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Johannes Horion zählt als Landesrat und dann Landeshauptmann der Rheinprovinz zu den führenden Persönlichkeiten der rheinischen Provinzialverwaltung. Es gelang ihm, die Bedeutung des rheinischen Provinzialverbandes auf zahlreichen Gebieten zu steigern und insbesondere im sozial-fürsorgerischen Bereich neue Akzente zu setzen.
Johannes Horion wurde am 27.3.1876 in Marienforst (heute Bonn-Bad Godesberg) als Sohn des Gutsbesitzers Johann Horion (1839-1910) und der Sibylla Radermacher (1839-1914) geboren. Kindheit und Jugend verbrachte er auf dem 1879 von seinem Vater erworbenen „Kopshof" in Sinnersdorf bei Köln. Seit Ostern 1887 besuchte er das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in Köln, wo er auch Ostern 1894 das Abitur ablegte. Von 1894 bis Ostern 1897 folgte das Studium der Rechtswissenschaften und Nationalökonomie an den Universitäten Bonn, München und Berlin. Am 28.5.1897 bestand er das Examen als Gerichtsreferendar beim Oberlandesgericht Köln mit der Note „gut". Am 11.9.1897 promovierte er in Erlangen mit einer Arbeit über „Die juristische Natur der „gemeinschaftlichen Mauer" nach gemeinem Recht und nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich" zum Doktor der Rechte.
Es folgten Stationen als Gerichtsreferendar beim Amtsgericht Grevenbroich, beim Landgericht, der Staatsanwaltschaft, bei einem Rechtsanwalt und Notar sowie am Oberlandesgericht Köln. Am 6.11.1901 bestand er das Gerichtsassessorexamen vor der Justizprüfungskommission mit der Note „gut". Im Anschluss übernahm er vom 15.12.1901 bis 10.2.1902 die Generalvertretung des Rechtsanwalts Justizrat Karl Trimborn in Köln, das heißt er übte dessen Rechtsanwaltspraxis für die Dauer der Verhinderung Trimborns während der Reichstagssession aus.
Trimborn charakterisierte Horion als „tüchtiger Arbeiter von gesundem Urtheil, von reichem theoretischem und praktischem Wissen und von großer, auch rednerischer Gewandtheit".
Am 8.4.1902 heiratete Horion in Königshoven (heute Stadt Bedburg) in erster Ehe Maria Krahe (1877-1926), Tochter des Gutsbesitzers Gerwin Krahe und der Sibilla Daniels. Zwei Jahre nach dem Tode seiner Ehefrau ging Horion am 10.1.1928 in Maria Laach mit Emma Abeck verwitwete Kürten (1889-1982), Tochter des Oberschulrats Dr. Friedrich Abeck und der Maria Kinghs, eine zweite Ehe ein.
Am 10.2.1902 trat Horion als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter bei der Rheinischen Provinzialverwaltung in Düsseldorf ein. Zunächst wurde er in der Invalidenversicherungsanstalt beschäftigt, aber bereits am 1.3.1902 in die Zentralverwaltung berufen und ihm das Dezernat für das Landarmenwesen übertragen. Zeitweise übernahm er auch die Geschäfte des Justitiars der Straßenverwaltung und der Fürsorgeerziehung. Am 1.4.1904 wurde er nach Wahl durch den Rheinischen Provinziallandtag als Landesrat zum Leiter des gesamten Wohlfahrtswesens in der Rheinprovinz (Irrenwesen, Anstaltsverwaltung, Korrigendenwesen, Landarmenwesen, Krüppelfürsorge) berufen. Horion zeichnete sich bald als gründlicher Kenner des rheinischen Anstaltswesens aus. So lässt sich unter anderem der Bau der Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Bedburg-Hau bei Kleve auf ihn zurückführen.
Im Ersten Weltkrieg trug er maßgeblich zur Neuorganisation der Wiederherstellung und Besserung der Erwerbsfähigkeit der Kriegsbeschädigten bei. Für dieses Engagement, das ihm auch den ehrenvollen Beinamen „Vater der Kriegsbeschädigtenfürsorge" einbrachte, wurde Horion im Jahre 1919 die Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn verliehen.
Im Januar 1920 wurde Horion mit den sich aus der Abtretung des Saargebietes und der Kreise Eupen und Malmedy an Belgien für die Rheinische Provinzialverwaltung betreffenden Angelegenheiten betraut. Er trat dabei als Verhandlungsführer der Provinzialverwaltung mit den Vertretern der belgischen Regierung und der Regierungskommission des Saargebietes auf. Im September 1924 wurde Horion zudem die Leitung der so genannten technischen Konferenzen übertragen, sowie aller sonstigen im besetzten Gebiet auf Grund der Londoner Abmachungen mit der Rheinlandkommission und dem Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen zu führenden Regierungsverhandlungen. 1924 erhielt er in Anerkennung seiner Verdienste bei den Verhandlungen mit den Alliierten um die Wiederherstellung der Einheit des Reiches den „Dr. rer. pol. h.c." der Universität Bonn verliehen.
War Horion bereits seit dem 1.4.1921 ständiger Vertreter des Landeshauptmanns gewesen, so rückte er am 14.3.1922 durch Wahl des Provinziallandtages zum Landeshauptmann, das heißt zum obersten Beamten der Rheinischen Provinzialverwaltung, auf. Schon als Landesrat hatte sich Horion auch auf dem Gebiet der Krüppelfürsorge, der Blindenfürsorge, in der Schaffung vorbildlicher Anstalten für Geisteskranke, vor allem auf dem Gebiet des Jugendwohlfahrtswesens intensiv betätigt. Als Landeshauptmann waren ihm diese Bereiche weiterhin ein besonderes Anliegen. Geleitet war er dabei von dem Grundgedanken, dass private und öffentliche Wohlfahrtspflege nicht Gegensätze, sondern Verbündete sein müssten. Es war Horions Aktivitäten zu verdanken, dass 1924 in der Fürsorgepflichtverordnung die Grundlagen des Wohlfahrtsstaates gelegt wurden.
Auch der Idee des Denkmalschutzes und der praktischen Denkmalpflege fühlte sich Horion als Landeshauptmann in besonderer Weise verpflichtet. Der Intensivierung der Denkmalpflege, der Denkmäler-Inventarisation und der Gründung der Archivberatungsstelle Rheinland 1929 nahm er sich in besonderer Weise an. Auf seine Initiative hin entstand zudem die am 6.8.1932 eröffnete Reichsautobahn Köln–Bonn.
Horion fühlte sich seinen Funktionen in der Rheinischen Provinzialverwaltung engstens verpflichtet und übte diese mit großem Engagement aus. Auf Grund dieser Verbundenheit ließ er sich auch nicht dazu bewegen, in den staatlichen Dienst zu wechseln oder gar das Rheinland zu verlassen. So lehnte er am 7.4.1921 die Stelle eines Staatssekretärs für die besetzten Gebiete wegen der durch den eventuellen Weggang in der Provinzialverwaltung entstehenden großen Schwierigkeiten ab. Aus ähnlichen Gründen verzichtete er am 10.11.1924 auf die Übernahme einer Spitzenkandidatur für den Reichstag im Wahlkreis Köln-Aachen und am 31.1.1925 auf eine eventuelle Annahme des Amtes des preußischen Ministerpräsidenten. Nach Rücksprache mit Konrad Adenauer, der damals unter anderem Vorsitzender des Provinzialausschusses war, hielt er auch wegen der größeren finanziellen Sicherheit (er war gewählt auf zwölf Jahre) am Amt des Landeshauptmanns fest.
Auch Horions Aktivitäten außerhalb der engeren Verwaltung waren vielfältig. Erwähnt seien sein Einsatz als führendes Mitglied der rheinischen Zentrumspartei. Mit seinen dienstlichen Zuständigkeiten verband sich ein starkes Engagement auch auf karitativem Gebiet, insbesondere als Leiter des Fürsorgevereins „Notburgahaus" und durch die Errichtung der Fürsorgeerziehungsanstalt für katholische weibliche Zöglinge in Neuss. Seine konfessionelle Prägung brachte er im Verband der Vereine der akademisch gebildeten Katholiken ein, wie er auch von 1924 bis 1926 erster Vorsitzender des Düsseldorfer Vereins katholischer Akademiker war, 1926 übernahm er die Präsidentschaft des Deutschen Katholikentages in Breslau.
Die Verleihung des Titels und Ordens „Comtur des St. Gregorius-Ordens mit Stern" 1926 durch Papst Pius XI. (Pontifikat 1922-1939) war ebenso eine Konsequenz dieses Wirkens, wie im Jahre 1928 die Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Technischen Hochschule Aachen für seine Verdienste um die Förderung und Unterstützung der Studentenschaft in ihren gemeinnützigen Angelegenheiten.
Erste Diffamierungsversuche der nationalsozialistischen Presse wegen seiner langjährigen Zusammenarbeit mit der SPD und „schwarzroter Verbonzung" im Jahre 1932 konnten Horion nichts anhaben. Sein Tod am 19.2.1933 im Alter von nicht einmal 57 Jahren dürfte ihn davor bewahrt haben, dem neuen Regime unmittelbar zum Opfer zu fallen.
Zur Würdigung der vielfältigen Verdienste Horions wurden zahlreiche Straßen und Einrichtungen nach ihm benannt. Sein einstiges Wohnhaus, die Villa Horion in Düsseldorf, diente bis 1999 als Sitz des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen. In Köln-Deutz wurde das im Jahr 2000 fertig gestellte Horion-Haus des LVR nach ihm benannt.
Quellen
Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, I-006-001/1 Nachlass Horion, Johannes.
Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland (ALVR), Nachlass Horion sowie Akten Nr. 14978 und Nr. 28330.
Literatur
N.N., Rheinische Köpfe – Johannes Horion, in: Rheinischer Beobachter V, Nr. 15/16 (1926), S. 227–230.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816−1945, Düsseldorf 1994, S. 543.
Sinnersdorfer Heimatkunde (Hg.), Zum Gedenken an den Landeshauptmann der Rheinprovinz 1922-1933 Johannes Horion, Sinnersdorf / Pulheim 1984.
Die Wohlfahrtspflege in der Rheinprovinz 9/4 (1933), S. 49−50 (Nachruf).
Online
Geschichte der Landschaftsverbände in NRW (Information auf der Homepage des LVR).
Nachlass Dr. Johannes Horion (Website Archive in NRW / Archiv des LVR).
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Schaffer, Wolfgang, Johannes Horion, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-horion/DE-2086/lido/57c83407328a16.93157267 (abgerufen am 09.12.2024)