Johann Christian von Stramberg

Historiker und Publizist (1785-1868)

Tobias S. Schmuck (Heidesheim)

Johann Christian von Stramberg, Porträt. (Stadtarchiv Koblenz)

Das Le­bens­werk von Chris­ti­an von Stram­berg, der “R­hei­ni­sche An­ti­qua­ri­us“, ist bis heu­te ein Uni­kat. Auch wenn es in der Kri­tik steht, weil es we­der wis­sen­schaft­lich er­ar­bei­tet noch hin­läng­lich ver­läss­lich ist, wird dar­in Vie­les fest­ge­hal­ten, was sonst wohl nicht über­lie­fert wä­re. So bleibt Stram­bergs Werk ei­ne viel­ge­nutz­te und un­ver­zicht­ba­re Quel­le zur rhei­ni­schen Ge­schich­te.

Jo­hann Chris­ti­an Her­me­ne­gild Jo­seph Franz de Pau­la Ben­ja­min Stram­ber­ger von Gros­berg – so der voll­stän­di­ge Na­me – wur­de am 13.10.1785 in Ko­blenz ge­bo­ren, wo sein Va­ter, der aus Nie­der­ös­ter­reich stam­men­de Jo­seph von Stram­ber­ger (1742-1829), als Hof­ge­richt­s­as­ses­sor und No­tar tä­tig war. Sei­ne Mut­ter war Ma­ria Fran­zis­ka von Ga­erz (1755-1808). Sei­nen Na­men re­du­zier­te er schon früh auf (Jo­hann) Chris­ti­an von Stram­berg. Das Hei­li­ge Rö­mi­sche Reich, des­sen Un­ter­gang er als Fol­ge der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on mit­er­leb­te, blieb für ihn zeit­le­bens ein Be­zugs­rah­men, et­wa in der Ab­leh­nung al­ler „Ide­en von 1789“, die sei­ne Fa­mi­lie um Amt und er­heb­li­ches Ver­mö­gen ge­bracht hat­ten, oder in frü­hen For­schun­gen, in de­nen er sich der Her­kunft sei­ner Fa­mi­lie aus den habs­bur­gi­schen Nie­der­lan­den wid­me­te.

Nach dem Be­such des Gym­na­si­ums in Ko­blenz stu­dier­te von Stram­berg 1803-1806 in Er­lan­gen Rechts- und Staats­wis­sen­schaf­ten, um sich der ­Fa­mi­li­en­tra­di­ti­on ent­spre­chend auf den Staats­dienst vor­zu­be­rei­ten. An­schlie­ßend be­gab er sich bis 1808 auf ei­ne Ka­va­liers­tour nach Wien, Mün­chen, Pa­ris und Brüs­sel. Ne­ben der Ju­ris­te­rei ent­wi­ckel­te er schon wäh­rend des Stu­di­ums ein brei­tes In­ter­es­se, in­dem er Spra­chen er­lern­te, vor al­lem Ita­lie­nisch, Spa­nisch und Fran­zö­sisch, und au­ßer­dem Li­te­ra­tur und deut­sche Reichs­ge­schich­te stu­dier­te.

 

1810 trat er in den Dienst in der Ver­wal­tung de­s Rhein-Mo­sel-De­par­te­ments; es war sei­ne Auf­ga­be, die jähr­li­chen sta­tis­ti­schen Be­rich­te über die Mai­ri­en des Dé­par­te­ments zu lie­fern. Seit 1812 ver­wen­de­te er da­für ein ra­tio­na­li­sier­tes Ver­fah­ren, in­dem er ei­nen ge­druck­ten Stan­dard­fra­ge­bo­gen ver­schick­te. So er­warb er um­fas­sen­de De­tail­kennt­nis­se über die Ver­hält­nis­se im Dé­par­te­ment. Gleich­zei­tig brach durch die fran­zö­si­sche Nie­der­la­ge in den na­po­leo­ni­schen Krie­gen die Staats­ge­walt weg, die das Ma­te­ri­al in Auf­trag ge­ge­ben hat­te. Von Stram­berg fand sich in der für ihn über­ra­schen­den Rol­le wie­der, dass er den un­ge­lieb­ten Re­vo­lu­ti­ons­staat letzt­lich in den Ak­ten und der Funk­ti­on be­er­ben soll­te, was ihn in den Stand ver­setz­te, le­bens­läng­lich sein Quel­len­ma­te­ri­al aus­wer­ten zu kön­nen. Er sam­mel­te und forsch­te wei­ter vor Ort und ging den Ur­kun­den- und Ak­ten­be­stän­den nach, so dass er das Fun­da­ment sei­ner Ar­beit aus der „Kon­kurs­mas­se“ sei­nes Dé­par­te­ments über­nahm.

Mit Feu­er­ei­fer wand­te er sich zu­nächst der Ver­öf­fent­li­chung der „Be­schrei­bung des Can­tons Rhein­bach“ (1816) zu, be­vor er für die Zei­tung „Rhei­ni­scher He­rol­d“ schrieb, die bis 1819 drei­mal wö­chent­lich er­schien. Erst­mals be­tei­lig­te er sich an ei­nem mehr­bän­di­gen Werk, in­dem er Bei­trä­ge über al­te Adels­fa­mi­li­en für die „Ersch-Gru­ber­sche En­cy­clo­pä­die“ ver­fass­te.

In die Zeit nach 1815 fällt sei­ne Fa­mi­li­en­grün­dung. Als sei­ne Haus­häl­te­rin Ma­ria Lu­zia Bo­zen ein Kind von ihm er­war­te­te, hei­ra­te­ten sie An­fang des Jah­res 1818. Dem erst­ge­bo­re­nen Jo­seph Wil­helm folg­ten vier wei­te­re Kin­der. Fand die­se für die da­ma­li­ge Zeit nicht stan­des­ge­mä­ße Ver­bin­dung in der Fa­mi­lie noch Ak­zep­tanz – von Stram­bergs Va­ter wur­de Tauf­pa­te des ers­ten Kin­des – , geht aus ei­nem Be­richt des Ober­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz, Phil­ipp von Pe­s­tel, her­vor, dass Stram­bergs Um­feld dar­an durch­aus An­stoß nahm. So hei­ßt es in dem Be­richt: Er hat sich frü­her ei­ne Zeit lang zu den stren­gre­li­giö­sen Ca­tho­li­ken ge­hal­ten, sich aber seit län­ge­rer Zeit wie­der von ih­nen ent­fernt und ich darf an­neh­men, daß auch die­se ihm nicht trau­en. Durch frü­he­re Ver­hält­nis­se zu und dann durch Ver­hei­ra­tung mit sei­ner Magd hat er ei­ne an­de­re An­sicht des Pu­bli­kums ver­letzt.

Die Schwie­rig­keit, dass ihm sein Pu­bli­kum ab­han­den ge­kom­men war, hät­te bei­na­he zum Aus für sein Le­bens­werk, den „Rhei­ni­schen An­ti­qua­ri­us“ ge­führt. Nach ei­nem 1843 er­schie­ne­nen Band ge­stal­te­te sich die wei­te­re Fi­nan­zie­rung we­gen feh­len­der Ab­satz­zah­len schwie­rig, so dass sich kein Ver­le­ger für die Fort­set­zung fand. Von Stram­berg wä­re heu­te wohl ver­ges­sen, wenn nicht dem jun­gen Le­vin Schü­cking (1814-1883) als Kul­tur­re­dak­teur der „Köl­ni­schen Zei­tun­g“ der Band so zu­ge­sagt hät­te, dass er den Au­tor auf­such­te. Nach­dem ihm Stram­berg die Mi­se­re ge­schil­dert hat­te, fass­te Schü­cking ei­nen Ent­schluss, den er in sei­nen Me­moi­ren über­lie­fert: Da kann nur ei­nes hel­fen, sag­te ich, die Be­spre­chung Ih­res Wer­kes in den Jour­na­len. Daß die­se in dem ein­flu­ß­reichs­ten Blat­te Deutsch­lands, der „All­ge­mei­nen Zei­tun­g“ er­fol­ge, da­für will ich sor­gen; auch die „Köl­ni­sche“ soll hier am Rhei­ne wir­ken – al­so nil des­pe­ran­dum (Kein Ver­za­gen!)! Die Lärmtrom­mel soll ge­schla­gen wer­den.

Schü­cking hielt Wort und be­wirk­te, dass Stram­bergs Werk 1.200 Abon­nen­ten ge­wann; da­mit war die Fort­set­zung ge­si­chert und von Stram­berg man­gel­te es fort­an zeit­le­bens eher an Zeit als an Ar­beit. Ihm blie­ben 25 Jah­re, in de­nen er dem ers­ten Band 33 Bän­de fol­gen ließ, von de­nen kei­ner we­ni­ger als 700 Sei­ten um­fass­te. Der „Nach­for­scher in his­to­ri­schen Din­gen“ - die­ser Ti­tel schmückt statt ei­nes Na­mens das Ti­tel­blatt - schien in der Tat vor al­lem im For­schen und Auf­spü­ren von De­tails sei­ne Freu­de zu ha­ben, nicht an der Wis­sen­schaft­lich­keit. Zi­ta­te aus dem Ge­dächt­nis in An­füh­rungs­zei­chen, hun­dert­sei­ti­ge Ex­kur­se, star­ke Per­so­na­li­sie­rung, Ver­zicht auf Fuß­no­ten, aus­führ­li­che ei­gen­tüm­li­che Kom­men­ta­re – hier schrieb ein Ori­gi­nal, un­er­reicht und lau­nisch.

Ob­gleich sie der Be­zugs­rah­men für al­le Bän­de war, droh­te die rhei­ni­sche Ge­schich­te, de­ren An­ek­do­ten- und Sa­gen­schatz hier sei­ne Auf­zeich­nung und sei­nen Kom­men­tar fand, zu­wei­len von der li­te­ra­ri­schen Weit­schwei­fig­keit des Au­tors in den Hin­ter­grund ge­drängt zu wer­den. Die Wert­schät­zung sei­nes Werks zeig­te sich nicht zu­letzt dar­in, dass er auf die Un­ter­stüt­zung zahl­rei­cher Mit­ar­bei­ter bau­en konn­te, die meist un­ge­nannt blie­ben. Un­ter den na­ment­lich be­kann­ten ra­gen der Ar­chi­var Leo­pold von El­ters­ter (1822-1879), Ju­li­us We­ge­ler (1807-1883) un­d An­ton Jo­seph Wei­den­bach her­aus. Letz­te­rem ver­trau­te von Stram­berg auf dem Ster­be­bett die Fort­set­zung sei­nes Wer­kes an.

In der letz­ten Le­bens­zeit litt von Stram­berg un­ter star­ken Schmer­zen; durch ei­ne Fu­ß­ver­let­zung war er geh­be­hin­dert und ein Haut­krebs ent­stell­te sein Ge­sicht, so dass er nicht mehr un­ter Men­schen ging, son­dern völ­lig zu­rück­ge­zo­gen an sei­nem Le­bens­werk ar­bei­te­te. Von Stram­berg starb am 20.7.1868 und wur­de in St. Kas­tor in Ko­blenz be­gra­ben.

Quellen

Schü­cking, Le­vin, Le­bens­er­in­ne­run­gen, 2 Bän­de, Bres­lau 1886.

Werke (Auswahl)

Denk­wür­di­ger und nütz­li­cher Rhei­ni­scher An­ti­qua­ri­us wel­cher die wich­tigs­ten und an­ge­nehms­ten geo­gra­phi­schen, his­to­ri­schen und po­li­ti­schen Merk­wür­dig­kei­ten des gan­zen Rhein­stro­mes von sei­nem Aus­flus­se in das Meer bis zu sei­nem Ur­sprun­ge dar­stellt, 34 Bän­de., Ko­blenz 1843-1871.

Literatur

Fa­ber, Karl-Ge­org, Chris­ti­an von Stram­berg (1785-1868), in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 2 (1966), S. 159-175.
Fa­ber, Karl-Ge­org, Chris­ti­an von Stram­bergs „Rhei­ni­scher An­ti­qua­ri­us“ im Rah­men des rhei­ni­schen Geis­tes­le­bens der Re­stau­ra­ti­ons­zeit, Mainz 1952.
Schmuck, To­bi­as S, „Nach­for­scher in his­to­ri­schen Din­gen: Zum 225. Ge­burts­tag Chris­ti­an von Stram­berg­s“, in: Hei­mat­jahr­buch Land­kreis Mainz-Bin­gen 54 (2010), S. 303-306.

Online

Ken­te­nich, Gott­fried, Ar­ti­kel „Stram­berg, Jo­hann Chris­ti­an von“, in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 54 (1908), S. 607-608. [On­line]
Ko­el­ges, Mi­cha­el, Ko­blen­zer Weg­wei­ser Chris­ti­an von Stram­bergs „Rhei­ni­schen An­ti­qua­ri­us“ (PDF-Da­tei auf der Web­site des Stadt­ar­chivs Ko­blenz). [On­line]

Büste Johann Christian von Strambergs. (Stadtarchiv Bingen)

 
Zitationshinweis

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Schmuck, Tobias S., Johann Christian von Stramberg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-christian-von-stramberg/DE-2086/lido/57c957a68ef464.23877227 (abgerufen am 07.10.2024)