Der Provinzialausschuss der Rheinprovinz 1888-1933
Zu den Kapiteln
1. Einleitung
Mit der Einführung der Provinzialordnung vom 29.6.1875 in der Rheinprovinz in einer für diese Provinz modifizierten Fassung durch Gesetz vom 1.6.1887 wurden auch im Rheinland wie zuvor im übrigen Preußen die Verwaltungsgliederung und die bisher bestehende provinzialständische Verfassung grundlegend umgewandelt. Die Provinz wurde zweigeteilt in einen staatlichen Verwaltungsbezirk (Rheinprovinz) und einen kommunalen Selbstverwaltungskörper (Provinzialverband). An der Spitze des staatlichen Verwaltungsbezirks stand der Oberpräsident, der auch die Aufsicht über den Provinzialverband ausübte. Organe des Provinzialverbandes waren der Provinziallandtag, der Provinzialausschuss und der Landesdirektor, der ab 1897 auch in der Rheinprovinz Landeshauptmann hieß. Der Provinziallandtag wurde nicht mehr durch Wahlen des bevorrechtigten Grundbesitzes und der besonders bevorrechteten Rittergüter gebildet, sondern ging aus den Wahlen der Kreistage und der Stadtverordnetenversammlungen hervor. Der Provinziallandtag war sowohl das Legislativorgan des Provinzialverbands als auch das Repräsentativorgan der Provinzialbevölkerung. Auch angesichts zunehmender Politisierung in der Zeit nach 1918 blieb die Tätigkeit der Organe des Provinzialverbandes weiter unspektakulär, sie nahmen vorwiegend Verwaltungsaufgaben wahr, ihre Arbeit wurde von der Öffentlichkeit kaum beachtet.
2. Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten
Ein wesentliches Institut der neuen Provinzialverfassung war der Provinzialausschuss, dessen Zusammensetzung und […] Geschäfte im Vierten Abschnitt (§§ 45 bis 61) der Provinzialordnung geregelt wurden. Sein direkter Vorläufer war der Provinzialverwaltungsrat, der durch Königlichen Erlass vom 27.9.1871 eingerichtet und in der Rheinprovinz 1875 eingeführt wurde und aus dem Landtagsmarschall als Vorsitzenden und 15 vom Provinziallandtag aus seiner Mitte zu wählenden Mitgliedern (drei für jeden Regierungsbezirk) bestand. Er hatte die Geschäfte der Verwaltung nach Maßgabe der Beschlüsse des Provinziallandtages zu führen und diesem über die Ergebnisse zu berichten, ferner die Beamtenstellen der ständischen Verwaltung zu besetzen. Der ab 1888 bestehende Provinzialausschuss wurde zum Zwecke der Verwaltung der Angelegenheiten des Provinzialverbandes bestellt (§ 45). Er trat nach Bedarf zusammen und wurde vom Vorsitzenden einberufen; er war einzuberufen auf schriftlichen Antrag des Landeshauptmanns oder der Hälfte seiner Mitglieder. Der Provinzialausschuss konnte regelmäßige Sitzungstage festsetzen (§ 52). Er war nur beschlussfähig mit mindestens der Hälfte seiner Mitglieder (einschließlich des Vorsitzenden); Beschlüsse erfolgten mit Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit entschied die Stimme des Vorsitzenden (§ 53). Von der Mitwirkung an Beratungen und Beschlüssen waren die Mitglieder ausgeschlossen, die vom jeweiligen Gegenstand persönlich (oder durch nahe Angehörige) betroffen oder in einer behandelten Angelegenheit in anderer als öffentlicher Eigenschaft tätig gewesen waren (§ 54). Sofern der Provinzialausschuss in Folge des gleichzeitigen Ausscheidens von mehr als der Hälfte der Mitglieder gemäß § 54 beschlußunfähig war, nahm der Provinziallandtag die Beschlussfassung vor. Konnte diese nicht bis zum Zusammentritt des Provinziallandtags ausgesetzt bleiben, so ist durch den Oberpräsidenten aus den unbetheiligten Mitgliedern des Provinzialausschusses beziehungsweise deren Stellvertretern, sowie aus Mitgliedern des Provinziallandtages eine besondere Kommission zu bestellen; dieselbe hat aus einer gleichen Zahl von Mitgliedern, wie der Provinzialausschuss, zu bestehen. (§ 55).
Der Vorsitzende des Provinziallandtags und die oberen Beamten des Provinzialverbandes konnten an den Sitzungen des Provinzialausschusses mit beratender Stimme teilnehmen. Durch Beschluss des Ausschusses waren jedoch einzelne den Landesdirektor oder die ihm zugeordneten höheren Beamten persönlich berührende Gegenstände in deren Abwesenheit zu verhandeln (§ 56). Der Provinzialausschuss hatte seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung zu regeln, die der Genehmigung des Provinziallandtages bedurfte (§ 57).
Die Geschäfte des Provinzialausschusses, also seine eigentlichen Zuständigkeiten, wurden in den §§ 58 bis 61 umschrieben: Dem Provinzialausschusse liegt die Erledigung folgender Geschäfte ob:
Besondere Zuständigkeiten hatte der Provinzialausschuss im Zusammenhang mit den Wahlen zum Provinziallandtag. Bis 1918 hatte er vor jeder neuen Wahl die Zahl der von den einzelnen Kreisen beziehungsweise Wahlbezirken zu wählenden Abgeordneten festzustellen sowie über Anträge auf Berichtigung dieser Feststellung zu entscheiden. Im Zuge der Novellierung des Wahlrechts zu den Provinziallandtagen im Juli 1919 oblag ihm der Erlass von Durchführungsbestimmungen für den Fall einer notwendig werdenden Verhältniswahl. Für die Wahl zum Provinziallandtag 1921 hatte er die Gesamtzahl von Provinziallandtagsabgeordneten auf Grund der letzten Volkszählung festzusetzen und die zu wählenden Abgeordneten gleichmäßig auf die Regierungsbezirke der Provinz nach Maßgabe der Einwohnerzahlen zu verteilen, ferner waren bei ihm Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl zu erheben, schließlich hatte er die an die Stelle eines ausscheidenden Abgeordneten tretenden Bewerber festzustellen.
Durch die Neufassung des Wahlgesetzes für die Provinziallandtage und Kreistage am 7.10.1925 wurden diese Vorschriften noch spezifiziert: Neu war die Regelung, dass die Wahl nunmehr vom Provinzialausschuss geleitet wurde (§ 17), ferner hatte er Richtlinien für die anteilige Erstattung der Kosten der Wahlen an die Kreise und Gemeinden aufzustellen (§ 19). §§ 20 bis 22 regelten im einzelnen seine Mitwirkung bei der Bekanntmachung und Prüfung des Wahlergebnisses. Schließlich war er zuständig für die Wahlprüfung und das Verfahren bei dem Ausscheiden eines vom Provinziallandtag für ein Mandat gewählten Person (§§ 28, 30). Diese Bestimmungen galten bis 1933.
Weitere Aufgaben und Zuständigkeiten wurden den Provinzialausschüssen durch Gesetz oder Verordnung übertragen. Sie hatten den Verteilungsplan der überwiesenen weiteren Dotationsrenten aufzustellen, Obliegenheiten in Angelegenheiten der forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und der landwirtschaftlichen Unfallversicherung wahrzunehmen und ihnen waren Befugnisse in Angelegenheiten der Wanderarbeitsstätten sowie der Provinzialabgaben übertragen. Sie hatten die Beisitzer zu den Provinzialschätzungsämtern zu bestellen. Im Rahmen der Demobilmachung nach dem Ersten Weltkrieg wurden sie zur Bewilligung von Ausgaben für Notstandsarbeiten ermächtigt. Durch Artikel 86 der Preußischen Verfassungsurkunde vom 30.11.1920 waren die Oberpräsidenten, die Regierungspräsidenten und die Vorsitzenden des Provinzial-Schulkollegiums und des Landeskulturamts im Einvernehmen mit dem Provinzialausschusse zu ernennen. 1922 erhielten die Provinzialausschüsse Zuständigkeiten in Angelegenheiten der Erhaltung des Baumbestandes sowie der Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit. 1924 wurden sie auch Fürsorgeerziehungsbehörde. Schließlich waren sie anzuhören vor der Änderung der Grenzen von Stadt- und Landgemeinden, falls Provinzgrenzen verändert werden würden.
Weitere Zuständigkeiten der Provinzialausschüsse in der Haushaltsführung und bei dem Stellenplan ergaben sich im November 1932. Als besondere Befugnis wurden dem Provinzialausschuss der Rheinprovinz noch Obliegenheiten bei der wirtschaftlichen Zusammenlegung von Holzungen und Ödländereien in den dem Gebirgs- und Hügellande der Rheinprovinz angehörenden Gemarkungen zur Vermeidung schwerer Hochwasserschäden übertragen.
Auch wenn der Name Provinzialausschuss auf den ersten Blick begrifflich eine Analogie mit den als Beschlussbehörden und Verwaltungsgerichten tätigen Stadt-, Kreis- und Bezirksausschüssen nahe legt, ist eine solche nicht gegeben. Das zuständige Beschluss-Gremium auf der Ebene der Provinz war der Provinzialrat.
Des Weiteren oblagen den Provinzialausschüssen die Wahlen von Mitgliedern folgender Gremien unter anderem: Fünf Mitglieder (und je fünf Stellvertreter) des Provinzialrats, vier Mitglieder der Bezirksausschüsse bei den Regierungspräsidenten, der „bürgerlichen“ Mitglieder der Ober-Ersatzkommissionen, Mitglieder der Berufungskommissionen für die Einkommensteuer und der Gewerbesteuerausschüsse, einen Teil der Mitglieder der Bergausschüsse und der Gesundheitsbeiräte bei den Oberbergämtern, der Mitglieder der Spruchkammern beim Landeskulturamt, der Vertrauensleute zum Provinzialsiedlungsausschusse, eines Mitglieds des Reichsrats, der Mitglieder der Provinzialhebammenstelle, der Mitglieder der Berufungsausschüsse für die Steuer vom Grundvermögen und für Gewerbesteuer, der Mitglieder des Beschwerdeausschusses für die Wohnungsbauabgabe, der Sachverständigen in Heimstättenangelegenheiten. Gemeinsam mit dem Provinzialausschuss der Provinz Westfalen hatte der rheinische Provinzialausschuss Mitglieder des Berufungsausschusses der Genossenschaft „Ruhrverband“ zur Reinhaltung der Ruhr und ihrer Nebenflüsse zu wählen. Zu besetzen waren auch das Schiedsgericht auf Grund des § 75 des Gesetzes über die Neuregelung der kommunalen Grenzen im Rheinisch-Westfälischen Industriebezirks vom 26.2.1926 und die Schiedsstelle gemäß § 21 des Einführungsgesetzes über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets vom 29.7.1929. Schließlich wurde der Arbeitgebervertreter der Rheinischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für die Unfallverhütung gemäß § 1031 Reichsversicherungsordnung vom Vorsitzenden des Provinzialausschusses als Genossenschaftsverband durch das Los bestimmt.
Nach Artikel 63 Satz 2 der Reichsverfassung vom 11.8.1919 wurde die Hälfte der preußischen Stimmen [im Reichsrat] nach Maßgabe eines Landesgesetzes von den preußischen Provinzialverwaltungen bestellt. Nach § 1 des Gesetzes über die Bestellung von Mitgliedern des Reichsrats durch die Provinzialverwaltungen vom 3.6.1921 mussten die von den Provinzialverwaltungen gemäß Artikel 63 der Reichsverfassung zu bestellenden Mitglieder gewählt werden, Wahlkörper waren die Provinzialausschüsse (in Berlin der Magistrat).
Die Art der Vertretung der Provinzen im Reichsrat war zuweilen Missdeutungen ausgesetzt, wie etwa bei der Rheinprovinz, wo eine vermeintliche Unterrepräsentation der Rheinprovinz (eine Stimme) etwa im Vergleich mit Bayern (zehn Stimmen) gesehen werden mag. Daher soll zu diesem Thema noch eine kurze Erläuterung gegeben werden: Jede Provinz hatte unabhängig von ihrer Größe ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied des Reichsrats zu bestellen. Diese von den Provinzen bestellten Bevollmächtigten zum Reichsrat vertraten aber nicht ihre Provinz, sondern das Land Preußen. Hier ist der Lesart des Staatsrechtlers Carl Bilfinger (1879-1958) zu folgen, dass die Provinzialvertreter ihre Stimme als unmittelbare Repräsentanten des Landes Preußen (und nicht ihrer entsendenden Provinz) abgaben, da ihre Stimmen in Artikel 63 Satz 2 der Reichsverfassung ausdrücklich und eindeutig als preußische Stimmen bezeichnet wurden.
Infolge der Besetzung durch alliierte Truppen Ende 1918 konnte im Rheinland das durch Gesetz vom 16.7.1919 von der preußischen Landesversammlung beschlossene demokratisierte Wahlrecht zu den Provinziallandtagen zunächst nicht eingeführt werden, da die Besatzungsbehörden dieses nicht zugelassen hatten. Außerdem hatten diese den für März 1919 vorgesehenen Zusammentritt des Provinziallandtags untersagt. Der Provinzialausschuss unterlag ab Ende 1918 in seiner Arbeit zeitweise Beschränkungen, da er wegen der Reiseschwierigkeiten infolge der Besetzung nicht zusammentreten konnte und seine Geschäfte vorübergehend durch eine so genannte Kriegskommission erledigen musste. Diese setzte sich aus seinen in der Nähe Düsseldorfs wohnenden und somit wahrscheinlich erreichbaren Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern zusammen. Um eine halbwegs reguläre Durchführung der laufenden Geschäfte des Provinzialverbandes zu gewährleisten, wurden durch das Gesetz vom 27.4.1920, betreffend eine einstweilige Ermächtigung des Provinzialausschusses in Düsseldorf und des Landesausschusses in Wiesbaden dem Provinzialausschuss der Rheinprovinz bis zum Zusammentritt eines neugewählten Provinziallandtags auch die Aufgaben und Zuständigkeiten des bisherigen Provinziallandtags übertragen. Hierzu wurden (für die Dauer der Gültigkeit des Gesetzes) von der preußischen Staatsregierung auf Vorschlag des Provinzialausschusses sechs zusätzliche Mitglieder und Stellvertreter des Provinzialausschusses ernannt. Dieses Interim währte bis zum Zusammentritt des am 24.9.1920 gewählten Provinziallandtages am 5.12.1920.
Die erneute Übertragung von Zuständigkeiten des Provinziallandtags auf den Provinzialausschuss im Jahre 1933 läutete mittelfristig auch dessen eigenes Ende ein: Durch das Gesetz über die Übertragung von Zuständigkeiten der Provinziallandtage auf die Provinzialausschüsse vom 24.3.1933 wurde der Provinziallandtag ermächtigt, seine Zuständigkeiten auf den Provinzialausschuss durch Beschluß zu übertragen. Ausdrücklich nicht zulässig war die Übertragung des Rechts zur Vornahme der Wahlen von Mitgliedern des Staatsrats und des Provinzialausschusses sowie deren Stellvertreter, des Landesdirektors (Landeshauptmanns) sowie der Mitglieder des Landesdirektoriums auf den Provinzialausschuss (§ 1). Ohne Rücksicht auf eine Beschlußfassung des Provinziallandtags konnte der Provinzialausschuss bis zum nächsten Zusammentritt des Provinziallandtags die Zuständigkeit zur Feststellung des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1933, zur Fassung der Beschlüsse über die Provinzial-Abgaben und zur Feststellung der Jahresrechnungen für das Rechnungsjahr 1931 und 1932 durch Beschluß übernehmen, wenn die Führer der Fraktionen, die allein oder zusammen mehr als die Hälfte der Sitze im Provinziallandtag innehaben, dem Vorsitzenden des Provinzialausschusses schriftlich mitteilen, dass diese Fraktionen mit der Übernahme einverstanden sind.
Dieser Regelung, auch wenn sie schon faktisch die Provinziallandtage, die ohnehin nicht mehr zusammentraten, zur Bedeutungslosigkeit verurteilten, folgte knapp zwei Monate später der Übergang sämtlicher Zuständigkeiten des Provinziallandtags auf den Provinzialausschuss. In § 1 Absatz 1 des Gesetzes über die Übertragung von Zuständigkeiten der Provinzial-(Kommunal-)landtage, der Verbandsversammlung des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk und der Kreistage auf die Provinzial-(Landes-)ausschüsse, den Verbandsausschuss und die Kreisausschüsse vom 17.7.1933 heißt es ganz lapidar: Die Zuständigkeiten der Provinzial-(Kommunal-)landtage gehen auf die Provinzial-(Landes-)ausschüsse [...] über. Konsequenterweise wurden durch eine Änderungsvorschrift in § 2 Absatz 2 die Provinziallandtage gleichsam auf unbestimmte Zeit vertagt: der deren Einberufung regelnde § 25 der Provinzialordnung hatte nach der Änderung folgenden Wortlaut: Der Provinziallandtag wird von [dem Könige] berufen, so oft es die Geschäfte erfordern.
Den so um zahlreiche Kompetenzen angereicherten Provinzialausschüssen war aber kein langes Leben mehr beschieden. Durch das Gesetz über die Erweiterung der Befugnisse der Oberpräsidenten vom 15.12.1933 wurde ab 1.1.1934 der Oberpräsident der ständige Vertreter der Staatsregierung in der Provinz (Artikel I, Ziffer 1). Das hierdurch strikt umgesetzte bürokratische Prinzip (Führerprinzip) – so durfte der Oberpräsident das Recht, Anordnungen zu treffen und Weisungen zu erteilen […] auf die ihm beigegebenen Beamten nicht übertragen – führte auch dazu, dass die Provinzialselbstverwaltung in ihrer bestehenden Form abgeschafft wurde. So wurden Aufbau und Verwaltung der Provinzialverbände zunächst mit Wirkung vom 1.1.1934 wie folgt geändert: Die Aufgaben und Zuständigkeiten des Provinzialausschusses, des Landeshauptmanns, der Provinzialkommissionen und der Provinzialkommissare gingen auf den Operpräsidenten über. Der Oberpräsident beauftragte den Landeshauptmann und die diesem beigegebenen höheren Beamten mit der selbständigen Erledigung laufender Geschäfte des Provinzialverbandes. Er wurde bei Behinderung in den Angelegenheiten des Provinzialverbandes durch den Landeshauptmann vertreten. Die Provinziallandtage, Provinzialausschüsse und Provinzialkommissionen werden aufgelöst. Die letzte Sitzung des Provinzialausschusses der Rheinprovinz unter Vorsitz von Gauleiter Staatsrat Friedrich Karl Florian fand am 22.12.1933 statt.
3. Wahlverfahren und Zusammensetzung
Der Provinzialausschuss bestand aus einem Vorsitzenden und einer durch das Provinzialstatut festzusetzenden Zahl von mindestens sieben bis höchstens dreizehn Mitgliedern. Zudem gehörte ihm der Landeshauptmann von Amts wegen an (§ 46 der Provinzialordnung). In der Rheinprovinz wurde die Höchstgrenze der Mitglieder ausgeschöpft und (zunächst bis 1920) auf 13 festgesetzt. Diese verteilten sich wie folgt: Regierungsbezirke Aachen, Koblenz und Trier je zwei, Regierungsbezirk Köln drei und Regierungsbezirk Düsseldorf vier. Der Vorsitzende, die Mitglieder und aus diesen der stellvertretende Vorsitzende wurden vom Provinziallandtag auf sechs Jahre und bis 1918 nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Zwischen 1920 und 1930 war der Vorsitzende Konrad Adenauer zugleich gewähltes Mitglied des Provinzialausschusses. Für die Mitglieder war eine mindestens der Hälfte derselben gleichkommende Zahl von Mitgliedern zu wählen; Zahl und Reihenfolge der Einberufung waren durch das Provinzialstatut zu bestimmen. In der Rheinprovinz wurde grundsätzlich für jedes Mitglied auch ein Stellvertreter gewählt. Wählbar zum Provinzialausschuss war jeder zum Provinziallandtag wählbare Reichsangehörige; die Mitgliedschaft im Provinziallandtag war keine Voraussetzung für die Wahl zum Provinzialausschuss. Von der Wählbarkeit zum Provinzialausschuss ausgeschlossen waren nur der Oberpräsident, die Regierungspräsidenten und sämtliche Beamte des Provinzialverbandes, ferner der Landeshauptmann von der Wahl zum Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden (§ 47). Die Hälfte aller Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Provinzialausschusses hatte nach drei Jahren auszuscheiden, wobei Wiederwahl möglich war. Die Ausscheidenden blieben bis zur Einführung der neu Gewählten in Thätigkeit. Für während ihrer Wahlperiode ausscheidende Mitglieder waren Ersatzwahlen durch den Provinziallandtag bei dessen nächstem Zusammentritt vorzunehmen, die gewählten Ersatzmänner blieben nur bis zum Ende desjenigen Zeitraums in Thätigkeit, für welchen die Ausgeschiedenen gewählt waren (§§ 48 bis 50). Die Mitglieder des Provinzialausschusses wurden vom Vorsitzenden vereidigt und in ihre Stellen eingeführt, der Vorsitzende durch den Oberpräsidenten. Sie konnten im Wege des Disziplinarverfahrens ihrer Stellen enthoben werden; hierbei galten die gegen den Landeshauptmann zur Anwendung kommenden Bestimmungen (§ 51).
Die letzten Wahlen zum Provinzialausschuss auf der Grundlage der genannten Vorschriften fanden am 20.3.1918 statt. Die Zusammensetzung des Provinzialausschusses erfolgte bis dahin zumindest offiziell ohne Ansehen der politischen Einstellung der Mitglieder, soweit sie überhaupt bekannt war, obwohl zahlreiche Mitglieder auch dem Reichstag oder dem preußischen Landtag (Herrenhaus- oder Abgeordnetenhaus) angehörten. Dies änderte sich in der Folgezeit, nachdem das Wahlverfahren durch das Gesetz, betreffend die Neuwahl der Provinziallandtage vom 16.7.1919 geändert worden war. Die Wahlvoraussetzungen für die Mitglieder von Provinziallandtag und Provinzialausschuss waren in etwa wieder die gleichen, auch wenn nunmehr auch Frauen das passive Wahlrecht hatten: Wählbar […] sind alle im Besitz der deutschen Reichsangehörigkeit befindlichen, weder entmündigten noch unter vorläufiger Vormundschaft stehenden Männer und Frauen, welche am Tage der Wahl das 20. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens 6 Monaten ihren Wohnsitz in der Provinz haben (§ 3). Für die Neuwahlen zu den Provinzialausschüssen durch die neu zu wählenden Provinziallandtage galten einige Veränderungen, darunter das Verhältniswahlsystem: Die Wahl der Mitglieder und der Stellvertreter hat auf Grund getrennter Wahlvorschläge zu erfolgen. Zur Einreichung eines Wahlvorschlages sind sieben Unterschriften erforderlich. Der Vorsitzende des Provinzialausschusses und sein Stellvertreter werden aus den Mitgliedern des Provinzialausschusses vom Provinziallandtag in getrennten Wahlhandlungen durch Stimmenmehrheit gewählt. Der Provinziallandtag wurde ermächtigt, die näheren Bestimmungen über das Verhältniswahlsystem zu beschließen (§ 7). Aufgehoben wurden ferner die Bestimmungen der Provinzialordnungen, denen zufolge Beamte von der Wahl […] ausgeschlossen sind (§ 8). Den vorstehenden Vorschriften entgegenstehende Vorschriften in Provinzialordnungen oder Gesetzen wurden aufgehoben (§ 9). Wegen der besonderen Verhältnisse unter der Besatzung galt dieses Gesetz jedoch einstweilen nicht in der Rheinprovinz. Das Staatsministerium wurde ermächtigt, die spätere Einführung des Gesetzes dort vorzunehmen (§ 10). Dieses erfolgte durch Anordnung des Staatsministeriums vom 4.5.1920.
Bevor diese Bestimmungen in der Rheinprovinz in Kraft gesetzt werden konnten, wurde, wie bereits beschrieben, der Provinzialausschuss der Rheinprovinz im Mai 1920 aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung durch sechs zusätzliche Mitglieder und Stellvertreter ergänzt, die aus den nach § 3 des Gesetzes vom 16.7.1919 wählbaren Angehörigen der Rheinprovinz nach Anhörung des Provinzialausschusses durch die Staatsregierung ernannt werden sollten. Dies erfolgte nicht vor dem Hintergrund, dass vier Stellen im Provinzialausschuss mittlerweile vakant waren, sondern vielmehr, um den Provinzialausschuss, der ja vorübergehend Aufgaben und Zuständigkeiten des bisherigen Provinziallandtags übernehmen sollte, auf ein breiteres (partei)politisches Fundament zu stellen. Es sollte auch solchen Berufs-, Bevölkerungs- und politischen Gruppen eine Möglichkeit der Mitwirkung gegeben werden, die bisher im Provinzialausschuss nicht vertreten sind, wie es der Minister des Innern gegenüber dem Landeshauptmann am 21.4.1920 ausdrückte. Gemeint waren im Wesentlichen Vertreter der sozialdemokratischen Parteien und des linken Zentrumsflügels. Neue Mitglieder des unter dieser Prämisse erweiterten Provinzialausschusses waren sechs Gewerkschafts- und SPD-Parteisekretäre, zwei der SPD angehörende Beigeordnete, ferner Vertreter des Handwerks, der Industrie und des Schulwesens.
Nachdem die Rheinlandkommission am 14.7.1920 die Durchführung der Neuwahlen zum Provinziallandtag auf der gesetzlichen Grundlage vom Juli 1919 genehmigt hatte, fanden die Wahlen zum Provinziallandtag am 24. September statt, noch indirekt, also durch die Stadtverordnetenversammlungen und Kreistage. Der neu gewählte 59. Provinziallandtag trat am 5. Dezember zusammen und wählte am 11. Dezember den neuen Provinzialausschuss, erstmals nach dem Verhältniswahlrecht. Seine 14 Mitglieder und Stellvertreter verteilten sich wie folgt auf die Parteien: Zentrum (jeweils neun), SPD (zwei Mitglieder), USPD (zwei Stellvertreter), Arbeitsgemeinschaft (DVP/DNVP, jeweils drei). Als diese Wahl vorgenommen wurde, war schon ein neues Gesetz für die Wahlen zu den Provinziallandtagen beschlossen, das am 9.1.1921 in Kraft treten sollte. Das Verfahren der erneuten Wahl des Provinzialausschusses – binnen dreißig Tagen und bei der ersten Tagung nach der Wahl zum Provinziallandtag – regelte § 24: Sie hatte nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu erfolgen. Der Vorsitzende des Provinzialausschusses und sein Stellvertreter werden aus den Mitgliedern des Provinzialausschusses vom Provinziallandtag gewählt. Im Übrigen waren die näheren Bestimmungen über die Wahlart durch Beschluß des neuen Provinziallandtags festzusetzen. Wählbar war jeder, der zum Provinziallandtag wählbar war. Bis zur Neuwahl des Provinzialausschusses blieben dessen bisherige Mitglieder behufs Erledigung der laufenden Geschäfte in ihren Ämtern. Nicht eindeutig geregelt war die Wahlzeit der Mitglieder des Provinzialausschusses, denn nach § 31 (soweit nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist) hätte statt der in § 11 des Gesetzes normierten vierjährigen Wahlzeit (des Provinziallandtages) auch noch die sechsjährige Wahlzeit des Provinzialausschusses nach § 48 der Provinzialordnung in Betracht kommen können. In der Praxis galt aber, dass die Wahlzeit ebenfalls vier Jahre betrug. Die Wahlen zum Provinziallandtag auf dieser Grundlage fanden am 20.2.1921 statt. Der neu gewählte 60. Provinziallandtag wählte am 15.3.1921 die 14 Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Provinzialausschusses, die sich wie folgt auf die Parteien verteilten: Zentrum (jeweils sieben), SPD (jeweils drei), Arbeitsgemeinschaft (DVP/DNVP, jeweils zwei), VKPD (jeweils ein), DDP (ein Stellvertreter), parteilos (ein Mitglied).
Durch das neue Wahlgesetz zu den Provinziallandtagen vom 25.10.1925 wurden die Wahlen zum Provinzialausschuss nicht mehr gesondert geregelt, sondern in dessen viertem Abschnitt generell unter der Überschrift „Wahlen durch den Provinziallandtag“ mit berücksichtigt. Hervorhebenswert ist die Bestimmung, dass ein vom Provinziallandtag gewählter Stellvertreter auch in Fällen nur vorübergehender Behinderung des Gewählten zu seiner Vertretung berechtigt sei (§ 24 Absatz 4), das galt unter anderem für den Provinzialausschuss und den Staatsrat. Weiterhin bestimmte § 31, dass die vom Provinziallandtag vorzunehmenden Wahlen, soweit nicht gesetzlich etwas anders bestimmt ist oder es sich um nur einmalige Aufträge handelt, auf die Dauer der Wahlzeit des Provinziallandtages erfolgten – auch hier fehlte, wie schon 1921, eine eindeutige Regelung der Wahlzeit des Provinzialausschusses. Diese Wahlvorschriften blieben dann bis 1933 in Geltung. Auf dieser Grundlage fanden die Wahlen zum Provinziallandtag am 29.11.1925 statt.
Der neu gewählte 70. Provinziallandtag wählte am 26./27.1.1926 die 14 Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Provinzialausschusses, die sich wie folgt auf die Parteien verteilten: Zentrum (sieben Mitglieder, sechs Stellvertreter), SPD (jeweils zwei), DNVP (zwei Mitglieder, ein Stellvertreter), DVP (ein Mitglied, zwei Stellvertreter), DDP (ein Stellvertreter), VKPD (jeweils ein), Sparerbund (ein Mitglied), Wirtschaftspartei (ein Stellvertreter). Die nächsten Wahlen zum Provinziallandtag fanden am 17.11.1929 statt. Der neu gewählte 76. Provinziallandtag wählte am 21.1.1930 Oberbürgermeister Konrad Adenauer (Zentrum) zum Vorsitzenden des Provinzialausschusses und dessen 13 Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder, die sich wie folgt auf die Parteien verteilten: Zentrum (jeweils fünf), SPD (jeweils zwei), DNVP (ein Mitglied, zwei Stellvertreter), DVP (jeweils zwei), DDP/DStP (ein Mitglied), KPD (jeweils eins), Wirtschaftspartei (jeweils eins).
Durch Verordnung des Preußischen Staatsministeriums – die Kommissare des Reichs – vom 4.2.1933 wurden die Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände, also auch die Provinziallandtage, aufgelöst. Als Termin für die Neuwahl der aufgelösten Vertretungskörperschaften wurde durch eine weitere Verordnung vom selben Tage der 12.3.1933 festgesetzt. Durch die Auflösung der Vertretungskörperschaften wurde die Zusammensetzung der Gemeindevorstände zunächst nicht berührt. So blieben die ehrenamtlichen Mitglieder der Gemeindevorstände bis zur Einführung der neugewählten Mitglieder im Amte. […] Das gleiche gilt für die Mitglieder des Provinzialausschusses […]. Der am 12. März gewählte 80. Provinziallandtag wählte am 11.4.1933 Gauleiter Friedrich Karl Florian (NSDAP) zum Vorsitzenden des Provinzialausschusses und dessen 13 Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder auf folgenden Wahlvorschlägen: NSDAP (jeweils sechs), Zentrum (jeweils fünf), Kampffront Schwarz-Weiß-Rot (jeweils zwei).
Bis 1918 wurden, mit einer Ausnahme (Albert Kesselkaul, Aachen), nur Mitglieder des Provinziallandtages als reguläre oder stellvertretende Mitglieder des Provinzialausschusses gewählt. Von den zwölf im Mai 1920 durch das Staatsministerium nachberufenen Mitgliedern und Stellvertretern gehörten neun überhaupt nicht, einer vorher und zwei nachher dem Provinziallandtag an, von den nach 1920 gewählten Mitgliedern ebenfalls zwei später dem Provinziallandtag an. Insgesamt waren zwischen 1888 und 1933 nur zwölf Mitglieder des Provinzialausschusses nicht zugleich im Provinziallandtag. Hierbei unberücksichtigt blieben die Mitglieder des Provinzialausschusses, die nicht während der gesamten Dauer dieser Zugehörigkeit auch in den Provinziallandtag gewählt waren.
Quellen
Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 (Preußische Gesetzsammlung [GS.] 1881, S. 234).
Gesetz, betreffend die Provinzialordnung der Rheinprovinz vom 1. Juni 1887 (GS. 1887, S. 249).
Gesetz, betreffend die Wahlen zu den Provinziallandtagen und zu den Kreistagen vom 3.12.1920 (GS. 1921, S. 1).
Wahlgesetz für die Provinziallandtage und Kreistage vom 7.10.1925 (GS. 1925, S. 123, geändert durch Gesetz vom 29.10.1928, GS. 1928, S. 197).
Gesetz über die Bestellung von Mitgliedern des Reichsrats durch die Provinzialverwaltungen vom 3. Juni 1921 (GS. 1921, S. 379).
Gesetz über die Übertragung von Zuständigkeiten der Provinziallandtage auf die Provinzialausschüsse vom 24. Mai 1933 (GS. 1933, S. 189).
Gesetz über die Übertragung von Zuständigkeiten der Provinzial-(Kommunal-)landtage, der Verbandsversammlung des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk und der Kreistage auf die Provinzial-(Landes-)ausschüsse, den Verbandsausschuß und die Kreisausschüsse vom 17. Juli 1933 (GS. 1933, S. 257).
Gesetz über die Erweiterung der Befugnisse der Oberpräsidenten vom 15. Dezember 1933 (GS. 1933, S. 477).
Literatur
Bär, Max, Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, Bonn 1919, zweiter Nachdruck 1998.
Lilla, Joachim, Der Provinzialausschuss der Rheinprovinz 1888 bis 1933, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 214 (2011), S. 215-271.
Romeyk, Horst, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz 1914-1945, Düsseldorf 1985.
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Lilla, Joachim, Der Provinzialausschuss der Rheinprovinz 1888-1933, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-provinzialausschuss-der-rheinprovinz-1888-1933/DE-2086/lido/57d127aa0ea229.39277219 (abgerufen am 06.12.2024)