonn – ihr Lebens- und Wirkungsmittelpunkt über mehr als sechs Jahrzehnte – fand in ihr eine Historiographin von hohem Rang. Ihr Hauptwerk, der 2. Teil der „Geschichte der Stadt Bonn", erschien 1962 (Teil 1 von Josef Niessen, 1954). Es bietet eine umfassende Darstellung der Geschichte der kurkölnischen Haupt- und Residenzstadt bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit. Für die vierbändig geplante neue Bonner Stadtgeschichte von 1989 überarbeitete und ergänzte sie als über 80-jährige ihren Text von 1962, der in die Bände 3 und 4 einging.
Bis ins hohe Alter blieb Edith Ennen aufgeschlossen für neue Fragestellungen der Stadtgeschichte wie der Geschichtswissenschaft allgemein. Als über 70-jährige erschloss sie sich ein neues Forschungsfeld: Die Geschichte der Frauen im Mittelalter, der sie neben zahlreichen kleineren Arbeiten eine viel beachtete und sehr erfolgreiche Monographie widmete. Das Werk erschien zwischen 1984 und 1999 in sechs Auflagen und mehreren Sprachen; es machte Edith Ennen einem breiten Publikum bekannt. Wie alle ihre Werke zeichnen auch dieses Quellennähe, die souveräne Beherrschung des Stoffes und eine klare Sprache aus.
Edith Ennen starb am 28.6.1999 in Bonn; ihr Grab befindet sich auf dem dortigen Südfriedhof. In ihrer Heimatstadt Merzig wurde ihr eine Straße gewidmet.
Schriften (Auswahl)
Die Organisation der Selbstverwaltung in den Saarstädten vom ausgehenden Mittelalter bis zur französischen Revolution, Bonn 1933.
Frühgeschichte der europäischen Stadt, Bonn 1953, 3., um einen Nachtrag erweiterte Auflage, Bonn 1981.
Die europäische Stadt des Mittelalters, Göttingen 1972, 3. Auflage, Göttingen 1987.
Frauen im Mittelalter, München 1984, 6. Auflage, München 1999.
Gesammelte Abhandlungen zum europäischen Städtewesen und zur rheinischen Geschichte, [I], hg. von Georg Droege / Klaus Fehn / Dietrich Höroldt / Franz Irsigler / Walter Janssen, Bonn 1977.
Gesammelte Abhandlungen II, hg. von Dietrich Höroldt / Franz Irsigler, Bonn 1987.
Geschichte der Stadt Bonn, Teil 2, Bonn 1962.
Geschichte der Stadt Bonn, hg. von Dietrich Höroldt / Manfred van Rey, Band 3: Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt 1597-1794, hg. von Dietrich Höroldt, Bonn 1989, [darin von] Edith Ennen: S. 7-349, 537-546; Band 4: Bonn. Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt 1794-1789, hg. von Dietrich Höroldt, Bonn 1989, [darin von] Edith Ennen [zusammen mit] Arnold E. Maurer und Claudia Valder-Knechtges: S. 9-71.
[Zusammen mit]: Walter Janssen, Deutsche Agrargeschichte. Vom Neolithikum bis zur Schwelle des Industriezeitalters, Wiesbaden 1979.
Festschrift, Gedenkschrift
Besch, Werner / Klaus Fehn / Dietrich Höroldt / Franz Irsigler / Matthias Zender (Hg.), Die Stadt in der europäischen Geschichte. Festschrift Edith Ennen, Bonn 1972.
Janssen, Wilhelm /Wensky, Margret (Hg.), Mitteleuropäisches Städtewesen in Mittelalter und Frühneuzeit. Edith Ennen gewidmet, Köln / Weimar / Wien 1999 [mit Schriftenverzeichnis].
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Wensky, Margret, Edith Ennen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/edith-ennen/DE-2086/lido/57c6a4e7a892a5.07381897 (abgerufen am 13.11.2024)