Die Marienwallfahrt nach Eberhardsklausen bei Wittlich
Zu den Kapiteln
1. Die Anfänge im 15. Jahrhundert: Der Klausner Eberhard und seine Marienerscheinung
Im Jahre 1440 errichtete der Tagelöhner, Kleinbauer und Winzer Eberhard (gestorben 1451) einen zwölf Fuß hohen Bildstock (stipes) mit einer Schmerzhaften Muttergottes an der Stelle der heutigen Wallfahrtskirche „Maria Heimsuchung“ in der Gemeinde Klausen. Der Ort, an dem der Bildstock errichtet wurde, befand sich inmitten der freien Natur auf einer Anhöhe der Südeifel über dem Moseltal und gehörte zum Pfarrsprengel von Piesport an der Mittelmosel.
Über Eberhards Leben ist kaum etwas bekannt. Er stammte offenbar aus der näheren Umgebung, entweder aus dem nahegelegenen Dorf Esch oder aus Ferres (Piesport). Im Jahre 1442 errichtete Eberhard nach einer Marienerscheinung ein Häuschen an der Stelle des Bildstocks. Zu diesem Zweck erhielt er von dem Grundherren Gotthard von Esch (gestorben 1465) ein Stück Land. Nachdem Opfergaben entwendet worden waren, verkaufte Eberhard seinen wenigen Besitz und baute neben dem Heiligenhäuschen eine Klause, in der er fortan als Einsiedler lebte. In Trier hatte er zuvor eine bescheidene Glocke, einen kleinen Leuchter und ein Marienbild erworben, das dem ersten (wohl nicht erhaltenen) Bildnis ähnelte. Nachdem sich die Kunde von Wundern verbreitet hatte, setzte eine Wallfahrtsbewegung ein.
Bereits 1444 wurde das Heiligenhäuschen abgerissen und durch eine kleine quadratische, nicht konsekrierte Kapelle ersetzt. Wenige Jahre später – 1447/1448 – wurde diese Kapelle erweitert und mit einem Turm versehen. Nach der Legende ereignete sich beim Bau des Turmes ein Mirakel: So bat Eberhard die Muttergottes, dass ein Fässchen mit Wein für die Arbeiter beim Turmbau stets gefüllt sein möge. An diese Legende erinnert das Fass, das auf der Turmspitze angebracht ist.
Die neue Kapelle wurde 1449 vom Trierer Erzbischof Jakob I. von Sierck geweiht. Als der Einsiedler Eberhard zwei Jahre später starb, wurde er in der Kapelle begraben. Bis 1904 ruhten seine Gebeine vor dem Gnadenaltar in den Gnadenkapelle. Seitdem sind sie hinter einem Gitter ausgestellt.
2. Das Augustinerchorherrenkloster Eberhardsklausen
Bald nach Eberhards Tod stellte sich die Frage nach der seelsorgerischen Betreuung der Wallfahrt. 1456/1457 ließen sich daher Augustinerchorherren aus den Klöstern Niederwerth bei Koblenz und Böddeken in Westfalen am Ort nieder. Als Keimzelle des späteren Klosters wurde für sie ein Wohnhaus neben Eberhards Klause errichtet. Am 14.9.1459 übertrug der Trierer Erzbischof Johann II. von Baden Kapelle, Gebäude und alle Rechte an die Windesheimer Kongregation und genehmigte die Einrichtung eines Klosters, das dieser 1461 angegliedert wurde.
Die Eberhardsklausener Chorherren waren in den folgenden Jahren in Klöstern der Umgebung reformierend tätig, so zum Beispiel in Springiersbach oder im St.-Nikolaus-Hospital (Cusanus-Stift) in Bernkastel-Kues. Ab dem 15. Jahrhundert erwarben sie umfangreichen Grundbesitz, vornehmlich an der Mittelmosel. Am 4.7.1502 wurde ein Kirchenneubau geweiht, für den die ursprüngliche Kapelle erweitert und in den Neubau einbezogen worden war. Eine nachgebildete Klause Eberhards, deren Authentizität nicht belegt ist, befindet sich an der Nordseite der Kirche. Erhalten sind ein schlichtes Chorgestühl aus der Zeit um 1500 und ein kostbarer Hochaltar aus der Antwerpener Schule, der um 1480 erworben wurde. Die zeitgenössischen Wandmalereien in der Bibliothek sind von hohem künstlerischem Wert.
1747 wurde die Kirche durch einen Neubau des Chores erweitert. Die rasche bauliche Entwicklung von Kirche und Kloster sowie die für eine Eifelgemeinde außerordentliche großzügige Dimension der Abtei- und heutigen Pfarrkirche sprechen für die große Beliebtheit der Klausener Marienwallfahrt.
Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert entstanden zahlreiche Klostergebäude, von denen Teile heute noch erhalten sind wie die ehemalige Herberge aus dem 18. Jahrhundert, das vormalige Brauhaus, das bis 1952 als Pfarrhaus diente, sowie Wirtschaftsgebäude im Süden des Klosterberings. Auch Teile der Klostermauer sind erhalten. 1802 wurde das Augustinerchorherrenstift Eberhardsklausen säkularisiert, die Abteikirche wurde zur Pfarrkirche umgewidmet.
Ab 1803 kam es zur Ansiedlung von Gastwirtschaften in Klausen. Sie übernahmen die Beherbergung und Verpflegung der zahlreichen Pilger, die vor 1802 in den Händen der Chorherren gelegen hatte. Im Grunde genommen handelte es sich bei dem Ort Klausen im 19. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein um eine Agglomeration von Gastbetrieben. So wurden 1922 19 „Gehöfte“ gezählt, von denen 14 Gastwirtschaften waren. Im 19. Jahrhundert lebten weniger als 100 Einwohner in Klausen, um die Mitte des 20. Jahrhunderts waren es knapp 250. Seit 1927 ist Klausen Sitz eines Dekanates.
2. Die Marienwallfahrt von Eberhardsklausen
Die Verehrung des Marienbildes von Eberhardsklausen muss bald nach der Errichtung des Bildstockes beziehungsweise des ersten Heiligenhäuschens durch Eberhard in den Jahren 1440/1442 eingesetzt haben. Hierfür spricht neben der sprunghaften architektonischen Entwicklung, dass sich Eberhard dauerhaft in einer Klause niederließ, nachdem Opfer gestohlen worden waren, und dass bereits gegen Mitte der 1450er Jahre Augustinerchorherren zur Betreuung der Wallfahrt in die Vordereifel übersiedelten. 1472 wurde mit dem Bau einer Mauer um den Klosterbereich begonnen, um Störungen durch den Wallfahrtsbetrieb fernzuhalten. Für das Jahr 1498 berichten die Quellen von einem starken Pilgerzustrom. Außerdem hat sich ein Opferstock aus dem 15. Jahrhundert in der Kirche erhalten.
Ziel der Wallfahrt war die Verehrung des Klausener Gnadenbildes in der Gnadenkapelle, die den westlichen Abschluss des nördlichen Seitenschiffes bildet. Bei dem heute am Ort befindlichen Gnadenbild handelt es sich um eine vierfigurige Darstellung der Schmerzensreichen Jungfrau Maria mit Jesus sowie Magdalena und Johannes. Sie entstand nach 1600, während eine ältere Darstellung aus der Zeit um 1440 nur Maria und Jesus zeigte. Die früheste nachweisbare Darstellung des Klausener Gnadenbildes befindet sich als Abdruck auf einer im Jahre 1469 gegossenen Glocke in Waldböckelheim bei Bad Kreuznach.
Nachrichten über Wunderheilungen verbreiteten sich zunächst auf mündlichem Wege. Im Jahre 1536 legte der Kanoniker Wilhelm von Bernkastel (um 1460–1536), der erste Chronist des Augustinerchorherrenstiftes, eine erste, lateinische Sammlung der Wunder an. Es handelte sich dabei um 110 Mirakel aus der Zeit zwischen 1447-1490 und weitere 600 aus den Jahren 1490-1536. Im Jahre 1640 erschien in Trier ein erstes Mirakelbuch im Druck, das bereits bei Wilhelm von Bernkastel dokumentierte Wunder enthielt, ergänzt um neue Mirakel aus den Jahren 1616-1640. Von 1647 bis 1767 erschienen drei weitere Mirakelbücher. Sie dienten dazu, Nachrichten über Wunderheilungen in einem weiteren Umkreis zu verbreiten, den Ruhm der Wallfahrt wie auch die Einnahmen zu steigern und nicht zuletzt dazu, sich gegenüber anderen Gnadenorten zu behaupten. So zum Beispiel – ein beliebter Topos der Mirakelliteratur –, wenn sich andere Heilige als „wirkungslos“ erwiesen hatten. Das 1647 erschienene Mirakelbuch enthielt unter anderem 60 neue Wunder aus der Zeit von 1640-1647, während es sich bei der Ausgabe von 1767 lediglich um eine Kompilation der bis 1647 erschienenen Ausgaben handelte. Ein Mirakelbuch von 1726 ist bibliothekarisch nicht nachgewiesen, so dass Aussagen über seinen Inhalt nicht möglich sind.
4. Die Wunder
Bei den überlieferten Wundern handelte es sich zum einen um Totenerweckungen – bereits bei Wilhelm von Bernkastel sind 95 Fälle aufgeführt – und die Heilung von diversen Krankheiten und Gebrechen wie Blindheit, Taubheit, Stummheit, Gicht, Lähmungen, Skoliosen, Gallensteine, Wassersucht, Fieber, Pest, aber auch psychische Erkrankungen. Häufig wurde die Jungfrau Maria auch bei Unfruchtbarkeit und als Helferin bei der Geburt sowie bei Krankheiten des Viehs angerufen. Frühe Mirakelberichte belegen darüber hinaus ihre Anrufung durch Soldaten in Kriegshandlungen.
5. Einzugsgebiet und Pilgerzahlen vom 15.-20. Jahrhundert
Das Einzugsgebiet der Marienwallfahrt nach Eberhardsklausen war im Gegensatz zur „Mattheiser Wallfahrt“ nach St. Matthias in Trier und der Heilig-Rock-Wallfahrt in erster Linie regional. Pilger kamen vor allem aus dem Erzbistum Trier, insbesondere aus der südlichen Eifel und aus dem nahen Hunsrück.
Anders als bei dem in unregelmäßigem Turnus ausgestellten Heiligen Rock im Trierer Dom handelte es sich bei der Eberhardsklausener Marienwallfahrt um eine Wallfahrt mit jährlichem Zyklus. Zusammen mit der Abtei St. Matthias und dem Dom in Trier gehörte Eberhardsklausen zu den beliebtesten Wallfahrtsstätten des (Erz-) Bistums Trier. Nach dem „Rheinischen Volkskunde-Fragebogen“ aus der Zeit um 1930 war Klausen der beliebteste Wallfahrtsort des Bistums Trier, so auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Hauptwallfahrtszeit erstreckte sich auf die Monate Mai bis Oktober und hier insbesondere auf den „Marienmonat“ Mai und die Marienfeste im August und September. Höhepunkt der Wallfahrt war das Fest Mariae Geburt am 8. September. Während im 18. Jahrhundert der Monat Mai stärker frequentiert gewesen zu sein scheint, verlagerte sich die Hauptwallfahrtszeit im 19. und 20. Jahrhundert eher auf den Herbst, insbesondere den Monat September.
Träger der Wallfahrt waren vor allem Einzelpilger aus der (Erz-) Diözese Trier, die Bitt- und Dankwallfahrten unternahmen oder posthume Wallfahrtsgelöbnisse erfüllten. Dieser Befund entspricht der im Trierer Land verbreiteten Neigung der Gläubigen zu Privatwallfahrten.
Aus einzelnen Pfarreien der Diözese kamen Dankprozessionen, die anlässlich von überstandenen Epidemien wie der Pest im 17. und 18. Jahrhundert, aber auch beim Ausbruch anderer Seuchen wie Typhus, Ruhr und Cholera gelobt wurden. Aber auch Viehkrankheiten oder der Beistand Marias in Kriegssituationen waren Anlässe, der Muttergottes eine Wallfahrt nach Klausen zu versprechen. Sie wurden in der Regel einmal jährlich durchgeführt und sind seit dem 17. Jahrhundert nachgewiesen – neben schriftlichen Quellen etwa anhand der Plaketten, die sich an den kunstvoll geschmiedeten Kerzenhaltern für die Votivkerzen in der Gnadenkapelle befinden. Es handelte sich – mit zeitlichen Schwankungen von der Frühen Neuzeit bis Mitte der 1980er Jahre – um circa 200 bis 330 Prozessionen.
Abgesehen davon liegen vereinzelte Hinweise auf „Strafwallfahrten“ aus dem 16. und 17. Jahrhundert vor, die in Fällen von Mord und Ehebruch unternommen werden mussten. Die Mirakelbücher berichten darüber hinaus von Gelübden unter verschärften Bedingungen, entweder bei Brot und Wasser oder lanea veste et pedibus nudis, das heißt wöllen und bärwes, mit nackten Füßen und in Wolle gekleidet, der im Mittelalter eine reinigende Wirkung zugeschrieben wurde.
In Klausen spendeten die Pilger Geld und Kerzen oder brachten Wachsopfer in Form von Gliedern dar, die auf die Fürsprache Mariens hin geheilt worden waren. Selbst Kinderfiguren aus Wachs wurden geopfert. In der Marienkapelle ließen sie Krücken zurück, Messer oder Gegenstände, die von „Verzauberten“ ausgespien worden waren wie Nägel, Nadeln oder Knochen. Ab dem späten 19. Jahrhundert wurden in zunehmenden Maße Votivtäfelchen mit der Aufschrift „Maria hat geholfen“ gestiftet.
Um das Grabrelief des Ritters Philipp von Ottenesch (gestorben 1535) in der Turmhalle rankt sich ein Volksbrauch, der bis weit ins 20. Jahrhundert in Übung war. Dabei handelt es sich um eine für das Bistum Trier typische „Volkskanonisation“. Heiratswillige junge Frauen baten den „Heiligen Kommholmich“ um einen guten Ehemann, indem sie die Pluderhose („Bampelbox“) des Ritters mit dem Gliedfutteral berührten und ihm getrocknete Birnen („Hutzelbirnen“) darbrachten. Noch in den 1960er Jahren war die Berührung der Hose ein in der Gegend allgemein bekannter und geübter Brauch. 1871 versuchte der Pfarrer von Detzem / Mosel, allerdings ohne Erfolg, dem Treiben einen Riegel vorzuschieben, indem er sich beim Generalvikariat beschwerte. Der Brauch sei „zweideutig“ und: „Leichtgläubige Weiber halten es für ein Heiligenbild und verehren es.“[1]
Erstmalig ist der Verkauf von Devotionalien in Büdchen für das Jahr 1829 bezeugt. Erworben werden konnten religiöse Gegenstände oder Pilgerzeichen mit der Darstellung des Klausener Gnadenbildes. Beliebte Mitbringsel von der Wallfahrt waren auch Zuckerpfeifen und so genannte „Gebildbrote“, Gebäck in Form eines Hasen.
Obwohl einige Perioden der Wallfahrtsgeschichte quellenmäßig nur schlecht dokumentiert sind, insbesondere was das Pilgeraufkommen betrifft, lässt sich doch generell eine Kontinuität der Wallfahrt seit dem 15. Jahrhundert ohne nennenswerte Einbrüche feststellen. Für die Jahre 1498 und 1590 liegen punktuelle Informationen vor: sie berichten über einen starken Pilgerzustrom, gleiches gilt für die Jahre 1765 und 1767. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann sich im Zeichen der Aufklärung eine kritische Haltung gegenüber Manifestationen der Volksfrömmigkeit durchzusetzen. Im Jahre 1784 verfügte der Trierer Erzbischof Clemens Wenzeslaus von Sachsen ein Verbot von Wallfahrten, die sich über eine Stunde (und erst recht über Nacht) von der Heimatpfarrei entfernten. Dennoch sind zahlreiche Prozessionen nach Klausen dokumentiert, etwa aus Orten an der Mittelmosel wie Bullay, Alf, Neef oder Bremm. Die Gläubigen weigerten sich, von ihrer Wallfahrtstradition abzulassen, nicht selten bestärkt vom niederen Klerus. Eine Reihe von zum Teil heftigen Konflikten war die Folge. Die Wallfahrt zu unterdrücken, sollte jedoch zu keinem Zeitpunkt gelingen, weder im alten Erzbistum Trier, noch während der Französischen Revolution und der französischen Besetzung des Rheinlands. 1789 hatten die Augustinerchorherren einen Rückstand von 11.102 zu lesenden Messen angehäuft.
Die aufklärerische, wallfahrtsrestriktive Periode endete im Bistum Trier mit dem Beginn des Episkopates von Bischof Wilhelm Arnoldi (1798–1864), der 1842 inthronisiert wurde. Jetzt begann sich eine neue Wertschätzung gegenüber den traditionellen Formen der Volksfrömmigkeit wie beispielsweise dem Wallfahrtswesen abzuzeichnen. Ende der 1850er Jahre kamen allein in der Oktav von Mariä Geburt 10.000 Pilger nach Eberhardsklausen, 1866 wurden circa 150.000 Pilger gezählt. Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), preußischer König von 1840-1858/1861, reiste während seiner Regentschaft zweimal nach Klausen und die Trierer Bischöfe Matthias Eberhard (1815–1876) und Michael Felix Korum (1840–1921) sollen so gut wie jedes Jahr nach Klausen gepilgert sein.
Im ersten Jahr des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/1871 war ein ungewöhnlich starker Rückgang der Wallfahrt zu verzeichnen. Ältere Einwohner konnten sich an kein ähnlich schlechtes Wallfahrtsjahr erinnern, doch scheint das Phänomen eher auf den Ausbruch der Pocken um Ostern 1870 zurückzuführen zu sein. Denn entgegen der Vermutung des Klausener Pfarrers war das Wallfahrtsgeschehen ein Jahr darauf wieder rege. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen circa 80.000 Pilger pro Jahr zum Wallfahrtsort.
Der Erste Weltkrieg führte nicht zu einem Rückgang der Wallfahrt, im Gegenteil. Jetzt wurden außerordentlich viele Bittwallfahrten von Soldaten durchgeführt, die ins Feld zogen. 1915 wurden circa 160.000 Pilger gezählt, in den drei Monaten von Weihnachten 1915 bis Ostern 1916 waren es bereits 15.000. Der starke Zustrom hielt bis zum Ende des Krieges an und darüber hinaus bis etwa 1923 aufgrund von Gelöbnissen und Dankwallfahrten. Die Schätzungen schwanken bis zur Mitte der 1920er Jahre zwischen 80.000 und 150.000 Wallfahrern pro Jahr. 1921 klagte der Klausener Pfarrer über die Beeinträchtigung der Pfarrseelsorge in den Sommer- und Herbstmonaten durch die große Zahl der Pilger, die sich sogar beim Empfang der Sakramente vordrängelten. 1936 bat er beim Generalvikariat um einen Aushilfsgeistlichen für die Wallfahrt. Im Jahre 1938 wurde schließlich eine Kaplanstelle eingerichtet, doch noch vier Jahre danach vermerkt ein Visitationsbericht: „Die Wallfahrt ist der Pfarrseelsorge oft hinderlich.“[2]
Was der Aufklärung im späten 18. Jahrhundert nicht gelungen war, sollte auch den Nationalsozialisten nicht gelingen: die Wallfahrt in starkem Maße zu reglementieren oder gar zu unterbinden. 1934 wurde am 15. September die 500-Jahr-Feier der Wallfahrt mit einem Pontifikalamt unter freiem Himmel mit dem Trierer Bischof Franz Rudolf Bornewasser begangen, zu dem allein 5.000-6.000 Gläubige erschienen.
Eine für den 5.5.1935 angesetzte Jungmännerwallfahrt wurde verboten, das Verbot für die Wallfahrt ein Jahr später jedoch zurückgenommen. Am 21.5.1936 trafen 7.000 Jungmänner in Klausen ein. 1937 untersagte die Gestapo eine Marienfeier der Katholischen Jugend, die am 6. Mai stattfinden sollte. 1935 bewegte sich das Wallfahrtsaufkommen mit circa 100.000 Pilgern durchaus im üblichen Rahmen. Dohms resümiert: „Anfeindungen und Behinderungen zum Trotz scheint der Wallfahrtsverkehr in der Zeit von 1933-1939 unvermindert stark gewesen zu sein. Dies gilt für Prozessionen und Einzelpilger beziehungsweise kleinere Pilgergruppen.“[3] Aufgrund des Beginns des Zweiten Weltkrieges am 1.9.1939 war ein deutlicher Einbruch bei den im September eintreffenden Prozessionen auf ein Zehntel des üblichen Umfangs zu verzeichnen, abgesehen davon blieb das Aufkommen bei Einzelpilgern jedoch nach Zeitzeugenberichten trotz des Krieges sehr hoch, für 1943 wird der Zustrom an Gläubigen sogar als „außerordentlich hoch“ gewertet.[4]
Zwischen den späten 1940er – typisch für die unmittelbare Nachkriegszeit - und den 1960er Jahren begaben sich geschätzt 100.000 bis 150.000 Pilger pro Jahr auf die Marienwallfahrt. Dem allgemeinen Trend im Wallfahrtswesen folgend, machte sich dann auch in Klausen in den späten 1960er und 1970er Jahren ein leichter Rückgang im Wallfahrtsbetrieb bemerkbar, während seit den 1980er Jahren wieder ein Anstieg registriert wird.
Bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts hinein blieb das Erscheinungsbild der Klausener Wallfahrt als das einer regionalen Fußwallfahrt stabil. Erst mit dem Aufkommen moderner Verkehrsmittel im 19. Jahrhundert setzte ein Strukturwandel ein. So ermöglichten die Eröffnung der Eisenbahnlinien zwischen Saarbrücken und Trier (1858/1860), der Strecke Trier – Koblenz (1874/1879) und der Moseltalbahn (1903/1905) den Pilgern, mit der Bahn zu nahegelegenen Bahnhöfen zu reisen und nur den Rest der Strecke zum Wallfahrtsort zu Fuß zurückzulegen. Durch die Nutzung des neuen Transportmittels waren nun auch (insgesamt kürzere) Wallfahrten im Winter möglich, die zu einem weiteren Anstieg der Pilgerzahlen führten. Allein an drei Tagen im September 1890 wurden am Bahnhof im nahegelegenen Hetzerath knapp 2.500 Fahrkarten verkauft. Die Wallfahrtssaison verlängerte sich über die traditionellen Monate Mai bis September hinaus und verlagerte sich in zunehmendem Maße von den stärker frequentierten Wochenenden auf Werktage.
In den 1920er Jahren wurden zusätzliche Busverbindungen nach Klausen eingerichtet. Auch der motorisierte Individualverkehr trug zur Zurückdrängung der klassischen Fußwallfahrt bei. Im Jahre 1983 kamen nur noch ein Sechstel der Pilger zu Fuß nach Klausen. Seit den späten 1990er Jahren hat sich eine Motorradwallfahrt etabliert, bei der Motorradfahrer und ihre Gefährte den Segen erhalten.
Quellen
Hoffmann, Paul/Dohms, Dieter (Bearb.), Die Mirakelbücher des Klosters Eberhardsklausen, Düsseldorf 1988.
Literatur
Dohms, Peter, Die Geschichte des Klosters und Wallfahrtsortes Eberhardsklausen an der Mosel von den Anfängen bis zur Auflösung des Klosters im Jahre 1802, Bonn 1968.
Dohms, Peter, Eberhardsklausen. Kloster, Kirche, Wallfahrt, Trier 1985.
Dohms, Peter, Das frühere Kloster Eberhardsklausen mit der Wallfahrtskirche in Klausen bei Wittlich, Köln 1989.
Dohms, Peter, Klausener Pilgerbuch, Trier 2001.
Irsch, Nikolaus, Klausen, Trier 1952.
Persch, Martin/Embach, Michael/Dohms, Peter (Hg.), 500 Jahre Wallfahrtskirche Klausen, Mainz 2003.
Wisniewski, Andreas, Gemeinde Klausen, in: Hesse, Günter/Wisniewski, Andreas (Hg.), Wittlich Land. Geschichte einer Verbandsgemeinde zwischen Vulkaneifel und Mosel, Bernkastel-Kues 1990, S. 879-912.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Bernard, Birgit, Die Marienwallfahrt nach Eberhardsklausen bei Wittlich, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-marienwallfahrt-nach-eberhardsklausen-bei-wittlich/DE-2086/lido/6041f8ee7459e0.73761006 (abgerufen am 05.12.2024)