Zu den Kapiteln
Schlagworte
Lis Böhle war die bekannteste Kölner Mundartautorin ihrer Zeit. Sie verfasste Gedichte und kurze Erzählungen, die in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern veröffentlicht wurden. Außerdem arbeitete sie für den Rundfunk als Autorin und war die erste Kölner Mundartsprecherin.
Gertrud Elisabeth Frederica Böhle, genannt Lis, wurde am 31.7.1901 in Köln-Nippes als achtes Kind der Familie Böhle geboren. Der Vater Friedrich Böhle (1854-1917) war von Beruf Eisenbahn-Obersekretär. Nach dem Tod seiner ersten Frau Anna Maria, geborene Plier (gestorben 1891), mit der er drei Kinder hatte, heiratete er 1892 Anna Walter (1859-1936). Fünf weitere Kinder folgten, das jüngste war Lis Böhle. Getauft wurde sie in der katholischen Pfarrkirche St. Marien am Baudriplatz.
Lis besuchte zunächst die Katholische Volksschule Gellertstraße, anschließend von 1912-1915 die Ursulinenschule. Zuletzt verbrachte sie einige Jahre in einem Mädchenpensionat.
Schon mit circa zehn Jahren begann Lis Böhle Gedichte und kurze Geschichten in kölscher Mundart zu schreiben. Der Vater Fritz Böhle engagierte sich im Volksbildungsverein Köln-Nippes und war 25 Jahre dessen zweiter Vorsitzender. Auf dem Programm des Vereins standen sowohl populärwissenschaftliche Vorträge wie auch anspruchsvolle Unterhaltungsveranstaltungen. Da die Künstler und Wissenschaftler den Vater besuchten, kamen Lis und ihre Geschwister früh mit der Welt von Kultur und Forschung in Berührung. Die Jahre auf der Ursulinenschule und im Mädchenpensionat nutzte sie, um eigene Texte, Reden und Ähnliches zu verfassen, die sie zu besonderen Anlässen selbst zum Besten gab.
1925 heiratete sie ihre Jugendliebe Hans Schmitt-Rost (1901-1978). Die Familie des gebürtigen Esseners war bereits 1906 nach Köln-Nippes gezogen. Schmitt-Rost hatte ein Studium der Volkswirtschaftslehre und Soziologie mit der Promotion abgeschlossen. Er arbeitete als Journalist für diverse Zeitungen und Zeitschriften und veröffentlichte mehrere Bücher zu Kölner Themen. Besonders interessant für Mundartliebhaber ist sein Werk „Kölsch wie es nicht im Wörterbuch steht“ (Frankfurt am Main 1968). Nach dem Zweiten Weltkrieg war er viele Jahre Leiter des Nachrichtenamtes der Stadt Köln.
1925 wurde die gemeinsame Tochter Sonja (1925-1990) geboren. Die Familie Schmitt-Böhle zog nach Köln-Bickendorf, anschließend nach Bayenthal und Weidenpesch (damals noch Merkenich genannt). Seit 1934 wohnten sie in der Kölner Innenstadt am Kolpingplatz.
Vor 1933 begann Lis Böhle, freiberuflich für den Rundfunk zu arbeiten, und zwar als Autorin von Unterhaltungssendungen und kölschen Hörspielen sowie als Mundartsprecherin. Zunächst war sie für die WERAG (Westdeutsche Rundfunk AG) tätig, dann, nach Verstaatlichung der WERAG durch die Nationalsozialisten im Jahr 1934, für den Reichssender Köln. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sie ihre Tätigkeit beim NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) fort, ab 1955 beim WDR, nachdem der NWDR in zwei eigenständige Rundfunkanstalten aufgeteilt worden war, den NDR und den WDR. Vor dem Zweiten Weltkrieg ist ihre Beteiligung an der Sendereihe „Funkbrettl“ im Jahr 1933 bekannt. Ab 1946 wurden Lyrik- und Prosa-Lesungen von und mit Lis Böhle gesendet, außerdem war sie für den Kinderfunk tätig. Besonders populär war die Reihe „Wat dä Schmitzens all passeet“, die von 1960-1974 ausgestrahlt wurde. Darüber hinaus erarbeitete sie auch dokumentarische Beiträge in Hochdeutsch zum Thema „Die Welt der Frau“. So stellte sie unter anderem eine Krankenschwester vor, die ihr 50-jähriges Dienstjubiläum feiern konnte und von ihren beruflichen Erfahrungen im Krieg berichtete. Lis Böhles Rundfunkbeiträge wurden nicht gedruckt.
Seit den 1930er Jahren veröffentlichte sie ihre Mundarttexte in Kölner Tageszeitungen, zunächst im Stadt-Anzeiger der Kölnischen Zeitung, nach dem Krieg in der Kölnischen Rundschau, dann wieder im Kölner Stadt-Anzeiger. Als ihr Mann Hans Schmitt-Rost während der NS-Zeit beruflich Schwierigkeiten bekam, trug sie mit zum Unterhalt der Familie bei. So lasen die Kölner Bürger unter anderem die Artikelserie „Et Köbesche schriev...“ mit wachsender Begeisterung, doch wer sich tatsächlich hinter dem Pseudonym „Köbesche“ verbarg, klärte sich erst Jahre später auf. Bis etwa 1970 unterhielt Lis Böhle die Leser mit ihren kölschen Beiträgen, zum Beispiel mit der Serie „De Woch fängk jot an mem Lis Böhle“.
Ab 1937 veröffentlichte sie ihre kölschen „Rüümcher un Verzällcher“ auch in Büchern. Fünf Jahre nach ihrem Tod gab Nippes-Experte Reinhold Kruse eine Sammlung mit überwiegend hochdeutschen Kindheitserinnerungen von Lis Böhle heraus: „Glückliche Jahre“
Ihre Texte schildern den Alltag in Köln in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie verarbeitet in ihnen ihre Erfahrungen aus ihrer Kindheit in Nippes. Die Franziskastraße, wo die Böhles viele Jahre gelebt hatten, und ihre Umgebung diente als Schauplatz für viele ihrer Erzählungen. Da sie selbst aus einer kinderreichen Familie stammte, spielten Kinder darin eine große Rolle. Erlebnisse aus der Familie („Aach Köppcher“), der Schulzeit („Mem Kochboch en de Schull“) und der Freizeit, die damals überwiegend auf der Straße verbracht wurde, werden humorvoll geschildert. Kinderspiele hießen „Himmel un Höll“ oder „Zeltspille“; da für Süßigkeiten kaum Geld vorhanden war, halfen die Kinder sich selbst mit „Kuletschwasser“ und „Kamelle maache“. Gemeinsame Ausflüge waren selten und hinterließen natürlich Eindruck: „Bellige Sondag em Zolonische“ oder „Oktoberfeß“. Eltern und Geschwister von Lis Böhle tauchen häufig namentlich in den Geschichten auf, aber auch Ereignisse und Entwicklungen in der Stadt sind Thema: „Avsched vum Opernhus“ oder „Schaffner fröher – Schaffner hück“.
Obwohl sie eine der beliebtesten und bekanntesten Mundartautorinnen war, bevorzugte sie ein stilles, zurückgezogenes Leben in ihrer Heimatstadt Köln, die sie nur einmal für längere Zeit verlassen hat, als die Familie Schmitt-Böhle während des Zweiten Weltkriegs 1942-1945 in Oberstdorf lebte.
Nach dem Tod ihres Mannes 1978 zog sie sich fast völlig aus dem öffentlichen Leben zurück. Bedingt durch ihre schlechte gesundheitliche Verfassung schrieb sie nur noch selten. Mit ihrer Tochter Sonja lebte sie gemeinsam in Köln im Johannishaus bis zu deren Tod im Februar 1990. Anschließend zog sie in ein Pflegeheim in Troisdorf. Dort starb sie wenige Monate später mit 90 Jahren am 29.10.1990. Begraben liegt sie gemeinsam mit ihrem Mann auf dem Kölner Friedhof Melaten. 2014 wurde die Grabstätte des Ehepaares Böhle auf Vorschlag des Heimatvereins Alt-Köln e. V. in die Liste der Gräber verdienstvoller Bürgerinnen und Bürger der Stadt Köln aufgenommen.
1983 hatte die KG Fidele Aujusse Blau-Gold e.V. von 1969 Lis Böhle den Ehrentitel Magister linguae et humoris coloniensis verliehen. 1997 beschloss die Bezirksvertretung Nippes, einen Teil des Inneren Grüngürtels „Lis-Böhle-Park“ zu nennen.
Werke (Auswahl)
Himmel und Äd, Köln 1937.
Schwatz op wieß, Köln 1940.
Zwesche Ring un Rhing, Köln 1947.
Skizzierte Erinnerungen (Gedichte zu Zeichnungen von Willy Key), Köln 1947.
Jeck op Kölle, Köln 1955.
Kölsche Saison, Köln 1963.
Kölle, ming Welt, St. Goar/Köln 1979
Levve un levve loße, St. Goar/Köln 1981.
E löstig kölsch Klieblatt (mit H. Fischer, B. Gravelott und H. Heger), St. Goar/Köln 1985.
„Glückliche Jahre. Kindheitserinnerungen (hg. von Reinhold Kruse), Köln 1995.
Literatur (Auswahl)
Hilgers, Heribert A,, Böhle, Lis in: Kölner Autoren-Lexikon 1750-2000, Band 2: 1901-2000, bearb. von Enno Stahl, Köln 2002, S. 59.
Kruse, Reinhold, 111 Jahre Köln-Nippes. Eine Chronik mit Photos, Fakten und Verzällcher, Köln 1998.
Oelsner, Wolfgang, Böhle, Gertrud, in: Soénius, Ulrich S./Wilhelm, Jürgen (Hg.), Kölner Personen-Lexikon, Köln 2008, S. 67.
Scheffler, Ingrid, Schriftsteller und Literatur im NWDR Köln (1945-1955), Potsdam 2005.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Nitt, Ingeborg, Lis Böhle, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/lis-boehle/DE-2086/lido/5b4ca28880ad16.20576738 (abgerufen am 06.12.2024)