Zu den Kapiteln
Der katholische Religionslehrer in Essen und Kölner Weihbischof Antonius Fischer war als Kölner Erzbischof und Kardinal einerseits innerkirchlich streng ausgerichtet und trat andererseits im Gewerkschaftsstreit für interkonfessionelle Gewerkschaften ein.
Antonius Hubert Fischer wurde am 30.5.1840 als Sohn des städtischen Volkschullehrers Wilhelm Joseph Fischer (gestorben 1871) und der Hausfrau (und Mutter weiterer neun Kinder) Margaretha Fischer (gestorben 1888), geborene Horrig, in Jülich geboren. Sein Bruder Joseph wurde geachteter Buchdrucker und Verleger in Jülich. Nach erster Unterrichtung vom Vater besuchte Antonius das Progymnasium in seiner Heimatstadt Jülich, wo einer seiner Lehrer Maurus Wolter war, der spätere Erzabt der Beuroner Benediktiner. Zum Abitur mit 17 Jahren war Fischer von 1853-1857 an das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Köln gewechselt. Als Priesteramtskandidat des Erzbistums Köln studierte er die üblichen drei Jahre Philosophie und Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Bonner Friedrich-Wilhelms Universität und trat dort 1860 der katholischen Studentenverbindung Unitas-Salia bei. Noch zu jung für den Eintritt ins Priesterseminar, studierte er weiter an der Universität Münster und privat, bis er im Herbst 1862 mit dem „Introitus-Examen“ in das Kölner Priesterseminar aufgenommen wurde. Nach den niederen Weihen empfing er am 2.9.1863 die Priesterweihe in Köln. Ab dem 23.1.1864 fand er zunächst eine Anstellung am Königlichen Gymnasium in Essen als Religionslehrer und nachdem er die Staatsexamen nachgeholt hatte auch mit den klassischen Fächern Hebräisch, Griechisch, Latein sowie Geschichte und Geographie. So wirkte er fast 25 Jahre als Gymnasiallehrer. Daneben war er ab 1869 und auch in der Zeit des Kulturkampfes Hausgeistlicher bei den Essener Augustiner Chorfrauen (B.M.V.) und den Barmherzigen Schwestern zur Hl. Elisabeth.
Im Jahre 1886 wurde er von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen mit der Dissertation „De salute infidelium“ (Über das Seelenheil der Ungläubigen) zum Doktor der Theologie promoviert. Schon vom Kölner Erzbischof Paulus Melchers wegen seiner vielseitigen Begabungen für die Theologenausbildung empfohlen, scheiterte jedoch 1888 seine Bewerbung um eine Bonner Professur. Deshalb berief ihn Erzbischof Philipp Krementz ab dem 10.12.1888 in das Kölner Metropolitankapitel und bat Papst Leo XIII. (Pontifikat 1878-1903), ihn für den von Alter und Krankheit gezeichnete Weihbischof Johann Anton Friedrich Baudri zum Kölner Weihbischof zu ernennen. Die päpstliche Präkonisation zum Titularbischof von Juliopolis und Weihbischof in Köln erfolgte am 14.2.1889 und die Konsekration spendete ihm am 1.5.1889 Erzbischof Krementz. Am 21.2.1895 wurde dem Weihbischof Dr. Fischer auch noch die Würde des Domdechanten im Kölner Metropolitankapitel übertragen. Am 25.4.1897 hatte er im Spiritaner-Missionshaus in Knechtsteden Pater Emil August Allgeyer CSSp (1856-1924) zum Missionsbischof für Sansibar in der Kolonie Deutsch-Ostafrika geweiht, der ihm zur Ehre eine Missionsstation am Kilimandscharo „Fischerstadt“ nannte.
Als einziger Weihbischof im in der Katholikenzahl anwachsenden Erzbistum Köln wirkte er 13 Jahre und stellte sich der großen Arbeitsherausforderung in zahlreichen Firmungs- und Visitationsreisen, so dass sein Pflichteifer und sein seelsorgerisches Interesse allgemein anerkannt wurden. Für die sozialen Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung war er zwar schon in seiner Essener Zeit im Ruhegebiet sensibilisiert worden, theologisch aber war Weihbischof Fischer sowohl von der (konservativen) neuscholastischen Theologie geprägt als von der „strengen Askese“, wie sie im Bonner Theologenkonvikt unter Erzbischof Krementz durchaus umstritten war. So wurde er in (streng-)kirchlichen Kreisen als „episkopabel“ angesehen und stand auf vier Kandidatenlisten für das Bischofsamt in den Bistümern Münster (1889), Paderborn (1891) und Osnabrück (1899). Die preußische Regierung hielt ihn jedoch trotz seiner loyalen Haltung gegenüber dem Herrscherhaus und Staat für nicht geeignet, eine größere und schwierigere Diözese zu leiten und hatte ihn für Paderborn als wenig genehm (minus gratus) bezeichnet. Auf der Kölner Bischofs-Kandidatenliste von 1899 beließ ihn die preußische Staatregierung in der zutreffenden Erwartung, dass der „bedeutendere“ Paderborner Bischof Hubert Theophil Simar gewählt würde. Als dieser jedoch schon nach zwei Jahren am 24.5.1902 an den Folgen einer Lungenentzündung, die er sich auf einer Firm-Reise zugezogen hatte, gestorben war, musste die preußische Regierung Weihbischof Fischers erneute Kandidatur tolerieren, versuchte sich aber vorab in der umstrittenen Fakultäts- und Konvikts-Politik bei dem möglichen Bischofskandidaten abzusichern. In der Wahl vom 6.11.1902 zum Erzbischof von Köln erhielt Antonius Fischer 13 von 15 Stimmen der Domkapitulare. Die päpstliche Bestätigung durch Papst Leo XIII. folgte am 14.2.1903 und die Inthronisation in Köln am 19.3.1903 als erster Kölner Erzbischof des neuen Erzbistums (ab 1821), der direkt aus der Erzdiözese stammte. Sein bischöflicher Wahlspruch lautete „allen nützen, niemandem schaden“ (omnibus prodesse, obesse nimini), der dem Augustiner Pierre Fournier (gestorben 1640), dem Mitbegründer der Augustiner Chorfrauen, zugeschrieben wird und der im Jahre 1897 heiliggesprochen (Gedenktag 9. Dezember) worden war. Schon am 22.6.1903 verlieh ihm Papst Leo XIII. (gestorben 20.7.1903) in seinem letzten Konsistorium die Kardinalwürde und übertrug ihm die römische Titelkirche Santi Nereus und Achilleus. So konnte Erzbischof Kardinal Fischer schon am 4.8.1903 an der Wahl des neuen Papstes Pius X. (Pontifikat 1903-1914) als Protokollführer teilnehmen und wurde am 27.1.1904 Mitglied des preußischen Herrenhauses.
Erzbischof Kardinal Fischers rund neunjähriger Episkopat war „in mancher Hinsicht umstritten“ (Eduard Hegel). Denn einerseits folgte Fischer in den pastoralen Vorgaben den Päpsten Leo XIII. und Pius X. und förderte die eucharistische und die Herz-Jesu-Frömmigkeit sowie die Marienverehrung. So trat er für die Frühkommunion der Kinder nach vollendeten 9. Lebensjahr ein und richtete vom 4.-8.8.1909 den 20. Internationalen Eucharistischen Kongress in Köln aus. Zur Versammlung der deutschen Katholiken auf dem 50. Katholikentag in Köln (21.-28.8.1903) lud Fischer den durch seine pastorale Arbeiten bekannten (und befreundeten) Mailänder Erzbischof Andrea Kardinal Ferrari (1850-1921) ein und konnte 1906 auch den 53. Deutschen Katholikentag (19.-23.8.1906) in Essen mitfeiern. Die Beschlüsse einer schon ab 1903 durchgeführte Diözesansynode konnten zwar nicht veröffentlicht werden, aber die römische Kultanerkennung der mittelalterlichen Begine und Mystikerin aus seiner Heimatstadt, der seligen Christina von Stommeln, im Jahre 1908 war erreicht worden. Auch in der kirchlichen Kunst verlangte Erzbischof Fischer noch 1912 per Erlass die Verwendung romanischer oder gotischer Stilelemente beim zur damaligen Zeit blühenden Kirchen-Neubau und bezeichnete „diese historisierenden Stile als einzig würdigen Ausdruck kirchlicher Kunst“.
Andererseits stand Erzbischof Fischer im Unterschied zu seinen sonstigen „integralistischen“ Positionen im sogenannten Gewerkschaftsstreit mit dem „Volksverein für das katholische Deutschland“ auf der Seite der Befürworter der interkonfessionellen/christlichen Gewerkschaften (Kölner Richtung). In seinen Bemühungen bis hin nach Rom, in den scharfen Auseinandersetzungen mit den katholischen Arbeitervereinen der „Berlin-Breslauer Richtung“ zu vermitteln, wurde er – unverständlicher Weise - sogar des „Modernismus“ beschuldigt. Denn gegenüber dem sogenannten Reformkatholizismus, neueren Bestrebungen der Theologie (und dem Karneval) beharrte Erzbischof Fischer auf seinem ablehnenden Standpunkt, zum Beispiel in der abwertenden Kritik an dem Würzburger Theologie Hermann Schell (1850-1906). Als Erzbischof Kardinal Fischer gemäß seiner theologisch-asketischen Überzeugung und entgegen den der Staatsregierung vor der Wahl gegebenen Zusicherungen zur strengen Form der Priesterausbildung wie unter Erzbischof Krementz (unter anderem Verbot der Freisemester, der Teilnahme an studentischen Verbindungen und im Konvikt eigene Lehrveranstaltung mit lateinischem Lehrbuch) zurückkehrte, kam es zum politischen Konflikt mit dem Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, Professor Dr. Heinrich Schrörs. Als dieser „scharfe Anklagen gegen das Erziehungs- und Bildungs-System des Kölner Erzbischof“ erhob, verbot der Erzbischof den Theologiestudenten den Besuch der Vorlesungen von Professor Schrörs, bis der preußische Kulturminister den Erzbischof zur Rücknahme zwang. So kam es schon zu seinen Lebzeiten unter den jungen Kaplänen zu einem kursierenden Ausspruch über den wegen seiner Strenge gefürchteten Erzbischof Anton: Sie suchten als Kaplanstelle „ein Pöstchen, ohne Pastörchen, ohne Nönnchen und ohne Antönchen“.
Der an Diabetes leidende Erzbischof Fischer starb überraschend am 30.7.1912 bei einem Kuraufenthalt in Bad Neuenahr. Sein Leichnam wurde am 3.8.1912 in der bischöflichen Gruft des Kölner Domes beigesetzt.
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Haas, Reimund, Antonius Hubert Fischer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/antonius-hubert-fischer-/DE-2086/lido/57c6ad735aa2f2.68703926 (abgerufen am 09.12.2024)