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Walter Besenbruch war von 1948 bis 1973 an Hochschulen in Halle und Ost-Berlin tätig, wobei sein Schwerpunkt die sozialistische Ästhetik bildete. Die Bedeutung Besenbruchs für die DDR lag nicht allein in seinen Untersuchungen zur Ästhetik und Kulturpolitik, sondern vor allem in seinen Vorlesungen, die Studenten wie Wolf Biermann (geboren 1936) und Rudolf Bahro (1935-1997), der in ihm eine „moralische Instanz“ sah, inspirierte.
Geboren wurde Walter Besenbruch in Barmen (heute Stadt Wuppertal) am 25.12.1907. Sein sozialdemokratisch orientierter Vater arbeitete als Gummibandwirker in einer Bandweberei. Nach Volksschule und Realgymnasium, wo er sich bereits mit Karl Marx befasste, studierte Walter Besenbruch 1928/1929 Theaterwissenschaften in Berlin, danach Philosophie, Ökonomie und Geschichte, ab 1930 in Kiel am Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr, musste sich jedoch wegen Geldmangels exmatrikulieren. Mit 26 Jahren trat er 1930 der KPD bei - ein politisches Engagement, das ihn wiederholt in Konflikt mit dem Staat brachte. In Kiel gehörte er zusammen mit Ernst Engelberg (1909-2010) der Roten Studentengruppe an. Allein 1932 wurde er mehrmals verhaftet und auch zu drei Monaten Gefängnis wegen „Aufreizung zu Gewalttätigkeit in öffentlicher Rede“ verurteilt. Im Oktober 1932 verlegte er sein politisches Engagement nach Hannover.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten setzte sich die politische Verfolgung fort. Im April 1933 beim Verteilen von Flugblättern verhaftet, wurde er nach halbjähriger Untersuchungshaft in Hamm wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu eineinhalb Jahren Gefängnis in Wilhelmshaven verurteilt. Nach der Verbüßung der Strafe setzte er sein politisches Engagement in Kiel fort, wurde 1935 erneut verhaftet und wegen seines illegalen Engagements zu einer zwölfjährigen Haft verurteilt, die er zunächst in Kiel verbringen musste, dann in Konzentrationslagern wie dem Moorlager in Emsland, im Aschendorfermoor, im Zuchthaus in Hamburg-Fuhlsbüttel und Waldheim und schließlich im KZ Mauthausen, das er im April 1945 im Ergebnis der Befreiung Deutschlands verließ.
Im Kreis Mansfeld übernahm Walter Besenbruch im Dezember 1945 die Funktion des Polizeipräsidenten, sein Sitz befand sich im Schloss Merseburg. Das Amt hatte er bis Mitte 1947 inne, bis das Land Preußen aufgelöst und in Regierungsbezirke umgebildet wurde. Im Anschluss versuchte das Mitglied der SED in Köthen (Sachsen-Anhalt) eine Polizeischule aufzubauen, was ihn nicht befriedigte und veranlasste, wder an seine philosophischen Interessen anzuknüpfen. Im April 1948 übernahm er eine Aspirantur an der Universität Halle bei Walter Markov. Während seiner Arbeit an einer Promotion über die Jakobiner besuchte er 1949/1950 die zentrale Parteischule der SED in Kleinmachnow, von wo er nicht nach Halle zurückkehrte, sondern für das theoretische Zentralorgan der SED „Einheit“ als Hauptredakteur für Philosophie, Kunst und Literatur tätig wurde, was er bis 1953 blieb. Gleichzeitig unterrichtete er an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität über „dialektischen und historischen Materialismus“. Zwei Veröffentlichungen im SED-Zentralorgan „Neuen Deutschland“, in denen er sich für den verordneten „Neuen Kurs“ der SED exponierte, erschienen am 19. und 26.7.1953 („Über berechtigte Kritik und über Erscheinungen des Opportunismus in Fragen der Kunst“, „Die eigene Erfahrung der Massen und die Entwicklung ihres Bewusstseins“); sie waren noch von dem wenige Tage später als verfemt geltenden Chefredakteur Rudolf Herrnstadt (1903-1966) betreut worden und strahlten den Geist der nunmehr zurückgenommenen „Tauwetterpolitik“ vor dem 17. Juni aus. Er wurde dafür „streng“ gerügt, womit eine weitere berufliche Perspektive bei der „Einheit“ ausgeschlossen war.
Walter Besenbruch übernahm am 15.10.1953 am Philosophischen Institut der Humboldt Universität – ohne promoviert oder habilitiert zu haben – die „Wahrnehmung einer Professur mit Lehrauftrag für das Fach Ästhetik“, womit die „wohl wichtigste Phase seines wissenschaftlichen Lebens“ begann (Guntolf Herzberg). Im November 1959 wurde ihm die Professur endgültig übertragen. Er promovierte über das „Problem des Typischen in der Kunst“ 1955 (das bisherige Thema entfiel). Was in den Diskussionen 1953 anklang, bildete sich auch im Zusammenhang des XX. Parteitages der KPdSU ab, als die sowjetische Führung die politische Praxis unter Stalin (1879-1953) kritisch reflektierte. Am 19.6.1956 hatte Walter Besenbruch, der wenig publizierte, in der DDR-Wochenzeitung „Sonntag“ diesen Zeitgeist unter dem Titel „Dogmatismus – auch eine ethische Frage“ aufgegriffen, wofür er, als auch dieses „Tauwetter“ verstrichen war, wegen „politischer Schwankungen“ und, was seinerzeit problematisch war, wegen „revisionistischer Auffassungen“ getadelt wurde. Mit 57 Jahren bat er 1964 um seine Emeritierung, wurde jedoch zunächst lediglich als Invalide berentet, endgültig erst im September 1973. Walter Besenbruch starb am 23.6.2003 in Berlin.
Werke
Zum Problem des Typischen in der Kunst. Versuch über den Zusammenhang der Grundkategorien der Ästhetik, Weimar 1956.
Dialektik und Ästhetik. 2. Theoretische Konferenz im Institut für Angewandte Kunst. Berlin 1958.
Literatur
Braun, Matthias, Kulturinsel und Machtinstrument. Die Akademie der Künste, die Partei und die Staatssicherheit, Berlin 1997.
Gerhard, Volker/Rauh, Hans-Christoph (Hg.), Die Anfänge der DDR-Philosophie. Anspruch, Ohnmacht, Scheitern, Berlin 2001.
Herzberg, Guntolf, Anpassung und Aufbegehren. Die Intelligenz in der DDR in den Krisenjahren 1956/1958, Berlin 2006.
Herzberg, Guntolf, Aufbruch und Abwicklung. Neue Studien zur Philosophie in der DDR, Berlin 2000, S. 76 – 86.
Herzberg, Guntolf/Seifert, Kurt, Rudolf Bahro – Glaube an das Veränderbare. Eine Biographie, Berlin 2002.
Hoffmann, Detlef, Das Gedächtnis der Dinge. KZ-Relikte und KZ-Denkmäler, Frankfurt/Main 1998.
Rauh, Hans-Christoph, Peter Ruben: Denkversuche. DDR-Philosophen in den 60er Jahren, Berlin 2005.
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Müller-Enbergs, Helmut, Walter Besenbruch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/walter-besenbruch-/DE-2086/lido/57c57cf2444a16.17543568 (abgerufen am 05.12.2024)