Zu den Kapiteln
Nach dem Tod des Erzbischofs und Kurfürsten Maximilian Heinrich war die gerade etablierte bayrische Vormachtstellung im Erzstift Köln in ernster Gefahr. Maximilian Heinrich hatte sich zeitlebens geweigert, seinen Großneffen zweiten Grades, Joseph Clemens, als Koadjutor und damit Prätendenten für den Erzstuhl anzunehmen. Nur durch eine Minderheit gewählt, gelang es Joseph Clemens nie, sich größeren Rückhalt in seinem Territorium zu verschaffen, und erst 1715, knapp drei Jahrzehnte nach seiner Wahl, konnte er dauerhaft am Rhein seine Residenz nehmen. Zusammen mit seinem Bruder, dem bayerischen Kurfürsten Maximilian Emanuel (Regierungszeit 1679-1706, 1714-1726), verantwortete er eine für das Haus Wittelsbach und seine Territorien letztlich desaströse Außenpolitik, in deren Fahrwasser der Verlust auch der kurkölnischen Landesherrschaft mehr als einmal drohte.
Joseph Clemens wurde am 5.12.1671 als Sohn des Kurfürsten Ferdinand Maria (Regierungszeit 1651-1679) und dessen aus dem Savoyer Herrschaftshaus stammenden Gattin Henriette Adelaide (1636-1676) in München geboren. Wie alle seine Brüder erhielt er als weiteren Vornamen den des heiligen Kajetan von Thiene (1480-1547), dem zu Ehren sein Vater im Jahr 1663 die prachtvolle Münchener Theatinerkirche hatte errichten lassen und den er später zum Patron von Altbayern erhob. Eine Affinität zum italienischen Barock, der zu dieser Zeit den Münchener Hof bestimmte, blieb auch dem jungen Joseph Clemens zeitlebens erhalten, der sich später vor allem in der Förderung von Kunst und Architektur engagierte. Er war allerdings schon früh als Nachfolger des recht sonderbaren Maximilian Heinrich ausersehen, so dass man den jungen Prinzen auf eine geistliche Laufbahn vorbereitete – gegen dessen erklärten Willen. Er wäre lieber Soldat geworden und stimmte seiner späteren Wahl zum Erzbischof und Kurfürsten von Köln angeblich nur zu, weil er dort über Truppen verfügen und kommandieren konnte.
Bereits 1683 erwarb Joseph Clemens die ersten Pfründen in Freising und Regensburg. Dort konnte er jeweils im Jahr 1685 das Bischofsamt übernehmen, tauschte die beiden Episkopate aber später gegen die einträglicheren Stellen in Lüttich (1694) und Hildesheim (1702). Die höheren Weihen empfing er zunächst nicht und stellte sich damit in die Tradition der Kölner Erzbischöfe des 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Immerhin war nicht sicher, ob sein Bruder einen Thronfolger bekommen würde, und Joseph Clemens hätte in dem Fall die bayerische Kurwürde übernehmen können. Sicher wäre er diesem Amt jedoch nicht gewachsen gewesen, denn es war Maximilian Emanuel, der seines Bruders Karriere nach eigenem Gutdünken steuerte und lenkte. Dem eindringlichen Appell des immerhin mehrfachen Bischofs aus dem Jahr 1693, man möge ihn von der Last seiner geistlichen Ämter befreien, da er seiner „vocation zuwider gehandelt“ habe, entgegnete der Bayernherzog lapidar, Joseph Clemens solle doch einfach anständig leben und „kindische Gedanken einmal fallen“ lassen.
Am Widerstand seines Großonkels Maximilian Heinrich hatte sich Maximilian Emanuel jedoch vergeblich abgemüht. Die Nachfolge im Erzstift Köln hatten die Wittelsbacher bis dahin stets über eine frühzeitig installierte Koadjutorie für ihre Dynastie gesichert. Maximilian Heinrich jedoch widerstand nicht nur dem Druck seines Großneffen, sondern ernannte darüber hinaus ein knappes halbes Jahr vor seinem Tod seinen Günstling, den Grafen Wilhelm Egon von Fürstenberg, zum Mitregenten und brachte ihn damit in eine gute Ausgangsposition für die Wahl zum Erzbischof. Tatsächlich votierte das Domkapitel am 19.7.1688 mit 13 Stimmen mehrheitlich für Fürstenberg, während Joseph Clemens nur neun Stimmen erhielt. Da beide jedoch nicht Mitglied des Domkapitels gewesen waren, benötigte jeder Kandidat eine Zweidrittelmehrheit. Unter Missachtung der eigentlich für diesen Fall geltenden Regularien entschied schließlich Papst Innozenz XI. (Pontifikat 1676-1689). In alter Verbundenheit mit den Wittelsbachern ernannte er Joseph Clemens zum Erzbischof, und das Kurfürstenkollegium folgte ihm darin. Als unmittelbare Reaktion darauf entfesselte Ludwig XIV. von Frankreich (Regierungszeit 1643-1715), mit dem Fürstenberg seit jeher alliiert war, eine militärische Auseinandersetzung im Erzstift Köln, die in den Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) mündete und in deren Verlauf unter anderem die Festung Bonn und das Schloss Brühl zerstört wurden.
Dieser beiden wichtigen Residenzen beraubt, hielt sich Joseph Clemens zunächst überwiegend in Bayern auf, was ihm die Kritik der kurkölnischen Landstände eintrug. Nach dem Frieden von Rijswijk 1697 versuchte Ludwig XIV. die nicht im Kriegsverlauf für Frankreich eroberten Gebiete durch Subsidienzahlungen an sich zu binden; auch Kurköln und Joseph Clemens erhielten Gelder, die den Wiederaufbau der zerstörten Residenzen ermöglichten. Dieses Bündnis wurde dem Erzstift jedoch zum Verhängnis, als Ludwig im Jahr 1701 auch noch nach der spanischen Krone griff: vertraglich an Frankreich gebunden, wurde Kurköln im Spanischen Erbfolgekrieg zum Gegner der Habsburger Bündnispartner, hatte jedoch den kaiserlichen Truppen wenig entgegen zu setzen. Bonn wurde 1702 wiederum besetzt, Joseph Clemens flüchtete ins französische Exil nach Namur; später lebte er in Lille und Valenciennes. Dort entschloss er sich unter Einfluss der Schriften des am Versailler Hof recht populären Bischofs von Cambrai, François Fénelon (1651-1715), die Priester- und Bischofsweihe zu empfangen. Obwohl diese Entscheidung wohl tatsächlich auf eine große persönliche Frömmigkeit und eine ernsthafte Besinnung auf sein geistliches Amt zurückging, unterhielt er eine enge Beziehung zu Konstanze de Grousselier (gestorben wohl 1724), aus der auch mehrere Kinder hervorgingen.
Im Jahr 1706 verhängte Kaiser Joseph I. (1678-1711) die Reichsacht über Joseph Clemens und seinen Bruder Maximilian Emanuel, der ebenfalls auf der Seite Ludwig XIV. stand, den der junge Kaiser unbedingt zu übertreffen suchte. Mit den Friedensschlüssen von Utrecht, Rastatt und Baden in den Jahren 1713/1714 wurde Joseph Clemens jedoch schließlich als Erzbischof und Kurfürst von Köln restituiert und kehrte 1715 nach Bonn zurück. Dort veranlasste er umgehend den Wiederaufbau des Poppelsdorfer Schlosses, mit dem er den französischen Baumeister Robert de Cotte (1656-1735) beauftragte, der in der Folge auch die Leitung des bereits im Jahr 1700 aufgenommenen Neubaus des kurfürstlichen Schlosses vom bayrischen Hofbaumeister Johann Heinrich Zuccalli (1642-1724) übernahm. Damit hielt der Rokoko-Stil Einzug am Rhein, wo er in dem ebenfalls von de Cotte geplanten und unter Joseph Clemens’ Nachfolger Clemens August fertig gestellten Schloss Augustusburg in Brühl seinen verschwenderischen Höhepunkt fand. Wegen der immensen Kosten geriet Joseph Clemens immer wieder in Konfrontation mit dem Domkapitel und den weltlichen Landständen. Eine konsequente Landesregierung war aufgrund dieses gespannten Verhältnisses kaum möglich.
Joseph Clemens engagierte sich dann auch neben der Architektur vor allem in den Künsten. Einige Dramen in französischer Sprache und musikalische Kompositionen soll er selbst verfasst haben. Am Fortkommen der verschiedenen Bauvorhaben nahm er intensiv Anteil, erlebte aber deren Fertigstellung nicht mehr. Er starb am 12.11.1723 in Bonn und wurde in der Wittelsbacher Grablege vor der Dreikönigenkapelle im Kölner Dom beigesetzt.
Die Regierung hatte Joseph Clemens während seines gesamten Episkopats seinem Kanzler Johann Friedrich Karg von Bebenburg überlassen, teils aus Dankbarkeit, denn Bebenburg hatte das mehrheitlich gegen ihn eingestellte Domkapitel nach der päpstlichen Entscheidung mit großem diplomatischen Geschick für seinen Herrn gewonnen, teils aber auch aus Desinteresse und Unselbständigkeit. Joseph Clemens erscheint auf diese Weise als typischer Barockfürst, der in die Staatsgeschäfte kaum mehr persönlich eingriff und sich stattdessen einem genussreichen Leben hingab. Immerhin stabilisierte sich unter seiner Regierung die Wittelsbacher Vormachtstellung in Kurköln noch einmal, so dass Clemens August die bayrische Herrschaft am Rhein ein letztes Mal zu vollster Blüte entfalten konnte.
Literatur (Auswahl)
Braubach, Max, Die Politik des Kurfürsten Joseph Clemens von Köln beim Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs und die Vertreibung der Franzosen vom Niederrhein (1701–03), Bonn 1925.
Gatz, Erwin, Joseph Clemens, Herzog von Bayern (1671-1723, in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1803, Berlin 1990, S. 210-212.
Hegel, Eduard, Das Erzbistum Köln zwischen Barock und Aufklärung. Vom Pfälzischen Krieg bis zum Ende der französischen Zeit 1688–1814 (Geschichte des Erzbistums Köln 4), Köln 1979, S. 43-51.
Münch, Ingrid, Artikel „Joseph Klemens von Bayern“, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon III (1992), Sp. 886-888.
Tücking, Günther, Der Streit zwischen dem Kurfürsten Joseph Klemens von Köln und seinen Landständen in den Jahren 1688-1701, Dissertation Bonn 1934.
Online
Braubach, Max, „Joseph Clemens, Herzog von Bayern“, in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 622-623. [Online]
Erzbischof Joseph Clemens von Bayern (Information auf der Website des Kölner Doms). [Online]
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Bock, Martin, Joseph Clemens von Bayern, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joseph-clemens-von-bayern/DE-2086/lido/57c92f9ead7517.44274309 (abgerufen am 12.10.2024)