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Johann Wilhelm war seit 1679 Herzog von Jülich-Berg und seit 1690 Kurfürst von der Pfalz. Für einige Jahre spielte er reichspolitisch eine bedeutende Rolle. Während seiner langen Regierungszeit hinterließ er in den nordrheinischen Ländern vor allem in der Kunst und Architektur bleibende Zeugnisse.
Dass Kurfürst und Herzog Johann Wilhelm im niederrheinischen Volksmund „Jan Wellem" genannt wurde und wird, ist ein Indiz dafür, dass er zu den populäreren Persönlichkeiten der rheinischen Geschichte zählt. Die Wertungen seiner Person sind indes unterschiedlich: Sie reichen vom politischen Illusionär, der von maßloser Selbstherrlichkeit geprägt war, bis hin zum Idealbild eines treu sorgenden Landesvaters. Tatsache ist, dass die Geschichte der Herzogtümer Jülich-Berg über fast vier Jahrzehnte eng mit seinem Namen verbunden war. Darüber hinaus war er in der Lage, für ein Vierteljahrhundert die Reichs- und mitunter auch die europäische Geschichte zu beeinflussen.
Am 19.4.1658 in Düsseldorf geboren, war Johann Wilhelm der älteste Sohn von insgesamt zwölf Kindern Philipp Wilhelms von Pfalz-Neuburg und der Elisabeth Amalie von Hessen-Darmstadt. Neben seiner Familie waren Jesuiten und Adlige aus Hofkreisen für seine Erziehung verantwortlich, so dass er eine umfassende Bildung erwarb. Er beherrschte neben der lateinischen auch die französische, die italienische und die spanische Sprache. Im Alter von 16 Jahren begann er eine zweijährige Kavaliersreise durch Europa. Stationen waren unter anderem Antwerpen, Paris, Rom, Venedig und Wien. 1678 heiratete er Erzherzogin Maria Anna Josefa von Österreich (1654-1689), eine Tochter Kaiser Ferdinands III. und Stiefschwester Kaiser Leopolds I., der wiederum seit 1676 mit Johann Wilhelms Schwester Eleonore verheiratet war. Johann Wilhelms zweite Frau wurde 1691 Anna Maria Luisa (1667-1743) aus dem Hause Medici, Tochter des Großherzogs von Toscana.
Bei der Regierungsübernahme 1690 fand Johann Wilhelm im kurpfälzischen Landesteil wegen des anhaltenden Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688-1697) und der französischen Besetzung der Pfalz bis zum Frieden von Ryswick (1697) schwierige politische und wirtschaftliche Verhältnisse vor. Deshalb wählte er Düsseldorf und nicht das zerstörte Heidelberg als seine Residenzstadt. Bereits seit 1679 hatte er stellvertretend für seinen Vater die Regentschaft der Herzogtümer Jülich-Berg von dort aus ausgeübt. Über die bedeutende Rolle hinaus, die Johann Wilhelm als Kurfürst in der Reichspolitik zukam, bemühte er sich seit den ersten Regierungsjahren auch in der europäischen Politik um Einfluss. Diesen suchte er durch den Aufbau einer starken militärischen Position zu erhöhen, allerdings ohne dabei eigene feldherrliche Ambitionen zu entwickeln.
Sehr dienlich waren Johann Wilhelms dynastische Beziehungen, hatten doch seine Schwestern in den europäischen Hochadel eingeheiratet. So wurde seine Verwandtschaft zum Wiener Kaiserhof zur stetigen politischen Orientierung. Bereits um 1680 und nochmals zehn Jahre später versuchte Johann Wilhelm, durch das Haus Habsburg als spanischer Statthalter der Niederlande eingesetzt zu werden, was ihm eine mächtige Stellung in Nordwesteuropa verliehen hätte. Ähnlich motiviert dürfte noch 1711-1713 sein ebenfalls nicht verwirklichter Plan gewesen sein, in den Besitz eines erst noch zu schaffenden Königreichs im Mittelmeerraum zu gelangen. Als ein vollends aussichtsloses Projekt erwies sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Idee, König von Armenien zu werden. Damit verband er offenbar die Vorstellung eines religiös bestimmten Herrschers, bereit, für unterdrückte Christen im Orient zu streiten.
Im Frieden von Ryswick akzeptierte Johann Wilhelm für die überwiegend protestantische Kurpfalz, dass die zur Zeit der französischen Besatzung beseitigten Rechte der reformierten Konfessionspartei nicht wiederhergestellt werden sollten (Ryswicker Klausel). Die Gegenleistung bestand in der Rückgabe zuvor annektierter pfälzischer Gebiete. Gerade diese Vereinbarung stieß im Reich auf heftige Kritik. Johann Wilhelm rückte während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714) aus politischen Gründen, insbesondere mit Blick auf das Verhältnis zu Brandenburg-Preußen, von der Religionsklausel wieder ab. Seine Politik zielte unter geschickter Ausnutzung der politischen Verhältnisse auf den Rückerwerb der 1623 an Bayern verlorenen so genannten „älteren Kurwürde", die er 1708 erhielt. Mit ihr war das vornehmste Amt im Kurkolleg verbunden, das des Erztruchsessen, der einen symbolischen Dienst an der königlichen Tafel verrichtete. Daneben hatte der Erztruchsess im Falle einer Vakanz der Kaiserwürde das Amt des Reichsvikars zu versehen. 1711 fungierte Johann Wilhelm ein halbes Jahr lang als Reichsvikar, was den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn darstellte. Der Rastatter Frieden von 1714, mit dem der Spanische Erbfolgekrieg beendet wurde, bedeutete jedoch eine schwere politische Niederlage für Johann Wilhelm: Er musste sowohl die Oberpfalz als auch das Erztruchsessenamt an Bayern zurückgeben.
Dauerhafte politische Folgen hatte Johann Wilhelms Wirken am Niederrhein kaum. Seine Reforminitiativen in Verwaltung, Wirtschaft und Justiz kamen über erste Ansätze nicht hinaus. Seine Konfessionspolitik trug hier im Unterschied zu den kurpfälzischen Landesteilen eher tolerante Züge. Sie ging jedoch wohl weniger auf religiöse Überzeugungen zurück als auf das Bestreben, sich gegenüber Brandenburg und dem Kaiserhaus politisch zu positionieren.
Die Differenzen mit den jülich-bergischen Landständen, vor allem wegen seiner ganz in absolutistischem Staatsverständnis erhobenen finanziellen Forderungen, wuchsen mehrfach zu heftigen Konflikten aus. Johann Wilhelms Düsseldorfer Hofhaltung zählte zu den kostspieligsten der Zeit, was sogar die Kritik seiner zweiten Frau erregte. Der Kurfürst ließ die Residenzstadt Düsseldorf planmäßig erweitern, erstmals eine Brücke über den Rhein nach Oberkassel schlagen, Spitäler und vor allem prunkvolle Bauten errichten. Dazu zählten das Jagdschloss Bensberg und ab 1709 verschiedene Gebäude in Düsseldorf. Sein Vorhaben eines monströsen Schlossneubaus wurde allerdings nicht verwirklicht.
Insbesondere geht auf ihn der Bau der Gemäldegalerie am Schloss zurück. Die Galerie, infolge der späteren Residenzverlegungen Grundstock der heutigen Münchener Alten Pinakothek, entwickelte sich durch die landesherrliche Sammelleidenschaft und das Wirken berühmter Meister zu einem europaweit bewunderten Kunstzentrum. Neben Malerei und Plastik förderte er als Mäzen Theater und Oper, etwa mit der Errichtung des Düsseldorfer Opernhauses 1696.
Nach seinem Tod am 8.6.1716 in Düsseldorf wurde Johann Wilhelm wie sein Großvater Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm in der Düsseldorfer Andreaskirche begraben. Da er keine Erben hinterließ, trat sein Bruder Karl Philipp seine Nachfolge an. Der neue Kurfürst und Herzog verlegte die Residenz ins pfälzische Mannheim, wodurch der kulturelle und wirtschaftliche Aufschwung in Düsseldorf jäh abbrach. Dieser Kontrast dürfte die nicht selten verklärende Sicht der niederrheinischen Bevölkerung auf Johann Wilhelms Regentschaft verstärkt haben. Abgesehen von einzelnen künstlerischen und architektonischen Zeugnissen, hat seine Regierungszeit kaum prägende Spuren in der rheinischen Geschichte hinterlassen.
Im Rheinland erinnern zwei Denkmäler an ihn: das 1695 geschaffene Reiterstandbild Gabriel de Grupellos (1644-1730) vor dem Düsseldorfer Rathaus und das als Stiftung des Textilfabrikanten Andreae 1914 in Köln-Mülheim errichtete Standbild des Kurfürsten in Jagdkleidung.
Literatur
Braubach, Max, Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich- und Berg (1658-1716), in: Rheinische Lebensbilder 1 (1961), S. 83-101.
Dahm, Christof, Artikel "Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Herzog von Jülich und Berg, Kurfürst von der Pfalz", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 3 (1992), Sp. 171-174.
Keller, Richard August, Johann Wilhelm, in: Düsseldorfer Jahrbuch 29 (1917), S. 89-122.
Kühn-Steinhausen, Hermine, Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg (1658-1716), Düsseldorf 1958.
Maurer, Benedikt (Hg.), Barocke Herrschaft am Rhein um 1700. Kurfürst Johann Wilhelm II. und seine Zeit, Düsseldorf 2009.
Möhlig, Kornelia, Die Gemäldegalerie des Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1658-1716) in Düsseldorf, Köln 1993.
Müller, Klaus, Jan Wellem, Ein Barockfürst in Düsseldorf, Düsseldorf 2008.
Online
Braubach, Max, Artikel "Johann Wilhelm, Pfalzgraf von Neuburg, Herzog von Jülich und Berg, Kurfürst von der Pfalz", in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 516-518.
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Richter, Olaf, Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-wilhelm-von-pfalz-neuburg/DE-2086/lido/57c92e9ebdd9d1.15979619 (abgerufen am 12.10.2024)