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Der wegen seines sozialen Engagements und seiner sachlichen, und kompromissbereiten Haltung populäre Politiker Hermann Herberts genoss auch beim politischen Gegner Respekt. Seine besondere Fürsorge galt dem Wiederaufbau der zerstörten Stadt Wuppertal, insbesondere der Errichtung von Wohn- und Schulgebäuden, aber auch dem Sport und der Kultur.
Hermann Herberts wurde am 4.4.1900 in Sudberg im Süden des Städtchens Cronenberg (heute Stadt Wuppertal) in eine politisch aktive Familie geboren. Der Vater war Werkzeugschleifer und trat früh der SPD und dem „Deutschen Metallarbeiter-Verband“, einer Gewerkschaft, bei. Im Ersten Weltkrieg wurde er Mitglied der USPD, einer Abspaltung der Kriegsgegner von der Mutterpartei SPD. Nach dem Krieg radikalisierte sich die Partei in Cronenberg und schloss sich der KPD an, während der rechte Flügel und mit ihm der Vater Herberts 1922 den Weg zurück in die SPD fand.
Der Sohn wuchs in Cronenberg auf und absolvierte eine kaufmännische Lehre. Als 17-Jähriger trat er ebenfalls der Gewerkschaft und der USPD bei, wurde deren Parteisekretär für den Bezirk Remscheid-Cronenberg und schrieb Artikel für die „Volkstribüne“, eine Zeitung seiner Partei. Im März 1920 organisierte er in seinem Bezirk den Generalstreik, zu dem die Gewerkschaften, unterstützt von Parteien wie der USPD, deutschlandweit aufgerufen hatten, um den Sturz des hohen preußischen Beamten Wolfgang Kapp (1858-1922) und seiner Regierung herbeizuführen. Kapp hatte mit der Unterstützung einiger militärischer Verbände durch einen Putsch die Macht in Berlin übernommen und die demokratisch gewählte Regierung zur Flucht gezwungen. Sicherlich hat Herberts auch hautnah erlebt, wie am 16.3.1920 in Cronenberg im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen der berüchtigten Sicherheitspolizei und demonstrierenden Arbeitern diese niedergeschossen und dabei mindestens acht Menschen getötet und etliche verletzt wurden.
Durch die Spaltung der USPD verlor Herberts seine Stelle als Parteisekretär. Er arbeitete fortan als Verlagskaufmann und Journalist für die Elberfelder „Volkstribüne“, einem Blatt der Rest-USPD. Wie sein Vater hatte er sich dem rechten Flügel der Partei angeschlossen, 1922 fand er ebenfalls den Weg in die SPD. 1921 hatte das junge Parteimitglied bereits die kurz zuvor gegründete Heimvolkshochschule Schloss Tinz in Gera (Thüringen) besucht. Dort erhielten Arbeiterfunktionäre in meist sechsmonatigen Kursen von anerkannten Dozenten wie Ernst Fraenkel (1898-1975), Karl Korsch (1886-1961) oder Otto Suhr (1894-1957) Unterricht in Politik und verwandten Fächern, um ihre fehlende schulische Bildung wettzumachen.
Seit 1922 arbeitete Herberts als Journalist für sozialdemokratische Blätter in Iserlohn, Siegen und Hagen. Während dieser „Wanderjahre“ eignete er sich umfangreiche Kenntnisse in sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen an, die er 1925 durch den Besuch der staatlichen Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung in Düsseldorf noch vertiefen konnte. Er wurde Redakteur bei der „Freien Presse“ in Hagen und wechselte 1929 als Wirtschaftsredakteur nach Leipzig, zu der angesehenen „Leipziger Volkszeitung“, dem wichtigsten sozialdemokratischen Organ neben dem „Vorwärts“. Er übernahm dort auch den Vorsitz im ehrwürdigen „Leipziger Arbeiterbildungsinstitut“, aus dem 1863 der „Allgemeine Deutsche Arbeiter-Verein“, die Keimzelle der SPD, hervorgegangen war, und 1932 war er sogar von seiner Leipziger Partei als Kandidat für einen Sitz im Reichstag vorgesehen.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erhielt Herberts als Journalist Berufsverbot, kehrte in seine Heimat zurück und errichtete mit Hilfe seines Vaters eine kleine Werkzeugfabrik. Sein Haus wurde ein Treffpunkt vor allem sozialdemokratischer Widerständler aus dem Bergischen Land, die dort intensiv über die politische Ordnung nach dem Ende des „Dritten Reiches“ diskutierten. Nach dessen Zusammenbruch 1945 zog es Herberts erneut in die Politik. Er schrieb Leitartikel für das „Rhein-Echo“, eine der SPD nahestehende Zeitung in Düsseldorf, und wurde deren stellvertretender Chefredakteur. Die Partei entsandte ihn, den Fachmann für Wirtschaftsfragen, 1947 bis 1949 in den Zweizonen- und später den Dreizonen-Wirtschaftsrat in Frankfurt, das parlamentarische Kontrollorgan der gemeinsamen Wirtschaftsverwaltung der westlichen Besatzungszonen. Ein Freund vermittelte ihm eine Tätigkeit in der Pressestelle des DGB in Düsseldorf, die er von 1961 bis 1964 leitete.
1952 wurde Herberts Stadtverordneter in Wuppertal. Der Stadtverordnetenversammlung gehörte er bis 1969 an, und von 1956 bis 1961 und erneut von 1964 bis 1969 leitete er sie als Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal. Seine sachliche und vermittelnde, um Ausgleich unterschiedlicher Interessen bemühte Leitung brachte ihm hohe Anerkennung von allen Seiten, und am Ende seiner Amtszeit konnte er sich rühmen, dass von 7.647 Beschlüssen des Rates unter seiner Leitung 7.311 einstimmig gefasst worden waren.
Als Oberbürgermeister Wuppertals setzte er den raschen, oft auch gesichtslosen Wiederaufbau von Wohn- und Schulgebäuden in der Stadt fort, den seine Vorgänger schon bald nach Kriegsende in die Wege geleitet hatten. Doch er drückte der Stadt auch seinen eigenen Stempel auf. So zum Beispiel fiel in seine Amtszeit die erste grenzüberschreitende Städtepartnerschaft Wuppertals, die 1959 mit der französischen Stadt St. Etienne vereinbart wurde. Mit der sogenannten „Schwimmoper“ in Elberfeld wurde 1957 ein moderner städtebaulicher Akzent gesetzt und Wuppertal zu einem Mekka des Schwimmsports entwickelt. 1958 wurde die „Ruhmeshalle“ im Zentrum Barmens, ein wilhelminischer Museumsbau, wiederhergestellt, 1965 das Schulzentrum „Am Kothen“ in Betrieb genommen, 1966 ein neues Schauspielhaus in Elberfeld mit einer weithin beachteten Rede Heinrich Bölls (1917-1985) eingeweiht.
Auch bundespolitisch war Herberts aktiv, von 1963 bis 1968 hatte er ein Bundestagsmandat inne, zunächst als Nachrücker für Heinrich Deist (1902-1964), den Wirtschaftsfachmann der SPD, seit 1965 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Wuppertal-West.
Legendär war die Bescheidenheit des Wuppertaler Oberbürgermeisters. Seine Amtskette trug er nur selten, den ihm zustehenden Dienstwagen nahm er ebenfalls nur gelegentlich in Anspruch. Nach der Arbeit im Rathaus sah man ihn dafür oft mit der Straßenbahn nach Hause in Cronenberg fahren. Als er, durch eine längere Sitzung in Bonn aufgehalten, eines Abends nicht rechtzeitig in Wuppertal sein konnte und seine Verspätung telefonisch meldete, bot man ihm an, seinen Dienstwagen nach Bonn zu schicken. Herberts lehnte ab, als Bundestagsabgeordneter habe er doch eine Bahnkarte und könne diese nutzen.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt und dem Stadtrat engagierte sich Herberts als „interessierter Bürger“ in mehreren Ausschüssen des Stadtrates, etwa im Planungs- und Bauausschuss. Vor allem aber baute er sein Hobby, die Erforschung der lokalen Geschichte des Wuppertals, aus. Zum 100-jährigen Jubiläum der SPD 1963 hatte er bereits eine Geschichte der Wuppertaler SPD verfasst, die ihm den zweiten Preis der Otto-Wels-Gesellschaft eingetragen hatte. Die Arbeit an dem Werk hatte seinen Blick auf den Vormärz gelenkt, und so beschäftigte er sich als Pensionär mit Forschungen zur Wirtschaft und Gesellschaft des Wuppertals in der Zeit des Vormärz. Sie gipfelten in dem Buch „Alles ist Kirche und Handel...“, das geschickt einen Ausspruch des Bonner Theologen Karl Immanuel Nitzsch (1787-1868) über das Wuppertal aufnahm und 1980 vom Bergischen Geschichtsverein veröffentlicht wurde.
Herberts erhielt viele Ehrungen. Am wichtigsten war ihm wohl die Ernennung zum Ehrenbürger Wuppertals aus Anlass seines 80. Geburtstages. Am 25.12.1995 starb er in Wuppertal im Alter von 95 Jahren.
Im Stadtteil Cronenberg erinnert die Hermann-Herberts-Grundschule an den langjährigen Oberbürgermeister und SPD-Politiker. Die SPD Cronenberg verleiht jährlich für besonderen Einsatz für das Gemeinwohl die Hermann-Herberts-Medaille.
Quellen
Im Stadtarchiv Wuppertal: Bestand „Zeitgeschichtliche Portraits“ und Bestand Zeitungsausschnitt-Sammlung zu Hermann Herberts. - Nachlass Hermann Herberts.
Werke
Zur Geschichte der SPD in Wuppertal. Ein Beitrag zum Hundertjahr-Jubiläum 1963, Wuppertal-Elberfeld 1963.
„Alles ist Kirche und Handel...“ Wirtschaft und Gesellschaft des Wuppertals im Vormärz und in der Revolution 1848/49, Neustadt/Aisch 1980.
Literatur
Politik und Bürger. Aufsätze zum 65. Geburtstag von Hermann Herberts, Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal, Wuppertal [1965].
Rhefus, Reiner, Spurensicherung 1920. Der Arbeiteraufstand gegen den Kapp-Putsch und die damalige Arbeiterkultur im Bergischen Land, Essen 2000.
Vierhaus, Rudolf/Herbst, Ludolf (Hg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949–2002, Band 1: A–M, München 2002, S. 332.
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Wittmütz, Volkmar, Hermann Herberts, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hermann-herberts-/DE-2086/lido/5f5f164614a601.96949298 (abgerufen am 15.10.2024)