Zu den Kapiteln
Wilhelm Peter Millowitsch, stets Willy genannt, war ein Kölner Volks- und Filmschauspieler, Regisseur und Leiter des Volkstheaters Millowitsch. Er ist das bekannteste Mitglied der Millowitsch-Dynastie, gilt als Kölner Urgestein und Verkörperung des rheinischen Frohsinns.
Wilhelm Peter Millowitsch wurde am 8.1.1909 im Kölner Pantaleonsviertel in die Theaterdynastie Millowitsch hineingeboren. Diese ist nachweislich seit 1792 in Köln ansässig und trat ursprünglich mit einem Stockpuppentheater auf. Der Großvater, Wilhelm Josef Millowitsch (1854-1909) wagte es, statt Puppen echte Schauspieler auf die Bühne zu bringen. Außerdem vergrößerte er das Repertoire an Stücken und hatte überregional großen Erfolg. Der Vater Peter Wilhelm Millowitsch (1880-1945) übernahm 1920 die Theaterleitung und war aufgrund der Krisenzeiten gezwungen, an wechselnden Spielstätten zu spielen. 1936 erwarb er das Gebäude in der Aachener Straße 5, das bis heute Heimat des Volkstheater Millowitsch ist. Verheiratet war er mit der Tänzerin Katharina Luise, genannt Käthe, Plank (1881-1942), die aus Wien stammte. Sie hatten neben Willy noch die Tochter Lucy (1905-1990).
Als Willy Millowitsch fünf Jahre alt war, zog die Familie nach Lövenich, das damals noch nicht nach Köln eingemeindet war. Dort wohnte er bis zu seinem Lebensende. Er war zweimal verheiratet: 1939 hatte er Linny Lüttgen geehelicht, von der er nach wenigen Jahren geschieden wurde. 1946 heiratete er Gerda Feldhoff (1922-2004). Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Katarina (1947), Peter (1949), Susanne (1953) und Mariele (1955).
Willy Millowitsch war von klein an in das Familienunternehmen eingebunden. Zunächst übernahm er Kinderrollen, später auch andere Tätigkeiten im Theater. Er erlebte, wieviel persönlichen Einsatz es verlangt, den wirtschaftlichen Erfolg eines Bühnenbetriebs zu sichern. 1922 verließ er ohne Abschluss die Schule. Er absolvierte weder eine Berufs- noch eine Schauspielerausbildung. Im Laufe der Zeit wurden seine Rollen größer. Jedoch stand er immer im Schatten seines überaus beliebten Vaters, der nicht viel von den Fähigkeiten des Sohnes hielt. Als dieser einmal kurzfristig für den Vater einspringen musste, wurde er sogar vom enttäuschten Publikum ausgebuht. Peter Wilhelm Millowitsch war jedoch gesundheitlich so angeschlagen, dass er 1940 die Leitung des Theaters an seinen Sohn Willy abgeben musste.
Während des Zweiten Weltkriegs ging das Ensemble auf Fronttournee, veranstaltet von der NS-Organisation „Kraft durch Freude“. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges leitete Willy das Millowitsch-Theater zunächst gemeinsam mit seiner Schwester Lucy in sechster Generation. Beide standen als Schauspieler auf der Bühne, Willy führte bei einigen Stücken auch Regie. Das Haus in der Aachener Straße hatte im Krieg nur geringe Schäden erlitten, die mit Unterstützung des damaligen Oberbürgermeisters Konrad Adenauer zügig behoben wurden. „Ich will, dat Se so bald wie möglich wieder Theater spielen können. Die Leute sollen wieder wat zu lachen haben.“ So äußerte Adenauer sich gegenüber Millowitsch.
Im Oktober 1945 nahm das Theater den Spielbetrieb mit dem Stück „Das Glücksmädel“ wieder auf. Die täglichen Aufführungen fanden beim Publikum zunächst großen Anklang. Aber schon ab 1947 mussten zusätzliche Kinovorführungen die Einnahmen aufbessern. Das Millowitsch-Theater ist bis heute ein privates Unternehmen und nie aus öffentlichen Mitteln subventioniert worden. Anfang der 1950er Jahre musste der Theaterbetrieb zeitweise sogar ganz eingestellt werden, da den Menschen wieder ein breiteres Freizeitangebot zur Verfügung stand und das Mundarttheater an Attraktivität verloren hatte.
Da bot sich mit dem Fernsehen eine neue Chance. Am 27.10.1953 sendete der Nordwestdeutsche Rundfunk zum ersten Mal ein Stück aus dem Millowitsch-Theater: „Der Etappenhase“. Es war die erste Live-Übertragung aus einem deutschen Theater. Mehr als 100 Sendungen aus der Aachener Straße, später aus dem Fernsehstudio, folgten, die allesamt sehr erfolgreich waren. Die Fernsehübertragungen brachten dem Millowitsch-Theater und seinem Leiter nicht nur deutschlandweite Popularität ein, sondern sicherten auch seine Existenz. Allerdings sprach das Ensemble kein reines Kölsch, sondern „Kölsch met Knubbele“, also Rheinisch, damit jedermann den Stücken folgen konnte.
Seit 1949 wirkte Willy Millowitsch auch in Spielfilmen mit. Der erste war „Gesucht wird Majora“. Meist handelte es sich um Komödien, darunter „Drei Mann auf einem Pferd“ (1957), „Vater, Mutter und neun Kinder“ (1958) oder „Zum Teufel mit der Penne“ (1968). Er spielte mit Schauspielern wie Nadja Tiller (geboren 1929), Lieselotte Pulver (geboren 1929), Romy Schneider (1928-1982), Theo Lingen (1903-1978), Walter Giller (1929-2011) oder Peter Alexander (1926-2011). 1985 erhielt er eine Rolle neben Chevy Chase (geboren 1943) in dem US-Spielfilm „Hilfe, die Amis kommen“ („National Lampoon’s European Vacation“).
In hohem Alter übernahm er den Part des pensionierten „Kriminalkommissar Klefisch“ in der gleichnamigen Fernsehserie, den er von 1990 bis 1996 in sechs Folgen verkörperte. Mit dieser ernsten Rolle konnte er endlich auch das breite Publikum davon überzeugen, dass er mehr als nur ein Komödiant und Spaßmacher war. Seit Ende der 1970er Jahre hatte er immer wieder ernste Rollen im Theater oder in Fernsehfilmen übernommen, wie in Molières „Der Bürger als Edelmann“ oder Else Laske -Schülers „Die Wupper“. Außer den Theaterkritikern, die ihn bis dahin teils massiv angegriffen hatten, hatten davon jedoch nur wenige Zuschauer Notiz genommen.
Willy Millowitsch trat auch gemeinsam mit seiner Schauspielkollegin Heidi Kabel (1914-2010) auf, die die Hamburger Region und das Plattdeutsche ebenso repräsentierte wie Willy Millowitsch das Rheinische und genau so populär beim Publikum war. Im Ohnesorg-Theater standen 1968 beide gemeinsam im Stück „Die Kartenlegerin“ auf der Bühne. Im Fernsehen waren sie neben gemeinsamen Gastauftritten in zwei Serien zu sehen. 1970 produzierte das ZDF die Serie Hei-Wi-Tip-Top, die jedoch bei den Zuschauern nicht ankam. 1977/1978 strahlte das WWF (Westdeutsche Werbefernsehen) 16 Episoden der Sketchreihe Kabillowitsch aus.
Außerdem drehte Willy Millowitsch Werbespots, war im Rundfunk zu hören, schrieb Bücher und trat als Sänger auf. 1960 schloss er seinen ersten Schallplattenvertrag ab. Insgesamt gibt es 30 Langspielplatten von ihm. Zu seinen bekanntesten hochdeutschen Liedern zählen „Schnaps, das war sein letztes Wort“ und „Wir sind alle kleine Sünderlein“. Auch kölsche Lieder gehörten zu seinem Repertoire, die er vor allem bei Karnevalsveranstaltungen wie der „Lachenden Sporthalle“ zum Besten gab. Untrennbar mit seiner Person verbunden ist das von Fritz Weber (1909-1984) getextete und komponierte Lied „Ich ben ene kölsche Jung“, das das Publikum bei seinen Auftritten insbesondere in den späten Jahren automatisch anstimmte.
1992 trat er bei der Veranstaltung „Arsch huh, Zäng ussenander!“ auf und las aus Carl Zuckmayers „Des Teufels General“ den Monolog des General Harras über die unterschiedliche Herkunft der Menschen am Rhein.
1996 übergab er die Leitung des Millowitsch-Theaters an seinen Sohn Peter. Anlässlich seines 90. Geburtstages am 8.1.1999 wurde der Jubilar in einer Fernseh-Gala von vielen Prominenten aus Kultur und Politik gefeiert. Es war sein letzter öffentlicher Auftritt.
Am 20.9.1999 starb Willy Millowitsch im St. Elisabeth-Krankenhaus Köln-Hohenlind. Fünf Tage später fand im Kölner Rathaus eine Trauerfeier statt, an der außer der Familie viel Prominenz teilnahm, darunter Vertreter aus der Politik wie der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement (Ministerpräsident 1998-2002) und Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes (Amtszeit 1978-1999), sowie Kollegen aus Kunst und Kultur, unter anderem Heidi Kabel. Oberbürgermeister Norbert Burger (Amtszeit 1980-1999) würdigte ihn in einer Ansprache, die Trauerrede hielt der frühere Intendant des Kölner Schauspielhauses, Jürgen Flimm (geboren 1941). Anschließend feierten Weihbischof Dr. Friedhelm Hofmann (Episkopat seit 1992, 2004-2017 Bischof von Würzburg und Dompropst Bernard Henrichs (1928-2007) im Kölner Dom die Totenmesse. Als der Sarg aus dem Dom herausgetragen wurde, stimmte Domorganist Professor Clemens Ganz (geboren 1935) das Lied „Ich ben ene kölsche Jung“ in Moll an. Unzählige Menschen verfolgten den Trauerzug über Neumarkt und Aachener Straße am Straßenrand. Er wurde auch im WDR (Westdeutscher Rundfunk) übertragen. Die Beisetzung fand auf dem Friedhof Melaten statt.
Ehrungen
Willy Millowitsch erhielt mehrere Fernsehpreise, unter anderem 1983 als erster den vom WDR ausgeschriebenen Telestar, 1990 und 1992 den Bambi, 1994 den Bayerischen Fernsehpreis
1982 wurde eine Edelrose ihm zu Ehren „Wimi“ benannt. Er selbst taufte die Rose mit den Worten: „Bisher konntet ihr mich sehen und hören, jetzt könnt ihr mich sogar riechen“.
1984 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
1989 erhielt er die Ehrenbürgerschaft der Stadt Köln und den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen.
1992 wurde ihm auf dem Eisenmarkt vor dem Hänneschen-Theater ein Denkmal errichtet. Es zeigt Willy Millowitsch auf einer Bank sitzend. Er ist bisher der einzige Kölner Bürger, der bereits zu Lebzeiten ein Denkmal erhalten hat, was Kontroversen auslöste.
1994 wurde ihm die Willi-Ostermann-Medaille in Gold verliehen.
2002 erhielt die Grünfläche am Rudolfplatz/Aachener Straße wegen ihrer Nähe zum Millowitsch-Theater den Namen „Willy-Millowitsch-Platz“. Da dieser Platz jedoch in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde, benannte man 2013 stattdessen den Platz an der Breite Straße und Gertrudenstraße nach dem Volksschauspieler. Ein Jahr später wurde das Denkmal vom Eisenmarkt dorthin umgesetzt.
Seit 2003 verleiht das Festkomitee Kölner Karneval die Willy-Millowitsch-Medaille an Menschen, die sich um die „zotenfreie und kultivierte Kölsche Rede“ verdient gemacht haben.
Werke (Auswahl)
Heiter währt am längsten. Die Bühne meines Lebens, Wien 1988.
Literatur (Auswahl)
Driessen, Christoph, Köln. Eine Stadt in Biographien, München 2015, S. 106-113.
Oelsner, Wolfgang, Millowitsch, Willy in: Soénius, Ulrich S./Wilhelm, Jürgen (Hg.), Kölner Personen-Lexikon, Köln 2008, S. 370-371.
Renckhoff, Dorothea, Willy Millowitsch. Lebensbilder, Theaterbilder, Köln 1996
Schmidt, Gérard, Kölsche Stars, Köln 1992, S. 133-148.
Sebastian, Robert, Tschö Willy! Zur Erinnerung an Willy Millowitsch, Deutschlands beliebtesten Volksschauspieler, Rastatt o.J.
Online
Volkstheater Millowitsch. [online]
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Nitt, Ingeborg, Willy Millowitsch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/willy-millowitsch/DE-2086/lido/5cd945be3e6030.49404723 (abgerufen am 09.10.2024)