Carl Humann

Archäologe (1839-1896)

Markus Kirschbaum (Koblenz)

Porträtfoto von Carl Humann. (Carl-Humann-Stiftung)

Der Ent­de­cker des Per­ga­mo­nal­tars war we­der aus­ge­bil­de­ter Ar­chäo­lo­ge noch ex­ami­nier­ter In­ge­nieur, son­dern ein Self­ma­de­man und vor al­lem ein Idea­list. Der Zwang, ei­ne Lun­gen­er­kran­kung in mil­de­rem Kli­ma zu über­win­den, brach­te ihn zur Ar­chäo­lo­gie. Hu­mann war nicht nur der ers­te Aus­grä­ber der At­ta­li­den­re­si­denz Per­ga­mon, son­dern lie­fer­te auch die ers­ten brauch­ba­ren Plä­ne an­de­rer klein­asia­ti­scher Rui­nen­stät­ten wie Hier­a­po­lis, Mi­let, Prie­ne und Ephe­sos. 20 Jah­re lang kämpf­te er für Per­ga­mon. Da­bei lern­te er Spra­che und Men­ta­li­tät der Tür­ken wie der No­ma­den ken­nen und mit ih­nen um­zu­ge­hen. Gleich­zei­tig war er, des­sen ers­tes An­lie­gen die Ret­tung und Be­wah­rung von Al­ter­tü­mern war, Teil ei­nes Pro­zes­ses, in des­sen Ver­lauf die Wis­sen­schaft und de­ren In­sti­tu­tio­nen eng ver­wo­ben wa­ren mit der Welt der Po­li­tik.

Carl Wil­helm Hu­mann wur­de am 4.1.1839 in Stee­le (heu­te Stadt Es­sen) als Sohn des Gast­wirts und Stein­bruch­be­sit­zers Franz Wil­helm Hu­mann (1806-1870) und sei­ner Ehe­frau Ma­ria Ca­tha­ri­na vom Kolke (1805-1887) als zwei­tes von sechs Kin­dern ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie be­trieb in Stee­le am Markt ei­nen Gast­hof mit Re­stau­ra­ti­ons­be­trieb. Da­ne­ben un­ter­hielt der Va­ter ei­nen flo­rie­ren­den Wein­han­del, ge­lang­te zu An­se­hen und wur­de Stadt­ver­ord­ne­ter. Sohn Carl ver­leb­te im länd­lich ge­präg­ten Um­feld ei­ne un­be­schwer­te Ju­gend. Mit sei­ner Hei­mat soll­te er sich stets ver­bun­den füh­len. In Stee­le – die noch selb­stän­di­ge Stadt ver­lieh ihm 1890 das Eh­ren­bür­ger­recht – be­fin­det sich auch das nach ihm be­nann­te Gym­na­si­um.

1850 kam Carl Hu­mann auf das Kö­nig­li­che Gym­na­si­um am Burg­platz in Es­sen, wo er im Au­gust 1859 das Ab­itur ab­leg­te. Nach ei­nem Prak­ti­kum als In­ge­nieur­sas­sis­tent beim Feld­mes­ser­dienst und beim Bau der Bahn­stre­cke Es­sen-Stee­le-Hön­trop-Bo­chum stu­dier­te er ab Herbst 1860 an der Kö­nig­li­chen Bau­aka­de­mie in Ber­lin. Be­su­che des Al­ten Mu­se­ums so­wie sein aka­de­mi­scher Leh­rer Hein­rich Strack (1805-1880), Er­bau­er der Na­tio­nal­ga­le­rie, der Sie­ges­säu­le und des Joa­chimst­hal­schen Gym­na­si­ums, ver­ban­den Hu­manns ju­gend­li­che Be­geis­te­rung für die An­ti­ke mit dem As­pekt des tie­fen Erns­tes der Wis­sen­schaft und lie­ßen sein In­ter­es­se vor al­lem für die an­ti­ke Bau­kunst wach­sen.

Am 6.12.1860 wur­de Hu­mann in die stu­den­ti­sche Ver­bin­dung „Mo­ti­v“ auf­ge­nom­men. In den Se­mes­ter­fe­ri­en 1861 wur­de bei ei­nem Be­such in Stee­le beim ihm Lun­gen­lei­den dia­gnos­ti­ziert, das ei­nen ra­schen Kli­ma­wech­sel ge­bot. Bru­der Franz (ge­stor­ben 1893), der in Os­ma­ni­schen Diens­ten auf Sa­mos als To­po­graph und aus pri­va­tem In­ter­es­se an der Er­for­schung des dor­ti­gen Hera­tem­pels ar­bei­te­te, lud ihn nach Sa­mos ein, wo Carl, sein Stu­di­um in Ber­lin vor­zei­tig be­en­dend, am 15.11.1861 an­kam.

 

Franz Hu­mann setz­te sei­nen Bru­der auf die Er­neue­rung des Ha­fens Ti­ga­ni an und führ­te ihn in die an­ti­ke Bo­den­kun­de ein. Franz ent­deck­te sei­ner­zeit die an­ti­ke Ha­fen­mo­le und hat­te mit Un­ter­su­chun­gen am be­rühm­ten Hera­tem­pel be­gon­nen. Die Wei­ter­füh­rung der Gra­bung bot er Carl an, der 1862 ei­ni­ge Mo­na­te am Herai­on grub, wo­bei ihm ers­te Er­kennt­nis­se über den Grund­riss und den Vor­gän­ger­bau ge­lan­gen. An­fang 1863 ging er nach Smyr­na, um in den Han­del mit Schmir­gel, ei­nem grob­kör­ni­gen Mi­ne­ral, das auf der In­sel Na­xos an­steht, ein­zu­stei­gen. Der aus­blei­ben­de Er­folg ließ ihn nach Is­tan­bul zie­hen, wo er für den bri­ti­schen Bot­schaf­ter Sir Hen­ri Bul­wer (1801-1872) auf der In­sel Pla­ti ein Som­mer­pa­lais bau­te. Ver­mut­lich durch die Ver­mitt­lung Bul­wers mach­te Hu­mann die schick­sal­haf­te Be­kannt­schaft des tür­ki­schen Groß­we­sirs Meh­med Fuad Pa­scha (1814-1869). In des­sen Auf­trag er­forsch­te er bis 1867 wei­te Tei­le des Os­ma­ni­schen Rei­ches, um Tras­sen für Stra­ßen- und Ei­sen­bahn­pro­jek­te zu er­schlie­ßen. Zwi­schen 1864 und 1866 stan­den ei­ne Lan­des­auf­nah­me zwi­schen Jaf­fa und Je­ru­sa­lem so­wie die Ver­mes­sung ei­ner ge­plan­ten Ei­sen­bahn­li­nie in Pa­läs­ti­na an. Vom Ge­bir­ge des Ost­bal­kans bis zum nord­west­li­chen Klein­asi­en spann­te sich die Un­ter­su­chung, die Hu­mann wert­vol­le Kennt­nis­se über das Er­ken­nen und Be­ur­tei­len des Ter­rains brach­te. Sei­ne Ar­beit führ­te ihn im Win­ter 1864/1865 in die klei­ne Ha­fen­stadt Di­keli an der io­ni­schen Küs­te, nur fünf Stun­den zu Pferd ent­fernt von Per­ga­mon. Als er der al­ten At­ta­li­den­re­si­denz ei­nen Be­such ab­stat­te­te, zo­gen ihn der Zie­gel­bau des Se­ra­pei­ons, die selçu­ki­sche Mo­schee, das Thea­ter und vor al­lem der Burg­berg mit sei­nen wei­ten Rui­nen­fel­dern so­fort in ih­ren Bann. In­mit­ten des ge­wal­ti­gen Trüm­mer­fel­des ver­fiel er in Grü­beln über die Rät­sel des Or­tes. Gleich­zei­tig kam sei­ne Ent­schlos­sen­heit, die an­ti­ken Kunst­schät­ze vor der Ver­nich­tung zu be­wah­ren, zum Tra­gen. An­ge­sichts der vie­len Brenn­öfen - durch das Ver­bren­nen von Mar­mor wur­de Kalk ge­won­nen - ließ er durch Ein­grei­fen des Groß­we­sirs das Kalk­bren­nen ver­bie­ten und be­en­de­te die Zer­stö­rung wei­te­rer mar­mor­ner Bau­plas­tik auf der Burg. Wäh­rend sei­nes Be­su­ches wohn­te er bei dem grie­chi­schen Arzt Ni­ko­la­os Ral­lis, in des­sen Haus er die ers­te Re­li­ef­plat­te sah, die aus der Gi­gan­to­ma­chie des Per­ga­mo­nal­tars stamm­te, was zu die­sem Zeit­punkt noch un­be­kannt war.

1867 er­hielt sein Bru­der Franz, mitt­ler­wei­le eben­falls in Is­tan­bul an­säs­sig, die Kon­zes­si­on des Sul­tans zum Bau von fünf Fern­stra­ßen, an dem sich Carl und der dritt­jüngs­te Bru­der Wil­helm be­tei­li­gen woll­ten. Für den Bau der Stre­cke Bah­ke­sir-Band­ri­ma und Ay­va­lik-Di­keli-Ber­g­a­ma-Kir­kağaç schlug Carl Hu­mann sein Haupt­quar­tier 1868 in Ay­va­lik auf, ein Jahr spä­ter end­gül­tig in Ber­g­a­ma. In staat­li­chem Auf­trag ar­bei­tend, mit ei­nem Be­am­ten­stab aus­ge­stat­tet, hat­te er vor Ort qua­si Be­fug­nis­se wie ein Pa­scha und ge­bot über 2.000 Ar­bei­ter, 1.000 Zu­goch­sen und 500 Ka­me­le, Esel und Pfer­de. Ne­ben sei­ner ei­gent­li­chen Auf­ga­be küm­mer­te er sich wei­ter­hin um die Ret­tung der Al­ter­tü­mer auf dem Burg­berg. So ließ er ei­nen Mann ein­sper­ren, der ein Hoch­re­lief mit der Dar­stel­lung ei­nes Got­tes - es wur­de spä­ter als zur Gi­gan­to­ma­chie ge­hö­rig iden­ti­fi­ziert - zu Trep­pen­stu­fen zu­recht­ge­hau­en hat­te.

Ernst Cur­ti­us (1814-1896), Lei­ter des An­ti­qua­ri­um­s ­des Al­ten Mu­se­ums in Ber­lin, Fried­rich Ad­ler (1827-1908), Bau­rat an der Aka­de­mie und Hein­rich Gel­zer (1847-1906), Sti­pen­di­at des in den Rang ei­ner preu­ßi­schen Staats­an­stalt er­ho­be­nen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, be­such­ten im Herbst 1871 Per­ga­mon. Dort zeig­te ih­nen Hu­mann die von ihm ent­deck­ten bei­den Re­li­ef­plat­ten, wel­che in der by­zan­ti­ni­schen Stadt­mau­er ver­baut wa­ren. Cur­ti­us bat Hu­mann, Plan­skiz­zen von Per­ga­mon, Ephe­sos und Phil­adel­phia auf­zu­neh­men, die 1872 in den Ab­hand­lun­gen der Ber­li­ner Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten ver­öf­fent­licht wur­den. Gleich­zei­tig soll­te Hu­mann nach Mög­lich­keit durch klei­ne­re Gra­bun­gen oder Kauf Aus­stel­lungs­stü­cke für die Ber­li­ner Mu­se­en be­schaf­fen.

Am 9.12.1871 be­rich­te­te Hu­mann in ei­nem Brief an den deut­schen Kon­sul Jo­han­nes Lühr­sen (1838-1903) in Smyr­na über kämp­fen­de Rie­sen in ei­nem durch­lau­fen­den Tem­pel­fries. Am 19.12.1871 schrieb Hu­mann an Cur­ti­us, er ha­be die bei­den be­sag­ten Fries­plat­ten aus der Mau­er ge­bro­chen; zu­sam­men mit dem von Ral­lis ge­ret­te­ten Block stell­ten die drei Stü­cke Tei­le ei­nes Frie­ses ei­nes be­deut­sa­men Ge­bäu­des dar. Zur glei­chen Zeit wur­de Hu­mann bei den Ar­bei­ten am Plan von Per­ga­mon von der Schräg­la­ge ei­nes To­res am an­ti­ken Thea­ter alar­miert. Er folg­te ei­ner Rei­he um­ge­stürz­ter Säu­len in des­sen Ach­se durch die Fel­der. Am En­de be­fand sich ein gro­ßer Trüm­mer­hau­fen mit war­men Quel­len. Da er für den Weg zehn Mi­nu­ten brauch­te, schloss Hu­mann, es müs­se sich um ei­ne Pro­zes­si­ons­stra­ße han­deln, die an ei­nem wei­te­ren in der An­ti­ke be­rühm­ten Mo­nu­ment en­de­te: Er hat­te das As­kle­pei­on ent­deckt. Die­ses Hei­lig­tum war seit dem 4. Jahr­hun­dert v. Chr. dem Kult des Got­tes der Heil­kunst ge­wid­met und stell­te in der An­ti­ke ei­nen be­deu­ten­den Wall­fahrts­ort dar.

Hu­mann hat­te sich im­mer wie­der bei Cur­ti­us für ei­ne of­fi­zi­el­le Gra­bung in Per­ga­mon ein­ge­setzt. Die Ho­he Pfor­te - die Re­gie­rung des Os­ma­ni­schen Rei­ches - war mit den Zah­lun­gen für den Stra­ßen­bau der­ar­tig im Rück­stand, dass das Un­ter­neh­men 1873 zu­sam­men­brach. Hu­mann über­sie­del­te nach Smyr­na, wo­hin er sei­ne An­ti­ken­samm­lung aus Per­ga­mon brin­gen ließ. Hier bau­te er sich ei­ne neue Exis­tenz im Han­del mit Schmir­gel auf. Er hol­te die Ge­neh­mi­gung zur Aus­fuhr sei­ner Pri­vat­samm­lung nach Ber­lin ein, wor­auf­hin bis 1874 fünf Re­li­ef­plat­ten in das Al­te Mu­se­um ge­lang­ten, wo sie zu­nächst we­nig be­ach­tet wur­den. Wäh­rend­des­sen setz­te sich Hu­mann wei­ter­hin für ei­ne Gra­bung in Per­ga­mon ein, aber von Cur­ti­us kam kei­ne Un­ter­stüt­zung mehr, da die­ser die ers­te staat­lich ge­för­der­te Aus­gra­bung des Deut­schen Rei­ches und die ers­te der­ar­ti­ge über­haupt welt­weit in Olym­pia für 1875 vor­be­rei­te­te.

Wäh­rend ei­ner Rei­se in die Hei­mat hei­ra­te­te Hu­mann am 24.11.1874 in Wat­ten­scheid Loui­se Wer­wer (1843-1928). Aus der Ehe gin­gen vier Kin­der her­vor: Toch­ter Ma­ria (1875-1971), die 1901 den Ar­chäo­lo­gen Fried­rich Sar­re (1865-1945) hei­ra­te­te, ei­ne 1878 im Al­ter von ei­nem Jahr ver­stor­be­ne Toch­ter, Sohn Hans (1878-1933) so­wie der 1889 sie­ben­jäh­rig ver­stor­be­ne Sohn Karl. Wäh­rend die Fa­mi­lie in Smyr­na ih­ren Haus­stand hat­te, nutz­te Hu­mann die Jah­re 1875-1877, um durch aus­ge­dehn­te Rei­sen in Grie­chen­land sei­ne ar­chäo­lo­gi­schen Kennt­nis­se zu ver­fei­nern. Die Re­li­ef­frag­men­te im Al­ten Mu­se­um hin­ge­gen fris­te­ten wei­ter un­er­kannt ein Schat­ten­da­sein und stell­ten ein un­ge­lös­tes Rät­sel dar.

Die Ant­wort auf all die Rät­sel gab schlie­ß­lich ein ein­zi­ger, schlich­ter Satz ei­nes an­ti­ken Au­tors. Per­ga­mo area mar­mo­rea ma­gna, al­ta pe­des qua­dra­gin­ta, cum ma­xi­mis sculp­tu­ris; con­ti­nent au­tem gi­gan­to­ma­ch­iam.[1]  Die­ser kur­ze Ein­trag aus dem Werk „Li­ber me­mo­ria­lis“ (8, 14) des rö­mi­schen Schrift­stel­lers Lu­ci­us Am­peli­us ist der ein­zi­ge si­che­re Hin­weis aus der An­ti­ke über den gro­ßen Mar­mo­ral­tar in Per­ga­mon, 40 Fuß hoch, mit gro­ßen Fi­gu­ren, die ei­ne Gi­gan­ten­schlacht zei­gen. Ei­ne wei­te­re Stel­le bei Pau­sa­ni­as (5, 13, 8) nennt ei­nen Al­tar in Per­ga­mon. Ho­raz (Oden 2, 19, 21 – 24) lie­fert ei­ne in­di­rek­te Be­schrei­bung, da der Text nur ver­ständ­lich wird, wenn der Dich­ter den Per­ga­mo­nal­tar selbst in Au­gen­schein ge­nom­men hat.[2] Ei­ne vier­te Mit­tei­lung im Neu­en Tes­ta­ment (Of­fen­ba­rung des Jo­han­nes 2, 13) ist hin­ge­gen nicht mit dem Al­tar in Ver­bin­dung zu brin­gen.

Als ers­ter ver­wies Fried­rich Wie­seler (1811-1892) im Nach­trag zu sei­nem Ar­ti­kel „Gi­gan­ten“ im Ersch-Gru­ber 1858 auf Am­peli­us´ Nach­richt. Es lässt sich nicht mehr er­mit­teln, wer wie­der­um als ers­ter zwi­schen der Text­stel­le bei Am­peli­us und den Re­li­ef­plat­ten, die Hu­mann nach Ber­lin ge­sandt hat­te, ei­ne Be­zie­hung her­stell­te. Alex­an­der Con­ze (1831-1914) selbst ver­mu­te­te, dass es Fried­rich Matz (1853-1874), Lehr­stuhl­in­ha­ber in Ber­lin, ge­we­sen war. Auch der Mün­che­ner Ar­chäo­lo­ge und gro­ße Neue­rer bei der Be­ur­tei­lung der Kunst­epo­che des Hel­le­nis­mus Hein­rich Brunn (1822-1894) hat­te 1872 aber­mals auf die­se No­tiz hin­ge­wie­sen.

Nun ging es dar­um, die lo­sen En­den der Fä­den zu­sam­men­zu­fü­gen - und Con­ze war der rich­ti­ge Mann da­für. 1877 wur­de Con­ze, der sich durch sei­ne Feld­for­schun­gen auf Sa­mothra­ke ei­nen Na­men ge­macht hat­te, Lei­ter des Skulp­tu­ren­mu­se­ums. Er er­kann­te die ho­he Qua­li­tät der per­ga­me­ni­schen Bruch­stü­cke. Er be­trieb auch mit Un­ter­stüt­zung des preu­ßi­schen Un­ter­richts­mi­nis­ters Adal­bert Falk (1827-1900), des­sen Re­fe­ren­ten für Kunst­an­ge­le­gen­hei­ten Ri­chard Schö­ne (1840–1922) und des Kron­prin­zen Fried­rich Wil­helm (Re­gent­schaft 1888 als Kai­ser Fried­rich III.) die Er­tei­lung ei­ner Gra­bungs­er­laub­nis für Per­ga­mon.

Nun ging es dar­um, die lo­sen En­den der Fä­den zu­sam­men­zu­fü­gen - und Con­ze war der rich­ti­ge Mann da­für. 1877 wur­de Con­ze, der sich durch sei­ne Feld­for­schun­gen auf Sa­mothra­ke ei­nen Na­men ge­macht hat­te, Lei­ter des Skulp­tu­ren­mu­se­ums. Er er­kann­te die ho­he Qua­li­tät der per­ga­me­ni­schen Bruch­stü­cke. Er be­trieb auch mit Un­ter­stüt­zung des preu­ßi­schen Un­ter­richts­mi­nis­ters Adal­bert Falk (1827-1900), des­sen Re­fe­ren­ten für Kunst­an­ge­le­gen­hei­ten Ri­chard Schö­ne (1840–1922) und des Kron­prin­zen Fried­rich Wil­helm (Re­gent­schaft 1888 als Kai­ser Fried­rich III.) die Er­tei­lung ei­ner Gra­bungs­er­laub­nis für Per­ga­mon.

Die fan­tas­ti­sche Ent­de­ckungs­ge­schich­te ei­nes der grö­ß­ten Fi­gu­ren­frie­se der eu­ro­päi­schen Kul­tur war von An­fang an ein Po­li­ti­kum. 1876 er­schüt­ter­ten Auf­stän­de auf dem Bal­kan die tür­ki­sche Herr­schaft; nach dem für das Os­ma­ni­sche Reich de­sas­trös ver­lau­fe­nen Krieg ge­gen Russ­land 1877 muss­te die Ho­he Pfor­te im Frie­den von San Ste­fa­no vom März 1878 den Sie­gern er­heb­li­che Zu­ge­ständ­nis­se ma­chen. Die Be­din­gun­gen die­ses Frie­dens­schlus­ses wur­den auf dem Ber­li­ner Kon­gress im Ju­ni/Ju­li 1878 zu Guns­ten des Os­ma­ni­schen Rei­ches er­heb­lich ge­mil­dert. Be­trei­ber der Re­vi­si­on war vor al­lem der deut­sche Reichs­kanz­ler Ot­to von Bis­marck (1815-1898, Reichs­kanz­ler 1871-1890). We­nigs­tens at­mo­sphä­risch wirk­te die­ser Hin­ter­grund wohl auf die Hal­tung der Tür­ken ge­gen­über den Deut­schen ein. Bis­lang hat­te das Os­ma­ni­sche Reich aus Re­ve­renz für Deutsch­land bei der Fund­tei­lung in Per­ga­mon zwei Drit­tel sei­nes An­tei­les an Ber­lin ab­ge­tre­ten. Ein Vier­tel­jahr nach den Be­schlüs­sen des Ber­li­ner Kon­gres­ses ver­zich­te­te der Sul­tan durch ein „Ira­dé“, ei­nen Er­lass, nun­mehr gänz­lich auf je­den An­spruch un­ter der Vor­aus­set­zung, dass Ber­lin sich an den Kos­ten der Rück­füh­rung der tür­ki­schen Flücht­lin­ge aus den nun un­ab­hän­gi­gen Bal­kan­staa­ten be­tei­lig­te. Wie be­deut­sam die Ge­win­nung des Per­ga­mo­nal­tars für Preu­ßen war, zeigt ei­ne ein­fa­che Rech­nung. Be­lie­fen sich die Kos­ten für die Flücht­lings­hil­fe auf cir­ca 20.000 Reichs­mark, so kos­te­te al­lein die ers­te Gra­bungs­kam­pa­gne in Per­ga­mon 120.000 Reichs­mark.

Was Per­ga­mon be­traf, ka­men nun die Din­ge schnell in Gang. Am 9.5.1878 wur­de die Fi­nan­zie­rung der Gra­bung von Falk ge­neh­migt, am 1. Ju­li in­for­mier­te Con­ze Hu­mann über die Ver­bin­dung der Re­li­ef­stü­cke zu Am­peli­us´ Text­stel­le und riet ihm, in Per­ga­mon nicht län­ger nach ei­nem Tem­pel für die Fries­plat­ten zu su­chen. Statt­des­sen soll­te er Aus­schau hal­ten nach ei­nem rie­sen­haf­ten Al­tar, der oh­ne Über­bau un­ter frei­em Him­mel ge­stan­den hat­te. Dies schloss Con­ze nun wie­der­um aus der In­for­ma­ti­on bei Pau­sa­ni­as, der den Zeus­al­tar in Olym­pia - ei­nen Asche­hü­gel - mit ei­nem oder dem Al­tar in Per­ga­mon ver­gli­chen hat­te. Am 17. Au­gust. traf die amt­li­che Gra­bungs­er­laub­nis (Fer­man vom 25.7.1878 [3. Scha­ban 1295, 25. Ju­li 1294]) beim Deut­schen Kon­su­lat in Smyr­na ein, bei de­ren Ver­län­ge­rung 1879 der „Ira­dé“ des Sul­tans in Kraft trat und da­mit al­le Fun­de kom­plett den Aus­grä­bern über­las­sen wur­den.

Bis zur zu­nächst pro­vi­so­ri­schen Auf­stel­lung der Fun­de im Al­ten Mu­se­um blieb die gan­ze Ak­ti­on ge­heim. Das war nicht wei­ter schwie­rig, denn die Welt wur­de durch die Gra­bung in Olym­pia und noch mehr durch Hein­rich Schlie­manns (1822-1890) spek­ta­ku­lä­re Ent­de­ckung Troi­as in Atem ge­hal­ten. Ein Ka­dett der „Co­me­t“, der vom Trans­port aus Per­ga­mon und von Hu­mann nach Hau­se be­rich­tet hat­te, muss­te sich von sei­nem Va­ter be­leh­ren las­sen, dass der Ort doch Troia und der Mann Schlie­mann hie­ße.

An­fang No­vem­ber 1879 war der Trans­port nach Ber­lin ab­ge­schlos­sen und Hu­mann be­gann mit der Ar­beit an sei­nem Plan von Per­ga­mon im Maß­stab 1:1.000. Be­reits am 26. No­vem­ber fand in Ber­lin ei­ne gro­ße Aus­stel­lung der Fun­de aus Per­ga­mon un­ter Be­tei­li­gung il­lus­te­rer Per­so­nen wie Ru­dolf Vir­chow (1821-1902) und Iwan Tur­gen­jew (1818-1883) statt. Im Fe­bru­ar 1880 be­trieb Con­ze die Aus­stat­tung der zwei­ten Gra­bungs­kam­pa­gne, und im April be­such­te Hu­mann sei­ne Mut­ter in Stee­le. Wäh­rend die­ses Be­su­ches wur­de Hu­mann an­läss­lich sei­nes Vor­tra­ges im Li­te­ra­ri­schen Ver­ein zu Es­sen von Jus­tiz­rat Hans Nie­mey­er zu des­sen Eh­ren­mit­glied er­nannt. Am 25. April reis­te er nach Ber­lin.

Carl Hu­mann war nun an ei­nem Wen­de­punkt an­ge­langt. Bar je­der aka­de­mi­scher Me­ri­ten wur­de er zum wich­tigs­ten Bin­de­glied der aka­de­mi­schen Wis­sen­schaft bei der Er­for­schung des an­ti­ken Klein­asi­ens. Ja­kob Burck­hardt (1818-1897) schwärm­te 1882 ge­ra­de­zu von den Neu­fun­den: „Wer mei­nes Am­tes ist und die per­ga­me­ni­schen Sa­chen nicht ge­se­hen hat, ist ein ar­mer Wurm. […] Die­se Ent­de­ckung hat den Ar­chäo­lo­gen ih­re Sys­te­me sau­ber durch­ein­an­der­ge­wor­fen! […] Der Styl stel­len­wei­se so, daß Phidi­as auf sei­nem Thro­ne zit­tert. - Kurz, hie­von muß un­ser Ei­ner ei­nen per­sön­li­chen Au­gen­schein neh­men, ge­ra­de als wenn ir­gend­wo ein paar Sä­le von Raf­fa­el neu ent­deckt wür­den“[5]. Burck­hardt war auch der ers­te, der die Be­deu­tung der Per­ga­mon­frie­se für die grie­chi­sche Kunst­ge­schich­te er­kann­te.

In Ber­lin traf Hu­mann mit Schö­ne zu­sam­men, der zum Ge­ne­ral­di­rek­tor der Kö­nig­li­chen Mu­se­en be­stellt wor­den war. Am 4.5. 1880 hielt Hu­mann ei­nen Vor­trag bei der Ar­chäo­lo­gi­schen Ge­sell­schaft zu Ber­lin. Als er den Saal be­trat, er­ho­ben sich die Zu­hö­rer spon­tan von ih­ren Sit­zen. Vier Ta­ge spä­ter trug er der Ge­sell­schaft für Erd­kun­de vor und di­nier­te mit dem Kron­prin­zen. Am 6. Au­gust trat der neue Fer­man für Per­ga­mon in Kraft und am 24. Au­gust star­te­te die zwei­te Kam­pa­gne. Im No­vem­ber des Jah­res ehr­te die Uni­ver­si­tät Greifs­wald Carl Hu­mann mit der Eh­ren­dok­tor­wür­de. Sein Re­nom­mee hat­te auch Aus­wir­kun­gen auf die Gra­bun­gen in Per­ga­mon. Die­se in den pro­fes­sio­nel­len Hän­den Bohns wis­send, be­gann für Hu­mann ei­ne Zeit der span­nen­den Ex­pe­di­tio­nen im Diens­te der aka­de­mi­schen For­schung und ih­rer staat­li­chen In­sti­tu­tio­nen. Bei sei­nem Auf­ent­halt in Ber­lin bat ihn der Do­yen der deut­schen Al­ter­tums­kun­de, Theo­dor Momm­sen (1817-1903), seit 1854 Pro­fes­sor für Al­te Ge­schich­te in Ber­lin, nach Mög­lich­keit ei­ne Ab­for­mung des Mo­nu­men­tum An­cy­ra­num durch­zu­füh­ren. An den Wän­den des Au­gus­tus- und Ro­ma­tem­pels in An­go­ra (heu­te An­ka­ra) ist die bes­te Ko­pie der Ta­ten­be­rich­te des Kai­sers Au­gus­tus (Res Ge­stae) er­hal­ten. Bis­lang stütz­te sich die For­schung auf die Ab­schrift von Ogier Ghis­lain de Bus­becq (1522-1592), ei­nes Ge­sand­ten Kai­ser Fer­di­nands I. (Re­gie­rungs­zeit als rö­misch-deut­scher Kö­nig ab 1531, Kai­ser 1558-1564), aus dem Jah­re 1554.

Ge­mein­sam mit dem Ös­ter­rei­cher Al­fred von Do­mas­zew­ski (1856-1927) mach­te sich Hu­mann 1882 im Auf­trag der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten zu Ber­lin auf den Weg. In Is­tan­bul, dem Aus­gangs­ort der Ex­pe­di­ti­on, mach­te Hu­mann die Be­kannt­schaft von Os­man Ham­di Bey (1842-1910), Di­rek­tor des von ihm ge­grün­de­ten Mü­ze-i Hu­mayun ("Mu­se­um des Im­pe­ri­ums"), des heu­ti­gen Ar­chäo­lo­gi­schen Mu­se­ums. Die bei­den Brü­der im Geis­te ver­band zeit­le­bens ei­ne en­ge Freund­schaft. In An­go­ra konn­te die la­tei­ni­sche In­schrift schnell auf­ge­nom­men wer­den, wo­hin­ge­gen das Ab­for­men der grie­chi­schen Ver­si­on an der Au­ßen­sei­te des Tem­pels gro­ße Pro­ble­me mach­te. Drei Wohn­häu­ser wa­ren an die­se Wand an­ge­baut und ver­deck­ten Tei­le der In­schrift. Aber­mals be­währ­te sich Hu­manns Ta­lent, mit ein­fa­chen Leu­ten tür­ki­scher Men­ta­li­tät um­ge­hen zu kön­nen. Ihm wur­de ge­stat­tet, die Häu­ser zu be­tre­ten und so­gar ei­ne Rück­wand her­aus­zu­bre­chen. Auf die­se Wei­se wur­de erst­mals die 9. Ko­lum­ne der „Kö­ni­gin der In­schrif­ten“ in ih­rer grie­chi­schen Fas­sung do­ku­men­tiert. 194 Gips­plat­ten wur­den von ei­nem bri­ti­schen Han­dels­kon­tor nach Ber­lin ver­sandt. Bei der Pu­bli­ka­ti­on 1889 gab Momm­sen den Ab­for­mun­gen den Na­men „Ec­typa Hu­ma­ni­a­na“. Ein wei­te­res Mal wur­de Hu­manns Na­me in der aka­de­mi­schen Wis­sen­schaft un­sterb­lich.

Kaum aus An­go­ra zu­rück­ge­kehrt, brach die Trup­pe am 24.7.1882 er­neut auf. Ziel wa­ren dies­mal Boğaz­köy und Ya­zılı­ka­ya. Con­ze hat­te das Un­ter­neh­men in­iti­iert, um die In­schrif­ten von Ya­zılı­ka­ya ab­for­men zu las­sen. Bei­de Or­te wa­ren ge­heim­nis­voll. Der fran­zö­si­sche For­schungs­rei­sen­de Charles Texier (1802-1871) do­ku­men­tier­te bei ei­ner Rei­se durch Zen­tral­a­na­to­li­en 1834 die Rui­nen von Boğaz­köy und die Be­gräb­nis­stät­te von Ya­zılı­ka­ya, konn­te bei­des aber kei­ner be­kann­ten Zi­vi­li­sa­ti­on zu­ord­nen. Hu­manns Ex­pe­di­ti­on form­te bis zum 4.8.1882 41 Gips­plat­ten der In­schrif­ten ab und trans­por­tier­te sie zur Ver­schif­fung nach Sam­sun. Das Rät­sel blieb un­ge­löst. Die Sen­sa­ti­on er­eig­ne­te sich erst bei den Aus­gra­bun­gen Ge­org Winck­lers (1863-1913) 1906. Boğaz­köy war Hat­tuša, die Haupt­stadt des He­thi­ter­rei­ches, und das ge­fun­de­ne Ton­ta­fel­ar­chiv ent­riss die he­thi­ti­sche Keil­schrift der Ver­ges­sen­heit.

1883 un­ter­nahm Hu­mann be­reits die nächs­te Ex­pe­di­ti­on, denn es galt, ein wei­te­res Rät­sel zu lö­sen; wie­der war Hu­mann der rich­ti­ge Mann vor Ort. Im Win­ter 1881/1882 drang Kun­de nach Ber­lin, der deut­sche In­ge­nieur Karl Ses­ter hät­te von ei­ner rie­si­gen Rui­nen­stät­te im öst­li­chen An­ti­tau­ros be­rich­tet, die er als „as­sy­ri­sch“ be­zeich­ne­te. Die Berg­spit­ze des Nem­rud Dağ war als Fix­punkt für Kar­tie­run­gen be­kannt, nicht aber durch ei­ne Rui­nen­stät­te. Ot­to Puch­stein (1856-1911), Rei­ses­ti­pen­di­at des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tu­tes in Ägyp­ten, wur­de von Con­ze und der Aka­de­mie be­auf­tragt, Ses­ter auf­zu­su­chen und mit ihm zu­sam­men den Nem­rud Dağ zu über­prü­fen. Am 4.5.1882 er­reich­ten bei­de ihr Ziel. Puch­stein hat­te das Rät­sel schnell ge­löst, in dem er an der Rück­sei­te der Ses­sel der gro­ßen Sitz­fi­gu­ren grie­chi­sche In­schrif­ten fand. Al­ler­dings war das, was sie auf dem Nem­rud Dağ vor­fan­den, nicht mit ir­gend­et­was Be­kann­tem ver­gleich­bar. Das recht­fer­tig­te ge­naue­re Un­ter­su­chun­gen. Und wer au­ßer Hu­mann soll­te das be­werk­stel­li­gen? Von İsk­end­er­un aus er­reich­te die Trup­pe am 7.7.1883 den Nem­rud Dağ, wo Puch­stein sei­ne Er­geb­nis­se des Vor­jah­res vor­trug. Die Spit­ze des Ber­ges war künst­lich an­ge­legt wor­den und die In­schrif­ten wie­sen auf den „gro­ßen Kö­nig An­tio­ch­os“ hin. Nach­dem die üb­li­chen Gips­ab­drü­cke ge­nom­men wa­ren, mar­schier­te die Ex­pe­di­ti­on zu­rück nach İsk­end­er­un und ver­schiff­te dort die 32 Kis­ten nach Tri­est. Ot­to Puch­stein wer­te­te die Er­geb­nis­se der Ex­pe­di­ti­on aus und iden­ti­fi­zier­te den Nem­rud Dağ als ein Hie­ro­the­si­on. Die­se mo­nu­men­ta­le Kom­bi­na­ti­on aus Hei­lig­tum und Grab­an­la­ge war nur in der Kul­tur des an­ti­ken Kö­nig­rei­ches Kom­ma­ge­ne (163-74 v. Chr.) ver­brei­tet, die mit der Hu­mann-Ex­pe­di­ti­on ih­ren Weg zu­rück in die Ge­schich­te ge­fun­den hat­te.

Nach die­sem gro­ßen Er­folg lag ei­ne wei­te­re Er­for­schung der an­ti­ken Land­schaft Kom­ma­ge­ne auf der Hand, zu­mal Ham­di Bey sei­nem Freund Hu­mann die Rech­te zur Gra­bung an ei­ner an­de­ren der­ar­ti­gen An­la­ge wie der des Nem­rud Dağ über­las­sen hat­te. Aber im Ok­to­ber 1883 reis­te Hu­mann mit Con­ze nach Les­bos, um neue Pro­jek­te zu be­spre­chen. Con­ze konn­te aber Hu­mann we­der für sei­nen Plan, Les­bos gründ­lich zu un­ter­su­chen, noch für ei­ne Zu­sam­men­ar­beit mit dem jun­gen Ro­bert Kol­dew­ey (1855-1925), dem spä­te­ren Aus­grä­ber von Ba­by­lon, ge­win­nen. 

1884 wur­de Hu­mann zum Aus­wär­ti­gen Di­rek­tor der An­ti­ken­samm­lung Ber­lin mit Sitz in Smyr­na er­nannt und war da­mit für al­le deut­schen Un­ter­neh­mun­gen im ori­en­ta­li­schen Raum zu­stän­dig.

Nach to­po­gra­phi­schen Un­ter­su­chun­gen in Hier­a­po­lis 1887 wur­de Hu­mann und dem Ar­chäo­lo­gen Fried­rich von Duhn (1851-1930) ei­ne be­son­de­re Eh­re zu­teil. Hu­manns Freund Ham­di Bey lud bei­de nach Is­tan­bul ein, um als ers­te eu­ro­päi­sche Fach­leu­te den ge­ra­de ent­deck­ten Alex­an­ders­ar­ko­phag zu be­gut­ach­ten.

Hu­mann nutz­te sei­ne neue Stel­lung als Aus­wär­ti­ger Di­rek­tor, um 1887 ein „Co­mité be­helfs Er­for­schung der Trüm­mer­stät­ten des al­ten Ori­ents“ zu grün­den. Neue Pro­jek­te muss­ten jähr­lich, et­wa beim Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tut oder den Kö­nig­li­chen Mu­se­en, be­an­tragt wer­den. Da die­se In­sti­tu­tio­nen an Etats ge­bun­den wa­ren, ent­stand oft ei­ne län­ge­re War­te­zeit. Mit­tels des Ko­mi­tees soll­ten die For­schun­gen un­ab­hän­gi­ger vom In­stan­zen­weg wer­den. Auf die­se Wei­se konn­te schon für Früh­jahr 1888 die ers­te vom Ko­mi­tee or­ga­ni­sier­te und fi­nan­zier­te Ex­pe­di­ti­on an­lau­fen. Die­se führ­te un­ter der Lei­tung Hu­manns nach Zin­cir­li, je­ner An­la­ge im an­ti­ken Kom­ma­ge­ne, die Ham­di Bey sei­nem Freund zur Un­ter­su­chung über­las­sen hat­te. Die Kam­pa­gne ver­lief sehr er­folg­reich, bis Hu­mann sich Mit­te Mai ei­ne Lun­gen­ent­zün­dung zu­zog, die sich in ei­nem Rück­fall vom 1. Ju­ni noch ver­schlim­mer­te. Gleich­zei­tig er­reich­te ihn ein Te­le­gramm von Ham­di Bey, der ihn am 7. Ju­ni in İsk­end­er­un tref­fen woll­te. Es war be­zeich­nend für Hu­mann, dass er trotz sei­nes schlech­ten Zu­stan­des mit sei­nem Arzt den be­schwer­li­chen Ritt un­ter­neh­men woll­te. Nach dem Tref­fen mit Ham­di Bey reis­te Hu­mann nach Is­tan­bul, um die Fund­tei­lung zu ver­han­deln. Das her­aus­ra­gen­de Er­geb­nis der Kam­pa­gne war die Ste­le des as­sy­ri­schen Kö­nigs Asar­had­don, die im Tausch mit ei­nem Apol­lon­tor­so aus Tral­les un­ter Ver­mitt­lung Ham­di Beys nach Ber­lin ge­bracht wur­de.

Kaum ge­ne­sen, nahm Hu­mann noch im glei­chen Jahr ge­mein­sam mit Dör­pfeld ei­nen Plan von Tral­les auf. 1889 be­such­te Hu­mann mit sei­ner Fa­mi­lie Hein­rich Schlie­mann in Athen und nahm ein Jahr spä­ter an der ers­ten Troia-Kon­fe­renz teil. 1891 be­müh­te sich Hu­mann um ei­ne Gra­bungs­er­laub­nis für Mi­let, die er aber nicht mehr selbst be­auf­sich­ti­gen konn­te. Von 1890 bis 1893 grub Hu­mann in Ma­gne­sia am Mä­an­der und brach­te mo­nu­men­ta­le Tei­le der Ar­chi­tek­tur aus Ma­gne­sia nach Ber­lin. 1894 un­ter­stütz­te er die ös­ter­rei­chi­sche Gra­bungs­kam­pa­gne in Ephe­sos, in dem er durch sei­ne Plan­auf­nah­me das tech­ni­sche Gut­ach­ten lie­fer­te, auf des­sen Ba­sis die Gra­bun­gen ver­lau­fen soll­ten. Am 16.9.1895 be­gann die Gra­bung in Prie­ne, wäh­rend de­rer Hu­manns Kräf­te zu schwin­den be­gan­nen. Er bat um Ent­sen­dung ei­nes As­sis­ten­ten. Der Sti­pen­dia­t Theo­dor Wie­gand traf dar­auf­hin noch im Sep­tem­ber in Prie­ne ein. Am 5. Ok­to­ber fühl­te sich Hu­mann so krank, dass er nach Smyr­na ab­reis­te. Am Tag vor­her wur­de kurz vor Son­nen­un­ter­gang noch ein Mar­mo­ral­tar ge­fun­den, auf dem als In­schrift nur ein Wort stand: dem He­ros. Das war Carl Hu­manns letz­ter Fund. Am 12.4.1896 starb er in Smyr­na und wur­de dort auf dem ka­tho­li­schen Fried­hof bei­ge­setzt. Nach der Auf­las­sung des Fried­ho­fes 1963 wur­den die sterb­li­chen Über­res­te Hu­manns nach Per­ga­mon über­führt und dort, in der Nä­he des Gro­ßen Al­tars, fand er in ei­ner neu er­rich­te­ten Gruft sei­ne letz­te Ru­he­stät­te.

Quellen

Ass­mann, Er­win (Hg.), Lu­ci Am­pelii Li­ber Me­mo­ria­lis, Leip­zig 1976.
Kö­nig, In­ge­mar (Hg.), Lu­ci­us Am­peli­us. Li­ber me­mo­ria­lis. Was ein jun­ger Rö­mer wis­sen soll, 2. Auf­la­ge, Darm­stadt 2011.
Men­ge, Her­mann/Voess­ler, Mar­tin (Hg.), Ho­raz. Oden und Epo­den, Mün­chen 1971.
Mey­er, Ernst, Pau­sa­ni­as. Be­schrei­bung Grie­chen­lands, 2 Bän­de, Darm­stadt 1968.

Werke

Ge­schich­te der Un­ter­neh­mung, in: Er­geb­nis­se der Aus­gra­bun­gen zu Per­ga­mon. Vor­läu­fi­ger Be­richt von Alex­an­der Con­ze, Carl Hu­mann, Ri­chard Bohn, Her­mann Stil­ler, Hab­bo Ger­hardt Lol­ling und Ot­to Rasch­dorff, Ber­lin  1880, S. 5-34.
Ar­beits­be­richt, in: Er­geb­nis­se der Aus­gra­bun­gen zu Per­ga­mon 1880-1881. Vor­läu­fi­ger Be­richt von Alex­an­der Con­ze, Carl Hu­mann, Ri­chard Bohn, Ber­lin 1882, S. 3-25.
Ar­beits­be­richt, in: Er­geb­nis­se der Aus­gra­bun­gen zu Per­ga­mon. Drit­ter Vor­läu­fi­ger Be­richt 1883-1886 von Alex­an­der Con­ze, Carl Hu­mann, Ri­chard Bohn, Max Frän­kel, Ber­lin 1888, S. 5-26.
Die Tan­ta­los­burg im Si­py­los, Mit­tei­lun­gen des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Athe­ni­sche Ab­tei­lung 13(1888), S. 22–41.
[zu­sam­men mit] Puch­stein, Ot­to, Rei­sen in Klein­asi­en und Nord­sy­ri­en, Ber­lin 1890.
Aus­gra­bun­gen in Tral­les (1888), Mit­tei­lun­gen des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Athe­ni­sche Ab­tei­lung 18(1893), S. 394–403.
Ma­gne­sia am Mä­an­der, in: Ma­gne­sia am Mä­an­der. Be­richt über die Er­geb­nis­se der Aus­gra­bun­gen der Jah­re 1895-1898, Ber­lin 1904, S. 1-7.
To­po­gra­phie und Bau­ten, in: Carl Hu­mann, Con­rad Ci­cho­ri­us, Walt­her Ju­deich, Franz Win­ter, Al­ter­tü­mer von Hier­a­po­lis. Jahr­buch des Kai­ser­lich Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Er­gän­zungs­schrift 4, Ber­lin 1898, S. 1-17.
Be­richt über die Aus­gra­bung von Sen­jir­li 1888. Mitt­hei­lun­gen aus den Ori­en­ta­li­schen Samm­lun­gen der Kö­nig­li­chen Mu­se­en zu Ber­lin 12, Ber­lin 1898.

Literatur

Brunn, Hein­rich, Über die kunst­ge­schicht­li­che Stel­lung der per­ga­me­ni­schen Gi­gan­to­ma­chie, in: Jahr­buch der Kö­nig­lich Preu­ßi­schen Kunst­samm­lun­gen 5 (1884), S. 231-292.
Burck­hardt, Ja­cob, Brie­fe. Voll­stän­dig und kri­tisch be­ar­bei­te­te Aus­ga­be mit Be­nüt­zung des hand­schrift­li­chen Nach­las­ses her­ge­stellt von Max Burck­hardt, Band 8, Ba­sel 1974.
Dör­ner, Fried­rich Karl u. Eleo­no­re (Hg.), Von Per­ga­mon zum Nem­rud Dağ. Die ar­chäo­lo­gi­schen Ent­de­ckun­gen Carl Hu­manns, Mainz 1989.
Gor­nig, Gil­bert Han­no, Wem ge­hört der Per­ga­mon-Al­tar? Völ­ker­recht­li­che Dis­kus­si­on der For­de­run­gen Grie­chen­lands auf Rück­ga­be von Kul­tur­gü­tern, in: Gor­nig, Gil­bert Han­no/Schil­ler, Theo/We­se­mann, Wolf­gang (Hg.), Grie­chen­land in Eu­ro­pa, Frank­furt/M. [u.a.] 2000, S. 61-98 
Goss­man, Jef­frey Lio­nel, Im­pe­ri­al Icon: The Per­ga­mon Al­tar in Wil­hel­mi­ni­an Ger­ma­ny, in: The Jour­nal of Mo­dern His­to­ry 78 (2006), S. 551–587.
Käst­ner, Ur­su­la, Carl Hu­mann und die Ent­de­ckung des Per­ga­mo­nal­tars. Vom Pri­vat­un­ter­neh­men zum Statt­s­auf­trag, in: Trüm­pler, Char­lot­te (Hg.), Das Gro­ße Spiel. Ar­chäo­lo­gie und Po­li­tik zur Zeit des Ko­lo­nia­lis­mus (1860-1940). Be­gleit­buch zur Aus­stel­lung "Das Gro­ße Spiel - Ar­chäo­lo­gie und Po­li­tik", Ruhr-Mu­se­um, Welt­kul­tur­er­be Zoll­ver­ein, Es­sen, 11. Fe­bru­ar-13. Ju­ni 2010, Köln 2008, S. 324-335.
Pay­ne, Ali­na, On Sculp­tu­ral Re­li­ef: Ma­le­risch, the Au­to­no­my of Ar­tis­tic Me­dia at the Be­gin­nings of Ba­ro­que Stu­dies, in: Hills, He­len (Hg.), Re­thin­king the Ba­ro­que, Farn­ham 2011, S. 39-62.
Pink­wart, Do­ris, Carl Hu­mann, in: Lul­lies, Rein­hard/Schier­ing, Wolf­gang (Hg.), Ar­chäo­lo­gen­bild­nis­se. Por­träts und Kurz­bio­gra­phi­en von Klas­si­schen Ar­chäo­lo­gen deut­scher Spra­che, Mainz 1988, S. 69-70.
Radt, Wolf­gang, Per­ga­mon. Ge­schich­te und Bau­ten ei­ner an­ti­ken Me­tro­po­le, 2. Auf­la­ge, Darm­stadt 2011.
Schal­les, Hans-Joa­chim, Der Per­ga­mo­nal­tar. Zwi­schen Be­wer­tung und Ver­wert­bar­keit, Frank­furt/M. 1988.
Schmol­ling, Ernst, Hat Ho­raz den per­ga­me­ni­schen Al­tar ge­kannt? Wis­sen­schaft­li­che Bei­la­ge zum Pro­gramm des Kö­nigl. Ma­ri­en­stifts-Gym­na­si­ums zu Stet­tin. Os­tern 1909. Pr. Nr. 206, Stet­tin 1909.
Schu­chardt, Carl/Wie­gand, Theo­dor (Hg.), Der Ent­de­cker von Per­ga­mon Carl Hu­mann. Ein Le­bens­bild, Ber­lin 1931.
Schuch­hardt, Wal­ter-Her­wig, Carl Hu­mann, der Ent­de­cker von Per­ga­mon, in: Gym­na­si­um 82 (1975), S. 293-308.
Schul­te, Edu­ard (Hg.), Carl Hu­mann, der Ent­de­cker des Welt­wun­ders von Per­ga­mon. In Zeug­nis­sen sei­ner Zeit 1839-1896. Ge­schil­dert von Edu­ard Schul­te, Dort­mund 1971.
Schul­te, Edu­ard (Hg.), Chro­nik der Aus­gra­bung von Per­ga­mon 1871-1886. Aus Be­rich­ten und Brie­fen des Hu­mann-Krei­ses, Dort­mund 1963.
Schul­te, Edu­ard (Hg.), Der Per­ga­mo­nal­tar. Ent­deckt, be­schrie­ben und ge­zeich­net von Carl Hu­mann, Dort­mund 1959.
Stier, Hans Erich, Aus der Welt des Per­ga­mo­nal­tars. Ge­burt, Blü­te und Schick­sa­le der Hel­le­nis­ti­schen Kul­tur, Ber­lin 1932.
Stup­pe­rich, Rein­hard, Carl Hu­mann, in: Stup­pe­rich, Ro­bert (Hg.), West­fä­li­sche Le­bens­bil­der 13 (1985), S. 130-155.
Weiss, Pe­ter, Die Äs­the­tik des Wi­der­stands, 3 Bän­de, Frank­furt/M. 1985.
Wie­seler, Fried­rich, Gi­gan­ten, in: Ersch, Jo­hann Sa­mu­el/Gru­ber, Jo­hann Gott­lieb, All­ge­mei­ne En­zy­klo­pä­die der Wis­sen­schaf­ten und Küns­te. Un­ver­än­der­ter Nach­druck der Aus­ga­be Leip­zig 1818–1889, Graz 1969, hier: Band 67, S. 141-184.

Online

Pe­ters, Klaus, Vir­tu­el­le Rei­se nach Per­ga­mon. Ge­schich­te und Mo­nu­men­te der an­ti­ken Stadt. [On­line
Schul­te, Edu­ard, Hu­mann, Carl, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 10 (1974), S. 32-33. [On­line]

Franz Humann im Jahr 1862, gezeichnet von seinem Bruder Karl auf Samos. (Carl-Humann-Stiftung)

 
Anmerkungen
  • 1: Assmann, Erwin (Hg.), Luci Ampelii Liber Memorialis, Leipzig 1976, S. 17.n Gruft seine letzte Ruhestätte.
  • 2: Schmolling, Horaz.
  • 3: m 9. September begannen die offiziellen Ausgrabungen in Pergamon. Doch wo sollte Humann ansetzen? Jetzt konnte er seine Fähigkeit, das Terrain „zu lesen“, zur Geltung bringen. Einen Tag vor dem offiziellen Grabungsbeginn entschied er sich für einen hügelartigen Schutthaufen am Westrand des Burgberges, der in dominierender Position nach Osten, Süden und Westen freie Sicht bot. Gleichzeitig sollte die westliche byzantinische Stadtmauer in Angriff genommen werden. Schon am 12. September. ging das Telegramm an Conze, durch das Carl Humann in die Geschichte einging: „Elf große Reliefs, meist mit ganzen Figuren, dreißig Bruchstücke und Ara gefunden. […]“
  • 4: Schuchardt/Wiegand, Entdecker, S. 29.
  • 5: Brief vom 17.8.1882 an Robert Grüninger, in: Burckhardt, Briefe, Band 8, Nr. 977, S. 67.
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Kirschbaum, Markus, Carl Humann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-humann-/DE-2086/lido/602a7c072f1792.76491427 (abgerufen am 23.09.2023)