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Johann Wilhelm Joseph Braun war ein Priester und katholischer Theologe, der sein Engagement für die Lehren des päpstlich verurteilten Hermesianismus mit dem Entzug seiner Lehrerlaubnis und der Suspendierung als Priester bezahlte. Nach dem Verlust des Lehrstuhls konzentrierte er sich auf seine vielfältigen geisteswissenschaftlichen Interessen und schlug eine zweite Karriere in der Politik ein.
Johann Wilhelm Joseph Braun wurde am 27.4.1801 als Sohn der Gutsbesitzer Christoph Braun (gestorben 1821) und Cäcilia Laschet in Gronau bei Düren geboren. Er war das jüngste von sechs Kindern. Ganz im Einklang mit seinen Eltern wünschte sich der junge Joseph, Priester zu werden. Dem Schulbesuch in Düren folgte 1920 zunächst ein einjähriges Studium der Philosophie in Köln, dann nahm er das Studium der Theologie in Bonn auf. Seinen vielfältigen Interessen folgend besuchte er auch viele Vorlesungen der Altphilologie, der Orientalistik, der neuen Sprachen (Englisch, Französisch, Italienisch), der Philosophie und Psychologie. Der unangefochtene Star der theologischen Fakultät war damals Georg Hermes, der Braun stark prägen sollte, ebenso wie sein kirchengeschichtlicher Lehrer Joseph Ignaz Ritter (1787-1857).
Ritter motivierte seinen Studenten, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. 1825 wurde Braun der Doktorgrad in Philosophie für eine historische Arbeit über die Gründe der Christenverfolgungen durch die Universität Gießen verliehen, ein Jahr später erfolgte die theologische Promotion durch die Universität Breslau. Zwischen 1825 und 1826 schloss Braun weitere Studien in Wien an, wo er 1825 zum Priester geweiht wurde. Außerdem begegnete er dort Friedrich Schlegel (1772-1829), mit dem er sich anfreundete und der ihm die Mystik nahe brachte. 1827 zog er weiter nach Rom, wo zu bleiben er zeitweise überlegte. Anfang 1828 trat er jedoch eine Stelle als Konviktsrepetent in Köln an. Der Habilitation im selben Jahr folgte die Ernennung zum außerordentlichen Professor 1829. Vier Jahre später erhielt er den Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der Universität Bonn als Nachfolger seines Lehrers Ritter.
Nach dem Tod Hermes’ 1831 waren dessen Lehre, der so genannte Hermesianismus, sowie dessen Schriften von Papst Gregor XVI. (Pontifikat 1831-1846) 1835 durch das Breve „Dum acerbissimas“ verboten worden. Hermes ging es um eine rationale Rechtfertigung des Glaubens vor der Vernunft und er hatte ein kritizistisches, anthropologisches und psychologisches System geschaffen. Der päpstlichen Verurteilung gingen eine Reihe polemischer Veröffentlichungen im akademischen Deutschland voran, deren Autoren sich jedoch oft nicht die Mühe machten, den Hermesianismus eingehend zu studieren. So entflammten veritable Streitigkeiten rund um die Bonner Fakultät, wo Hermes-Anhänger wie -Gegner unterrichteten, wodurch man im Vatikan ab 1833 erst aufmerksam auf die Lehre geworden war.
Auch im Breve fehlte die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Hermesianismus. Verurteilt wurden nicht einzelne Lehren, sondern lediglich pauschal das gesamte System. Die Anhänger Hermes’ wurden von dem Breve überrascht und waren tief getroffen, ja, sie meinten, die verurteilten Lehren ihres Meisters seien nicht einmal in dessen Schriften zu finden, so dass sie auf den Erfolg eines Berufungsverfahrens beim Papst vertrauten. Als einer der ersten trat der Hermesschüler und Breslauer Philosophieprofessor Peter Joseph Elvenich (1796-1886) mit einer Schrift an die Öffentlichkeit, in der er den Hermesianismus geschickt verteidigte, indem er dessen unbezweifelbar rechtgläubige Lehren – insbesondere gegenüber dem Fideismus – betonte. Ihm folgten der Kirchenhistoriker Ritter und zuletzt Braun, indem er ein Buch des Theologen Ludwig Anton Muratori (1672-1750) herausgab, mit dem er allerdings nur indirekt auf den Hermesianismus Bezug nahm. Jedoch untersagte der Kölner Erzbischof Clemens August Droste zu Vischering - ein eingefleischter Hermes-Gegner - die Veröffentlichung und ging ab 1837 aktiv gegen den Hermesianismus vor: Er verbot den Studierenden, Vorlesungen von Hermesianern zu besuchen, und entfachte damit einen heftigen Konflikt an der nahezu lahm gelegten Bonner Fakultät. Zudem verfasste er 18 antihermesianische Thesen, die zu unterzeichen er den Klerus seiner Diözese verpflichten wollte.
Im Frühjahr 1837 reisten Braun und Elvenich nach Rom, um beim Papst vorzusprechen und, so die Hoffnung, das Breve aus dem Weg zu räumen oder wenigstens zu entschärfen. Der Papst gestand den beiden Professoren zwar zu, anhand einer von ihnen selbst abgesegneten Übersetzung der Schriften Hermes’ die Lehrverurteilungen zu begründen, nachdem diese aber versäumt hatten, eine solche Übersetzung vorzulegen, bekräftigte der Papst noch einmal sein Urteil. Als ihnen, nach weiteren Versuchen der Rechtfertigung des Hermesianismus, die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens klar wurde, verließen Braun und Elvenich 1838 Rom, nachdem sie sich geweigert hatten, sich dem päpstlichen Urteil zu unterwerfen – mit der Begründung, die verurteilten Lehren hätten weder Hermes noch sie selbst je vertreten und diese seien in dessen Schriften auch nicht zu finden. Zurück zuhause setzte sich der öffentliche Streit zwar fort, das Ende des Hermesianismus war jedoch besiegelt, die Hermesianer verstummten allmählich.
Braun hoffte vergeblich, um eine formelle Unterwerfungserklärung herum zu kommen, und verstrickte sich sodann in langwierige Diskussionen über den Wortlaut einer solchen Erklärung mit dem bischöflichen Koadjutor Johannes von Geissel, der jedoch mit dem Ziel angetreten war, Braun von seinem Lehrstuhl zu entfernen. Schließlich entzog dieser 1843 Braun die Missio canonica. Nachdem Braun gemeinsam mit einem Kollegen eine weitere öffentliche Erklärung verfasst hatte, in der sie sich zwar dem Verbot der hermesischen Schriften unterwarfen und das päpstliche Breve anerkannten, jedoch erneut betonten, die verurteilten Lehren seien in Hermes’ Büchern nicht enthalten, suspendierte Geissel beide Priester von ihrem Amt und erlaubte ihnen lediglich, weiterhin stille Messen zu zelebrieren. Erst im Todesjahr Brauns, 1863, lockerte er die Suspension und gestattete beiden die Feier der Messe. Nach einer letzten theologischen Veröffentlichung, der „Bibliotheca regularum fidei“, 1844, verabschiedete sich Braun von der Theologie und unterstützte lediglich seinen alten Lehrer Ritter bei der Neuauflage von dessen Handbuch der Kirchengeschichte. Stattdessen widmete er sich vor allem der niederrheinischen Geschichte sowie der Archäologie.
Außerdem begann Braun nach dem Verlust des Lehrstuhls eine neue Laufbahn in der Politik. 1848 sandte ihn sein Wahlkreis Düren-Jülich als Abgeordneten in die Frankfurter Nationalversammlung und zwei Jahre später in das Unionsparlament nach Erfurt. In der Nationalversammlung hielt man ihn dank seiner katholischen Grundsätze für einen „Ultramontanen“. Er war ein Anhänger der Großdeutschen Lösung und lehnte das Erbkaisertum ab, weshalb er Friedrich Wilhelm IV. (Regierungszeit 1840-1858) seine Stimme bei der Wahl zum Deutschen Kaiser verweigerte. Nach seinen Erfahrungen in der Paulskirche widmete er sich verstärkt der politischen Publizistik. Ab 1852 gehörte er dem preußischen Abgeordnetenhaus an. Als er 1862 nicht wieder gewählt wurde, beendete er seine politische Karriere. Im Jahr darauf, am 30.9.1863, starb Braun in Bonn und wurde in seinem Heimatort beigesetzt.
Werke (Auswahl)
Die Lehren des sog. Hermesianismus über das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung, Bonn 1835.
Meletemata theologica, Hannover 1837.
Acta Romana, Hannover 1838 (mit Peter Joseph Elvenich; Bericht über ihre Romreise).
Bibliotheca regularum fidei, 2 Bände, Bonn 1844.
Deutschland und die deutsche Nationalversammlung, 1849.
Die Kapitole, Bonn 1849.
Raffaels Disputa, Düsseldorf 1859.
Erklärung des antiken Sarkophags in Trier, Bonn 1850.
Literatur
Brück, Heinrich, Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im 19. Jahrhundert, Mainz 1903.
Lauscher, Albert, Die katholisch-theologische >Fakultät zu Bonn 1818-1918, Düsseldorf 1920.
Schrörs, Heinrich, Ein vergessener Führer aus der rheinischen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bonn/Leipzig 1925.
Literatur
Brück, Heinrich, Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im 19. Jahrhundert, Mainz 1903.
Lauscher, Albert, Die katholisch-theologische >Fakultät zu Bonn 1818-1918, Düsseldorf 1920.
Schrörs, Heinrich, Ein vergessener Führer aus der rheinischen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bonn/Leipzig 1925.
Online
Hegel, Eduard, Artikel „Braun, Josef“, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 552-553. [Online]
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Streeck, Nina, Johann Wilhelm Joseph Braun, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-wilhelm-joseph-braun-/DE-2086/lido/57c5876fa92264.98807496 (abgerufen am 05.11.2024)