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Franz Albert Kramer war ein deutscher Journalist, Widerstandskämpfer im Exil gegen das nationalsozialistische Deutschland und ab 1946 Gründer, Herausgeber und Chefredakteur des „Rheinischen Merkur“ in Koblenz.
Franz Albert Kramer kam am 18.12.1900 in Solingen als ältestes von insgesamt fünf Kindern des Tierarztes Albert Wilhelm Kramer und dessen Frau Katharina, geborene Schwarte zur Welt. Es folgten seine Brüder Albert (1903) und Rudolf (1905) sowie die Schwestern Karola (1907) und Elisabeth (1910). Die römisch-katholische Familie konnte mit Bischof Johann Bernhard Brinkmann von Münster (Episkopat 1870-1889) und Weihbischof Franz Wilhelm Cramer (Episkopat 1884-1903) von Münster berühmte politische Kämpfer aus dem Kulturkampf vorweisen. Nach dem Besuch der Volksschule 1906-1910 in Münster wechselte der junge Franz auf das dortige traditionsreiche Gymnasium Paulinum. Er zeigte ein ausgeprägtes Interesse an Geschichte, Literatur und Sprachen, während er in seiner Freizeit als begeisterter Ruderer und Reiter galt.
Unmittelbar nach dem Abitur 1918 meldete Kramer sich als Kriegsfreiwilliger und bekämpfte als Angehöriger der Brigade Ehrhardt bis 1919/1920 den vordringenden Bolschewismus im Baltikum. Aus dem Kriege zurückgekehrt, studierte er 1920-1923 in Köln und Münster Philosophie und Staatswissenschaften. Von klein auf katholisch geprägt, festigte sich Kramers Weltbild in den Nachkriegsjahren dank der katholischen Erneuerungsbewegung weiter. Durch seine Tätigkeit als Werkstudent wurde er nachhaltig mit den sozialen Spannungen in Deutschland konfrontiert und lernte die katholischen Arbeitervereine kennen. Der Titel seiner Dissertation zur Erlangung des Titels eines Dr. rer.pol. lautete 1923 nicht zuletzt deshalb: „Die Ideenbildung der christlichen Gewerkschaften“.
Im selben Jahr verunglückte der Vater, weshalb Franz Albert Kramer sich als ältester Sohn in Zugzwang sah, den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Zunächst arbeitete er als Volontär bei der Westfälischen Landesbank in Münster. Doch spielte er nach seiner Dissertation, im Zuge derer er mit dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning (1885-1970) bekannt geworden war, mit dem Gedanken, selbst für den Reichstag zu kandidieren. Deshalb wechselte er von der Bank in den Pressebereich und volontierte 1923 bei der Zeitung „Die Glocke“ in Oelde. 1925 ging er als Redakteur zum „Münsterischen Anzeiger“, wo er bis 1926 beschäftigt war. Dort zeichnete Kramer sich schnell durch seine ausgeprägte politisch-analytische Begabung aus, was ihm eine Stelle als Korrespondent in Paris eintrug. Von 1927 bis 1930 war er bei der „Kölnischen Volkszeitung“ und der „Germania“ (Berlin) in gleicher Funktion ebenfalls in Paris tätig, bevor er 1930 nach London versetzt wurde, wo er bis 1932 blieb.
Seit 1928 war Kramer mit Margot Thull verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Thomas (1929), Elisabeth (1930) und Martin (1940).
Um 1930 profilierte Kramer sich zu einem der führenden Politikjournalisten Deutschlands. Im Herbst 1932 erhielt er vom Auswärtigen Amt die Gelegenheit, mittels eines Stipendiums einige Monate eine Reportagefahrt durch die Sowjetunion zu unternehmen. Das daraus resultierende, 1933 erschienene Buch „Das rote Imperium“ setzte sich kritisch mit der aufgezwungenen Industrialisierung und Kollektivierung in der Sowjetunion auseinander. Zurück in Deutschland, kam es deshalb für Kramer zu ersten Reibungsflächen mit den inzwischen regierenden Nationalsozialisten. Da die Gestapo das Buch aufgrund einiger allgemein-kritischer Formulierungen und Gedanken als einen „Angriff auf den totalen Staat“ verstand, wurde es kurz nach Erscheinen verboten.
1933 trat Kramer eine Stelle als Korrespondent bei der „Vossischen Zeitung“ an, bis auch diese der Pressepolitik der Nationalsozialisten zum Opfer fiel. Ohnehin stand er seit der Veröffentlichung von „Das rote Imperium“ unter Beobachtung durch die Gestapo. Der Röhmputsch im Sommer 1934 lieferte für die Familie Kramer den konkreten Anlass, die Brücken in Deutschland abzubrechen. Überzeugt, Adolf Hitlers (1889-1945) Regime werde an Gewalt und Unterdrückung weiter zunehmen, sahen die Kramers ihre Zukunft nicht weiter im Deutschen Reich und verkauften ihr oberbayerisches Gut „Raucherberg“.
1935 wechselte Kramer deshalb zur „B.Z. am Mittag“, die ihn nach Rom sandte. Aufgrund seiner Unterstützung des Völkerbunds und seiner Kritik am Abessinienkrieg ließ ihn das faschistische Regime Italiens ausweisen. Im August 1936 fand er eine Anstellung beim „Berliner Tagblatt“, das ihn einmal mehr aus Paris korrespondieren ließ. Doch auch dort wurde der Einfluss der Nationalsozialisten zunehmend spürbar; im März entschloss Kramer sich, in die neutrale Schweiz zu emigrieren. In Zürich engagiert er sich seit dem Überfall des Deutschen Reiches auf Polen ab 1.9.1939 im „Westdeutschen Widerstandskomitee“. Das wurde ihm als aktiver Hochverrat ausgelegt, weshalb er in Deutschland in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Seiner Familie gelang es, zu Beginn des Jahres 1940 zu ihm zu stoßen. Gemeinsam zog man von Zürich zunächst nach Genf, 1942 nach Bern, wo die gesamte Familie den Rest des Krieges verbrachte.
Aufgrund des Aufenthalts in der Schweiz war eine fortgesetzte Arbeit als Auslandskorrespondent nicht mehr möglich. Stattdessen festigte sich bei Kramer der Gedanke, nach dem Untergang des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland eine Zeitung zu gründen. Die bereits zu diesem Zeitpunkt weitestgehend gleichgeschaltete und kritikferne Presse in Deutschland trug ihr übriges zu diesem Gedanken bei. In der Schweiz knüpfte er zahlreiche Kontakte, unter anderem zu Mitgliedern der amerikanischen Regierung. John Foster Dulles (1888-1959), der Bruder des amerikanischen Gesandten des US-Geheimdienstes Office of Strategic Services in Berlin, Allen Welsh Dulles (1888–1959), konnte davon überzeugt werden, es müsse ein Konzept entwickelt werden, wie mit Deutschland nach Kriegsende zu verfahren sei, um eine drohende Dominanz der Sowjetunion in Europa zu verhindern. Eine entsprechende Absage aus Washington, die klar auf Versöhnungskurs mit den Sowjets ging, prägte nachhaltig Kramers Zweifel an der Eignung der amerikanischen Führungsrolle in Europa.
Sein in der Schweiz gewachsener Einfluss sollte sich in den unmittelbaren Nachkriegsjahren bezahlt machen. Zurück aus dem Exil verschlug es Kramer nach Koblenz, wo es ihm gelang, entgegen den üblichen Richtlinien eine Ein-Mann-Lizenz für die Gründung einer Zeitung zu erwirken. Daraus ging wenig später der „Rheinische Merkur“ hervor (Erstausgabe: 15.3.1946). Damit stellte er sich in die Tradition von Joseph Görres, der 1814 bis 1816 eine Zeitung gleichen Namens in Koblenz herausgegeben hatte. In diesem Geiste lautete auch der Titel des ersten Leitartikels: „Es gibt keinen größeren Namen, zu dem wir greifen können“. Die Höhe der Erstauflage betrug 220.000 Exemplare.
Kramers Ziel war es, „ein christliches Programm für den Wiederaufbau Deutschlands und dessen Eingliederung in ein geeintes Europa“ (O. B. Roegele) zu entwerfen und zu verbreiten, „das für wahr und recht Erkannte offen auszusprechen und nach allen Seiten zu verteidigen“ (Roegele in der Jubiläumsausgabe des Rheinischen Merkur vom 15.3.1986, nach Verhülsdonk). Aus den Resten einer Druckerei, die zuvor für die „Koblenzer Volkszeitung“ gedruckt hatte, und einem kleinen Kreis von Redakteuren, zu denen sich bald auch freie Mitarbeiter gesellten, formte Kramer als Chefredakteur letztlich eine der einflussreichsten katholischen Presseorgane der Bundesrepublik, die bis 2010 erschien.
Kramer kämpfte bereits seit 1949 mit Bluthochdruck, während eines Kuraufenthaltes erlitt er zudem einen leichten Schlaganfall. Auf einer Zeitungsverlegertagung auf dem Rittersturz in Koblenz im Februar 1950 brach er zusammen und verstarb am 12.2.1950 um 5 Uhr morgens im dortigen Krankenhaus Evangelisches Stift. Die Beisetzung erfolgte auf dem Koblenzer Hauptfriedhof am Berghang der Karthause.
Werke (Auswahl)
Die Ideenbildung der christlichen Gewerkschaften, Diss. rer.pol., 1923.
Das rote Imperium, München 1933.
Vor den Ruinen Deutschlands - Ein Aufruf zur geschichtlichen Selbstbesinnung, Zürich 1946.
Politische Leitsätze, Koblenz 1947.
Literatur
Klenk, Christian, Zustand und Zukunft katholischer Medien. Prämissen, Probleme und Prognosen; Münster 2013.
Verhülsdonk, Eduard, Franz Albert Kramer (1900-1950); in: Rheinische Lebensbilder, Band 12, Köln/Bonn 1991, S. 297-320.
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Finette, Tom C., Franz Albert Kramer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-albert-kramer/DE-2086/lido/57c939537915f9.39880430 (abgerufen am 06.12.2024)