Die Rheinlandbesetzung (1918-1930)

Martin Schlemmer (Duisburg)

Plakat 'Nein, mich zwingt ihr nicht!', 13.1.1923. (Gemeinfrei / Haus der Geschichte)

1. Die Besetzung infolge des Waffenstillstandes

Bei der Be­sat­zungs­zeit (1918-1930) han­delt es sich um ei­nen re­gel­rech­ten Kom­plex von The­men. Im Fol­gen­den ste­hen nicht nur Ver­trä­ge und Pa­ra­gra­phen, Po­li­tik- und Di­plo­ma­tie­ge­schich­te im Vor­der­grund, son­dern es gilt eben­so, ei­nen Blick auf Kul­tur- und Wis­sen­schafts­po­li­tik be­zie­hungs­wei­se Kul­tur- und Wis­sen­schafts­ge­schich­te zu wer­fen. Wirt­schaft­li­che Im­pli­ka­tio­nen spie­len eben­falls ei­ne Rol­le. Al­ler­dings wer­den die­se an an­de­rer Stel­le des On­line-Por­tals aus­führ­li­cher be­han­delt, so dass sie hier le­dig­lich ge­streift wer­den.

Der Pres­se­text zu dem 2010 erst­mals ge­sen­de­ten WDR-Do­ku­men­tar­film „Der Feind am Rhein – Die al­li­ier­te Be­sat­zung nach dem Ers­ten Welt­krie­g“ be­zeich­net die Be­sat­zungs­zeit als „ei­ne ver­ges­se­ne Epo­che der deut­schen Zwi­schen­kriegs­zeit“.[1]  Die­se Ein­schät­zung trifft zu­min­dest auf die his­to­ri­sche For­schung nicht zu. Zahl­reich sind die Ver­öf­fent­li­chun­gen zur rhei­ni­schen Ge­schich­te der Zwi­schen­kriegs­zeit der letz­ten Jah­re. Ins­be­son­de­re zur Be­sat­zungs­zeit, zur Ruhr­kri­se und zur Tau­send­jahr­fei­er, fer­ner zum Ver­hält­nis von Rhein­land und Preu­ßen lie­gen zahl­rei­che Pu­bli­ka­tio­nen vor.[2]

 

Das am 11.11.1918 zwi­schen den Kon­flikt­par­tei­en ge­schlos­se­ne Waf­fen­still­stands­ab­kom­men von Com­pièg­ne sah vor, dass das links­rhei­ni­sche Reichs­ge­biet in­klu­si­ve ei­nes zehn Ki­lo­me­ter brei­ten Ge­biets­strei­fens auf dem rech­ten Rhein­ufer durch das deut­sche Mi­li­tär ge­räumt und an­schlie­ßend ent­mi­li­ta­ri­siert wer­den soll­te. Zu­dem soll­ten das links­rhei­ni­sche deut­sche Ter­ri­to­ri­um durch die En­ten­te­mäch­te be­setzt so­wie aus­ge­dehn­te Brü­cken­köp­fe mit ei­nem Ra­di­us von 30 Ki­lo­me­tern ge­gen­über den Städ­ten KölnKo­blenz und Mainz ein­ge­rich­tet wer­den. Ab ­De­zem­ber 1918 rück­ten die Be­sat­zungs­trup­pen in die grö­ße­ren Städ­te des zu be­set­zen­den west­deut­schen Ge­bie­tes ein. So wur­de Trier zu­nächst von ame­ri­ka­ni­schen un­d Aa­chen von fran­zö­si­schen Trup­pen be­setzt.[3]  Am 12. De­zem­ber rück­ten ame­ri­ka­ni­sche Ein­hei­ten in Ko­blenz und in­ das rechts­rhei­ni­sche Eh­ren­breit­stein ein. Zu­nächst be­ruh­te die Be­set­zung auf dem Kriegs­recht.

Am 13.12.1918 kon­sti­tu­ier­te sich die In­te­r­al­li­ier­te Wirt­schafts­kom­mis­si­on, die für die Dis­tri­bu­ti­on von Roh­stof­fen an die Fa­bri­ken im be­setz­ten Ge­biet zu­stän­dig war. Eben­so ob­lag ihr die Auf­sicht über wirt­schaft­li­che Ak­ti­vi­tä­ten. Der Obers­te Wirt­schafts­rat der Al­li­ier­ten Be­sat­zungs­mäch­te in Deutsch­land ver­füg­te am 21.4.1919 in Pa­ris die Ein­rich­tung ei­ner „In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on“, be­ste­hend aus De­le­gier­ten der vier Be­sat­zungs­mäch­te Bel­gi­en, Frank­reich, Groß­bri­tan­ni­en und USA. Ihr ob­lag die Ge­währ­leis­tung ei­ner ein­heit­li­chen Ver­wal­tung des be­setz­ten Ge­bie­tes in sämt­li­chen Ver­sor­gungs- und Wirt­schafts­fra­gen. Mit­te Mai 1919 zog die Kom­mis­si­on in Ko­blenz ein, wo sie zu­nächst im Ge­richts­ge­bäu­de re­si­dier­te, be­vor sie in das Ge­bäu­de des Ober­prä­si­di­ums um­zog.

Bei den auf ver­schie­de­nen Ebe­nen aus­ge­tra­ge­nen Kon­flik­ten der Be­sat­zungs­zeit han­del­te es sich nicht nur um ei­nen „Streit zwi­schen Frank­reich und Preu­ßen“ (Jür­gen Wil­helm), son­dern auch – wenn nicht so­gar vor al­lem – um ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Frank­reich und dem Deut­schen Reich, das im No­vem­ber 1918 die Staats­form ei­ner Re­pu­blik an­ge­nom­men hat­te. Dar­über hin­aus war nicht nur Preu­ßen von der Be­sat­zung be­trof­fen, son­dern auch an­de­re Ge­bie­te wie et­wa die baye­ri­sche Pfalz, Bir­ken­feld o­der – im Os­ten – Ober­schle­si­en und das Me­mel­land.

Zu­nächst sym­bo­li­sier­te die Be­set­zung für die Be­völ­ke­rung der be­trof­fe­nen Ge­bie­te nicht den „Schand­ver­tra­g“ von Ver­sailles, son­dern die mi­li­tä­ri­sche Nie­der­la­ge des Kai­ser­rei­ches. Um­ge­kehrt sym­bo­li­sier­te sie für Frank­reich den Sieg über den „preu­ßisch-deut­schen“ Nach­barn und ver­stärk­te bei den von West nach Ost vor­rü­cken­den Be­sat­zungs­trup­pen die wäh­rend der vier Kriegs­jah­re ent­stan­de­nen Emo­tio­nen. Ein­drück­lich schil­dert Ni­co­las Beau­pré die vi­su­el­len Ein­drü­cke, die ih­re Spu­ren in den Köp­fen der Sol­da­ten hin­ter­lie­ßen: „Der Ein­zug in die völ­lig zer­stör­ten Zo­nen an und hin­ter der Front, dann in die von der Be­sat­zung ,be­frei­ten' Re­gio­nen und in die zu­rück­er­hal­te­nen De­par­te­ments von El­sass-Loth­rin­gen und schlie­ß­lich, für ei­ni­ge, nach Deutsch­land selbst, funk­tio­niert wie ei­ne Ab­fol­ge von Be­stär­kun­gen des im Krieg ent­stan­de­nen Bil­des vom An­de­ren. Der Kon­takt mit ,dem An­de­ren’, sei er von den auf dem [fran­zö­si­schen] Ter­ri­to­ri­um hin­ter­las­se­nen Spu­ren und Stig­ma­ta mit­tel­bar oder an­läss­lich der Be­sat­zung Deutsch­lands di­rekt er­folgt, schloss für die gro­ße Mehr­heit der Sol­da­ten jeg­li­che Fra­ter­ni­sie­rung und selbst Mit­ge­fühl für die auch von den Deut­schen er­lit­te­nen Lei­den aus“.[4]  Auch die ame­ri­ka­ni­schen Be­sat­zungs­trup­pen hat­ten ein Fra­ter­ni­sie­rungs­ver­bot zu be­ach­ten, das al­ler­dings En­de Sep­tem­ber 1919 auf­ge­ho­ben wur­de.

Amerikanische Truppen überqueren die Trierer Römerbrücke über die Mosel, 1918.

 

2. Die Besetzung auf Grundlage der Bestimmungen des Versailler Vertrages

Das mit dem Ver­sailler Frie­dens­ver­trag ver­bun­de­ne Rhein­land­ab­kom­men vom 28.6.1919 stell­te die Rhein­land­be­set­zung auf ei­ne völ­ker­recht­li­che Grund­la­ge. Bei­de Ver­trags­wer­ke tra­ten am 10.1.1920 in Kraft. Das Rhein­land­ab­kom­men sah für das be­setz­te Ge­biet so­wohl un­ter­schied­li­che Be­sat­zungs­fris­ten als auch ver­schie­de­ne Be­sat­zungs­zo­nen vor. Die Fran­zo­sen rück­ten in die Pfalz und die süd­li­che Rhein­pro­vinz, nach Mainz und Wies­ba­den vor. Die Ame­ri­ka­ner be­setz­ten Ko­blenz und Um­land,[5]  die Bel­gi­er den links­rhei­ni­schen Nor­den der Rhein­pro­vinz von Aa­chen ­bis zum Rhein, wäh­rend sich die Bri­ten auf die „Köl­ner In­sel“ kon­zen­trier­ten. Zu­nächst war ei­ne Be­sat­zungs­zeit von 15 Jah­ren vor­ge­se­hen, ge­rech­net vom 10.1.1920 an, wo­bei die Räu­mung etap­pen­wei­se er­fol­gen soll­te. Vor­aus­set­zung für ei­ne Räu­mung des be­setz­ten Ge­bie­tes war al­ler­dings die Er­fül­lung sämt­li­cher Ver­trags­be­stim­mun­gen. Die ent­mi­li­ta­ri­sier­te Zo­ne rechts des Rhei­nes er­fuhr mit In­kraft­tre­ten des Ver­tra­ges ei­ne Aus­deh­nung auf 50 Ki­lo­me­ter. Höchs­te Zi­vil­in­stanz war die In­te­r­al­li­ier­te Rhein­land­kom­mis­si­on (Hau­te Com­mis­si­on In­te­r­al­liée des Ter­ri­toires Rhén­ans, ab­ge­kürzt H.C.I.T.R.) un­ter Vor­sitz des fran­zö­si­schen Ho­hen Kom­mis­sar­s Paul Ti­rard.[6]  Die­ser mach­te von sei­nen Kom­pe­ten­zen gro­ßzü­gi­g ­Ge­brauch. Der Auf­sicht der In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on (ab­ge­kürzt „Ir­ko“), die im All­tags­sprach­ge­brauch häu­fig ein­fach „Rhein­land­kom­mis­si­on“ ge­nannt wur­de, war auch die deut­sche Ver­wal­tung im be­setz­ten Ge­biet un­ter­stellt. Ih­re Kon­trol­le nahm sie in Form ei­nes Sys­tems von Be­zirks- und Kreis­de­le­gier­ten wahr, die den je­wei­li­gen deut­schen Ver­wal­tungs­stel­len vor Ort an die Sei­te ge­stellt wur­den.[7]  In der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­zo­ne wur­den fol­gen­de Be­zir­ke ein­ge­rich­tet: Bonn, Kreuz­nach, Mainz, Spey­er, Trier und Wies­ba­den. Die Rhein­land­kom­mis­si­on be­saß ei­ge­ne, al­ler­dings nicht klar ab­ge­grenz­te le­gis­la­ti­ve Kom­pe­ten­zen, die dem Schutz und dem Wohl­er­ge­hen der Be­sat­zungs­trup­pen die­nen soll­ten. Sie war be­rech­tigt, die Ge­set­ze des Rei­ches zu ap­pro­bie­ren. Glei­ches galt für Er­las­se obers­ter Reichs- und Lan­des­be­hör­den. So­mit konn­te die Rhein­land­kom­mis­si­on de fac­to als obers­te öf­fent­li­che Au­to­ri­tät im links­rhei­ni­schen Deutsch­land gel­ten. Für Be­völ­ke­rung, Po­li­tik, Ver­wal­tung und Wirt­schaft war es in den Fol­ge­jah­ren von nicht ge­rin­ger Be­deu­tung, ob man sich im be­setz­ten oder un­be­setz­ten Teil der Rhein­pro­vinz be­fand. Po­li­ti­sche Äu­ße­run­gen und „Agi­ta­ti­on“, die im un­be­setz­ten Ge­biet über die Par­tei­gren­zen hin­weg all­ge­mei­ne Zu­stim­mung ge­fun­den hät­ten, konn­ten im be­setz­ten Ge­biet kur­zer­hand zur Aus­wei­sung füh­ren.

Die von der deut­schen Öf­fent­lich­keit als un­zu­mut­bar emp­fun­de­nen Be­din­gun­gen des Ver­sailler Ver­trags – um­fang­rei­che Ge­biets­ver­lus­te, Be­set­zung wei­te­rer, be­deu­ten­der Ge­bie­te, Re­du­zie­rung der Streit­kräf­te auf ein 100.000-Mann-Heer usw. – be­deu­te­ten für die jun­ge Re­pu­blik ei­ne er­heb­li­che Hy­po­thek. Die Be­set­zung des links­rhei­ni­schen Reichs­ge­bie­tes – so­weit es beim Deut­schen Reich ver­blieb – so­wie die Bil­dung rechts­rhei­ni­scher Brü­cken­köp­fe be­för­der­ten ins­be­son­de­re die be­setz­ten Ge­bie­te der von der Rhein­land­be­set­zung am stärks­ten be­trof­fe­nen Rhein­pro­vinz aus deut­scher Sicht zu „na­tio­na­len Kri­sen­ge­bie­ten, de­nen auch im Reichs­in­ter­es­se der grö­ßt­mög­li­che Bei­stand zu leis­ten war“.[8]  Reich und Preu­ßen wa­ren so­mit in glei­chem Ma­ße an ei­ner Lö­sung der zahl­rei­chen mit der Be­set­zung ver­bun­de­nen Pro­ble­me in­ter­es­siert. Dies schlug sich un­ter an­de­rem in der Ein­rich­tung neu­er Stel­len nie­der, et­wa de­m Reichs­kom­mis­sar für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te in Ko­blenz.

Wie in­ten­siv auch im all­täg­li­chen Le­ben die Be­sat­zungs­fol­gen zu spü­ren wa­ren, ver­deut­licht das Bei­spiel der Zeit­um­stel­lung: Vom 15.12.1918 bis zum En­de des Waf­fen­still­stan­des so­wie er­neut zwi­schen Ok­to­ber 1921 und Fe­bru­ar 1925 wur­de im be­setz­ten Ge­biet auf die West­eu­ro­päi­sche Zeit um­ge­stellt. Die Uh­ren wur­den al­so um ei­ne Stun­de zu­rück­ge­stellt.

Ei­ne Be­son­der­heit stell­te das „Saar­ge­bie­t“ dar, wel­ches de fac­to aus der Rhein­pro­vinz aus­ge­glie­dert und ei­nem Son­der­sta­tut des Völ­ker­bun­des un­ter­stellt wur­de. Nach ei­ner 15-jäh­ri­gen Über­gangs­zeit soll­te die Be­völ­ke­rung mit­tels Ab­stim­mung selbst über die künf­ti­ge staat­li­che Zu­ge­hö­rig­keit des Saar­ge­bie­tes ent­schei­den. Do­mi­nie­rend war in der Pra­xis der Ein­fluss Frank­reichs, an der Spit­ze der mi­li­tä­ri­schen Be­sat­zungs-Ver­wal­tung stand der fran­zö­si­sche Ge­ne­ral Jo­seph Louis And­lau­er (1869-1956) („Ad­mi­nis­tra­teur Su­pé­ri­eur de la Sar­re“). Am 4.4.1919 wur­de im Saar­ge­biet der Aus­nah­me­zu­stand ver­kün­det. Auf ei­nem Pla­ka­t­an­schlag, ge­zeich­net von Ge­ne­ral And­lau­er, stand un­ter an­de­rem zu le­sen[9] :

„Durch die ge­gen­wär­ti­ge La­ge im Saarbe­cken tre­ten ab Sams­tag, den 5. April für die ge­sam­te Be­völ­ke­rung fol­gen­de Maß­nah­men in Kraft: Je­des Zu­sam­men­ste­hen in den Dör­fern wie auch au­ßer­halb der Dör­fer, wo es im­mer auch sein mag, ist ver­bo­ten, ein­ge­schlos­sen in die­ses Ver­bot sind Zu­sam­men­künf­te in Gast­wirt­schaf­ten, Kaf­fees und Pri­vat­häu­sern. Je­de An­samm­lung von mehr als 4 Per­so­nen wird mit Ge­walt aus­ein­an­der­ge­wie­sen.“

Die­se Maß­nah­men zeu­gen zum ei­nen von dem durch­aus nach­voll­zieh­ba­ren Si­cher­heits­be­dürf­nis der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­macht; sie kön­nen zum an­de­ren bei der Er­klä­rung des Un­mu­tes der ein­hei­mi­schen Be­völ­ke­rung hilf­reich sein, der zu ei­nem ge­wis­sen Teil – aber eben nicht aus­schlie­ß­lich – auf der deut­schen Pro­pa­gan­da, xe­no­pho­ben Vor­ur­tei­len und auf­ge­bausch­ten Ein­zel­fäl­len be­ruh­te.

Paul Tirard (1879-1945), französischer Oberkommissar und Präsident der Interalliierten Rheinlandkommission zwischen 1920 und 1930. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

3. Die Ausweitung der Besetzung in den Jahren 1920 und 1921

Dass die Be­set­zung des links­rhei­ni­schen Rhein­lan­des durch­aus be­frie­den­de Wir­kung ent­fal­ten konn­te, zeig­te sich wäh­rend des so ge­nann­ten „Ruhr­krie­ge­s“. In­fol­ge des miss­lun­ge­nen „Kapp-Lütt­witz-Put­sches“ in Ber­lin im März 1920 kam es im rhei­nisch-west­fä­li­schen In­dus­trie­ge­biet zu ei­ner Er­he­bung der kom­mu­nis­tisch do­mi­nier­ten „Ro­ten Ruhr­ar­mee“, die von Reichs­wehr und Frei­korps mit gro­ßer Här­te nie­der­ge­schla­gen wur­de und ins­ge­samt et­wa 1.600 Men­schen­le­ben for­der­te. Im links­rhei­ni­schen Be­sat­zungs­ge­biet blieb es hin­ge­gen ru­hig. Als Re­ak­ti­on auf das Über­grei­fen deut­scher mi­li­tä­ri­scher Ein­hei­ten auf das ent­mi­li­ta­ri­sier­te Ruhr­ge­biet im Zu­ge der Kampf­hand­lun­gen ge­gen die „Ro­te Ar­mee“ be­setz­ten fran­zö­si­sche Trup­pen ab dem 6.4.1920 vor­über­ge­hend den Main­gau, na­ment­lich die Städ­te Frank­furt am Main, Darm­stadt, Die­burg, Hom­burg und Ha­nau.

Das Deut­sche Reich er­füll­te die ihm im Ver­sailler Ver­trag und im Pro­to­koll zu Spa auf­er­leg­ten Ver­pflich­tun­gen nur schlep­pend, ins­be­son­de­re die Ver­zö­ge­run­gen bei De­mi­li­ta­ri­sie­rung und Koh­le­lie­fe­run­gen er­reg­ten in Pa­ris Un­mut. Die Kon­fe­renz von Pa­ris leg­te am 29.1.1921 die Hö­he der Re­pa­ra­tio­nen fest. Für den Fall der Nicht­an­nah­me wur­den Deutsch­land ver­schie­de­ne Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten vor Au­gen ge­führt: Zeit­li­che und geo­gra­phi­sche Aus­deh­nung der Rhein­land­be­set­zung, zoll- und han­dels­po­li­ti­sche Kon­se­quen­zen so­wie das Ve­to ge­gen ei­nen Völ­ker­bund­bei­tritt des Deut­schen Rei­ches. Der deut­sche Au­ßen­mi­nis­ter Wal­ter Si­mons (1861-1937, Amts­zeit 25.6.1920-4.5.1921) be­zeich­ne­te die For­de­run­gen vor der in­te­r­al­li­ier­ten Kon­fe­renz in Lon­don am 1.3.1921 schlicht­weg als un­er­füll­bar. Nun war auch der eng­li­sche Pre­mier­mi­nis­ter Da­vid Lloyd Ge­or­ge (1863-1945, Amts­zeit 1916-1922) zu Zu­ge­ständ­nis­sen ge­gen­über den fran­zö­si­schen Sank­ti­ons­for­de­run­gen be­reit. Die Kon­fe­renz bil­lig­te je­doch nicht die von Aris­ti­de Bri­and (1862-1932) fa­vo­ri­sier­te Be­set­zung des Ruhr­ge­bie­tes, son­dern zu­nächst le­dig­lich ein von Groß­bri­tan­ni­en und Bel­gi­en vor­ge­schla­ge­nes Ul­ti­ma­tum. Die En­ten­te­mäch­te droh­ten Deutsch­land mit ei­ner Aus­wei­tung der Be­set­zung für den Fall, dass die Zah­lun­gen nicht bis zum 12. Mai er­bracht wür­den. Da die deut­sche Sei­te un­nach­gie­big blieb, rück­ten fran­zö­si­sche, bel­gi­sche und eng­li­sche Trup­pen­ver­bän­de in die Städ­te Düs­sel­dorfDuis­burg und Ruhr­ort (heu­te Stadt Duis­burg) ein.

Angehörige der 'Roten Ruhrarmee', 1920.

 

Wäh­rend die Ope­ra­ti­on im Main­gau als „ein­ma­li­ge Po­li­zei­maß­nah­me“ gel­ten konn­te, rech­ne­ten bei der Be­set­zung der rechts­rhei­ni­schen Brü­cken­köp­fe Düs­sel­dorf, Duis­burg und Ruhr­ort vie­le mit ei­ner län­ge­ren Sank­ti­ons­dau­er. Han­del­te es sich 1920 um ein mi­li­tä­risch mo­ti­vier­tes Vor­ge­hen, stan­den bei den Ak­ti­vi­tä­ten des Jah­res 1921 wirt­schafts­po­li­ti­sche As­pek­te im Vor­der­grund. Die Be­set­zung der drei rechts­rhei­ni­schen Städ­te en­de­te erst im Jahr 1925, als auch die in­zwi­schen er­folg­te Ruhr­be­set­zung auf­ge­ho­ben wur­de.

4. Die Ruhrbesetzung 1923 bis 1925

Als die deut­sche Sei­te mit der Zah­lung der Re­pa­ra­tio­nen – vor al­lem in Form von Holz- und Koh­le­lie­fe­run­gen – nicht mehr nach­kam, war dies für den fran­zö­si­schen Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Ray­mond Poin­ca­ré (1860-1934) der An­lass, das Ruhr­ge­biet mi­li­tä­risch zu be­set­zen. Seit dem 11.1.1923 rück­ten fran­zö­si­sche und bel­gi­sche Ver­bän­de nach und nach vor, so dass das Kon­tin­gent der Be­sat­zungs­trup­pen an der Ruhr ge­gen En­de des Mo­nats März ei­ne Stär­ke von ca. 100.000 Sol­da­ten er­reicht hat­te. Die Aus­wei­tung der Be­set­zung hat­te nicht et­wa – wie von deut­scher Sei­te häu­fig be­haup­tet und be­fürch­tet – ei­ne An­ne­xi­on des Ruhr­ge­bie­tes zum Ziel, son­dern die Si­che­rung „pro­duk­ti­ver Pfän­der“ („ga­ge pro­duc­tif“) . Die In­dus­trie des Ruhr­ge­bie­tes wur­de als Faust­pfand be­trach­tet, das man für die Dau­er der Be­sat­zung pro­duk­tiv für sich zu nut­zen ge­dach­te – eben so lan­ge, bis die deut­sche Sei­te wie­der ih­ren Re­pa­ra­ti­ons­ver­pflich­tun­gen nach­kom­men wür­de.

Die deut­sche Reichs­re­gie­rung re­agier­te mit dem Auf­ruf zum „pas­si­ven Wi­der­stan­d“. Die­se Maß­nah­me wur­de vom Gro­ß­teil der Be­völ­ke­rung mit­ge­tra­gen: „Die Em­pö­rung, die der Ein­marsch aus­lös­te, war all­ge­mein und ging durch al­le Schich­ten“.[10]  So wand­te sich et­wa die der So­zi­al­de­mo­kra­tie na­he ste­hen­de „Es­se­ner Ar­bei­ter-Zei­tun­g“ „aus rei­nem na­tio­na­lem Emp­fin­den ge­gen die Ver­ge­wal­ti­gung […] hei­mat­li­chen Bo­den­s“.[11]

Ruhrbesetzung, 1923. (Bundesarchiv Bild 183-R09876 / CC-BY-SA 3.0)

 

Ein auch in ak­tu­el­len Pu­bli­ka­tio­nen häu­fig ab­ge­bil­de­tes Pro­test­pla­kat ge­gen die Ruhr­be­set­zung bringt die Hal­tung wei­ter Tei­le der Be­völ­ke­rung zum Aus­druck: „Nein! Mich zwingt Ihr nicht!“.[12]  Die­se Ein­stel­lung kor­re­lier­te mit den Wor­ten des Vor­sit­zen­den des Aus­wär­ti­gen Aus­schus­ses, Gus­tav Stre­se­mann (DVP) (1878-1929). In ei­ner Er­klä­rung für die bür­ger­li­chen Frak­tio­nen des Reichs­tags führ­te die­ser un­ter an­de­rem aus: „Ge­gen die Ver­ge­wal­ti­gung des deut­schen Vol­kes, deut­schen Bo­dens und deut­scher Wirt­schaft, ge­gen die­sen Bruch ge­schrie­be­ner Ver­trä­ge und un­ge­schrie­be­ner […] ru­fen wir das deut­sche Volk und die Ge­wis­sen der Völ­ker zum Wi­der­stan­de auf […]. Frank­reichs Ziel ist die Ver­nich­tung Deutsch­lands […]. Das wird ihm nicht ge­lin­gen“.

Die Si­tua­ti­on spitz­te sich zu­neh­mend zu: Staats- und Kom­mu­nal­be­am­te wi­der­setz­ten sich fran­zö­si­schen An­ord­nun­gen, Ei­sen­bahn- und Ze­chen­ar­bei­ter igno­rier­ten die An­wei­sun­gen der Be­sat­zungs­mäch­te. Kauf­mann­schaft, Hand­werk und Gas­tro­no­mie be­schlos­sen, ge­gen­über Bel­gi­ern und Fran­zo­sen kei­ne Leis­tun­gen zu er­brin­gen. Die Ze­chen­di­rek­to­ren ver­wei­ger­ten auf Ge­heiß des Reichs­koh­len­kom­mis­sars die Ko­ope­ra­ti­on mit den Wirt­schafts­of­fi­zie­ren der Ge­gen­sei­te. Auf die­se Wei­se soll­ten Koh­le­lie­fe­run­gen an die Be­sat­zungs­mäch­te un­ter­bun­den wer­den.

Nun es­ka­lier­te die La­ge voll­ends, denn die Be­sat­zungs­mäch­te ant­wor­te­ten am 29.1.1923 mit der Ver­hän­gung ei­nes ver­schärf­ten Be­la­ge­rungs­zu­stan­des. Ar­bei­ter, An­ge­stell­te und Un­ter­neh­mer, Staats- und Kom­mu­nal­be­am­te so­wie Pri­vat­per­so­nen wur­den fest­ge­nom­men und häu­fig mit emp­find­li­chen Geld- oder Haft­stra­fen ver­se­hen, wenn nicht zum Mit­tel der Aus­wei­sung aus dem be­setz­ten Ge­biet ge­grif­fen wur­de.

Karte des besetzten Rheinlandes, Stand: 1. Juli 1923, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. (Public Domain Mark 1.0)

 

Tat­säch­lich blieb der pas­si­ve Wi­der­stand in den ers­ten Wo­chen nicht oh­ne Wir­kung, be­ein­träch­tig­te er die loth­rin­gi­sche Schwer­in­dus­trie zu­nächst er­heb­lich. Doch grö­ßer noch wa­ren die ne­ga­ti­ven Fol­gen für das Reich selbst. Nach­dem die Fran­zo­sen den Ei­sen­bahn­ver­kehr in ei­ge­ner Re­gie or­ga­ni­siert hat­ten, lief der Ab­trans­port der Koh­le wie­der an, so dass die fran­zö­si­sche Stahl­in­dus­trie bald dar­auf wie­der im ge­wohn­ten Um­fang pro­du­zie­ren konn­te. In Deutsch­land hin­ge­gen kam es zu Ver­sor­gungs­eng­päs­sen, ga­lop­pie­ren­der In­fla­ti­on und Man­gel­er­näh­rung wei­ter Be­völ­ke­rungs­krei­se, was am 12.8.1923 schlie­ß­lich zum Rück­tritt der Re­gie­rung Cu­no führ­te. Die Pha­lanx des pas­si­ven Wi­der­stan­des ge­riet all­mäh­lich in Auf­lö­sung, im­mer häu­fi­ger war in der Be­völ­ke­rung von Ar­beits­auf­nah­me und Ab­bruch des Wi­der­stan­des die Re­de. So sah sich die neue Reichs­re­gie­rung un­ter Stre­se­mann am 26.9.1923 ge­zwun­gen, das En­de des pas­si­ven Wi­der­stan­des zu ver­kün­den.

Als letzt­lich er­folg­rei­ches Un­ter­fan­gen wer­tet Hans-Hein­rich Nol­te den pas­si­ven Wi­der­stand des Jah­res 1923, da die­ser durch sei­nen grund­sätz­li­chen Ver­zicht auf Ge­walt „zur Ver­bes­se­rung des Bil­des von Deutsch­land in den an­gel­säch­si­schen Län­dern und da­mit lang­fris­tig zur Ver­bes­se­rung der La­ge des Lan­des“ bei­ge­tra­gen ha­be.[13]  Die ge­ra­de­zu kon­trä­re Po­si­ti­on ver­tritt Gerd Kru­meich, in des­sen Au­gen der pas­si­ve Wi­der­stand dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und des­sen Me­tho­den der Ge­walt­an­wen­dung den Weg be­rei­te­te[14] : „We­ni­ger deut­lich [...] ist bis­lang, wie­weit auch fa­schis­ti­sche Ak­ti­vi­tä­ten im wei­tes­ten Sinn von die­sen Ver­hält­nis­sen be­för­dert und zu ei­ner Art neu­er Nor­ma­li­tät wur­den. Die al­lein durch die Aus­wir­kun­gen des ,Ruhr­kampfs’ zu er­klä­ren­den neu­en In­ter­ven­ti­ons­for­men mit z.T. hoch­po­li­ti­sier­ter öf­fent­li­cher Ver­wal­tung ver­wei­sen auf die­sen Zu­sam­men­hang. [...] im­mer wie­der kam es zur ,Zu­sam­men­ar­beit’ von staat­li­cher Ver­wal­tung und Ter­ror­or­ga­ni­sa­tio­nen und dar­über hin­aus zu der Ver­le­gung von ge­nu­in staat­li­cher Sank­ti­ons­ge­walt in die Hän­de pri­va­ter Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen. […] So war wohl das po­li­tisch we­sent­lichs­te Er­geb­nis des ,Ruhr­kampfs’ von 1923 die all­ge­gen­wär­ti­ge Er­fah­rung von Ge­walt im po­li­ti­schen Rah­men – ei­ne ers­te Form der Selbst­auf­lö­sung der De­mo­kra­tie und ei­ne Vor­stu­fe der Über­tra­gung der Macht an die po­li­ti­sche Ex­tre­me, wie sie de­fi­ni­tiv 1933 staat­li­che Rea­li­tät wer­den soll­te."

Mit­un­ter nah­men pas­si­ver Wi­der­stand und al­li­ier­te Ge­gen­maß­nah­men in der Tat ge­walt­tä­ti­ge Zü­ge an. Ins­be­son­de­re das Frei­korps „Ober­lan­d“ so­wie das „Han­sea­ti­sche Frei­korps“ gin­gen ge­walt­sam ge­gen die fran­zö­si­sche Be­sat­zung vor. Der spä­ter von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten glo­ri­fi­zier­te Al­bert Leo Schla­ge­ter (1894-1923) ver­üb­te Sa­bo­ta­ge­ak­te auf fran­zö­si­sche Ver­kehrs­ein­rich­tun­gen und wur­de nach sei­ner Er­grei­fung von ei­nem fran­zö­si­schen Kriegs­ge­richt zum To­de ver­ur­teilt. Sei­ne Hin­rich­tung fand am 26.5.1923 auf der Golz­hei­mer Hei­de bei Düs­sel­dorf statt. Klaus Wisotz­ky weist je­doch dar­auf hin, dass der ak­ti­ve, ge­walt­sa­me Wi­der­stand „bei al­ler na­tio­na­len Em­pha­se und bei al­ler Em­pö­run­g“ in der Be­völ­ke­rung nur we­nig Rück­halt be­saß.

Arbeiter aus Duisburg demonstrieren für die Beibehaltung des passiven Widerstands, 1923.

 

„Welt­wei­te Auf­merk­sam­keit“ (Klaus Wisotz­ky) er­reg­te der Zwi­schen­fall, der sich am Kar­sams­tag 1923, am 31. März, in der Krupp’schen Au­to­hal­le zu­trug.[15]  Fran­zö­si­sche Sol­da­ten hat­ten dort Last­kraft­wa­gen be­schlag­nah­men wol­len, was ei­ne auf­ge­brach­te Men­ge von meh­re­ren Tau­send Ar­bei­tern zu ver­hin­dern ver­such­te, in­dem sie die Aus­fahrt ver­sperr­te. In Pa­nik ge­ra­ten, bahn­ten sich die fran­zö­si­schen Sol­da­ten um sich schie­ßend den Weg ins Freie. Ge­tö­tet wur­den da­bei 13 De­mons­tran­ten. Dem Trau­er­zug am 10. April gab ei­ne gro­ße Men­schen­men­ge das letz­te Ge­leit. Die Ge­werk­schaf­ten sa­hen in dem Vor­fall „den neu­es­ten und furcht­bars­ten, aber kei­nes­wegs den ein­zi­gen Fall von Hin­schlach­tun­gen un­be­waff­ne­ter Ar­bei­ter durch den fran­zö­si­schen Mi­li­ta­ris­mus“.[16]

Was die Aus­wei­tung des be­setz­ten Ge­bie­tes an­be­langt, blieb der pas­si­ve Wi­der­stand er­folg­los: Die letz­ten fran­zö­si­schen Trup­pen ver­lie­ßen erst En­de Ju­li 1925 das Ruhr­ge­biet. Im Grun­de en­de­te erst jetzt der „kal­te deutsch-fran­zö­si­sche Krie­g“.[17]  Was auf deut­scher Sei­te blieb, war ein po­li­ti­scher Flur­scha­den, nicht zu­letzt in in­nen­po­li­ti­scher Hin­sicht. Das „ad­mi­nis­tra­ti­ve Cha­os“,[18]  das kaum mehr über­schau­ba­re Kom­pe­ten­zen­ge­flecht, die man­geln­de be­hörd­li­che Ko­or­di­na­ti­on in ver­ti­ka­ler und ho­ri­zon­ta­ler Hin­sicht, die Ak­zep­tanz von Ge­walt zur Durch­set­zung po­li­ti­scher Zie­le – Po­li­tik und Ver­wal­tung tru­gen auf die­se Wei­se da­zu bei, die deut­sche De­mo­kra­tie bei der Be­völ­ke­rung nach­hal­tig zu de­le­gi­ti­mie­ren und zu dis­kre­di­tie­ren.

5. Die Position der Besatzungsmächte gegenüber den verschiedenen Abtrennungsbestrebungen

Die his­to­ri­sche For­schung in Deutsch­land und in Frank­reich war sich lan­ge Zeit nicht dar­über ei­nig, ob die Zu­rück­drän­gung Deutsch­lands bis auf die Rhein­gren­ze zu den kon­stan­ten Kriegs­zie­len Frank­reichs ge­hör­te.[19]  Wenn­gleich die Rhein­gren­ze nicht mit letz­ter Kon­se­quenz und vor al­lem nicht mit gleich blei­ben­der Kon­stanz als Kriegs­ziel ver­folgt wur­de, scheint die Schluss­fol­ge­rung An­na-Mo­ni­ka Lau­ters plau­si­bel: „Die For­de­rung nach der Rhein­gren­ze – ob in Form ei­ner An­ne­xi­on, ei­ner Neu­tra­li­sie­rung, ei­nes au­to­no­men Pro­tek­to­rats oder der dau­er­haf­ten Be­set­zung – wur­de in wei­ten Tei­len aus Po­li­tik und Ge­sell­schaft ver­tre­ten. Vor al­lem aber ent­wi­ckel­te sich ein Ar­se­nal an Ar­gu­men­ten zur Be­grün­dung des fran­zö­si­schen An­spruchs auf die links­rhei­ni­schen Ge­bie­te, das nach dem Krieg wei­ter zur Ver­fü­gung stan­d“.[20]

Beerdigung der 'Krupp-Opfer' auf dem Ehrenfriedhof in Essen, 10.4.1923.

 

Die fran­zö­si­sche Öf­fent­lich­keit war al­ler­dings auch nach dem En­de des Krie­ges al­les an­de­re als ei­nig, was die Zu­kunft des be­setz­ten Ge­bie­tes an­be­lang­te. Na­tür­lich gab es – vor al­lem, aber nicht aus­schlie­ß­lich auf der po­li­ti­schen Rech­ten – ei­ne „an­ne­xi­ons­be­rei­te fran­zö­si­sche Rhein-Lob­by“, doch re­prä­sen­tier­te die­se kei­nes­wegs die Be­völ­ke­rungs­mehr­heit.[21]  Selbst die For­de­rung ei­ner Ab­tren­nung des be­setz­ten Ge­bie­tes von Deutsch­land oder we­nigs­tens von Preu­ßen war längst nicht All­ge­mein­gut.[22]  Wäh­rend die Pres­se in der fran­zö­si­schen Pro­vinz, im Sü­den und Wes­ten des Lan­des, „of­fen und selbst­ver­ständ­li­ch“[23]  die Un­ter­stüt­zung des Se­pa­ra­tis­mus for­der­te, ver­hiel­ten sich die Pa­ri­ser Zei­tun­gen zu­rück­hal­ten­der. Dort wa­ren sol­che Tö­ne kaum zu ver­neh­men, was An­na-Mo­ni­ka Lau­ter mit der „Rück­sicht­nah­me auf das in­ter­na­tio­na­le di­plo­ma­ti­sche Par­ket­t“ be­grün­det. Der Ge­dan­ke ei­ner Tren­nung des Rhein­lands vom üb­ri­gen Reich in Form ei­nes ei­ge­nen Staa­tes war vor al­lem bei Wis­sen­schaft­lern, Li­te­ra­ten und Jour­na­lis­ten po­pu­lär. Die In­itia­ti­ve hier­zu soll­te al­ler­dings von der rhei­ni­schen Be­völ­ke­rung aus­ge­hen, nicht von au­ßen ok­troy­iert wer­den.

Die Po­si­tio­nie­rung der fran­zö­si­schen Kreis­de­le­gier­ten ge­gen­über den au­to­no­mis­ti­schen und se­pa­ra­tis­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten fiel recht un­ter­schied­lich aus. Wäh­rend der fran­zö­si­sche Be­zirks­de­le­gier­te der In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on in Trier am 22.10.1923 sei­ne Sym­pa­thie für die se­pa­ra­tis­ti­sche Sa­che be­kun­de­te, för­der­te der fran­zö­si­sche Kreis­de­le­gier­te im Rest­kreis Mer­zig-Wa­dern das Vor­ge­hen der Se­pa­ra­tis­ten nur „auf hö­he­re Wei­sun­g“, wäh­rend er ih­nen in ei­ni­gen Fäl­len so­gar Ein­halt ge­bot. Das un­ter­schied­li­che Ver­hal­ten der fran­zö­si­schen Stel­len brach­te auf deut­scher Sei­te der Reichs­mi­nis­ter der Fi­nan­zen in ei­nem Schrei­ben an das Reichs­mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te vom 24.11.1923 zur Spra­che: „Wäh­rend im bel­gisch be­setz­ten Ge­biet die Son­der­bünd­ler ent­waff­net wur­den, er­hal­ten sie im fran­zö­sisch be­setz­ten Ge­biet fast über­all tat­kräf­ti­ge Un­ter­stüt­zung durch die fran­zö­si­schen Kreis­de­le­gier­ten. Al­ler­dings kann man gros­se Ver­schie­den­hei­ten im Ver­hal­ten der ein­zel­nen De­le­gier­ten be­ob­ach­ten. Ein­zel­ne sind durch­aus an­stän­dig und wirk­lich be­strebt, neu­tral zu sein[,] z.B. in St. Goar, Ge­münd, Sim­mern; an­de­re un­ter­stüt­zen die Son­der­bünd­ler heim­lich oder in­di­rekt, z.B. Kreuz­nach, May­en, Ahr­wei­ler; an­de­re wie­der füh­ren of­fen die Ge­schäf­te der Son­der­bünd­ler[,] z.B. Dü­ren, Daun, Prüm, Bir­ken­feld etc.“.[24]

Ti­rard hielt ei­ne bun­des­staat­li­che Lö­sung, al­so ei­ne rhei­ni­sche Au­to­no­mie in­ner­halb des Reichs­ver­bands, nicht für aus­rei­chend. Er setz­te bei sei­nen Be­mü­hun­gen auf ei­ne Los­lö­sung rhei­ni­scher Ge­bie­te von Deutsch­land und die Grün­dung ei­nes selbst­stän­di­gen rhei­ni­schen Staa­tes. So äu­ßer­te Ti­rard dem Trie­rer Ober­bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Stöck (1866-1953) ge­gen­über, wie die­ser in sei­nen Er­in­ne­run­gen fest­hält: „Er [Ti­rard] er­klär­te mir, die Schaf­fung ei­nes Staa­tes im Ver­ban­de des Deut­schen Rei­ches ge­nü­ge dem fran­zö­si­schen Vol­ke nicht, da sie nicht ge­nü­gend Si­cher­heit ge­gen den preu­ßi­schen Ein­fluß bie­te. [...] Sei­ner An­sicht [nach] sei es das bes­te, ei­ne Art Con­fö­de­ra­ti­on zu bil­den wie die Schweiz, be­ste­hend aus je ei­ner Re­pu­blik Pfalz, Rhein­hes­sen, Mo­sel­land etc.“.[25]

Der mitt­ler­wei­le in Pa­ris sta­tio­nier­te Ge­ne­ral Charles Man­gin (1866-1925) mach­te Poin­ca­ré ge­gen­über Vor­schlä­ge zur Er­rich­tung ei­ner „Rhei­ni­schen Re­pu­bli­k“. Er lud Hans Adam Dor­ten (1880-1963), zu dem er im­mer noch Kon­takt un­ter­hielt, ein nach Pa­ris, wo die­ser sym­pa­thi­sie­ren­de Po­li­ti­ker und Jour­na­lis­ten tref­fen soll­te, dar­un­ter auch den Her­aus­ge­ber des „Le Ma­tin“. Die­ser wie­der­um ver­si­cher­te Dor­ten der Un­ter­stüt­zung durch die fran­zö­si­sche Po­li­tik. Dor­ten sol­le nur sei­ne Stär­ke, sei­nen Rück­halt in der rhei­ni­schen Be­völ­ke­rung un­ter Be­weis stel­len, dann wer­de ihm ge­hol­fen. So­bald die Din­ge ih­ren Lauf näh­men, wer­de Man­gin zur Un­ter­stüt­zung Dor­tens ab­ge­ord­net. Mang­ins Nach­fol­ger Ge­ne­ral Jean-Ma­rie De­gout­te (1866-1938) wirk­te in sei­ner Denk­schrift vom 19.4.1921 auf ei­ne An­ne­xi­on des Rhein­lands durch Frank­reich hin.

Flugblatt der separatistischen 'Rheinischen Regierung'.

 

Der Li­te­rat, Jour­na­list, Po­li­ti­ker, Ab­ge­ord­ne­te und Prä­si­dent der „Pa­trio­ti­schen Li­ga“ Mau­rice Bar­rès (1862-1923) galt ei­ner der ag­gres­sivs­ten und ein­fluss­reichs­ten fran­zö­si­schen Re­van­chis­ten.[26]  Er be­müh­te sich wäh­rend der ge­sam­ten Be­sat­zungs­zeit, die fran­zö­si­sche Po­li­tik in Rich­tung ei­ner An­ne­xi­on – und als ei­ne sol­che im­mer un­wahr­schein­li­cher wur­de: in Rich­tung ei­nes selbst­stän­di­gen Rhe­in­staa­tes – zu be­we­gen. Die Rhein­län­der, die er als hal­be Gal­li­er und halb-ro­ma­nisch be­zeich­ne­te, be­ab­sich­tig­te er Preu­ßen-Deutsch­land zu ent­frem­den und für die fran­zö­si­sche Kul­tur zu ge­win­nen.[27]  Ge­gen En­de sei­nes Le­bens – er starb am 5.12.1923 – fa­vo­ri­sier­te Bar­rès, der kurz zu­vor noch das be­setz­te Ge­biet be­reist hat­te, für das Rhein­land die se­pa­ra­tis­ti­sche Va­ri­an­te in Form ei­nes nörd­li­chen und ei­nes süd­li­chen Rhe­in­staa­tes.

Cum gra­no sa­lis lässt sich fest­hal­ten: Wäh­rend Bel­gi­er und Fran­zo­sen vor Ort durch­aus Sym­pa­thi­en für ei­ne Ab­tren­nung des Rhein­lands zu­min­dest von Preu­ßen – und so­mit auch für den Ge­dan­ken ei­nes Rhe­in­staa­tes – heg­ten, ver­hiel­ten sich Ame­ri­ka­ner und Eng­län­der zu­rück­hal­tend bis ab­wei­send ge­gen­über den ent­spre­chen­den Prot­ago­nis­ten. Ein Bei­spiel hier­für ist der Ober­be­fehls­ha­ber der ame­ri­ka­ni­schen Be­sat­zungs­ar­mee Hen­ry T. Al­len (1859-1930). Die­ser schil­dert in sei­nen Er­in­ne­run­gen die Ak­ti­vi­tä­ten und An­nä­he­rungs­ver­su­che des Rhe­in­staat­be­für­wor­ters Hans Adam Dor­ten[28] :

„Die Um­trie­be Dr. Dor­tens in der ame­ri­ka­ni­schen Zo­ne tre­ten scharf in den Vor­der­grund. Ich bin nicht voll­kom­men si­cher, ob un­se­re Po­li­tik, die je­de Pro­pa­gan­da für ei­ne Rhein­re­pu­blik un­ter­sagt, die rich­ti­ge ist. Im­mer­hin ist sie von un­se­rem Gro­ßen Haupt­quar­tier ge­bil­ligt und wird auch von den Eng­län­dern ver­folgt, wäh­rend die Fran­zo­sen dem Dr. Dor­ten ih­re wei­test­ge­hen­de Un­ter­stüt­zung und al­le mög­li­chen Er­leich­te­run­gen zu­teil wer­den las­sen. Ich hö­re, daß Ge­ne­ral Gé­r­ard, der die 8. Ar­mee in Land­au kom­man­diert, für die Grün­dung ei­ner, Pfalz-Re­pu­blik’, ei­ner ,Re­pu­blik Mainz’ und ei­ner ,Re­pu­blik Köln’ ist. Bei der geis­ti­gen Ver­fas­sung die­ser Her­ren ist es wahr­schein­lich, daß sie auch in Co­blenz und Köln ger­ne ans Ru­der kom­men möch­ten. Mei­ne ei­ge­ne An­sicht über die in der ame­ri­ka­ni­schen Zo­ne zu be­fol­gen­de Po­li­tik ist die, den Deut­schen so­weit freie Hand zu las­sen, als dies mit der Auf­recht­er­hal­tung der Ord­nung und den Be­stim­mun­gen des Ver­tra­ges in Ein­klang ge­bracht wer­den kann.“

Da letzt­lich auch die Ver­tre­ter Bel­gi­ens und Frank­reichs nicht ent­schie­den zu­guns­ten der Rhe­in­staat­be­für­wor­ter – na­ment­lich der Se­pa­ra­tis­ten im Jahr 1923 – ein­grif­fen, wa­ren die­se auf sich al­lein ge­stellt und so­mit zum Schei­tern ver­ur­teilt.

Separatisten der Rheinischen Republik vor dem Kurfürstlichen Schloss in Koblenz, 22. November 1923. (Library of Congress)

 

6. Die Propaganda der französischen Seite

Von fran­zö­si­scher Sei­te – oder tref­fen­der: von Ti­rard – wur­de der Ver­such ei­ner „fried­li­chen Durch­drin­gun­g“, ei­ner „pé­né­tra­ti­on pa­ci­fi­que“ un­ter­nom­men. Wich­ti­ges In­stru­ment für Pres­se­po­li­tik und Pro­pa­gan­da war die Ab­tei­lung „Pres­se et In­for­ma­ti­on“ in Ko­blenz, die dem fran­zö­si­schen Kom­mis­sa­ri­at an­ge­glie­dert war. Ti­rard ging recht un­ab­hän­gig von der je­wei­li­gen Re­gie­rung in Pa­ris vor, was je­doch auch die Ge­fahr des Schei­terns in sich barg. Sei­ne Wer­be­kam­pa­gne für die fran­zö­si­sche Kunst­aus­stel­lung 1921 in Wies­ba­den et­wa schei­ter­te dar­an, dass sie kei­ne of­fe­ne Un­ter­stüt­zung sei­tens der Re­gie­rung er­fah­ren hat­te, weil die­se den (wirt­schaft­li­chen) In­ter­es­sen der ei­ge­nen Be­völ­ke­rung mehr Be­ach­tung schenk­te als den Kon­zep­tio­nen Ti­rards. Die (Kul­tur-)Pro­pa­gan­da Ti­rards hat­te zwei Sto­ß­rich­tun­gen: Zum ei­nen ziel­te sie auf die ein­hei­mi­sche rhei­ni­sche Be­völ­ke­rung ab, zum an­de­ren auf die öf­fent­li­che Mei­nung in der fran­zö­si­schen Hei­mat. Bei­de ver­such­te Ti­rard für den Ge­dan­ken zu ge­win­nen, dass von ei­ner Ein­glie­de­rung des be­setz­ten Rhein­lands in den fran­zö­si­schen Staat al­le Be­tei­lig­ten nur pro­fi­tie­ren könn­ten, dass – um es in mo­der­ne­ren Wor­ten zu for­mu­lie­ren – zu­sam­men­zu­füh­ren sei, was zu­sam­men ge­hö­re.

Was be­inhal­te­ten nun die Maß­nah­men der „fried­li­chen Durch­drin­gun­g“? Zu­nächst wur­de das Ter­rain der Pres­se be­schrit­ten, um ei­ne Stei­ge­rung der Wir­kung der Kul­tur­pro­pa­gan­da zu er­rei­chen. Seit dem 1.10.1920 er­schien in Mainz ei­ne zwei­spra­chi­ge Zeit­schrift, die sich in trans­na­tio­na­ler Per­spek­ti­ve dem in­ter­na­tio­na­len Kul­tur­aus­tausch ver­schrie­ben hat­te, die „Rhei­ni­sche[n] Blät­ter. Zeit­schrift für Li­te­ra­tur, Han­del, Ge­wer­be und Kunst“ oder fran­zö­sisch „La Re­vue Rhé­na­ne. Re­vue lit­tér­ai­re, éco­no­mi­que et ar­tis­ti­que“. Ihr aus­drück­li­ches An­sin­nen war nach ei­ge­nem Be­kun­den, die „geis­ti­ge Ver­bin­dung zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich“ neu zu be­le­ben: „Die ,Rhei­ni­schen Blät­ter’ sind über­zeugt, dass ei­ne auf den Ver­stän­di­gungs­wil­len ge­stütz­te An­nä­he­rung, wel­che po­li­tisch sich zu voll­zie­hen im Be­griff ist, schon durch die ein­sich­ti­gen Be­mü­hun­gen und das auf­rich­ti­ge Stre­ben der her­vor­ra­gends­ten Geis­ter bei­der Na­tio­nen ei­ne teil­wei­se Ver­wirk­li­chung auf künst­le­ri­schem, li­te­ra­ri­schem und wirt­schaft­li­chem Ge­biet er­fah­ren ha­t“.[29]

Ein wei­te­res Mit­tel war das An­ge­bot von Sprach­kur­sen zur Er­lan­gung fran­zö­si­scher Sprach­kennt­nis­se. Im­mer­hin konn­te Ti­rard im De­zem­ber 1920 die Teil­nah­me von 12.485 Teil­neh­mern an fran­zö­si­schen Sprach­kur­sen im be­setz­ten Ge­biet ver­kün­den. Al­ler­dings war der Er­folg zwei­fel­haft: „Die Be­woh­ner des be­setz­ten Ge­biets schei­nen zwar durch­aus dar­an in­ter­es­siert ge­we­sen zu sein, die fran­zö­si­sche Spra­che zu er­ler­nen, ver­ban­den dies aber nicht mit ei­nem ge­stei­ger­ten In­ter­es­se an Frank­reich und der fran­zö­si­schen Kul­tur“.[30]  Dar­über hin­aus wur­den Vor­trags­rei­sen fran­zö­si­scher Wis­sen­schaft­ler so­wie Thea­ter- und Film­auf­füh­run­gen or­ga­ni­siert, je­doch mit nur mä­ßi­ger An­zie­hungs­kraft für die rhei­ni­sche Be­völ­ke­rung.

Karikatur 'Kulturelle Überfremdungsversuche durch französische Sendlinge', Rheinischer Beobachter, Jahrgang 1923.

 

Die fran­zö­si­sche Kul­tur­po­li­tik am Rhein war al­so bei wei­tem nicht so er­folg­reich – oder je nach Dar­stel­lung und Per­spek­ti­ve: be­droh­lich –, wie dies von deut­scher Sei­te häu­fig be­fürch­tet be­zie­hungs­wei­se be­haup­tet wur­de.[31]  Ei­ne Brei­ten­wir­kung er­ziel­te die fran­zö­si­sche Pro­pa­gan­da in der deut­schen Be­völ­ke­rung nicht, zu­min­dest nicht im be­ab­sich­tig­ten Sin­ne.[32]  Den­noch war die „pé­né­tra­ti­on pa­ci­fi­que“ in der deut­schen „Pres­se und Pu­bli­zis­tik ein häu­fig be­han­del­tes und emo­tio­nal ge­la­de­nes The­ma“,[33]  al­ler­dings un­ter den Ge­sichts­punk­ten des Ab­wehr­kamp­fes.

Auch in­nen­po­li­tisch führ­te Ti­rards Stra­te­gie nicht zum Er­folg, sei­ne Be­mü­hun­gen blie­ben in der fran­zö­si­schen Öf­fent­lich­keit fast oh­ne jeg­li­che Re­so­nanz. Eben­so schei­ter­te der Ver­such, in Frank­reich die Vor­stel­lung von ei­nem „rhein­frän­ki­schen“ be­zie­hungs­wei­se „rhei­ni­schen Bru­der­vol­k“ zu eta­blie­ren, dem man bei­ste­hen und das man von Preu­ßen-Deutsch­land lö­sen müs­se. Er­folg be­schie­den war die­ser Art von Bin­nen-Pro­pa­gan­da le­dig­lich in den­je­ni­gen Krei­sen, wel­che Mau­rice Bar­rès, dem „Co­mité de la Ri­ve Gau­che du Rhin“ oder dem „Co­mité Du­plei­x“ na­he stan­den. Die fran­zö­si­sche Pres­se schenk­te Ti­rards Ak­ti­vi­tä­ten kaum Be­ach­tung. Schlie­ß­lich wie­sen die In­ter­es­sen des fran­zö­si­schen Mit­tel­stan­des, der die rhei­ni­sche Kon­kur­renz fürch­te­te, Ti­rards Pro­pa­gan­da in ih­re Gren­zen.

An­sons­ten wur­de die fran­zö­si­sche Pro­pa­gan­da ins­be­son­de­re wäh­rend der Aus­deh­nung des be­setz­ten Ge­bie­tes im Jahr 1923, in der Zeit des Pas­si­ven Wi­der­stan­des, ak­tiv, wo­von zahl­rei­che Flug­blät­ter und Pla­ka­te in den je­wei­li­gen kom­mu­na­len und staat­li­chen Ar­chi­ven zeu­gen:[34]  „Wohl zu kei­nem an­de­ren po­li­ti­schen Er­eig­nis gibt es so vie­le Pla­ka­te und Flug­blät­ter wie zum Ruhr­kampf“.[35]  Ziel der fran­zö­si­schen Pro­pa­gan­da­kom­pa­ni­en war es, den „Kampf um die Ober­ho­heit in den Köp­fen der Men­schen, der von bei­den Sei­ten mit gro­ßem Auf­wand be­strit­ten wur­de“, zu­guns­ten der fran­zö­si­schen Sei­te zu ent­schei­den und so­mit den Wi­der­stand auf der deut­schen Sei­te in sich zu­sam­men­fal­len zu las­sen, ihm qua­si die mo­ra­li­sche Grund­la­ge zu ent­zie­hen. Die fran­zö­si­sche Pro­pa­gan­da ver­such­te, an­ti­ka­pi­ta­lis­ti­sche und an­ti­preu­ßi­sche Res­sen­ti­ments zu be­die­nen. Adres­sat war die ein­hei­mi­sche Ar­bei­ter­schaft, die man an die blu­ti­gen Er­eig­nis­se wäh­rend des „Ruhr­krie­ge­s“ im Jahr 1920 er­in­ner­te und da­vor warn­te, sich von wort­brü­chi­gen Ver­tre­tern aus Schwer­in­dus­trie, Rechts­par­tei­en und ost­el­bi­schem Jun­ker­tum in­stru­men­ta­li­sie­ren zu las­sen. Es ge­he ein­zig und al­lein dar­um – so ver­kün­de­ten fran­zö­si­sche Flug­blät­ter –, „die Her­ren der Ber­li­ner Re­gie­rung, in wel­chen der al­te Geist der preu­ßi­schen Jun­ker auf­lebt, da­zu zu ver­an­las­sen, die von ih­nen un­ter­schrie­be­nen Ver­trä­ge nicht als Pa­pier­fet­zen zu be­han­deln“.

Das fran­zö­si­sche Un­ter­fan­gen, mit­tels in­ten­si­ver be­glei­ten­der Pro­pa­gan­da um Ver­ständ­nis oder gar Zu­stim­mung in der deut­schen Be­völ­ke­rung zu wer­ben, war schon zu Be­ginn der Ope­ra­tio­nen an der Ruhr zum Schei­tern ver­ur­teilt, denn auch wenn der Wi­der­stands­wil­le der Be­völ­ke­rung mit fort­dau­ern­dem „Ruhr­kampf“ er­lahm­te – Sym­pa­thi­en für Frank­reich woll­ten sich bei der gro­ßen Mehr­heit nicht ein­stel­len: „Die jah­re­lan­gen Be­mü­hun­gen, die Men­schen am Rhein für Frank­reich ein­zu­neh­men, wa­ren durch die Ruhr­be­set­zung end­gül­tig zum Schei­tern ver­ur­teil­t“.[36]

Ei­ne wei­te­re, tie­fer grei­fen­de Maß­nah­me war die Aus­wei­sung miss­lie­bi­ger Per­so­nen aus dem Be­sat­zungs­ge­biet. Dies kann man durch­aus als pro­pa­gan­dis­ti­sches Mit­tel auf­fas­sen, konn­te sich die fran­zö­si­sche Sei­te von sol­chen Maß­nah­men doch nicht zu­letzt ab­schre­cken­de und dis­zi­pli­nie­ren­de Wir­kung er­hof­fen. Das Pro­ce­de­re bei ei­ner Aus­wei­sung wur­de dem Land­rat des Krei­ses May­en in ei­nem Be­richt vom 2.5.1923 ge­schil­dert: „Die Aus­wei­sung nahm den ge­wöhn­li­chen Ver­lauf, in­dem Feld­gen­dar­men in den Woh­nun­gen der Aus­ge­wie­se­nen er­schie­nen und die­sel­ben ins un­be­setz­te Ge­biet ab­trans­por­tier­ten. So­weit Fa­mi­li­en vor­han­den wa­ren, muss­ten die­se in­ner­halb 4 Ta­gen fol­gen“.[37]  Ins­ge­samt wur­den et­wa 150.000 Per­so­nen sei­tens der fran­zö­si­schen Be­sat­zung aus­ge­wie­sen. Da­bei han­del­te es sich um 40.000 Haus­hal­tungs­vor­stän­de und 110.000 Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge. Al­lein in der Stadt Ko­blenz, dem Sitz des Ober­prä­si­den­ten Hans Fuchs, wa­ren 1.500 Per­so­nen mit ih­ren Fa­mi­li­en von der Aus­wei­sung be­trof­fen, dar­un­ter der Ober­prä­si­dent selbst – er wur­de am 2. Fe­bru­ar 1923 aus­ge­wie­sen.

7. Propaganda und „Abwehrkampf“ der deutschen Seite

Die Pro­pa­gan­da der deut­schen Sei­te war zu­nächst we­nig auf­ein­an­der ab­ge­stimmt, ja re­gel­recht un­ko­or­di­niert, da die Kom­pe­ten­zen zwi­schen der Reichs­re­gie­rung und den ein­zel­nen be­trof­fe­nen Län­dern nicht ein­deu­tig ge­re­gelt wor­den wa­ren. Zu­dem war die Kom­mu­ni­ka­ti­on der nach­ge­ord­ne­ten Be­hör­den un­ter­ein­an­der so­wie zwi­schen nach­ge­ord­ne­ten und Obers­ten Be­hör­den man­gel­haft. Zu­ta­ge trat dies ins­be­son­de­re in der Zeit der Ruhr­be­set­zung und des pas­si­ven Wi­der­stan­des.[38]  Vor al­lem zwei In­sti­tu­tio­nen wa­ren es, wel­che die „Ab­wehr“ von deut­scher Sei­te zu or­ga­ni­sie­ren ver­such­ten: das Reichs­mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te so­wie die „Rhei­ni­sche Volks­pfle­ge“ (RVP).

Französische Panzerfahrer vor dem Landgericht in Duisburg, 1922.

 

Da­s Reichs­mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te wur­de durch ei­nen Er­lass des Reichs­prä­si­den­ten vom 24.8.1923 er­rich­tet. Aus­schlag­ge­bend war die Bil­dung des Ka­bi­netts Stre­se­mann im glei­chen Mo­nat. Her­vor­ge­gan­gen war das Mi­nis­te­ri­um aus der Ab­tei­lung IV des Reichs­mi­nis­te­ri­ums des In­nern mit der Be­zeich­nung „Staats­se­kre­ta­ri­at für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te“. Die­ses wie­der­um war am 3.5.1921 als Zen­tral­stel­le für die An­ge­le­gen­hei­ten der be­setz­ten Ge­bie­te ge­schaf­fen wor­den. Der Auf­ga­ben­be­reich war breit ge­streut und um­fass­te im Grun­de al­le Ge­bie­te des öf­fent­li­chen Le­bens, die von dem Ein­fluss der Be­sat­zung be­trof­fen wa­ren. Das Reichs­mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te hat­te zwei we­sent­li­che Ziel­set­zun­gen: die Be­lan­ge des Rei­ches im be­setz­ten Ge­biet ge­gen­über den Be­sat­zungs­mäch­ten zu wah­ren und – wich­ti­ger noch – die Ver­tre­tung der In­ter­es­sen der be­setz­ten Ge­bie­te bei der deut­schen Reichs­re­gie­rung.[39]

Am Rhein selbst wirk­te seit En­de 1918 ein „Kom­mis­s­ar“, der die deut­schen In­ter­es­sen vor Ort im be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­biet zu ver­tre­ten hat­te. Zu­nächst wur­de der In­dus­tri­el­le Ot­to Wolff (1881-1940) gleich­sam als „Reichs­in­stanz für Be­sat­zungs­fra­gen“[40]  zum „Kom­mis­sar der deut­schen Waf­fen­still­stands­kom­mis­si­on in den be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­ten“ er­nannt. Um Syn­er­gie­ef­fek­te zu nut­zen und Rei­bungs­ver­lus­te zu ver­mei­den, ei­nig­ten sich Reich und Preu­ßen auf die Schaf­fung ei­nes ge­mein­sa­men „Reichs- und Preu­ßi­schen Staats­kom­mis­sar für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te“ mit Sitz in Ko­blenz. Die­sen Pos­ten füll­te zu­nächst – seit dem 19.6.1919 – auf preu­ßi­schen Vor­schlag der vor dem Ru­he­stand ste­hen­de Re­gie­rungs­prä­si­dent von Köln, Karl von Starck (1867-1937), aus. Schlie­ß­lich wur­de das Kom­mis­sa­ri­at dem am 24.8.1923 er­rich­te­ten „Reichs­mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te“ un­ter­stellt, be­vor es am 30.9.1930 auf­ge­löst wur­de.

Bei der „Rhei­ni­schen Volks­pfle­ge“ han­del­te es sich um ei­ne nicht­amt­li­che „Tarn­or­ga­ni­sa­ti­on“, die im Auf­trag der Reichs­re­gie­rung die an­ti­fran­zö­si­sche Pro­pa­gan­da im Wes­ten fi­nan­zier­te und ko­or­di­nier­te. Sie war im Ju­ni 1920 aus der im Au­gust 1919 im be­setz­ten Ge­biet zur Ab­wehr der Ab­son­de­rungs­be­stre­bun­gen ein­ge­rich­te­ten „Be­ge­stel­le“ (B.-G.-Stel­le [Re­fe­rat]) der „Reichs­zen­tra­le für Hei­mat­diens­t“ (RfH) her­vor­ge­gan­gen. Nach der Er­rich­tung des Staats­se­kre­ta­ria­tes für die be­setz­ten Ge­bie­te im Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern im Mai 1921 wur­de die RVP die­sem Staats­se­kre­ta­ri­at un­ter­stellt. Im Jah­re 1922 wur­de sie als „nach­ge­ord­ne­te Stel­le nicht­amt­li­chen Cha­rak­ter­s“ be­zeich­net, seit 1923 stand sie un­ter der Dienst­auf­sicht des Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te, trat nach au­ßen je­doch als pri­va­te Or­ga­ni­sa­ti­on auf. Zum 30.9.1930 wur­de die RVP auf­ge­löst.[41]  Fort­bil­dungs­maß­nah­men für His­to­ri­ker und Leh­rer ge­hör­ten eben­so zu ih­rem Auf­ga­ben­pro­fil wie die Pu­bli­ka­ti­on pro­pa­gan­dis­ti­schen Schrift­tums. Zu den ge­för­der­ten Au­to­ren zähl­ten un­ter an­de­re­m Bru­no Kuske, Her­mann Oncken (1869-1945), Aloys Schul­te un­d Paul Went­z­cke.

Plakat: Hände weg vom Ruhrgebiet!, Grafiker: Theo Matejko. (Bundesarchiv Plak 002-012-025)

 

Ei­ne tra­gen­de Rol­le im „Ab­wehr­kampf“ kam dem Be­grün­der und Di­rek­tor des Düs­sel­dor­fer Stadt­ar­chivs Paul Went­z­cke zu, der von 1926 bis 1933 Lei­ter des His­to­ri­schen Mu­se­ums der Stadt und von 1928 bis 1933 Vor­sit­zen­der des Düs­sel­dor­fer Ge­schichts­ver­eins war. Went­z­cke agier­te an der Schnitt­stel­le von his­to­ri­scher Wis­sen­schaft, Ver­wal­tung und Po­li­tik und wur­de wäh­rend der ge­sam­ten Be­sat­zungs­zeit – so­wie auch dar­über hin­aus – nicht mü­de, den deut­schen Cha­rak­ter des Rheins ge­gen al­le tat­säch­li­chen oder ver­meint­li­chen Be­dro­hun­gen in schar­fer, na­tio­na­lis­ti­scher Form her­vor­zu­he­ben. Da­bei ver­hehl­te der aus ei­ner pro­tes­tan­ti­schen preu­ßi­schen Be­am­ten­fa­mi­lie stam­men­de Bur­schen­schaf­ter Went­z­cke sei­ne an­ti­so­zia­lis­ti­sche Ein­stel­lung nicht. Und man kann hin­zu­fü­gen: auch die an­ti­al­li­ier­te, ins­be­son­de­re an­ti­fran­zö­si­sche nicht. Die Vor­be­rei­tun­gen zur rhei­ni­schen Jahr­tau­send­fei­er ver­an­lass­ten ihn, sich in meh­re­ren Pu­bli­ka­tio­nen (1923, 1925, 1929-1934) dem „Ab­wehr­kampf“ an Rhein un­d R­uhr zu wid­men. Er war auch ma­ß­geb­lich an dem Zu­stan­de­kom­men der im Sin­ne des „Ab­wehr­kamp­fes“ kom­men­tier­ten Bi­blio­gra­phie „Zehn Jah­re Rhein­land­be­set­zun­g“ be­tei­ligt, die der Di­rek­tor der Pfäl­zi­schen Lan­des­bi­blio­thek Spey­er, Ge­org Reis­mül­ler, und des­sen Mit­ar­bei­ter Jo­sef Hof­mann zu­sam­men­stell­ten und 1929 ver­öf­fent­lich­ten.[42]

Die Nach­ru­fe auf Went­z­cke zeu­gen nicht nur von des­sen po­li­ti­scher Ein­stel­lung be­zie­hungs­wei­se sei­ner geis­ti­gen Hal­tung, von des­sen deutsch-na­tio­nal in­spi­rier­tem Kampf ge­gen die Rhein­land­be­set­zung so­wie ge­gen jeg­li­che Ten­den­zen zur Tren­nung des be­setz­ten Ge­bie­tes von Preu­ßen be­zie­hungs­wei­se von Deutsch­land, son­dern auch von der recht un­kri­ti­schen Sicht, die man in wei­ten Be­völ­ke­rungs­krei­sen – auch in der Ge­schichts­wis­sen­schaft und im Ar­chiv­we­sen – zu Be­ginn der 1960er Jah­re noch auf das Phä­no­men des „Ab­wehr­kamp­fes“ wäh­rend der Rhein­land­be­set­zung hat­te.[43]  Sie bie­ten so­mit ei­nen Blick in die Re­zep­ti­ons­ge­schich­te der Be­sat­zungs­zeit. Die jün­ge­re For­schung setzt an­de­re Maß­stä­be an: „Went­z­cke ge­hör­te zu den ak­tivs­ten rechts­ra­di­ka­len, an­ti­west­li­chen Pu­bli­zis­ten im Rhein­land wäh­rend der Wei­ma­rer Re­pu­blik“.[44]

Ei­ne wich­ti­ge und pro­mi­nen­te Rol­le spiel­te auch das 1920 an der Bon­ner Uni­ver­si­tät ge­grün­de­te In­sti­tut für ge­schicht­li­che Lan­des­kun­de der Rhein­lan­de (IGL). Dort mach­te sich der Ein­fluss der po­li­tisch-kul­tu­rell in­spi­rier­ten „Hei­mat­be­we­gun­g“ be­merk­bar. Das In­sti­tut, das ei­ne Brü­cke zwi­schen lan­des- so­wie volks­kund­li­cher For­schung und nicht­aka­de­mi­scher Hei­mat­ge­schich­te schlug, hat­te laut dem Or­di­na­ri­us für rhei­ni­sche Lan­des­ge­schich­te, Franz Stein­bach, die Auf­ga­be, „die preu­ßi­sche Hoch­schu­le am Rhein in im­mer en­ge­re Füh­lung mit der rhei­ni­schen Be­völ­ke­rung zu brin­gen“.[45]  An­ge­sichts der po­li­ti­schen Ge­samt­si­tua­ti­on – Rhein­land­be­set­zung, Ei­gen­be­stre­bun­gen in ver­schie­de­nen Re­gio­nen Preu­ßens und des Rei­ches, Be­dro­hung der Re­pu­blik von den po­li­ti­schen Rän­dern her – be­för­der­ten die Prot­ago­nis­ten die Ver­bin­dung von re­gio­na­ler und na­tio­na­ler Iden­ti­tät. Mit an­de­ren Wor­ten: „Obers­tes Ziel ei­ner rhei­ni­schen Ge­schich­te muss­te es in die­ser kri­ti­schen La­ge sein, das Rhein­land durch die Jahr­hun­der­te hin­durch als deut­sches Land zu er­wei­sen“.[46]

Karikatur 'Reiche Kohlenbeute' im Kladderadatsch. (Universitätsbibliothek Heidelberg)

 

Der in der „West­for­schun­g“ en­ga­gier­te Lan­des- und Wirt­schafts­his­to­ri­ker Her­mann Au­bin, Be­grün­der des Bon­ner In­sti­tuts, war be­müht, ei­ne im „na­tio­na­len­ ­Ab­wehr­kampf“ brauch­ba­re rhei­ni­sche Stam­mes-Iden­ti­tät zu kre­ieren. In­dem er die Dis­zi­plin der „Ge­schicht­li­chen Lan­des­kun­de“ dem po­li­ti­schen Ab­wehr­kampf, den volks- und na­tio­nal­po­li­ti­schen In­ter­es­sen dienst­bar mach­te, be­gab sich Au­bin „dau­er­haft in das Span­nungs­feld von Wis­sen­schaft und Po­li­ti­k“.[47]  Er war mit­ver­ant­wort­lich für die „Po­li­ti­sie­rung his­to­ri­scher For­schun­g“. Die Ber­li­ner Be­hör­den er­hoff­ten sich von Au­bins West- und Kul­tur­raum­for­schung „nütz­li­che ge­schichts­po­li­ti­sche Ar­gu­men­te zur Ab­wehr so­wohl der fran­zö­si­schen Rhein­pro­pa­gan­da als auch des rhei­ni­schen Se­pa­ra­tis­mus“.[48]  Die West­for­schung war so­mit letzt­lich Teil ei­ner „ge­samt­ge­sell­schaft­lich an­ge­leg­ten Be­we­gung ge­gen den Ver­sailler Ver­trag und ge­gen die fran­zö­si­sche Rhein­land­be­set­zun­g“.[49]

Auch das Pro­gramm des Vor­sit­zen­den der Ge­sell­schaft für Rhei­ni­sche Ge­schichts­kun­de, des na­tio­nal­li­be­ra­len Köl­ner Stadt­ar­chi­vars Jo­seph Han­sen (1862-1943), für die Ver­öf­fent­li­chung ei­ner rhei­ni­schen Ge­schich­te at­met in je­der Zei­le die na­tio­na­le Ziel­set­zung und zeugt von der In­stru­men­ta­li­sie­rung der re­gio­na­len Ge­schich­te be­zie­hungs­wei­se der re­gio­na­len Iden­ti­tät im Diens­te des na­tio­na­len Ge­dan­kens: „Das Be­dürf­nis nach ei­ner Ge­schich­te des Rhein­lan­des ist aber neu­er­dings in der La­ge, in die un­ser Ge­biet durch den un­glück­li­chen Aus­gang des Welt­krie­ges ver­setzt wor­den ist, in ver­stärk­ten [!] Ma­ße her­vor­ge­tre­ten. Die deut­sche West­mark, von der wir glaub­ten, daß die Ge­fahr frem­den Über­griffs auf sie für im­mer be­sei­tigt sei, er­scheint uns heu­te nicht mehr als si­che­rer ei­ge­ner Be­sitz, son­dern als heiß um­strit­te­ner Kampf­preis der Frem­den. Wenn in­fol­ge des ver­lo­re­nen Krie­ges ganz Deutsch­land wie­der Tum­mel­platz fremd­län­di­schen Macht­stre­bens ge­wor­den ist, so muß das von den Ar­me­en der Kriegs­geg­ner be­setz­te Rhein­land jetzt den Kelch po­li­ti­scher De­mü­ti­gung bis zur Nei­ge lee­ren, und die Un­ver­sehrt­heit des na­tio­na­len Ter­ri­to­ri­ums er­scheint auf das äu­ßers­te ge­fähr­de­t“.[50]

Es ent­behr­te so­mit nicht jeg­li­cher Grund­la­ge, wenn der fran­zö­si­sche Schrift­stel­ler und Na­tio­na­list Mau­rice Bar­rès von sei­ner fran­zö­si­schen War­te aus kon­sta­tier­te: „Les pro­fes­seurs al­le­man­ds qui fai­sai­ent du pan­ger­ma­nis­me dans les chai­res de Stras­bourg font du pan­ger­ma­nis­me dans les chai­res de Bonn. Ils tra­vail­lai­ent à in­stal­ler la Prus­se en Al­sace et en Lor­rai­ne; ils tra­vail­lent au­jourd’hui à main­tenir la Prus­se en Rhéna­nie“.[51]

Auch die Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten wa­ren nicht frei von po­li­ti­schen Ziel­vor­ga­ben, die sich im Wir­ken ver­schie­de­ner For­scher nie­der­schlu­gen. So wa­ren bei­spiels­wei­se die Be­zie­hun­gen des in Köln leh­ren­den Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lers und -geo­gra­phen Bru­no Kuske „zur pro­vin­zia­len Lan­des­pla­nungs­ge­mein­schaft, zur Rhei­ni­schen Volks­pfle­ge und de­ren Ge­gen­pro­gramm zur Kul­tur­pro­pa­gan­da der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­macht, zum Bon­ner In­sti­tut für ge­schicht­li­che Lan­des­kun­de [...] sehr en­g“.[52]  Es war Kuskes Schrift „Rhein­gren­ze und Puf­fer­staat. Ei­ne volks­wirt­schaft­li­che Be­trach­tun­g“,[53]  die als ers­te Pu­bli­ka­ti­on von der Rhei­ni­schen Volks­pfle­ge fi­nan­ziert wur­de und „ei­ne her­aus­ra­gen­de Stel­lung im Ge­samt­pro­gramm der RV­P“[54]  ein­nahm. Für Kuske selbst war dies der „Ein­stieg in ei­ne kon­stan­te an­ti­fran­zö­si­sche und an­ti­se­pa­ra­tis­ti­sche Pu­bli­zis­ti­k“. Er avan­cier­te in der Fol­ge­zeit zu ei­nem der be­deu­tends­ten West- und Raum­for­scher, hob zu­neh­mend sei­ne na­tio­na­le Ge­sin­nung her­vor und war auch an der Köl­ner Jahr­tau­send­fei­er im Jahr 1925 ma­ß­geb­lich be­tei­ligt. Kuskes Schü­ler Al­bert Pass gab seit 1919 die Zeit­schrift „Das Rhein­land. Zei­tungs­kor­re­spon­denz für die Er­hal­tung der deut­schen Art am Rhein“ her­aus, in der auch Kuske und Went­z­cke im ge­schil­der­ten Sin­ne Auf­sät­ze pu­bli­zier­ten. Der Köl­ner Han­dels­hoch­schul­di­rek­tor Chris­ti­an Eckert (1874-1952) sah die Funk­ti­on der neu­ge­grün­de­ten Köl­ner Uni­ver­si­tät in ei­ner Denk­schrift vom 11.3.1919 dar­in, „ein Boll­werk des deut­schen Geis­tes in den ge­fähr­de­ten Rhein­lan­den“ zu bil­den.

Flugblatt 'Der Besatzungswahnsinn am Rhein'. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 

Die deut­sche Pro­pa­gan­da ver­stand sich al­so als Ab­wehr-Maß­nah­me, als ei­nen na­tio­na­len Be­frei­ungs- und Ab­wehr­kampf mit dem Ziel ei­ner bal­di­gen Räu­mung des be­setz­ten Ge­bie­tes und zur Ver­hin­de­rung von be­fürch­te­ten An­ne­xio­nen. Ei­ne Ka­ri­ka­tur im „Klad­de­ra­dat­sch“ vom 19.2.1928 mit dem Ti­tel „His­to­ri­scher Mas­ken­zu­g“ steht stell­ver­tre­tend für ei­ne im Rhein­land und im üb­ri­gen Deutsch­land weit ver­brei­te­te Auf­fas­sung, der zu­fol­ge Frank­reich seit je­her ei­ne ag­gres­si­ve Ex­pan­si­ons­po­li­tik in Rich­tung Os­ten be­trie­ben ha­be: Die Kon­ti­nui­tät reicht - der bild­li­chen Dar­stel­lung ge­mäß - vom Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg („1634“) über die Zeit der Re­vo­lu­ti­ons­krie­ge be­zie­hungs­wei­se der Cis­rhen­a­ni­schen Re­pu­blik („1793“), über Na­po­le­on I. („1805-1813“) bis hin zur Zeit des Ers­ten Welt­krie­ges und der an­schlie­ßen­den Be­sat­zungs­zeit („1914-19??“ [!]). Der auf der Ka­ri­ka­tur selbst ver­merk­te Aus­ruf „Nach Deutsch­land!“ wird er­gänzt durch den iro­ni­schen Wort­laut der Bild­un­ter­schrift: „Frank­reich braucht Si­cher­heit, da­mit es sei­ne ge­schicht­li­chen Raub- und Brand­zü­ge ins wehr­lo­se Deutsch­land auch fer­ner­hin aus­füh­ren kan­n“.[55]

Auf dem Hö­he­punkt des Ruhr­kamp­fes 1923 war die deut­sche Pro­pa­gan­da ge­gen­über der fran­zö­si­schen Sei­te im Vor­teil, denn sie konn­te auf die Emo­tio­nen und Ge­füh­le der ein­hei­mi­schen Be­völ­ke­rung ab­zie­len, wäh­rend die al­li­ier­te Pro­pa­gan­da fern­ab der Hei­mat wir­ken muss­te und sich eher auf die Ver­mitt­lung nüch­ter­ner Fak­ten stütz­te, wel­che die Ber­li­ner Re­gie­rung bei der ei­ge­nen Be­völ­ke­rung dis­kre­di­tie­ren soll­ten.

Welch dras­ti­scher Spra­che und über­trie­be­ner Bil­der sich die deut­sche Pro­pa­gan­da häu­fig be­dien­te, do­ku­men­tiert ein Flug­blatt mit dem Ti­tel „Der fran­zö­si­sche Bol­sche­wis­mus im Ruhr­ge­bie­t“, das sich – ähn­lich den oben ge­schil­der­ten, ge­gen­läu­fi­gen fran­zö­si­schen Be­mü­hun­gen – gän­gi­ge Kli­schees und Res­sen­ti­ments zu­nut­ze macht[56] : „Wol­len wir die fran­zö­sisch-bel­gi­schen Räu­ber und Mör­der im­mer noch dul­den? Wol­len wir uns die Bru­ta­li­tä­ten, die Raub- und Mord­ta­ten, die Schmä­hun­gen, Schän­dun­gen, die Aus­wei­sun­gen und die bes­tia­li­schen Schi­ka­nen an al­len Or­ten von den fran­zö­sisch-bel­gi­schen Ein­bre­chern im­mer noch ge­fal­len las­sen? Oder müs­sen wir uns in un­se­rer Hei­mat von ein­ge­bro­che­nen Wüst­lin­gen wie Hun­de be­han­deln las­sen? Wol­len wir im­mer noch zu­se­hen, wie die fran­zö­sisch-bel­gi­schen Ein­dring­lin­ge [...] un­se­re Bür­ger hin­schlach­ten? Wol­len wir es im­mer noch über uns brin­gen, daß fran­zö­sisch-bel­gi­sche Blut­ge­rich­te un­schul­di­ge Deut­sche zu bes­tia­li­schen To­des­stra­fen, zu un­mensch­li­chen Ge­fäng­nis­stra­fen und zu wu­che­ri­schen Geld­stra­fen ver­ur­tei­len?“

Bei al­ler In­ten­si­tät der Pro­pa­gan­da auf bei­den Sei­ten hat es doch den An­schein, dass die Tä­tig­kei­ten auf die­sem Ge­biet nicht den Aus­schlag ga­ben für Er­folg oder Miss­er­folg ei­ner po­li­ti­schen oder mi­li­tä­ri­schen In­itia­ti­ve.

Karikatur 'Historischer Maskenzug' im Kladderadatsch. (Universitätsbibliothek Heidelberg)

 

8. Der Einsatz von Kolonialtruppen in den besetzten Gebieten

Die Re­ak­tio­nen auf den Ein­satz von Ko­lo­ni­al­trup­pen auf Sei­ten der Al­li­ier­ten ge­hö­ren zu den dun­kels­ten Ka­pi­teln der Be­sat­zungs­zeit im Rhein­land. In vie­len rhei­ni­schen Städ­ten wur­den, vor al­lem auf fran­zö­si­scher Sei­te, Ko­lo­ni­al­trup­pen – in der Mehr­zahl aus Nord­afri­ka – ein­ge­setzt. Ins­ge­samt dürf­te es sich um cir­ca 30.-40.000 schwar­ze Sol­da­ten ge­han­delt ha­ben. An­läss­lich der fran­zö­si­schen Be­set­zung des Main­g­aus im April 1920 er­fuhr die deut­sche Öf­fent­lich­keit erst­mals von dem Ein­satz schwar­zer Ko­lo­ni­al­trup­pen auf Sei­ten der Al­li­ier­ten. In wei­ten Tei­len der ein­hei­mi­schen Be­völ­ke­rung kam es in die­sem Zu­sam­men­hang zu Un­muts­äu­ße­run­gen und Kam­pa­gnen, die ras­sis­ti­sche Zü­ge tru­gen: Von „Wil­den“, „Pri­mi­ti­ven“, „Schwar­zer Schmach“ so­wie „Schwar­zer Schan­de“ war die Re­de, den schwar­zen Sol­da­ten wur­den se­xu­el­le Über­grif­fe und Grau­sam­kei­ten ge­gen­über der Zi­vil­be­völ­ke­rung un­ter­stellt.

Die Em­pö­rung reich­te von der Reichs­spit­ze bis hin­ab auf die lo­ka­le Ebe­ne, er­fass­te Ver­ei­ne, Par­tei­en und Par­la­men­te. Da­bei fin­den sich in na­he­zu al­len Re­so­lu­tio­nen, Pe­ti­tio­nen, In­ter­pel­la­tio­nen, Pla­ka­ten und Flug­blät­tern ras­sis­ti­sche Ver­satz­stü­cke. Recht bald nach Be­kannt­wer­den des Ein­sat­zes schwar­zer Be­sat­zungs­trup­pen leg­ten al­le Reichs­tags­frak­tio­nen mit Aus­nah­me der ra­di­ka­len Lin­ken der Reichs­re­gie­rung ei­ne In­ter­pel­la­ti­on vor, in der gän­gi­ge Vor­wür­fe und Res­sen­ti­ments auf­ge­lis­tet wur­den[57] : „Fran­zo­sen und Bel­gi­er ver­wen­den auch nach Frie­dens­schluß far­bi­ge Trup­pen in den be­setz­ten Ge­bie­ten der Rhein­lan­de. Die Deut­schen emp­fin­den die­se miß­bräuch­li­che Ver­wen­dung der Far­bi­gen als ei­ne Schmach und se­hen mit wach­sen­der Em­pö­rung, daß je­ne in deut­schen Kul­tur­län­dern Ho­heits­rech­te aus­üben. Für deut­sche Frau­en und Kin­der – Män­ner wie Kna­ben – sind die­se Wil­den ei­ne schau­er­li­che Ge­fahr. Ih­re Eh­re, Leib und Le­ben, Rein­heit und Un­schuld wer­den ver­nich­tet. Im­mer mehr Fäl­le wer­den be­kannt, in de­nen Far­bi­ge [!] Trup­pen deut­sche Frau­en und Kin­der schän­den, Wi­der­stre­ben­de ver­let­zen, ja tö­ten. Nur der kleins­te Teil der be­gan­ge­nen Scheu­ß­lich­kei­ten wird ge­mel­det. Scham­ge­fühl, Furcht vor ge­mei­ner Ra­che schlie­ßen den un­glück­li­chen Op­fern und ih­ren An­ge­hö­ri­gen den Mund. Auf Ge­heiß der fran­zö­si­schen und bel­gi­schen Be­hör­den sind in den von ih­nen be­setz­ten Ge­bie­ten öf­fent­li­che Häu­ser er­rich­tet, vor de­nen far­bi­ge Trup­pen sich scha­ren­wei­se drän­gen, dort sind deut­sche Frau­en ih­nen preis­ge­ge­ben! Die­se Zu­stän­de sind schand­bar, er­nied­ri­gend, un­er­träg­lich! In der gan­zen Welt er­he­ben sich im­mer mehr ent­rüs­te­te Stim­men, die die­se un­aus­lösch­li­che Schmach ver­ur­tei­len. Sind die­se men­schen­un­wür­di­gen Vor­gän­ge der Reichs­re­gie­rung be­kannt? Was ge­denkt sie zu tun?“

Inder in Köln, ca. 1919.

 

Der Vel­ber­ter Bür­ger­meis­ter Leo Tweer (1881-1960), in des­sen Stadt Sol­da­ten des 7. Ko­lo­ni­al­re­gi­ments ein­quar­tiert wor­den wa­ren, be­rich­te­te am 23.2.1923 an den Land­rat: „Das Auf­tre­ten die­ses ech­ten un­ver­fälsch­ten uni­for­mier­ten Ne­ger­typs hat, wie dies selbst­ver­ständ­lich, in der ge­sam­ten Be­völ­ke­rung ge­wal­ti­ge Er­re­gung und Un­ru­he her­vor­ge­ru­fen“.[58]

Durch die me­dia­le Ver­brei­tung der An­schul­di­gun­gen ge­gen die Ko­lo­ni­al­trup­pen in ver­schie­de­nen eu­ro­päi­schen Län­dern – ins­be­son­de­re na­tür­lich im be­setz­ten und un­be­setz­ten Deutsch­land – stei­ger­te sich die Stim­mung zu ei­ner re­gel­rech­ten Hys­te­rie: Im April 1921 er­schien ein Film mit dem Ti­tel „Die schwar­ze Schmach“, im glei­chen Jahr Gui­do Kreut­zers Ro­man „Die schwar­ze Schmach. Der Ro­man des ge­schän­de­ten Deutsch­lan­d“ und 1922 Paul Hains Mach­werk „Mbun­go Ma­he­si, der Kul­tur­trä­ger vom Se­ne­gal“; der „Deut­sche Not­bund ge­gen die schwar­ze Schmach“ rief ei­ne Zeit­schrift mit dem Ti­tel „Die Schmach am Rhein“ ins Le­ben. Die Kam­pa­gne, die un­ge­schminkt ras­sis­ti­sche Zü­ge trug, ging „weit über die ex­tre­mis­ti­schen Mi­lieus hin­aus“[59]  bis tief in das La­ger der po­li­ti­schen Lin­ken so­wie in fe­mi­nis­ti­sche Krei­se hin­ein. In­ter­na­tio­na­le Frau­en­ver­ei­ni­gun­gen in Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich, Schwe­den und den USA for­der­ten den Ab­zug der schwar­zen Trup­pen­ein­hei­ten.

So ver­wun­dert es nicht, dass die deut­sche Sei­te im Rah­men des Pas­si­ven Wi­der­stan­des in­fol­ge der Ruhr­be­set­zung er­neut zu ras­sis­ti­schen und xe­no­pho­ben Ste­reo­ty­pen griff: Be­klagt wur­de auf an­ony­men Flug­blät­tern das „Her­an­brin­gen far­bi­ger Trup­pen“. Oder man gab die An­wei­sung: „Die schwar­zen Tie­re sind nun da. Wie soll man sie be­han­deln? Bes­ti­en muß man ent­we­der zäh­men oder nie­der­schla­gen. Zähmt sie durch Furcht oder Angst! Aber wenn sie nicht wol­len oder sich als Bes­ti­en be­tra­gen, dann –“. Auf ei­nem Flug­blatt mit dem Ti­tel „Hee­res­be­rich­t“ stand zu le­sen: „Die Ver­ei­nig­te Obers­te Hee­res­lei­tung: Poin­ca­ré Der schar­fe Ede ehem. Zu­häl­ter zehn­fa­cher Raub­mör­der und Bam­bu­la Ober­nig­ger und Meis­ter­schän­der Kö­nig al­ler Su­da­ne­sen“.[60]

Französische Propagandapostkarte, Bonn 1922.

 

Be­feu­ert wur­den Furcht und Ab­nei­gung ge­gen­über den schwar­zen Trup­pen­kon­tin­gen­ten auch durch de­ren Wahr­neh­mung in den Staa­ten der En­tente, nicht zu­letzt in Frank­reich selbst. Mit­un­ter wur­den dort ähn­li­che Gräu­el­mär­chen ver­brei­tet wie auf der geg­ne­ri­schen, der deut­schen Sei­te. So schil­dert der fran­zö­si­sche Kriegs­teil­neh­mer und Li­te­rat Ga­bri­el Che­val­li­er (1895-1965) in sei­nem 1930 er­schie­ne­nen An­ti­kriegs­ro­man „La Peur“ wie er den Durch­zug schwar­zer Ein­hei­ten auf dem Weg zur Front zu Kriegs­be­ginn er­leb­te: „Und dann kom­men die Schwar­zen, die man schon von wei­tem an ih­ren wei­ßen Zäh­nen in den dunk­len Ge­sich­tern er­kennt, die kind­li­chen, grau­sa­men Schwar­zen, die ih­re Geg­ner ent­haup­ten und ih­nen die Oh­ren ab­schnei­den, um sie sich dann als Amu­let­te um­zu­hän­gen. Ein be­son­ders er­freu­li­ches De­tail. Fei­ne Ker­le die­se Schwar­zen! Man gibt ih­nen zu trin­ken, man liebt sie, man liebt die­sen kräf­ti­gen Ge­ruch, die­sen exo­ti­schen Welt­aus­stel­lungs­ge­ruch, der bei ih­rem Vor­bei­marsch in der Luft lieg­t“.[61]  Ob­gleich der Schil­de­rung kei­ne ras­sis­ti­sche Welt­an­schau­ung zu­grun­de liegt, könn­te der Text – ge­ring­fü­gig mo­du­liert und et­was an­ders ak­zen­tu­iert – eben­so gut von der an­ti­fran­zö­si­schen Agi­ta­ti­on der deut­schen Sei­te wäh­rend der Be­sat­zungs­zeit stam­men.

Ein trau­ri­ges Schick­sal muss­ten vie­le „Misch­lings“- oder „Bas­tard­kin­der“ – so der da­ma­li­ge amt­li­che Sprach­ge­brauch – er­lei­den, al­so Kin­der, de­ren Vä­ter schwar­ze Be­sat­zungs­sol­da­ten wa­ren: 1933 wur­den sie auf Ge­heiß der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­ha­ber hin sta­tis­tisch er­fasst und we­ni­ge Jah­re spä­ter, 1937, zwangs­ste­ri­li­siert.

9. Die Jahrtausendfeiern im Jahr 1925

Ein Hö­he­punkt der deut­schen Pro­pa­gan­da-Tä­tig­keit wa­ren oh­ne Zwei­fel die „Jahr­tau­send­fei­ern“, die we­ni­ge Mo­na­te vor der Räu­mung der Köl­ner Be­sat­zungs­zo­ne statt­fan­den und das an und für sich recht un­be­deu­ten­de Er­eig­nis von 925 – die Rück­kehr Lo­tha­rin­gi­ens/Loth­rin­gens zum ost­frän­ki­schen Reich – zum Ge­gen­stand hat­ten. Dass man für die­se Zeit noch nicht von „Deutsch­lan­d“ und „Frank­reich“ be­zie­hungs­wei­se von „Deut­schen“ und „Fran­zo­sen“ spre­chen kann, darf heu­te als un­be­strit­ten gel­ten. In der Zwi­schen­kriegs­zeit galt es hin­ge­gen auf bei­den Sei­ten auch in wis­sen­schaft­li­chen Krei­sen als selbst­ver­ständ­lich, so­wohl die ei­ge­ne als auch die geg­ne­ri­sche Sei­te bis auf „die Gal­lier“ und „die Ger­ma­nen“ zu­rück­zu­füh­ren und dies je­weils mit Frank­reich be­zie­hungs­wei­se „den Fran­zo­sen“ und Deutsch­land be­zie­hungs­wei­se „den Deut­schen“ zu iden­ti­fi­zie­ren.[62]  Spi­ri­tus rec­tor der Fei­er­lich­kei­ten[63]  war der da­ma­li­ge Di­rek­tor des Stadt­ar­chivs Düs­sel­dorf, Paul Went­z­cke, der seit De­zem­ber 1918 der na­tio­nal­li­be­ra­len Deut­schen Volks­par­tei (DVP) an­ge­hör­te.[64]  Ver­schie­de­ne Aus­schüs­se wa­ren mit der Vor­be­rei­tung der Fei­er­lich­kei­ten und der Jahr­tau­send­aus­stel­lung be­fasst: Bru­no Kuske ge­hör­te dem zen­tra­len Ar­beits­aus­schuss an und gab ge­mein­sam mit dem His­to­ri­ker und Mu­se­ums­di­rek­tor Wil­helm Ewald (1878-1955) den „Ka­ta­log der Jahr­tau­send­aus­stel­lung der Rhein­lan­de in Köln 1925“ her­aus, der Ge­schichts­aus­schuss war mit His­to­ri­kern wie Her­mann Au­bin und Aloys Schul­te so­wie mit Kom­mu­nal­ar­chi­va­ren wie Jo­seph Han­sen (Köln) und Paul Went­z­cke (Düs­sel­dorf) be­stückt, wäh­rend sich im In­dus­trie­aus­schuss Ab­ge­sand­te von Han­dels­kam­mern und ver­schie­de­nen Wirt­schafts­zwei­gen zu­sam­men­fan­den. Doch auch die Lo­kal­po­li­tik – na­ment­lich der Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er – en­ga­gier­te sich an ex­po­nier­ter Stel­le bei den Vor­be­rei­tun­gen, war dies doch für die je­wei­li­ge Kom­mu­ne ei­ne will­kom­me­ne Ge­le­gen­heit, um öf­fent­lich­keits­wirk­sam die An­häng­lich­keit des be­setz­ten Ge­bie­tes an das un­be­setz­te Deutsch­land zu de­mons­trie­ren. Son­der­zü­ge brach­ten vie­le „Rhein­län­der“ aus dem ge­sam­ten Reichs­ge­biet zu den Or­ten der Fei­er­lich­kei­ten, so et­wa An­fang Ju­li den „Ver­ein der Rhein­län­der“ aus dem ost­preu­ßi­schen Ins­ter­burg mit 780 Teil­neh­mern nach Köln.[65]

Propagandaplakat 'Protest der deutschen Frauen gegen die farbige Besatzung am Rhein', Deutsches Reich, ca. 1923.

 

In ers­ter Li­nie ging es den Or­ga­ni­sa­to­ren dar­um, „vor al­lem ge­gen­über der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­po­li­tik so­wie den Se­pa­ra­tis­ten­be­we­gun­gen ei­ne po­li­ti­sche De­mons­tra­ti­on und ein sicht­ba­res Be­kennt­nis des ei­ge­nen deut­schen und rhein­län­di­schen Zu­ge­hö­rig­keits­ge­fühls und Selbst­ver­ständ­nis­ses“[66]  ab­zu­le­gen. In­so­fern war es – nach den nicht all­zu weit zu­rück­lie­gen­den Er­fah­run­gen von Pas­si­vem Wi­der­stand und se­pa­ra­tis­ti­schen Ak­tio­nen – eben nicht be­son­ders „er­staun­lich, mit wel­cher Be­geis­te­rung und In­ten­si­tät im Jahr 1925 die so ge­nann­te Jahr­tau­sen[d]fei­er der Rhein­lan­de be­gan­gen“ wur­de.

Doch nicht nur in der Rhein­pro­vinz, son­dern auch in zahl­rei­chen an­de­ren deutsch­spra­chi­gen Re­gio­nen in­ner­halb und au­ßer­halb der Reichs­gren­zen fan­den ent­spre­chen­de Fes­ti­vi­tä­ten statt, so et­wa in Schles­wig, Kiel, Ber­lin, Kö­nigs­berg, Dan­zig, Mün­chen, Inns­bruck und Wien, ma­ß­geb­lich in­iti­iert vom „Reichs­ver­band der Rhein­län­der“ be­zie­hungs­wei­se dem „Rhei­ni­schen Hei­mat­bun­d“ un­ter Paul Kauf­mann. In Dan­zig wur­de bei­spiels­wei­se zwi­schen dem 31. Au­gust und dem 5. Sep­tem­ber 1925 ei­ne „Rhei­ni­sche Wo­che“ aus­ge­rich­tet.

Mu­si­ka­li­sche Ver­an­stal­tun­gen ge­hör­ten zum Kern­pro­gramm fast je­der ein­zel­nen Fei­er. Auf­ge­führt wur­den im Grun­de flä­chen­de­ckend Beet­ho­vens 9. Sin­fo­nie, al­so die „Ode an die Freu­de“, so­wie der Lob­ge­sang auf „Die hei­li­ge deut­sche Kunst“ aus der Schluss­sze­ne von Ri­chard Wag­ners „Meis­ter­sin­gern“. Das 94. Nie­der­rhei­ni­sche Mu­sik­fest un­ter Mit­wir­kung von Ri­chard Strauss (1864-1949) war ein Be­stand­teil der Köl­ner Jahr­tau­send­fei­er. Der Kom­po­nist und Mu­sik­re­dak­teur Her­mann Un­ger (1886-1958) be­zeich­ne­te die­se im Pro­gramm­heft als „wich­ti­ge und fei­er­li­che Ge­sin­nungs­be­kun­dun­g“.[67]  In Duis­burg ka­men un­ter an­de­rem Gus­tav Mah­lers Ach­te Sin­fo­nie so­wie Carl Ma­ria von We­bers Oper „Obe­ron“ zur Auf­füh­rung.

Über­ra­schen mag die Auf­füh­rung des Fest­spiels „Hein­rich aus An­der­nach“ aus der Fe­der Fritz von Un­ruhs (1885-1975). Als „ein­deu­tig frie­den­stif­ten­des Sym­bol“ wird der Leich­nam ei­nes deut­schen Un­be­kann­ten Sol­da­ten, der al­ler­dings für al­le Welt­kriegs­to­ten steht, „als Auf­for­de­rung zum Frie­den im die ver­fein­de­ten Län­der ver­bin­den­den Rhein ver­senk­t“.[68]

10. Die Befreiungsfeiern

Mit dem Jahr 1926 be­gann die Räu­mung des be­setz­ten Ge­bie­tes, die sich an den Be­sat­zungs­zo­nen ori­en­tier­te. Be­glei­tet wur­de der Ab­zug der Be­sat­zungs­trup­pen von Be­frei­ungs­fei­ern, die ins­be­son­de­re in den Städ­ten grö­ße­re Aus­ma­ße an­nah­men und po­li­ti­sche Pro­mi­nenz aus dem un­be­setz­ten Ge­biet an­zo­gen. So ver­sam­mel­te sich am 1.2.1926 nach dem Ab­zug der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­trup­pen ei­ne gro­ße Men­schen­men­ge auf dem Markt­platz vor dem Bon­ner Rat­haus, wäh­rend sich im Ju­li 1930 nach dem Ab­zug der letz­ten al­li­ier­ten Trup­pen­tei­le mit Reichs­prä­si­dent Paul von Hin­den­burg (1847-1934, Amts­zeit als Reichs­prä­si­dent 1925-1934) so­gar der höchs­te Re­prä­sen­tant der Wei­ma­rer Re­pu­blik auf ei­ne Rei­se durch die ge­räum­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te mach­te. Da­bei kam es ge­gen En­de der Fei­er­lich­kei­ten in Ko­blenz am 22.7.1930 zu ei­nem Un­glück, das 38 Men­schen­le­ben for­der­te, als ei­ne Steg­brü­cke über die Mo­sel un­ter der Mas­se der ab­strö­men­den Be­su­cher ein­stürz­te.

Auch Paul Went­z­cke trat er­neut her­vor: „Der Hö­he­punkt sei­ner Tä­tig­keit als Ver­eins­lei­ter [des Düs­sel­dor­fer Ge­schichts­ver­eins] war 1930 die glanz­vol­le, von der Freu­de über die Räu­mung des Rhein­lan­des ge­tra­ge­ne Fei­er des 50jäh­ri­gen Be­ste­hens des Ver­eins im Schloß Ben­ra­th“.[69]

Plakat zur Jahrtausendausstellung in Aachen, 1925. (Stadtarchiv Aachen)

 

Mit na­tio­na­lem Pa­thos und Deutsch­tü­me­lei – al­lein elf Zei­len des ab­ge­druck­ten dreis­tro­phi­gen Ge­dich­tes be­gin­nen mit dem Wort „Deut­sch“ – reich­lich aus­ge­stat­tet war das holz­schnitt­ar­ti­ge Ti­tel­blatt der „Neu­wie­der Zei­tun­g“ zur Rhein­land­be­frei­ung vom 1.12.1929. Dort hieß es un­ter der Über­schrift „Frei! Frei der Rhein!“:[70]

Deutsch ist der Rhein,

Der me­dia­le Fort­schritt wirk­te sich auch auf die Fei­er­lich­kei­ten an­läss­lich des end­gül­ti­gen En­des der Rhein­land­be­set­zung aus, nicht zu­letzt in Form von Rund­funk­sen­dun­gen. Die of­fi­zi­el­le Köl­ner Be­frei­ungs­fei­er vom 21.3.1926 an­läss­lich der Räu­mung der ers­ten Be­sat­zungs­zo­ne et­wa, die in der gro­ßen Hal­le des Rhein­parks mit Jo­hann Se­bas­ti­an Bachs g-moll-Phan­ta­sie be­gann und mit Fried­rich Schil­lers „Ode an die Freu­de“ aus Beet­ho­vens 9. Sin­fo­nie en­de­te, wur­de im Rund­funk – von der „West­deut­schen Funk­stun­de AG“ (WE­FAG) – di­rekt über­tra­gen. Ähn­li­ches gilt für die Be­frei­ungs­fei­ern am 30.11.1929 in Aa­chen, am 1. De­zem­ber in Ko­blenz so­wie am 15. De­zem­ber in Bad Ems, nur teil­ten sich die­ses Mal die „West­deut­sche Rund­funk AG“ (WER­AG) so­wie ihr süd­west­deut­sches Pen­dant, die SÜWRAG, die Ver­ant­wor­tung.

11. Die Resonanz in Kunst und Kultur

Im kul­tu­rel­len Be­reich wa­ren es vor al­lem die zahl­rei­chen Ge­schichts- und Hei­mat­ver­ei­ne, die sich dem na­tio­na­len Ab­wehr­kampf ver­schrie­ben hat­ten. Ein pro­mi­nen­tes Bei­spiel ist der im März 1925 ge­grün­de­te Ver­ein für ge­schicht­li­che Lan­des­kun­de der Rhein­lan­de. Er fun­gier­te als Schnitt­stel­le zwi­schen Hei­mat­for­schung und Hei­mat­kun­de auf der ei­nen so­wie der an der Bon­ner Uni­ver­si­tät an­ge­sie­del­ten pro­fes­sio­nel­len ge­schicht­li­chen Lan­des­kun­de der Rhein­lan­de auf der an­de­ren Sei­te. Sinn und Zweck des Ver­eins for­mu­lier­te der Bon­ner His­to­ri­ker Aloys Schul­te auf der Jah­res­haupt­ver­samm­lung 1927 in Kreuz­nach (heu­te Bad Kreuz­nach) fol­gen­der­ma­ßen: „Der Ver­ein hat sich die Auf­ga­be ge­stellt, die Ge­schich­te der en­ge­ren Hei­mat zu pfle­gen, aber im Ver­ban­de mit der gro­ßen Hei­mat, im Ver­ban­de mit der Ge­schich­te des deut­schen Vol­kes und des deut­schen Va­ter­lan­des“.[71]  Die Grün­dung des Ver­eins muss auch in Zu­sam­men­hang mit der Hei­mat­be­we­gung ge­se­hen wer­den, die, ei­nem Wer­be­blatt des Ver­eins zu­fol­ge, „nir­gend­wo in deut­schen Lan­den kräf­ti­ge­re Wur­zeln ge­schla­gen [hat] als am Rhein, wo frem­de Be­dro­hung den Wert der hei­mat­li­chen Kul­tur­gü­ter am deut­lichs­ten er­ken­nen lie­ß“.

Die Be­set­zung wirk­te sich auch auf ei­ni­ge Be­rei­che der Kunst un­mit­tel­bar aus, et­wa wenn in Düs­sel­dorf wie ver­mut­lich auch im üb­ri­gen Rhein­land „das Haupt­the­ma der ört­li­chen ,Denk­mals­kul­tur’ die Mah­nung zur Ein­heit des Vol­kes“[72]  wur­de. Die Po­li­tik wies ei­ne Ten­denz zur In­stru­men­ta­li­sie­rung im Sin­ne des „na­tio­na­len Ab­wehr­kamp­fes“ auf. Aus­druck die­ser ver­such­ten Ver­ein­nah­mung der Kunst war et­wa die Ver­lei­hung der gro­ßen „Be­frei­ungs­pla­ket­te des Reichs­prä­si­den­ten“ an den rhei­ni­schen Ex­pres­sio­nis­ten Franz M. Jan­sen (1885-1958), ei­nem Ma­ler und Gra­phi­ker der „Rhei­ni­schen Mo­der­ne“, im Jahr 1930 für sein Bild „Re­gen­tag im Früh­lin­g“.

Die In­stru­men­ta­li­sie­rung und För­de­rung von „Kunst“ sei­tens der Po­li­tik er­fuhr ei­ne Fort­set­zung, ja Stei­ge­rung, als we­ni­ge Jah­re spä­ter die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten an die Macht ge­lang­ten. So ver­öf­fent­lich­te Ro­land Betsch (1888-1945), der 1937 mit dem „West­mark­preis“ aus­ge­zeich­net wor­den war, un­ter dem Ti­tel „Bal­la­de am Strom“ im Jahr 1941 ei­nen Ro­man in drei Bän­den, in wel­chem er ganz im na­tio­na­lis­ti­schen Geist die Be­sat­zungs­zeit vor­nehm­lich in der Rhein­pfalz, mit­un­ter je­doch auch in der be­nach­bar­ten Rhein­pro­vinz the­ma­ti­sier­te. Hier ori­en­tier­te sich das Wir­ken des Schrift­stel­lers be­reits an den ge­setz­ten po­li­ti­schen Ziel­vor­ga­ben. Ähn­lich wie im Fall des His­to­ri­kers und Ar­chi­vars Paul Went­z­cke gab es al­so auch im kul­tu­rel­len Be­reich Kon­ti­nui­täts­li­ni­en, die über 1933 – und auf­grund der per­so­nel­len Kon­ti­nui­tä­ten letzt­lich über das Jahr 1945 – hin­aus­reich­ten.

Französische Fahnenwache auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz, 1929. (Bundesarchiv)

 

Auf der an­de­ren Sei­te gab es durch­aus ver­söhn­li­che Tö­ne, die ge­willt wa­ren, die auf­ge­wor­fe­nen Grä­ben zu über­brü­cken. Den Schre­cken des Krie­ges un­ver­blümt schil­dern die Ver­tre­ter des li­te­ra­ri­schen Ex­pres­sio­nis­mus, auf na­tio­na­ler Ebe­ne un­ter an­de­rem Au­to­ren wie An­ton Schnack (1892-1973), Wal­ter Ha­sen­cle­ver (1890-1940), Li­on Feucht­wan­ger (1884-1958), Erich Müh­sam (1878-1934), Ernst Tol­ler (1893-1939) und Bert Brecht (1898-1956). Die­se lie­ßen die über­kom­me­nen Feind­bil­der ver­blas­sen und „ten­dier­te[n] im­mer stär­ker zum Pa­zi­fis­mus und zu ei­ner Po­li­tik der in­ter­na­tio­na­len Ver­stän­di­gun­g“.[73]

Im Rhein­land war es un­ter an­de­rem die Ko­blen­zer Ma­ler­grup­pe „Das Boo­t“, die ei­ne Brü­cke über den na­tio­na­len Gra­ben schlug. Nach und nach stie­ßen auch fran­zö­si­sche In­tel­lek­tu­el­le der In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on zu die­sem Kreis. Vie­le rhei­ni­sche Kunst­schaf­fen­de und mit die­sen be­freun­de­te Künst­ler be­trach­te­ten nach dem Schre­cken, wel­chen Krieg und Mi­li­ta­ris­mus über Eu­ro­pa ge­bracht hat­ten, den Rhein als ver­bin­den­des Band zwi­schen Frank­reich und Deutsch­land. Künst­le­risch rich­te­te man den Blick nach Wes­ten, ins­be­son­de­re nach Pa­ris, po­li­tisch setz­te man sich für pa­zi­fis­ti­sche Über­zeu­gun­gen ein. Paul Eluard (1895-1952), Max Ernst, Re­né Schi­cke­le (1883-1940) und Paul Adolf See­haus (1891-1919) ga­ben die­sen Be­mü­hun­gen ein Ge­sicht.

Der Köl­ner Ma­ler Franz W. Sei­wert (1894-1933) plä­dier­te in der von Franz Pfem­fert (1879-1954) her­aus­ge­ge­be­nen „Ak­ti­on“ im kon­flikt­träch­ti­gen Jahr 1923 da­für, „die Rhein­land­fra­ge [...] vom Stand­punkt ei­ner wahr­haf­ten In­ter­na­tio­na­li­tät“[74]  aus zu be­trach­ten. Die in Düs­sel­dorf nach dem Krieg ge­grün­de­ten Künst­ler­ver­ei­ni­gun­gen „Das Jun­ge Rhein­lan­d“ und der „Ak­ti­vis­ten­bun­d“ spra­chen sich eben­so für ei­ne Ver­stän­di­gung mit Frank­reich aus wie der Kreis um den In­ha­ber des „Kai­ros“-Ver­la­ges, Ga­le­ris­ten und Her­aus­ge­ber der kurz­le­bi­gen Zeit­schrift „Der Strom. Rhei­ni­sche Zeit­schrift für Li­te­ra­tur und Kunst“ Karl Nie­ren­dorf (1889-1947). Als Ge­schäfts­füh­rer der Köl­ner „Ge­sell­schaft der Küns­te“ or­ga­ni­sier­te Nie­ren­dorf ei­ne Vor­trags­rei­he, in de­ren Rah­men Al­fons Paquet (1881-1944) am 2.11.1919 un­ter dem Ti­tel „Der Rhein als Schick­sal“ ei­ne An­spra­che hielt, die für die rhei­ni­sche Kunst­sze­ne Si­gnal­wir­kung be­saß: „Mit ihr be­ginnt ei­ne Wel­le pro­west­li­cher eu­ro­päi­scher Be­kennt­nis­se“.[75]  „Der Strom“ gab dem Lu­xem­bur­ger Gust van Wer­ve­ke (1896-1976) im Jahr 1919 Raum für ei­nen Ap­pell, der – nicht oh­ne ein ge­wis­ses Pa­thos – eben­falls zu ei­ner deutsch-fran­zö­si­schen An­nä­he­rung bei­tra­gen woll­te.[76]  Von ei­ner kol­lek­ti­ven Per­pe­tu­ie­rung der deutsch-fran­zö­si­schen „Erb­feind­schaf­t“ konn­te in der in­ter­na­tio­nal aus­ge­rich­te­ten Kunst­sze­ne nicht die Re­de sein. Die Mehr­heit der Kunst­schaf­fen­den ließ sich nicht in die­sem Sin­ne in­stru­men­ta­li­sie­ren. Max We­ber (1864-1920) sie­del­te im Sep­tem­ber 1922 so­gar end­gül­tig nach Frank­reich über.

Carl Mie­ren­dorff (1897-1943) ver­öf­fent­lich­te zwi­schen 1919 und 1921 die po­li­tisch-li­te­ra­ri­sche Zeit­schrift „Das Tri­bu­nal“ in Darm­stadt. Wie in den „Rhei­ni­schen Blät­tern“ wur­de hier für ei­nen Aus­tausch zwi­schen deut­schen und fran­zö­si­schen In­tel­lek­tu­el­len, für die deutsch-fran­zö­si­sche Ver­stän­di­gung ge­wor­ben. Auch die Künst­ler­grup­pe um die links­rhei­ni­sche Zeit­schrift „Das Neue Rhein­lan­d“, die an der Pro­fi­lie­rung ei­ner „rhei­ni­schen Ei­gen­ar­t“, ei­ner rhei­ni­schen Iden­ti­tät in­ter­es­siert war und sich zu die­sem Zwe­cke so­wohl von „Ber­lin“ als auch von Frank­reich ab­grenz­te, ver­lor den Ge­dan­ken der Ver­söh­nung und Völ­ker­ver­stän­di­gung nicht aus den Au­gen: „Das ,Neue Rhein­land’ ver­stand sich als Po­di­um für die rhei­ni­sche Kunst, Kul­tur und Dich­tung, woll­te kul­tu­rel­le Brü­cken bau­en und ei­nen Bei­trag zur Völ­ker­ver­söh­nung leis­ten, wo­bei das Rhein­land den Mit­tel­punkt für die­se geis­ti­ge, po­li­ti­sche und kul­tu­rel­le Er­neue­rung bil­den soll­te“.[77]

Es lohnt sich, den 1903 in Eh­ren­breit­stein (heu­te Ko­blenz-Eh­ren­breit­stein) ge­bo­re­nen Schrift­stel­ler Jo­seph Breit­bach ge­nau­er zu be­trach­ten. In sei­nem Oeu­vre ­spielt die Be­sat­zungs­zeit ei­ne be­deu­ten­de Rol­le, nicht zu­letzt in dem 1932 er­schie­ne­nen Ro­man „Die Wand­lung der Su­san­ne Das­sel­dor­f“. Die 1929 in Tou­lon ge­schrie­be­ne Er­zäh­lung „Edu­ca­ti­on Sen­ti­men­ta­le“ han­delt von dem in ärm­li­chen Ver­hält­nis­sen le­ben­den, ju­gend­li­chen Klein­kri­mi­nel­len Pit­ter Bün­ger und spielt im von den Ame­ri­ka­nern be­setz­ten Ko­blenz, un­mit­tel­bar nach En­de des Ers­ten Welt­krie­ges. Bei der Schil­de­rung der ame­ri­ka­ni­schen Be­sat­zungs­sol­da­ten ent­hält sich Breit­bach jeg­li­cher Ideo­lo­gie, ge­schwei­ge denn Feind­se­lig­keit. Die Er­zäh­lung be­ginnt mit der Er­wäh­nung der Be­set­zung der Stadt Ko­blenz durch die Ame­ri­ka­ner: „An dem Tag, als die ame­ri­ka­ni­schen Be­sat­zungs­trup­pen im Win­ter 1918 in Ko­blenz zum ers­ten­mal den Rhein sa­hen, stand Pit­ter Bün­ger vor Ge­rich­t“.[78]  Breit­bach sieht in der Be­sat­zungs­zeit die Ku­lis­se sei­nes im Ent­ste­hen be­grif­fe­nen Ro­mans, wie er sei­nem Freund Alex­an­der Mohr am 16.6.1926 in ei­nem Brief mit­teilt. Er spricht von der „gro­ßar­ti­gen Ku­lis­se der Be­sat­zung im Rhein­land in den Jah­ren 1920-25“.[79]  Ei­ne nen­nens­wer­te Ver­bit­te­rung Breit­bachs ge­gen­über der Be­sat­zung ist all dem nicht zu ent­neh­men. Im Ge­gen­teil: Er, der schon in den frü­hen 1920er Jah­ren als „Ken­ner der fran­zö­si­schen Ly­rik und Li­te­ra­tur“ galt, sie­del­te ge­nau in dem Jahr, in dem sich all­mäh­lich die letz­ten bis da­hin ver­blie­be­nen Be­sat­zungs­trup­pen für die Heim­kehr rüs­te­ten, 1929, nach Frank­reich über. Von der Per­zep­ti­on der Be­sat­zung sei­tens Breit­bachs zeugt auch sei­ne Kor­re­spon­denz mit Alex­an­der Mohr. Die Brie­fe sind zum Teil in fran­zö­si­scher Spra­che ge­hal­ten, und Breit­bach zeich­net in ei­nem Schrei­ben vom 9.1.1924 ein nicht un­be­dingt nach­tei­li­ges Bild der In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on: „Ich ha­be üb­ri­gens jetzt hier fa­bel­haf­te Ent­de­ckun­gen ge­macht. Die Rhein­land-Kom­mis­si­on ist ein Asyl für Da­da­is­ten, Sur­rea­lis­ten, pour tou­tes sor­tes de poè­tes. So ken­ne ich jetzt Eric de Haul­le­vil­le, des­sen schöns­tes Buch ,Dé­nou­e­ments’, Edi­ti­ons Dis­que [V]ert ich Dir sehr emp­feh­le“.[80]

Abzug französischer Truppen aus Koblenz, Dezember 1929. (Bundesarchiv)

 

In der Ar­chi­tek­tur – die na­tur­ge­mäß eher auf Gel­der be­zie­hungs­wei­se Auf­trä­ge der öf­fent­li­chen Hand und des Groß­bür­ger­tums an­ge­wie­sen war als die Li­te­ra­tur – gab es schon eher die Ten­denz, sich im na­tio­na­len Sin­ne und so­mit ge­gen die al­li­ier­te Be­sat­zung zu pro­fi­lie­ren. So hält Jür­gen Wie­ner mit Blick auf den rhei­ni­schen Hoch­haus­bau wäh­rend der Be­sat­zungs­zeit fest: „Mö­gen ins­be­son­de­re in Ber­lin Hoch­häu­ser schon vor dem Krieg ge­plant wor­den sein, so ent­stan­den im Rhein­land in den Jah­ren 1921–1924 mehr Hoch­häu­ser als in al­len an­de­ren deut­schen Städ­ten zu­sam­men. Da dies ge­nau in die Jah­re der Be­set­zung der Rhein­lan­de fiel, wird man hin­ter die­sen An­stren­gun­gen [...] auch ei­ne selbst­be­wuss­te De­mons­tra­ti­on von Stär­ke ge­gen­über den west­li­chen Nach­barn le­sen müs­sen. Sie wa­ren Si­gna­le des un­beug­sa­men Wil­lens und der wie­der­zu­ge­win­nen­den Mach­t“.[81]

In der Mu­sik­bran­che mach­te sich eben­falls ein na­tio­na­ler Ton be­merk­bar, der mit der Rhein­land­be­set­zung in Zu­sam­men­hang stand. Zum ei­nen gab es die Mit­wir­kung bei den Jahr­tau­send­fei­ern im Jahr 1925, zum an­de­ren pro­gram­ma­ti­sche Aus­sa­gen, die den deut­schen Cha­rak­ter der Mu­sik und so­mit letzt­lich des be­setz­ten Ge­bie­tes stark her­vor­ho­ben. So stell­te der Köl­ner Ver­le­ger und Mu­sik­wis­sen­schaft­ler Ger­hard Ti­scher (1877- nach 1952) in sei­ner „Rhei­ni­schen Mu­sik- und Thea­ter-Zei­tun­g“ 1925 an­läss­lich der Jahr­tau­send­fei­ern fest: „Wenn es gilt das Deutsch­tum zu be­to­nen, dann muß der Deut­sches­ten al­ler Küns­te, der Mu­sik[,] schon ein be­son­ders gro­ßer Raum ge­währt wer­den“.[82]  Im „Deut­schen Jahr­buch für Mu­si­k“, das 1923 erst­mals im Es­se­ner Rhei­ni­schen Mu­sik­ver­lag Ot­to Schling­hoffs er­schien, wur­den ähn­li­che Tö­ne an­ge­schla­gen. Hans Pfitz­ner (1869-1949) frag­te, was „noch deut­sch“ sei: „Sind es die, de­nen an der Zu­ge­hö­rig­keit des El­saß zu Deutsch­land, dem Schick­sal der Ko­lo­ni­en, der Bal­ten, Dan­zigs, Ti­rols, des Saar- und Ruhr­ge­biets lieg­t“? Wei­ter be­klag­te er, „[w]as mit un­serm ar­men Land ge­sche­hen ist von au­ßen an [...] Schmach, Hohn, Schimpf und Ver­ach­tun­g“. Hans Joa­chim Mo­ser (1889-1967) ap­pel­lier­te in der­sel­ben Zeit­schrift an die Le­ser: „Ein ed­les Na­tio­nal­ge­fühl im Pu­bli­kum un­se­rer Kon­zert­sä­le nicht ver­kom­men zu las­sen, zeigt sich ge­ra­de in der furcht­ba­ren Not der Ge­gen­wart als drin­gend ge­bo­ten [...]. In der uns von den Fein­den zu­ge­dach­ten Ver­elen­dung und Ver­nich­tung un­se­rer Wirt­schaft ist auch un­se­re Kunst mit ein­ge­schlos­sen“. Der Her­aus­ge­ber Rolf Cunz, Kri­ti­ker der „Rhei­nisch-West­fä­li­schen Zei­tun­g“ und Mu­sik­re­dak­teur der Zeit­schrift „Der Hell­weg. West­deut­sche Wo­chen­schrift für deut­sche Kunst“, sieht in sei­nem Ar­ti­kel, in wel­chem er die „Wer­be­gast­spie­le ins un­be­setz­te Ge­bie­t“ des „ver­ei­nig­ten Ruhr­or­ches­ter­s“ 1923 in Mün­chen und Ber­lin the­ma­ti­siert, den „Glau­ben an den End­sieg deut­scher Kul­tur, deut­scher Kunst, deut­scher Mu­si­k“ be­stä­tigt. Ti­scher hat­te be­reits 1922 in sei­ner Zei­tung, ge­rich­tet an die Adres­se der Be­woh­ner der be­setz­ten Ge­bie­te, re­sü­miert: „Deut­sche Mu­sik pfle­gen hei­ßt des­halb, am Wie­der­auf­bau des nie­der­ge­bro­che­nen Vol­kes mit­ar­bei­ten“.

An­ders als die hier­für prä­des­ti­nier­ten Wis­sen­schafts­dis­zi­pli­nen – al­len vor­an, wie oben dar­ge­legt, die Ge­schichts­wis­sen­schaft – ließ sich die rhei­ni­sche Kunst­sze­ne nicht so ein­fach vor den Kar­ren der Po­li­tik span­nen. Ein be­acht­li­cher Teil der Kunst­schaf­fen­den – in­son­der­heit der Li­te­ra­ten – ver­schrieb sich viel­mehr dem Ge­dan­ken des Pa­zi­fis­mus, der Ver­söh­nung und Völ­ker­ver­stän­di­gung. Kon­zis fasst Ger­tru­de Cepl-Kauf­mann die da­ma­li­ge Be­find­lich­keit vie­ler rhei­ni­scher Li­te­ra­ten zu­sam­men: „Die Vor­stel­lung, dass mit der Her­aus­for­de­rung auf den Ers­ten Welt­krieg zu re­agie­ren, sich not­wen­di­ger­wei­se La­ger von Kriegs­an­hän­gern und -geg­nern hät­ten bil­den müs­sen, ist zu ein­fach. Den­noch wird man ge­ra­de in Krei­sen der rhei­ni­schen Schrift­stel­ler ei­ne Do­mi­nanz pa­zi­fis­ti­scher Be­kennt­nis­se fin­den. Die Ver­bin­dun­gen zu Frank­reich, zur Kul­tur­me­tro­po­le Pa­ris, hat­ten ei­ne lan­ge Tra­di­ti­on. Wal­ter Ha­sen­cle­ver, von Un­ruh, Re­né Schi­cke­le und Carl Ein­stein leb­ten lan­ge Jah­re dort. Selbst kon­ser­va­ti­ve Au­to­ren wie [...] Ja­kob Kneip hat [!] mit ei­ner Re­de ,An die Freun­de' sein pro­f­ran­zö­si­sches Be­kennt­nis aus­ge­spro­chen und zur Ver­söh­nung auf­ge­ru­fen. Für die meis­ten ging die­ser Su­che nach Ver­söh­nung al­ler­dings erst das Er­leb­nis und die Er­kennt­nis vom Schre­cken und der Bar­ba­rei des Krie­ges vor­aus“.[83]

12. Quellen

Wich­ti­ge ar­chi­vi­sche Quel­len be­fin­den sich au­ßer in vie­len kom­mu­na­len Ar­chi­ven des ehe­ma­li­gen Be­sat­zungs­ge­bie­tes im Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz, im Lan­des­ar­chiv Nord­rhein-West­fa­len - Ab­tei­lung Rhein­land, im Hes­si­schen Haupt­staats­ar­chiv Wies­ba­den, im Ge­hei­men Staats­ar­chiv Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz in Ber­lin so­wie im Bun­des­ar­chiv mit sei­nen ver­schie­de­nen Stand­or­ten. Fer­ner sind zu be­ach­ten die Ak­ten der Rhein­land­kom­mis­si­on (Se­rie AJ9), nach dem fran­zö­si­schen Hoch­kom­mis­sar Paul Ti­rard auch „Pa­piers Ti­rar­d“ ge­nannt, so­wie wei­te­re Be­stän­de von Ak­ten ver­schie­de­ner fran­zö­si­scher Res­sorts (vgl. hier­zu Lau­ter, Si­cher­heit un­d ­Re­pa­ra­tio­nen, S. 18-19 mit Anm. 36).

13. Literatur

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Denkmal für die belgische Besatzung am Niederrhein in Kleve-Schmithausen.

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Schlemmer, Martin, Die Rheinlandbesetzung (1918-1930), in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-rheinlandbesetzung-1918-1930/DE-2086/lido/57d133f17e43d1.98845861 (abgerufen am 07.10.2024)