Wilhelm von Gennep

Erzbischof und Kurfürst von Köln (1349-1362)

Wilhelm Janssen (Düsseldorf)

Liegefigur auf dem Grabmal des Erzbischofs Wilhelm von Gennep im Kölner Dom. (Dombauarchiv Köln)

Wil­helm ent­stamm­te ei­ner klei­nen maas­län­di­schen Dy­nas­ten­fa­mi­lie, aus der un­ge­fähr 200 Jah­re zu­vor viel­leicht auch der hei­li­ge Nor­bert, der Grün­der de­s­ ­Prä­mons­tra­ten­ser­or­dens und Erz­bi­schof von Mag­de­burg, her­vor­ge­gan­gen war. Sie hat­te ih­ren Sitz an der Mün­dung der Niers in die Maas. Wil­helms Va­ter war der Edel­herr Hein­rich II. von Gen­nep, sei­ne Mut­ter kam nach Aus­weis der Wap­pen auf sei­nem Hoch­grab im Köl­ner Dom aus­ ­dem Hau­se Mo­ers. Der Her­kunft nach war der um 1310 ge­bo­re­ne Wil­helm al­so ein­ge­bun­den in die nie­der­rhein­län­disch-nord­west­eu­ro­päi­sche Adels­welt. Das soll­te für sei­ne Kar­rie­re und sei­nen Wir­kungs­kreis von Be­deu­tung wer­den. Als welt­ge­wand­ter und ge­schäfts­tüch­ti­ger jun­ger Mann, als wel­chen ihn der zeit­ge­nös­si­sche Ver­fas­ser sei­nes Le­bens­bil­des in der Köl­ner Bi­schof­s­chro­nik rühmt, ver­stand er es, sich schon früh ei­ne An­zahl ein­träg­li­cher kirch­li­cher Pfrün­den zu ver­schaf­fen. Er be­saß zum Zeit­punkt sei­ner Bi­schofs­er­he­bung un­ter an­de­rem Dom­ka­no­ni­ka­te nicht nur in Köln, son­dern auch in Lüt­tich, Ut­recht und Mainz, au­ßer­dem Ka­no­ni­ka­te in Bonn und Zyff­lich so­wie die Scho­las­te­rie in Aa­chen. Die an­ge­se­hens­ten un­d er­gie­bigs­ten Stel­len dürf­ten die Props­tei in Soest und die Köl­ner Domthe­sau­ra­rie ge­we­sen sein, die er 1338 und 1346 er­warb. Ver­mut­lich ver­dank­te er sie der Ver­mitt­lung des Köl­ner Erz­bi­schof­s Wal­ram von Jü­lich, des­sen ver­trau­ter Rat­ge­ber er nach Aus­kunft sei­nes Bio­gra­phen von An­fang an ­ge­we­sen ist. Trifft das zu, hat er den Nie­der­gang des Köl­ner Erz­stifts in der End­pha­se von Wal­rams Epis­ko­pat nicht auf­hal­ten be­zie­hungs­wei­se sich ge­gen die Ein­flüs­te­run­gen leicht­fer­ti­ger Rat­ge­ber, de­nen der Chro­nist die Schuld an der un­er­freu­li­chen Ent­wick­lung zu­schiebt, nicht durch­set­zen kön­nen.

 

Nach Wal­rams Tod in Pa­ris am 14.8.1349 sah Wil­helm sei­ne Chan­ce ge­kom­men. Mit Hil­fe des fran­zö­si­schen Kö­nigs und des Her­zogs von Bra­bant, zu de­nen er schon zu­vor Ver­bin­dun­gen ge­knüpft hat­te, be­trieb er an der Ku­rie in Avi­gnon sei­ne Er­he­bung zum Erz­bi­schof von Köln, die sich der Papst schon zu Wal­rams Leb­zei­ten  un­ter An­nul­lie­rung des dom­ka­pi­tu­la­ri­schen Wahl­rechts re­ser­viert hat­te. Er konn­te da­bei den Kan­di­da­ten des Kö­nigs Karl IV. (Re­gie­rungs­zeit 1346-1378), den Kanz­ler Ni­ko­laus von Ol­mütz (ge­stor­ben 1397), aus­ste­chen, was zu ei­ner kurz­fris­ti­gen Ver­stim­mung zwi­schen Kö­nig und Erz­bi­schof führ­te. Zu die­sem Er­folg ver­half dem Köl­ner Domthe­sau­rar nicht nur die ge­wich­ti­ge po­li­ti­sche Un­ter­stüt­zung, von der die Re­de war, son­dern auch der Ein­satz er­heb­li­cher Geld­mit­tel – ein Chro­nist will von 70.000 Gul­den wis­sen. Die Be­schaf­fung die­ses Gel­des hielt den neu­en Erz­bi­schof, der vom Papst per­sön­lich die Bi­schofs­wei­he emp­fing, noch bis zum Ju­li 1350 in Süd­frank­reich fest. Um sei­ne Li­qui­di­tät fürs Ers­te si­cher zu stel­len, er­laub­te ihm der Papst, sei­ne Pfrün­den­ein­künf­te noch wei­te­re drei Jah­re zu be­zie­hen, was kir­chen­recht­lich ei­gent­lich un­ter­sagt war.

Liegefigur auf dem Grabmal des Erzbischofs Wilhelm von Gennep im Kölner Dom. (Dombauarchiv Köln)

 

Nach der Rück­kehr in sein Erz­bis­tum, wo un­er­le­dig­te Que­re­len und ei­ne rie­si­ge Schul­den­last auf ihn war­te­ten, leg­te er oh­ne zu zö­gern „die Hand an den Pflu­g“ und be­gann mit der Schul­den­til­gung und der Ein­lö­se ver­pfän­de­ten Stifts­be­sit­zes. Da­bei zeig­te er nach der von ihm ein­mal for­mu­lier­ten Ma­xi­me, al­te schwer­wie­gen­de Schul­den mit­hil­fe neu­er, we­ni­ger drü­cken­der Schul­den ab­zu­tra­gen, ei­ne über­aus ge­schick­te und er­folg­rei­che Hand. Das rühmt ihm nicht nur sein – im Üb­ri­gen nicht wohl ge­son­ne­ner – Bio­graph nach, son­dern auch das Dom­ka­pi­tel hat aus An­lass der Be­wil­li­gung von sechs Kle­rus­zehn­ten 1353 mit Re­spekt an­er­kannt, in welch kur­zer Zeit es Wil­helm ge­lun­gen ist, die Fi­nan­zen des Erz­stifts zu sa­nie­ren und sei­ne ver­fal­le­ne Macht­stel­lung wie­der auf­zu­bau­en.

Der Weg, den der Erz­bi­schof ein­schlug, um die­ses Ziel zu er­rei­chen, war da­durch ge­kenn­zeich­net, dass er krie­ge­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen nach Mög­lich­keit ver­mied und statt­des­sen um ei­ne fried­li­che Ver­stän­di­gung mit sei­nen ak­tu­el­len wie po­ten­ti­el­len Wi­der­sa­chern be­müht blieb. Da­zu ge­hör­te in ers­ter Li­nie die Fes­ti­gung be­zie­hungs­wei­se Er­neue­rung be­ste­hen­der und die An­knüp­fung neu­er Bünd­nis­se und Freund­schafts­ver­trä­ge. In die­ses auf schied­li­chen Aus­gleich und Ko­ope­ra­ti­on, nicht auf ge­walt­sa­men Kon­flikt­aus­trag an­ge­leg­te Sys­tem pass­ten sich in ge­wis­sem Sin­ne die gro­ßen re­gio­na­len Land­frie­den links und rechts des Rheins ein, in de­nen Wil­helm ei­ne zen­tra­le Rol­le spiel­te: der 1351 ge­schlos­se­ne Land­frie­den zwi­schen Maas und Rhein, des­sen po­li­ti­scher Kern ne­ben dem Erz­bi­schof der Her­zog von Bra­bant und die Städ­te Köln un­d Aa­chen bil­de­ten, und der west­fä­li­sche Land­frie­den aus dem­sel­ben Jahr, der die Er­neue­rung ei­nes 1319 zu­erst ein­ge­gan­ge­nen, dann mehr­fach wie­der­hol­ten Land­frie­dens dar­stell­te.

Un­ter den Bünd­nis­sen nahm die schon im Sep­tem­ber 1350 ver­ein­bar­te „Freund­schaf­t“ mit der Stadt nicht nur zeit­lich, son­dern auch der Be­deu­tung nach den ers­ten Platz ein. Sie sorg­te für re­la­ti­ve Ru­he im Zen­trum des Stifts­ge­bie­tes und er­öff­ne­te dem Erz­bi­schof den Zu­gang zu den fi­nan­zi­el­len Res­sour­cen der Köl­ner Bür­ger. Den da­für zu zah­len­den Preis, näm­lich die An­er­ken­nung der Stadt als ei­ne fak­tisch ei­gen­stän­di­ge po­li­ti­sche Grö­ße, scheint Wil­helm wohl des­halb oh­ne gro­ße Be­den­ken ge­zahlt zu ha­ben, weil er nüch­tern ge­nug war ein­zu­se­hen, dass er nichts ver­gab, was nicht oh­ne­hin schon ver­lo­ren war. Das Ver­hält­nis zwi­schen Erz­bi­schof und Stadt blieb zu Wil­helms Le­bens­zeit im We­sent­li­chen un­ge­stört, wenn es auch, wie in der Köl­ner Bi­schof­s­chro­nik zu le­sen, ge­le­gent­lich Rei­be­rei­en gab: Man teil­te sich den hin­ter­las­se­nen Be­sitz der in der Po­grom­nacht vom 23./24.81349 ge­tö­te­ten Köl­ner Ju­den, die Stadt ak­zep­tier­te das Schieds­ur­teil des Erz­bi­schofs im Streit zwi­schen ihr und dem dor­ti­gen Do­mi­ni­ka­ner­klos­ter um den Be­sitz der To­ten Hand, im Kon­flikt zwi­schen Wil­helm und der Stadt An­der­nach nahm Köln trotz ei­nes zwi­schen bei­den Städ­ten be­ste­hen­den Bünd­nis­ab­kom­mens ei­ne be­tont neu­tra­le Hal­tung ein und trug da­mit der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten „Freund­schaf­t“ Rech­nung.

Die­ser Kon­flikt des Erz­bi­schofs mit der Stadt An­der­nach hat sich durch die gan­ze Re­gie­rungs­zeit Wil­helms hin­ge­zo­gen und war bei sei­nem To­de noch nicht end­gül­tig bei­ge­legt. Er hat­te sei­ne Ur­sa­che letzt­lich in dem Stre­ben der Stadt nach der Be­wah­rung ih­rer „Frei­hei­ten“ und ei­ner Er­wei­te­rung ih­rer Au­to­no­mie, wel­ches Stre­ben auf die ge­gen­läu­fi­ge Ten­denz des Erz­bi­schofs zur Be­haup­tung, ja Stei­ge­rung sei­ner Stadt­herr­schaft stieß. Zu der Kon­fron­ta­ti­on zwi­schen Stadt und Stadt­herrn tra­ten in­ner­städ­ti­sche Span­nun­gen zwi­schen – ver­kürzt aus­ge­drückt und Quer­ver­bin­dun­gen hint­an­ge­setzt – Schöf­fen und zünf­tisch be­stimm­tem Rat, ad­li­gem Me­lio­rat und Bür­ger­schaft, die 1357 zu ei­nem Bür­ger­auf­stand ge­gen den Stadt­herrn führ­ten. Die­se Aus­ein­an­der­set­zung be­wer­tet Wil­helms Bio­graph als ei­ne Fol­ge je­ner Zü­ge in Wil­helms Re­gie­rungs­stil und –pra­xis, auf die er ein­geht, nach­dem er sei­ne Ver­diens­te um die wirt­schaft­li­che und po­li­ti­sche Kon­so­li­die­rung der eccle­sia Co­lo­ni­en­sis in höchs­ten Tö­nen ge­lobt hat­te. Sie wer­den cha­rak­te­ri­siert durch die Be­grif­fe Geld­gier (cu­pi­di­tas) und Ge­walt­herr­schaft (po­testa­ti­va do­mi­na­tio). Ge­meint zwar als mo­ra­li­sche Ver­dik­te, dürf­ten sie je­doch eher po­li­ti­sche Not­wen­dig­kei­ten be­zeich­nen. Die Hab­gier wird auf die un­mä­ßig ho­hen Steu­ern und Zöl­le be­zo­gen, die er den Un­ter­ta­nen wie den Frem­den ab­ver­lang­te. An­ge­sichts des Schul­den­bergs, der bei sei­nem Amts­an­tritt auf dem Erz­stift las­te­te, dürf­te ihm kein an­de­rer Weg für ei­ne Sa­nie­rung der Fi­nan­zen of­fen ge­stan­den ha­ben. Dass er sich da­bei auch das Geld für sei­ne fürst­li­chen Re­prä­sen­ta­ti­ons­pflich­ten und –be­dürf­nis­se, vor al­lem am kai­ser­li­chen Hof be­schaff­te, wird man ihm zu­bil­li­gen müs­sen. Ob die in­kri­mi­nier­te Ge­walt­herr­schaft mehr oder an­de­res be­sagt als die kon­se­quen­te Wahr­neh­mung sei­ner lan­des­fürst­li­chen Rech­te, ist frag­lich. Wil­helm hat sich zwar als „obers­ter Fürst und Her­zo­g“ in sei­nem Land ver­stan­den und dort die „obers­te Ge­wal­t“ für sich re­kla­miert, doch zeigt das nicht mehr als ein aus­ge­präg­tes herrscher­li­ches Selbst­be­wusst­sein an und kei­ne ty­ran­ni­schen Prak­ti­ken, wie ihm sein Bio­graph un­ter­stellt. Ob­wohl Wil­helm di­plo­ma­ti­sche Kon­flikt­lö­sun­gen vor­zog, kam auch er um Krie­ge nicht her­um. Schon in den ers­ten Jah­ren sei­ner Re­gie­rung (1353) ist er zu­sam­men mit Erz­bi­schof Bal­du­in von Trier ge­gen die Her­ren von Daun­ vor­ge­gan­gen und hat da­bei die köl­ni­sche Macht­stel­lung an der süd­li­chen Gren­ze sei­ner Diö­ze­se ver­stärkt. Die hef­tigs­te und – nach den er­hal­te­nen Sold- und Ent­schä­di­gungs­quit­tun­gen – kost­spie­ligs­te Feh­de focht er in den Jah­ren 1356-1358 mit dem Gra­fen von Arns­berg aus. Ge­naue­re An­ga­ben über die Kriegs­grün­de und –zie­le feh­len. Quel­len­hin­wei­se las­sen ver­mu­ten, dass es um strit­ti­ge Rech­te in den Ge­bie­ten des Sau­er­lan­des ging, in de­nen sich die Rech­te bei­der Ter­ri­to­ri­en über­schnit­ten oder ein­an­der Kon­kur­renz mach­ten. Au­ßer­dem stand die geist­li­che Ge­richts­bar­keit be­zie­hungs­wei­se de­ren Ver­hin­de­rung in der Graf­schaft Arns­berg zur Dis­kus­si­on, Wil­helm fühl­te sich al­so nicht nur als Lan­des­herr, son­dern glei­cher­ma­ßen als Bi­schof her­aus­ge­for­dert. Die Feh­de wur­de 1358 be­en­det mit der Be­stal­lung des Gra­fen Gott­fried IV. von Arns­berg zum köl­ni­schen Mar­schall in West­fa­len – ei­ner Maß­nah­me, die ei­ne tief­grei­fen­de Ver­bes­se­rung des köl­nisch-arns­ber­gi­schen Be­zie­hun­gen an­zeig­te oder gar be­wirk­te, die ih­rer­seits ei­ne Vor­aus­set­zung für den Er­werb der Graf­schaft durch das Erz­stift Köln im Jah­re 1369 ge­we­sen ist. Mit den Ver­lie­rern die­ser ter­ri­to­ria­len Trans­ak­ti­on, den Gra­fen von der Mark, die noch sei­nem Vor­gän­ger Wal­ram so arg zu­ge­setzt hat­ten, ist Erz­bi­schof Wil­helm im Üb­ri­gen fried­lich aus­ge­kom­men.

Ob­wohl Wil­helm ge­gen den Wil­len des Kö­nigs und spä­te­ren Kai­sers Karl IV. den Köl­ner Erz­stuhl er­langt hat, kam es nach we­ni­gen Jah­ren ab­war­ten­der Dis­tanz zu ei­ner re­la­tiv en­gen Zu­sam­men­ar­beit in Reichs­an­ge­le­gen­hei­ten. Aus­gangs­punkt war der Reichs­tag in Spey­er, auf dem sich Wil­helm im No­vem­ber 1353 per­sön­lich mit den Re­ga­li­en be­leh­nen ließ, die er schon im Ok­to­ber 1350 per pro­cu­ra­to­rem emp­fan­gen hat­te. Von da an hat er kei­nen der Reichs­ta­ge mehr ver­säumt, auf de­nen er we­gen sei­ner po­li­ti­schen Um­sicht und Ge­schäfts­klug­heit ein an­ge­se­he­ner und ge­schätz­ter Teil­neh­mer war. Er über­nahm zu­neh­mend die Rol­le ei­nes kai­ser­li­chen Sach­wal­ters und Be­voll­mäch­tig­ten im Nord­wes­ten des Rei­ches, so bei dem Ver­such, zwi­schen den Kö­ni­gen von Eng­land und Frank­reich ei­nen Waf­fen­still­stand im Hun­dert­jäh­ri­gen Krieg zu ver­mit­teln.

Bei al­ler Wei­te des po­li­ti­schen Blicks ver­lor er den ei­ge­nen Vor­teil und den sei­nes Erz­stifts nicht aus den Au­gen. Schon 1353 be­wog er den Kö­nig, ihm die Ober­herr­schaft über die west­fä­li­schen Frei­ge­rich­te zu über­tra­gen. Mit der so be­grün­de­ten obers­ten Stuhl­herr­schaft über die Fe­me konn­te er dann der in­zwi­schen ver­blass­ten köl­ni­schen Her­zogs­ge­walt in West­fa­len ei­nen neu­en kon­kre­ten In­halt ge­ben. Auch auf den Aus­bau der Reichs­ver­fas­sung nahm Wil­helm – im ei­ge­nen In­ter­es­se wie in dem sei­ner kur­fürst­li­chen Stan­des­ge­nos­sen – ei­nen be­mer­kens­wer­ten Ein­fluss; auf sei­ne Ver­an­las­sung sol­len die städ­te­feind­li­chen Ka­pi­tel XIII De re­vo­ca­tio­ne pri­vi­le­gio­rum und XVI De con­spi­ra­to­ri­bus in den Text des 1356 ver­kün­de­ten Reichs­grund­ge­set­zes der „Gol­de­nen Bul­le“ ein­ge­fügt wor­den sein. Die For­schung hat an­ge­nom­men, dass die Sto­ß­rich­tung die­ser Be­stim­mun­gen ge­gen die Stadt Köln ge­rich­tet war. Das mag al­len­falls für Ka­pi­tel XIII gel­ten, wo dem Erz­bi­schof dar­an ge­le­gen war, die ge­ne­rel­le Zoll­be­frei­ung Kölns auf­zu­he­ben, wor­auf er sich aber schon zu­vor im Sep­tem­ber 1350 mit der Stadt be­züg­lich sei­ner ei­ge­nen Zöl­le ver­stän­digt hat­te. Ihm konn­te es jetzt nur um ei­ne reichs­recht­li­che Ab­si­che­rung die­ser Re­ge­lung zu tun sein. Das Ver­bot von Ver­schwö­run­gen ziel­te nicht auf die ci­vi­tas Köln, mit der er, wie ge­se­hen, am Be­ginn sei­nes Epis­ko­pats ein Bünd­nis auf der Ba­sis fak­ti­scher Gleich­be­rech­ti­gung ein­ge­gan­gen war, son­dern hat­te die Po­li­tik der köl­ni­schen Ter­ri­to­ri­al­städ­te im Au­ge, die sich ge­gen ei­ne In­ten­si­vie­rung der erz­bi­schöf­li­chen Stadt- und Lan­des­herr­schaft zur Wehr setz­ten. Die­ser scheint es vor al­lem um die fis­ka­li­sche Ab­schöp­fung der städ­ti­schen Wirt­schafts- und Fi­nanz­kraft ge­gan­gen zu sein.

Das pro­mi­nen­tes­te Bei­spiel war, wie schon er­wähnt, An­der­nach. Bei den durch die Gol­de­ne Bul­le ver­bo­te­nen Kon­spi­ra­tio­nen han­del­te es sich al­so um Ei­nun­gen und Ver­bün­de so­wohl in­ner­halb der Städ­te als auch zwi­schen ih­nen. Zu ei­nem sol­chen über­ter­ri­to­ria­len Städ­te­ver­bund kam es 1359, als Erz­bi­schof Wil­helm die In­sel Ro­lands­werth be­fes­ti­gen ließ, „um ei­ne grö­ße­re Macht über den Rhein­strom zu be­kom­men.“ Um dies zu ver­hin­dern, schlos­sen sich An­der­nach, Bonn, Ober­we­sel und Köln zu ei­nem Mi­li­tär­bünd­nis zu­sam­men, vor dem Wil­helm zu­rück­wei­chen und sei­ne Ab­sicht auf­ge­ben muss­te. Was hin­ter die­ser erz­bi­schöf­li­chen Ak­ti­on ge­stan­den hat­te: die Er­rich­tung ei­nes neu­en Zolls oder die Ver­le­gung des An­der­nach­er Zolls aus der un­bot­mä­ßi­gen Stadt dort­hin, muss of­fen blei­ben. Dass es in ir­gend­ei­ner Wei­se mit dem Zoll und der Ver­meh­rung der erz­bi­schöf­li­chen Ein­künf­te zu tun hat­te, dürf­te au­ßer Zwei­fel ste­hen. Denn der Ver­fas­ser des ent­spre­chen­den Ab­schnitts in der Köl­ner Bi­schof­s­chro­nik wid­met die knap­pe Hälf­te sei­ner Aus­füh­run­gen der cu­pi­di­tas des Erz­bi­schofs und ih­rer un­er­freu­li­chen po­li­ti­schen wie wirt­schaft­li­chen Fol­gen, die da­hin führ­ten, dass man ihn am En­de sei­ner Re­gie­rungs­zeit zu „has­sen“ be­gann und ge­gen ihn re­bel­lier­te. Das ist si­cher­lich ei­ne dra­ma­tisch über­stei­ger­te Be­schrei­bung der Si­tua­ti­on, die durch an­de­re Zeug­nis­se nicht ge­deckt wird. Die als Cha­rak­ter­feh­ler qua­li­fi­zier­te Geld­gier muss wohl eher als kom­ple­men­tä­res Ge­gen­stück zu der vor­her ge­prie­se­nen Leis­tung bei der Re­kon­so­li­die­rung der eccle­sia Co­lo­ni­en­sis ge­le­sen wer­den – ei­ne Ver­bin­dung, die der Chro­nist eben nicht her­stellt. Er dürf­te als Köl­ner Kle­ri­ker vor al­lem über die 13 „lie­be­vol­len Bei­hil­fen“ (sub­si­dia ca­ri­ta­ti­va) er­bost ge­we­sen sein, die der Erz­bi­schof sei­ner Diö­ze­sang­eist­lich­keit ab­ver­langt hat.

Als her­vor­ra­gen­der Grund­zug von Wil­helms Per­sön­lich­keit wer­den sei­ne Er­fah­rung und Ge­schick­lich­keit in re­bus munda­nis (in welt­li­chen Sa­chen), al­so sei­ne lan­des­herr­li­chen Fä­hig­kei­ten, ge­rühmt, von sei­nen bi­schöf­li­chen, geist­li­chen Qua­li­tä­ten ver­lau­tet nichts. Fröm­mig­keit scheint an ihm nicht auf­ge­fal­len zu sein, wohl aber Sit­ten­stren­ge. Es ist al­ler­dings die Fra­ge, ob die bei ei­nem geist­li­chen Fürs­ten uns ge­läu­fi­ge Un­ter­schei­dung von Lan­des­herr und Bi­schof von Wil­helm über­haupt ver­stan­den, ge­schwei­ge denn ak­zep­tiert wor­den wä­re. Er wirk­te oh­ne in­ne­re Dis­tanz in den vor­ge­fun­de­nen po­li­ti­schen wie kirch­li­chen Struk­tu­ren und hat wohl sein Be­mü­hen um ei­ne Fes­ti­gung und Ver­grö­ße­rung des Köl­ner Erz­stifts als ein mit dem Bi­schofs­amt un­lös­lich ver­knüpf­tes gott­wohl­ge­fäl­li­ges Werk ge­se­hen. Nicht von un­ge­fähr hat er 1352 dem Jo­han­nes­al­tar in der Stifts­kir­che zu Ger­res­heim (heu­te Stadt Düs­sel­dorf) ei­nen Ab­lass für al­le die­je­ni­gen ver­lie­hen, die dort für ei­ne nach­hal­ti­ge Bes­se­rung der La­ge des Köl­ner Erz­stifts (pro re­for­ma­tio­ne sta­tus eccle­sie nost­re in me­li­us et con­ser­va­tio­ne ip­si­us) be­te­ten. Ei­ne sol­che Ge­bets­in­ten­ti­on fin­det man sonst bei kei­nem sei­ner Vor­gän­ger und Nach­fol­ger.

Als Bi­schof hat er ne­ben der Er­le­di­gung von Rou­ti­ne­auf­ga­ben wie Pfrün­den­tausch, Al­tar­stif­tun­gen, In­kor­po­ra­tio­nen von Pfarr­kir­chen in Klös­ter und Stif­te, Hei­rats­dis­pen­sen u. ä. die von sei­nen Vor­gän­gern wie­der be­leb­te Tra­di­ti­on der bei­den jähr­li­chen Diö­ze­san­syn­oden (im Früh­jahr und Herbst) fort­ge­setzt und be­nutzt, um Vor­schrif­ten (Sta­tu­ten) für die Be­hand­lung ak­tu­el­ler kirch­li­cher Pro­ble­me zu pu­bli­zie­ren, wo­bei er weit­ge­hend auf die ein­schlä­gi­gen Sta­tu­ten sei­ner Vor­gän­ger zu­rück­griff. Sie be­han­deln un­ter an­de­rem das Vor­ge­hen ge­gen hä­re­ti­sche oder im Ver­dacht hä­re­ti­scher Nei­gun­gen ste­hen­de Grup­pie­run­gen be­zie­hungs­wei­se Be­we­gun­gen wie die Be­gar­den und die Fla­gel­lan­ten, die bi­schöf­li­chen Re­ser­vat­fäl­le, die Be­nut­zung von Tra­gal­tä­ren, aber­gläu­bi­sche Prak­ti­ken, Wu­cher­ge­schäf­te, lai­ka­le Über­grif­fe in die kirch­li­che Rechts­sphä­re. Die meis­ten von ih­nen aber die­nen da­zu, der Geist­lich­keit, ins­be­son­de­re dem Stiftskle­rus, in im­mer neu­en An­läu­fen die Stan­des­pflich­ten hin­sicht­lich Be­tra­gen, Klei­dung, Be­schäf­ti­gung und Le­bens­füh­rung un­ter Straf­an­dro­hung ein­zu­schär­fen. Wie weit al­le die­se Sta­tu­ten auf erz­bi­schöf­li­che In­itia­ti­ve zu­rück­ge­hen, wie weit sie Pro­duk­te des in­zwi­schen fest eta­blier­ten diö­ze­sa­nen Ver­wal­tungs­ap­pa­rats sind, lässt sich ge­ne­rell nicht ent­schei­den. Per­sön­li­ches En­ga­ge­ment wei­sen aber zwei­fels­oh­ne die Sta­tu­ten über die so­zia­le Ver­brei­te­rung des zeit­ge­nös­si­schen Dom­bau­ver­eins, der St. Pe­ters-Bru­der­schaft, und über die För­de­rung des Dom­baus über­haupt aus, „für des­sen Wei­ter­füh­rung un­ser gan­zes Herz ent­brenn­t“ (in cui­us exe­cu­tio­ne to­tum cor no­strum in­flam­me­scit). Seit­dem ein von Wil­helm ge­präg­ter Vier­tel­gul­den in der Fun­da­ment­ver­fül­lung des Süd­turms ge­fun­den wur­de, wis­sen wir, dass es tat­säch­lich ihm zu ver­dan­ken ist, dass der nach Voll­endung des Chors (1322) ins Sto­cken ge­ra­te­ne Dom­bau mit dem Bau­be­ginn der West­fas­sa­de wie­der auf­ge­nom­men wur­de. Er hat sich durch die­ses Werk, in dem from­mer Sinn, Re­prä­sen­ta­ti­ons­be­dürf­nis und Geld­be­schaf­fung zu­sam­men­ka­men, ein bis in die Ge­gen­wart rei­chen­des Denk­mal ge­setzt.

Am 15.4.1362 ist Wil­helm, der in den letz­ten Re­gie­rungs­jah­ren an ei­ner Bein­ver­let­zung la­bo­rier­te, an ei­ner fieb­ri­gen Er­kran­kung, der sein durch Über­ar­bei­tung er­schöpf­ter Kör­per nichts mehr ent­ge­gen­zu­set­zen hat­te, in Köln ge­stor­ben. Bei­ge­setzt wur­de er in dem noch er­hal­te­nen ein­drucks­vol­len Hoch­grab im Dom, das er sich schon zu Leb­zei­ten hat­te er­rich­ten las­sen. Sei­ne noch auf dem Ster­be­bett ge­trof­fe­ne klu­ge Vor­sor­ge für ei­ne gu­te Nach­fol­ge – er hat­te den Dom­propst Wil­helm von Schlei­den im Au­ge – wur­de durch die­sen selbst und die un­be­ra­te­ne Tak­tie­re­rei des Dom­ka­pi­tels zu­nich­te ge­macht.

Quellen

Cro­ni­ca pre­su­lum et ar­chie­pi­sco­po­rum Co­lo­ni­en­sis eccle­sie (Die köl­ni­sche Bi­schof­s­chro­nik), in: Gott­fried Eckertz (ed.), Fon­tes ad­huc in­e­di­ti rer­um Rhen­ana­rum. Nie­der­rhei­ni­sche Chro­ni­ken I, Köln 1864, S. 1-64, über Wil­helm S. 42-45.
Die Re­ges­ten der Erz­bi­schö­fe von Köln im Mit­tel­al­ter, Band 6: 1349-1362 (Wil­helm von Gen­nep), be­arb. von Wil­helm Jans­sen, Köln/Bonn 1977.

Literatur

Ge­or­gi, Wolf­gang, Die Grab­le­gen der Erz­bi­schö­fe von Köln im Mit­tel­al­ter, in: Dom­bau und Theo­lo­gie im 
mit­tel­al­ter­li­chen Köln. FS zur 750-Jahr­fei­er des Köl­ner Doms und zum 65. Ge­burts­tag von Joa­chim Kar­di­nal Meis­ner, 
hg. von Lud­ger Hon­ne­fel­der, Nor­bert Trip­pen und Ar­nold Wolff, Köln 1998, S. 231- 265, hier S. 263.
Huis­kes, Man­fred, An­der­nach im Mit­tel­al­ter. Von den An­fän­gen bis zum En­de des 14. Jahr­hun­derts, Bonn 1980, bes. S. 150-159, 181-192.
Jans­sen, Wil­helm, Das Erz­bis­tum Köln im spä­ten Mit­tel­al­ter (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 2), Band 2,1, Köln 1975, S. 227-242.
Jans­sen, Wil­helm, „Un­der dem volk ver­has­t“. Zum Epis­ko­pat des Köl­ner Erz­bi­schofs Wil­helm von Gen­nep (1349-62), in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 177 (1975), S. 41-61.
Jans­sen, Wil­helm, Wil­helm von Gen­nep (um 1309/14-1362), in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe des Hei­li­gen Rö­mi­schen 
Rei­ches 1198 bis 1448, Ber­lin 2001, S. 280-281.

Grabmal Wilhelm von Genneps im Kölner Dom, in der Mitte des Binnenchores vor 1362 errichtet. Die um 1740 zerstörte Tumba wurde 1904 durch eine neue ersetzt. (Dombauarchiv Köln)

 
Zitationshinweis

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Janssen, Wilhelm, Wilhelm von Gennep, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-von-gennep/DE-2086/lido/57c930a4871c33.34352330 (abgerufen am 09.11.2024)