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Das Lebenswerk von Christian von Stramberg, der “Rheinische Antiquarius“, ist bis heute ein Unikat. Auch wenn es in der Kritik steht, weil es weder wissenschaftlich erarbeitet noch hinlänglich verlässlich ist, wird darin Vieles festgehalten, was sonst wohl nicht überliefert wäre. So bleibt Strambergs Werk eine vielgenutzte und unverzichtbare Quelle zur rheinischen Geschichte.
Johann Christian Hermenegild Joseph Franz de Paula Benjamin Stramberger von Grosberg – so der vollständige Name – wurde am 13.10.1785 in Koblenz geboren, wo sein Vater, der aus Niederösterreich stammende Joseph von Stramberger (1742-1829), als Hofgerichtsassessor und Notar tätig war. Seine Mutter war Maria Franziska von Gaerz (1755-1808). Seinen Namen reduzierte er schon früh auf (Johann) Christian von Stramberg. Das Heilige Römische Reich, dessen Untergang er als Folge der Französischen Revolution miterlebte, blieb für ihn zeitlebens ein Bezugsrahmen, etwa in der Ablehnung aller „Ideen von 1789“, die seine Familie um Amt und erhebliches Vermögen gebracht hatten, oder in frühen Forschungen, in denen er sich der Herkunft seiner Familie aus den habsburgischen Niederlanden widmete.
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Koblenz studierte von Stramberg 1803-1806 in Erlangen Rechts- und Staatswissenschaften, um sich der Familientradition entsprechend auf den Staatsdienst vorzubereiten. Anschließend begab er sich bis 1808 auf eine Kavalierstour nach Wien, München, Paris und Brüssel. Neben der Juristerei entwickelte er schon während des Studiums ein breites Interesse, indem er Sprachen erlernte, vor allem Italienisch, Spanisch und Französisch, und außerdem Literatur und deutsche Reichsgeschichte studierte.
1810 trat er in den Dienst in der Verwaltung des Rhein-Mosel-Departements; es war seine Aufgabe, die jährlichen statistischen Berichte über die Mairien des Départements zu liefern. Seit 1812 verwendete er dafür ein rationalisiertes Verfahren, indem er einen gedruckten Standardfragebogen verschickte. So erwarb er umfassende Detailkenntnisse über die Verhältnisse im Département. Gleichzeitig brach durch die französische Niederlage in den napoleonischen Kriegen die Staatsgewalt weg, die das Material in Auftrag gegeben hatte. Von Stramberg fand sich in der für ihn überraschenden Rolle wieder, dass er den ungeliebten Revolutionsstaat letztlich in den Akten und der Funktion beerben sollte, was ihn in den Stand versetzte, lebenslänglich sein Quellenmaterial auswerten zu können. Er sammelte und forschte weiter vor Ort und ging den Urkunden- und Aktenbeständen nach, so dass er das Fundament seiner Arbeit aus der „Konkursmasse“ seines Départements übernahm.
Mit Feuereifer wandte er sich zunächst der Veröffentlichung der „Beschreibung des Cantons Rheinbach“ (1816) zu, bevor er für die Zeitung „Rheinischer Herold“ schrieb, die bis 1819 dreimal wöchentlich erschien. Erstmals beteiligte er sich an einem mehrbändigen Werk, indem er Beiträge über alte Adelsfamilien für die „Ersch-Grubersche Encyclopädie“ verfasste.
In die Zeit nach 1815 fällt seine Familiengründung. Als seine Haushälterin Maria Luzia Bozen ein Kind von ihm erwartete, heirateten sie Anfang des Jahres 1818. Dem erstgeborenen Joseph Wilhelm folgten vier weitere Kinder. Fand diese für die damalige Zeit nicht standesgemäße Verbindung in der Familie noch Akzeptanz – von Strambergs Vater wurde Taufpate des ersten Kindes – , geht aus einem Bericht des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Philipp von Pestel, hervor, dass Strambergs Umfeld daran durchaus Anstoß nahm. So heißt es in dem Bericht: Er hat sich früher eine Zeit lang zu den strengreligiösen Catholiken gehalten, sich aber seit längerer Zeit wieder von ihnen entfernt und ich darf annehmen, daß auch diese ihm nicht trauen. Durch frühere Verhältnisse zu und dann durch Verheiratung mit seiner Magd hat er eine andere Ansicht des Publikums verletzt.
Die Schwierigkeit, dass ihm sein Publikum abhanden gekommen war, hätte beinahe zum Aus für sein Lebenswerk, den „Rheinischen Antiquarius“ geführt. Nach einem 1843 erschienenen Band gestaltete sich die weitere Finanzierung wegen fehlender Absatzzahlen schwierig, so dass sich kein Verleger für die Fortsetzung fand. Von Stramberg wäre heute wohl vergessen, wenn nicht dem jungen Levin Schücking (1814-1883) als Kulturredakteur der „Kölnischen Zeitung“ der Band so zugesagt hätte, dass er den Autor aufsuchte. Nachdem ihm Stramberg die Misere geschildert hatte, fasste Schücking einen Entschluss, den er in seinen Memoiren überliefert: Da kann nur eines helfen, sagte ich, die Besprechung Ihres Werkes in den Journalen. Daß diese in dem einflußreichsten Blatte Deutschlands, der „Allgemeinen Zeitung“ erfolge, dafür will ich sorgen; auch die „Kölnische“ soll hier am Rheine wirken – also nil desperandum (Kein Verzagen!)! Die Lärmtrommel soll geschlagen werden.
Schücking hielt Wort und bewirkte, dass Strambergs Werk 1.200 Abonnenten gewann; damit war die Fortsetzung gesichert und von Stramberg mangelte es fortan zeitlebens eher an Zeit als an Arbeit. Ihm blieben 25 Jahre, in denen er dem ersten Band 33 Bände folgen ließ, von denen keiner weniger als 700 Seiten umfasste. Der „Nachforscher in historischen Dingen“ - dieser Titel schmückt statt eines Namens das Titelblatt - schien in der Tat vor allem im Forschen und Aufspüren von Details seine Freude zu haben, nicht an der Wissenschaftlichkeit. Zitate aus dem Gedächtnis in Anführungszeichen, hundertseitige Exkurse, starke Personalisierung, Verzicht auf Fußnoten, ausführliche eigentümliche Kommentare – hier schrieb ein Original, unerreicht und launisch.
Obgleich sie der Bezugsrahmen für alle Bände war, drohte die rheinische Geschichte, deren Anekdoten- und Sagenschatz hier seine Aufzeichnung und seinen Kommentar fand, zuweilen von der literarischen Weitschweifigkeit des Autors in den Hintergrund gedrängt zu werden. Die Wertschätzung seines Werks zeigte sich nicht zuletzt darin, dass er auf die Unterstützung zahlreicher Mitarbeiter bauen konnte, die meist ungenannt blieben. Unter den namentlich bekannten ragen der Archivar Leopold von Elterster (1822-1879), Julius Wegeler (1807-1883) und Anton Joseph Weidenbach heraus. Letzterem vertraute von Stramberg auf dem Sterbebett die Fortsetzung seines Werkes an.
In der letzten Lebenszeit litt von Stramberg unter starken Schmerzen; durch eine Fußverletzung war er gehbehindert und ein Hautkrebs entstellte sein Gesicht, so dass er nicht mehr unter Menschen ging, sondern völlig zurückgezogen an seinem Lebenswerk arbeitete. Von Stramberg starb am 20.7.1868 und wurde in St. Kastor in Koblenz begraben.
Quellen
Schücking, Levin, Lebenserinnerungen, 2 Bände, Breslau 1886.
Werke (Auswahl)
Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius welcher die wichtigsten und angenehmsten geographischen, historischen und politischen Merkwürdigkeiten des ganzen Rheinstromes von seinem Ausflusse in das Meer bis zu seinem Ursprunge darstellt, 34 Bände., Koblenz 1843-1871.
Literatur
Faber, Karl-Georg, Christian von Stramberg (1785-1868), in: Rheinische Lebensbilder 2 (1966), S. 159-175.
Faber, Karl-Georg, Christian von Strambergs „Rheinischer Antiquarius“ im Rahmen des rheinischen Geisteslebens der Restaurationszeit, Mainz 1952.
Schmuck, Tobias S, „Nachforscher in historischen Dingen: Zum 225. Geburtstag Christian von Strambergs“, in: Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen 54 (2010), S. 303-306.
Online
Kentenich, Gottfried, Artikel „Stramberg, Johann Christian von“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 54 (1908), S. 607-608. [Online]
Koelges, Michael, Koblenzer Wegweiser Christian von Strambergs „Rheinischen Antiquarius“ (PDF-Datei auf der Website des Stadtarchivs Koblenz). [Online]
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Schmuck, Tobias S., Johann Christian von Stramberg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-christian-von-stramberg/DE-2086/lido/57c957a68ef464.23877227 (abgerufen am 07.10.2024)