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Clemens Brentano gab mit seinen Rheinmärchen, die den Burgruinen zwischen Mainz und Koblenz neues Leben einhauchten, und der Erfindung der Loreley, einer Zauberin aus Bacharach, die mit ihren Reizen alle Männer „zuschanden" macht, entscheidende Impulse für die Rheinromantik des 19. Jahrhunderts.
Mit dem malerischen Rheintal verbunden war Brentano bereits durch die Geburt. Am Fuß der Festung Ehrenbreitstein wurde er am 9.9.1778 im Haus seiner Großmutter, der Schriftstellerin Sophie von La Roche in Koblenz geboren. Seine Mutter Maximiliane von La Roche war die zweite Ehefrau des Kaufmanns Peter Anton Brentano (1735-1797), der, in Tremezzo am Comer See geboren, in Frankfurt am Main eine Ex- und Importfirma führte, die sich von einer Filiale zu einer prosperierenden Handlung entwickelt hatte. In drei Ehen wurden ihm 20 Kinder geboren, darunter zwölf von Maximiliane. Als sie 1793 37-jährig starb, war Clemens gerade 15 Jahre alt. Aus dem Elternhaus, dem „Haus zum Goldnen Kopf" in der Nähe von Goethes Geburtshaus, wurde er zur Erziehung zu Verwandten und in Internate geschickt. Ähnlich erging es seiner Lieblingsschwester Bettine (1785-1859), die 1811 den Schriftsteller Achim von Arnim (1781-1831), einen Freund ihres Bruders, heiratete und als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Romantik gilt.
Nach dem Tode des Vaters übernahm Brentanos Halbbruder Franz 1797 Firma und Vormundschaft für seine jüngeren Geschwister. Alle Versuche, Clemens zu einem bürgerlichen Beruf zu verhelfen, scheiterten. Als Student der Medizin in Jena schloss er sich dem Schlegel-Tieck-Kreis an, der Keimzelle der Romantik, und schrieb im Sinne der geforderten „progressiven romantischen Universalpoesie" den Roman: „Godwi oder das steinerne Bild der Mutter". Zu den lyrischen Einlagen des zweibändigen Werkes von 1801 gehört seine Ballade von der „Lore Lay" (in den Rheinmärchen Lureley), zu der ihn die an den deutschen Namen Lore erinnernde Bezeichnung eines schroffen Echo-Felsens mit gefährlicher Schiffspassage im Rheintal inspirierte. In 26 vierzeiligen Strophen erzählt er die Leidensgeschichte der Zauberin aus Bacharach, einer „Jungfrau", die von ihrem Liebsten verlassen wurde und dann – wie von einem Zwang beherrscht – alle Männer, die ihr begegnen, mit weiblichen Waffen betört. Einen Bischof bittet sie, sie von diesem Fluch, unter dem sie leidet, zu befreien. Er ist jedoch der schönen Frau bereits selbst verfallen und weiß keinen anderen Rat, als sie ins Kloster zu verbannen. Die drei Ritter, die sie dorthin begleiten, überredet Lore, mit ihr den Felsen am Rhein hinaufzuklettern. In einem vorbeifahrenden Kahn glaubt sie ihren Liebsten zu erkennen und stürzt sich von der Höhe auf das Schiff. Auch die drei Ritter, die ihr nachgeklettert waren, kommen um. Schließlich bleibt nur ein dreifaches Echo, das die Schiffer seither bei der Vorbeifahrt erproben, wie Brentano in einer Anmerkung erläutert. In dem von Heinrich Heine 1824 verfassten und von Friedrich Silcher (1789-1860) vertonten sechs Strophen umfassenden Gedicht „Die Lore-Ley" sowie zahlreichen Nachdichtungen des 19. und 20. Jahrhunderts überlebte dieser Kunstmythos in stark veränderter und verkürzter Form.
Neben der Lore Lay-Ballade hat Brentano zahlreiche Gedichte geschrieben, die heute als Meisterwerke der deutschen Romantik gelten. Nicht nur diese Lyrik blieb zum großen Teil „in der Schublade", auch die großen Märchenkomplexe, die sogenannten „Italienischen Märchen", nach den Werken des italienischen Schriftstellers Giambattista Basile (1575-1632), und die „Rheinmärchen" wurden, von dem „Märchen von Gockel, Hinkel und Gackeleia" (1838) abgesehen, zu Lebzeiten des Autors nicht gedruckt.
Ein Erfolgsprojekt war die Sammlung „Des Knaben Wunderhorn", die Brentano gemeinsam mit Achim von Arnim in drei Bänden 1806/1808 veröffentlichte. Aus meist schriftlich überlieferten Quellen fügten die beiden „Restaurationen und Ipsefakten" zusammen. Die einzelnen Fassungen diskutierten sie im Briefwechsel, nur kurze Zeitspannen arbeiteten sie in Heidelberg und Kassel miteinander an diesem Projekt.
In Heidelberg lebte Brentano mit seiner Frau Sophie Mereau (1770-1806) zusammen, die er 1803 in Marburg geheiratet hatte. Zwei gemeinsame Kinder starben kurz nach der Geburt, die Totgeburt des dritten 1806 überlebte Sophie nicht. Der zunächst untröstliche Dichter heiratete bereits 1807 die 16-jährige Auguste Bußmann (1791-1832), trennte sich aber schon 1809 wieder von ihr.
Nach Aufenthalten in Wien, Prag und Berlin geriet Brentano im Jahre 1816 in den Sog einer religiösen Erweckungsbewegung und legte 1817 in Berlin eine Generalbeichte ab. Er verdammte alle Poesie als „Lüge", veräußerte die weltlichen Bücher seiner Bibliothek und begab sich zu der stigmatisierten ehemaligen Augustiner-Nonne Anna Katharina Emmerick (1774-1824) in Dülmen. Bis zu deren Tod 1824 zeichnete er dort ihre „Visionen" auf und bereitete sie zu einer Trilogie auf, von der zu seinen Lebzeiten nur „Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi" 1833 anonym erschien und zu einem Bestseller der katholischen Erbauungsliteratur wurde. Das erst nach Brentanos Tod veröffentlichte „Marienleben" führte sogar zur Einrichtung einer Kultstätte bei Ephesus.
Ab 1833 lebte Brentano in München, wandte sich in seinen Werken nun wieder weltlichen Themen zu, schrieb Liebesgedichte an die Malerin Emilie Linder (1797-1867) und arbeitete sein „Gockel-Märchen" aus. Zu Beginn der 1840er Jahre stellte sich eine rasch voranschreitende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ein. An Herzschwäche leidend starb er am 28.7.1842 nach der Ausfertigung seines Testaments bei seinem Bruder Christian in Aschaffenburg.
Werke
Clemens Brentano. Sämtliche Werke und Briefe (Frankfurter Brentano-Ausgabe), kommentierte Historisch-kritische Ausgabe veranstaltet vom Freien Deutschen Hochstift, 36 Bände seit 1975.
Schultz, Hartwig, Gedichte, Stuttgart 1995.
Schultz Hartwig (Hg.), Achim von Arnim und Clemens Brentano, Freundschaftsbriefe, 2 Bände, Frankfurt 1998.
Literatur
Kiewitz, Susanne, Artikel "Brentano, Clemens", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 25 (1998), Sp. 319-325.
Schultz, Hartwig, Clemens Brentano, Stuttgart 1999.
Schultz, Hartwig, Schwarzer Schmetterling. Zwanzig Kapitel aus dem Leben des romantischen Dichters Clemens Brentano, Berlin 2000.
Online
Biographie über Clemens Brentano (Homepage des Goethe-Hauses Frankfurt a. M.). [Online]
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Schultz, Hartwig, Clemens Brentano, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/clemens-brentano-/DE-2086/lido/57c588b4dd6aa1.09937483 (abgerufen am 09.10.2024)