Franziskus Maria Stratmann O. P.

Katholischer Priester, Friedenskämpfer, Intellektueller (1883–1971)

Simon Oelgemöller (Bornheim)
Veröffentlicht am 16.05.2022, zuletzt geändert am 31.08.2022

Porträtfotografie von Franziskus Maria Stratmann. (Archiv der Dominikanerprovinz Teutonia, Köln)

Der Do­mi­ni­ka­ner Fran­zis­kus Ma­ria Strat­mann zähl­te zu den Schlüs­sel­fi­gu­ren der deut­schen Frie­dens­be­we­gung. Un­ter den deut­schen Ka­tho­li­ken rag­te er her­aus, da er die frie­dens­po­li­ti­schen Im­pul­se der Päps­te Be­ne­dikt XV. (1854–1922) und Pi­us XI. (1857–1939) auf­nahm und im na­tio­na­len Dis­kurs der 1920er Jah­re theo­lo­gisch und po­li­tisch wirk­sam ent­fal­te­te. Er stell­te die klas­si­sche Kir­chen­leh­re zum ge­rech­ten Krieg ra­di­kal in Fra­ge und lenk­te sie in neue Bah­nen. Mit sei­nem En­ga­ge­ment zähl­te er zu den „heim­li­chen Füh­rern“ (Die­ter Rie­sen­ber­ger) des Frie­dens­bun­des Deut­scher Ka­tho­li­ken (FDK). Als un­be­irr­ter und un­be­que­mer Pio­nier und „Frie­dens­kämp­fer“ (Pau­lus En­gel­hardt) war er der ers­te Do­mi­ni­ka­ner, der von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten 1933 ver­haf­tet und spä­ter ver­folgt wur­de. Im Nach­kriegs­deutsch­land en­ga­gier­te er sich 1948 bei der Neu­grün­dung des FDK und stand in en­ger Ver­bin­dung zu Pax Chris­ti.

Strat­mann, der am 8.9.1883 in So­lin­gen ge­bo­ren und auf den Na­men Jo­han­nes ge­tauft wur­de, leb­te in ei­nem bür­ger­lich ge­präg­ten El­tern­haus. Sein Va­ter Carl Jo­sef (1856–1908) war Di­rek­ti­ons­mit­glied der So­lin­ger Bank. Die Fa­mi­lie, mit Mut­ter An­to­nie, geb. Wie­se und der Schwes­ter Hen­ri­et­te Pau­la (*1886), zog 1902 nach Saar­brü­cken, wo Hans Strat­mann 1905 sein Ab­itur mach­te. Es folg­te ein ein­se­mest­ri­ges Ju­ra­stu­di­um in Lau­sanne und ei­ne kur­ze Etap­pe an der Schau­spiel­schu­le in Düs­sel­dorf.  1905 ent­schied er sich, dem Do­mi­ni­ka­ner­or­den im hol­län­di­schen Ven­lo bei­zu­tre­ten, wo er ab dem 9.10.1905 leb­te. Ven­lo ge­hör­te zur deut­schen Or­dens­pro­vinz Teu­to­nia.

Sein Theo­lo­gie­stu­di­um ab­sol­vier­te Strat­mann von 1906 bis 1913 in Düs­sel­dorf und lehr­te ab 1913 als Do­zent am St. Jo­sephs Kol­leg in Ve­ch­ta. Am 16.10.1906 leg­te er das ein­fa­che und am 16.10.1909 das fei­er­li­che Or­dens­ge­lüb­de ab. Er nahm den Na­men Fran­zis­kus Ma­ria an, ver­trat ei­ne ra­di­ka­le Mo­ral, leb­te ei­ne har­te per­sön­li­che As­ke­se und pfleg­te ei­ne tra­di­tio­nel­le Kirch­lich­keit. Zum Pries­ter wur­de er am 10.8.1912 in Köln ge­weiht.

Ei­ne weg­wei­sen­de Ent­schei­dung sei­ner Or­dens­obe­ren führ­te ihn kurz vor Be­ginn des Ers­ten Welt­kriegs nach Ber­lin. Auf Wunsch des 1914 ver­stor­be­nen Stu­den­ten­seel­sor­gers Bo­na­ven­tura Krotz OP (1862–1914) wur­de Strat­mann des­sen Nach­fol­ger. Bis 1923 war er Seel­sor­ger für die ka­tho­li­schen Stu­den­ten und mit Kriegs­aus­bruch stell­ver­tre­ten­der Di­vi­si­ons­pfar­rer. Der jun­ge Pre­di­ger zähl­te in die­sen Jah­ren noch kei­nes­wegs zu den Frie­dens­pro­phe­ten – ganz im Ge­gen­teil. Wie vie­le sei­ner Zeit­ge­nos­sen teil­te Strat­mann die Kriegs­be­geis­te­rung und Sie­geseu­pho­rie und for­der­te von sei­nen Stu­den­ten an der Front he­roi­schen Ein­satz.

Sei­ne Ge­dan­ken spie­geln sich in sei­nem Buch „Ve­ri­tas“ (Wahr­heit) wi­der, das er 1916 auf Bit­ten von Carl Son­nen­schein für die Aka­de­mi­ker im Feld ver­fass­te. Es er­schien ein Jahr spä­ter. Er be­wer­te­te dar­in den Krieg als „ge­rech­t“, in­so­fern er für den Staat ein „Mit­tel“ dar­stel­le, den Sieg her­bei­zu­füh­ren. Den Krieg ver­stand er als Stra­fe und Heil­mit­tel Got­tes. Die­se Aus­le­gung ori­en­tier­te sich an der tho­mis­tisch ori­en­tier­ten kirch­li­chen Mo­ral­vor­stel­lung. Dem­nach sei Tö­ten im Krieg er­laubt, wenn es sich um ei­nen ge­rech­ten Krieg hand­le.

 

Strat­manns Wen­dung zum Frie­dens­ak­ti­vis­ten lässt sich auf drei Fak­to­ren zu­rück­füh­ren. Die Ent­rüs­tung sei­ner Le­ser an­ge­sichts der Schre­cken der Kriegs­wirk­lich­keit blieb nicht aus. Die Kon­fron­ta­ti­on mit die­ser Wirk­lich­keit of­fen­bar­te sei­ne bis­he­ri­ge Ver­ken­nung der Si­tua­ti­on. Die in­halt­li­che Fun­die­rung er­folg­te über die Lek­tü­re der Schrift „Welt­po­li­tik und Welt­ge­wis­sen“ des Ethi­kers Fried­rich Wil­helm Förs­ter (1869–1966), nach des­sen Über­zeu­gung sich die Po­li­tik den Re­geln der christ­li­chen und hu­ma­nen Mo­ral zu un­ter­stel­len ha­be. Schlie­ß­lich be­geis­ter­te Strat­mann die Frie­dens­in­itia­ti­ve von Papst Be­ne­dikt XV. wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs. Des­sen po­li­ti­schen Ap­pel­le und die theo­lo­gi­sche Frie­dens­leh­re grün­de­ten im Ge­bot der Nächs­ten­lie­be, so­wohl un­ter den ein­zel­nen Men­schen als auch un­ter den Staa­ten.

Nach dem Waf­fen­still­stand gab sich Strat­mann reu­mü­tig. Im Ok­to­ber 1918 ver­kün­de­te er in sei­ner Aka­de­mi­ker­pre­digt, dass sei­ne bis­her ver­tre­te­ne Po­si­ti­on nicht der Wahr­heit ent­spro­chen ha­be. Ihm wur­de die Dop­pel­mo­ral vom „ge­rech­ten Krie­g“ be­wusst und er dis­tan­zier­te sich von der klas­si­schen Kir­chen­leh­re. Die vor­han­de­nen Ex­em­pla­re sei­nes Bu­ches sei­en zu ver­bren­nen und ei­ne Zeit na­tio­na­ler Bu­ße stün­de an. Strat­mann bil­de­te in­so­fern ei­ne Aus­nah­me, als es im deut­schen Sprach­raum nur ver­ein­zelt Per­sön­lich­kei­ten und Grup­pen gab, die sich „vor­be­halt­los hin­ter die päpst­li­che Frie­dens­no­te“ (Klaus Gro­ße Kracht) vom 1.8.1917 stell­ten.

Sei­ne Vor­stel­lun­gen leg­te Strat­mann in „Welt­kir­che und Welt­frie­den“ (1924) dar. 1923 wur­de er vom Amt des Stu­den­ten­pfar­rers ent­bun­den und ließ sich nach Köln ver­set­zen. Hier ent­warf er ei­ne neue Per­spek­ti­ve auf den Krieg. Die au­gus­ti­nisch-tho­mis­ti­sche Leh­re, vor al­lem die auf dem Na­tur­recht fu­ßen­de Kir­chen­leh­re des ge­rech­ten Krie­ges, setz­te er in Be­zie­hung zu pa­zi­fis­ti­schen Ent­wick­lun­gen sei­ner Zeit und zum mo­der­nen Völ­ker­recht. Der von ihm ent­wor­fe­ne 10-Punk­te-Ka­ta­log leg­te so ho­he Maß­stä­be fest, dass im Grun­de kei­ne Form der ge­walt­sa­men krie­ge­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zung mehr „ge­rech­te Krie­ge“ recht­fer­ti­ge. An­ge­sichts der Zer­stö­rungs­kraft und der Op­fer an Sol­da­ten und Zi­vil­be­völ­ke­rung sei mo­der­nen Krie­gen da­mit ei­ne ver­tret­ba­re Lo­gik ent­zo­gen.

Be­reits von Ber­lin aus stand er in Ver­bin­dung mit dem Frei­bur­ger Pries­ter Max Jo­sef Metz­ger (1887–1944), der 1919 den über­wie­gend von Lai­en ge­tra­ge­nen „Frie­dens­bund Deut­scher Ka­tho­li­ken“ (FDK) grün­de­te. Strat­mann avan­cier­te zum geis­ti­gen Füh­rer der Be­we­gung. Sein Buch „Welt­kir­che und Welt­frie­den“ bil­de­te die re­li­gi­ös-sitt­li­che und mo­ral­theo­lo­gi­sche Grund­la­ge, die in die Hil­des­hei­mer Richt­li­ni­en des FDK 1924 ein­flos­sen. Strat­mann über­nahm 1920 die Ver­ant­wor­tung für den Frie­dens­bund in Nord­deutsch­land und wur­de 1933 Vor­sit­zen­der des Ge­samt­ver­ban­des. Un­ter dem Wahl­spruch „Pax Chris­ti in re­g­no Chris­ti“ soll­te Po­li­tik aus dem Glau­ben ge­stal­tet wer­den. Rück­halt fand der FDK als zweit­grö­ß­te pa­zi­fis­ti­sche Or­ga­ni­sa­ti­on in Deutsch­land im links­ka­tho­li­schen Mi­lieu. We­nig Un­ter­stüt­zung er­hielt der FDK vom Epis­ko­pat. Erst spät er­klär­te sich der Mün­che­ner Kar­di­nal Mi­cha­el Faul­ha­ber (1869–1952) be­reit, als Pro­tek­tor zu wir­ken.

Strat­mann ging 1926 von Köln zu­rück nach Ber­lin und ar­bei­te­te ne­ben sei­nem En­ga­ge­ment für den FDK vor­wie­gend als Kran­ken­haus­seel­sor­ger. In Ber­lin ge­hör­te er zum Kon­vent in der Ol­den­bur­ger Stra­ße und zähl­te zu den „re­nom­mier­tes­ten Ge­stal­ten der Ber­li­ner Do­mi­ni­ka­ner“ (Rai­ner Ma­ria Groo­thuis ). Der Kon­vent wur­de zen­tra­ler, in­tel­lek­tu­el­ler und spi­ri­tu­el­ler Mit­tel­punkt des kirch­li­chen Le­bens in Ber­lin. Geist­li­che Wür­den­trä­ger und po­li­ti­sche Per­sön­lich­kei­ten der ka­tho­li­schen Zen­trums­par­tei fan­den hier zu­sam­men.

Strat­manns öf­fent­lich­keits­wirk­sa­mes Me­di­um wur­de in die­sen Jah­ren der in­tel­lek­tu­el­le Pro­test in Wort und Schrift. In der Ver­bands­zeit­schrift „Die ka­tho­li­sche Frie­dens­war­te“ (1924-1926) und „Der Frie­dens­kämp­fer“ (1926-1933) pu­bli­zier­te er, un­ter an­de­rem ab 1926 die Ar­ti­kel­se­rie „Auf der Wacht.“ Er er­klär­te dem „Krieg den Krie­g“. Da­für un­ter­stütz­te er die Aus­söh­nung mit Frank­reich und Po­len, leg­te Wert auf die Er­zie­hung der Ju­gend zum Frie­den, sprach sich für Ab­rüs­tung so­wie po­li­ti­sche Lö­sun­gen bei in­ter­na­tio­na­len Span­nun­gen aus und warb für den Bei­tritt Deutsch­lands zum Völ­ker­bund. Er lehn­te nicht zu­letzt Na­tio­na­lis­mus und Re­van­chis­mus ab. Die Welt­an­schau­ung des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­warf er als un­christ­lich, so et­wa in sei­ner Re­de über „Ka­tho­li­zis­mus und Mi­li­ta­ris­mus“ auf der 8. Reichs­ta­gung des Frie­dens­bun­des 1931. Er ent­larv­te die Dop­pel­mo­ral der Gro­ß­mäch­te bei ih­ren Auf­rüs­tungs­plä­nen, ob­wohl sie von Ab­rüs­tung und Frie­den sprä­chen.

Den Auf­stieg des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­folg­te Strat­mann mit gro­ßen Sor­gen. Im „Frie­dens­kämp­fer“ ver­ur­teil­te er 1932 den Füh­rer­kult, den To­ta­li­täts­an­spruch, die heils­ver­spre­chen­de Ras­sen- und Reichs­ideo­lo­gie und die na­zis­ti­sche, auf den „deut­schen Men­schen“ fo­kus­sier­te Per­spek­ti­ve aufs Schärfs­te. An­ge­sichts des Un­rechts an Ju­den schrieb er am 10.4.1933 er­bit­tert an Kar­di­nal Faul­ha­ber ei­nen Brand­brief: „Die See­len der Gut­ge­sinn­ten sind durch die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ge­walt­herr­schaft auf­ge­wühlt […] Ins­be­son­de­re tritt die Per­so­nal­po­li­tik und die Ju­den­ver­fol­gung je­des Rechts­ge­fühl mit Fü­ßen. Ei­ne bar­ba­ri­sche, nie er­leb­te geis­ti­ge und ma­te­ri­el­le Ent­eig­nung wird ge­gen Zehn­tau­sen­de Un­schul­di­ge, Wehr- und Rechts­lo­se durch­ge­führt, und kei­ne au­to­ri­ta­ti­ve Stim­me er­hebt sich in der Öf­fent­lich­keit da­ge­gen […].“ Der Do­mi­ni­ka­ner er­fass­te die Si­tua­ti­on in­fol­ge des Ge­set­zes zur Wie­der­her­stel­lung des Be­rufs­be­am­ten­tums vom 7.4.1933. Weit­sich­tig sorg­te er sich, dass Kir­che und Ka­tho­li­ken ein ähn­li­ches Schick­sal er­lei­den wür­den. Wie Rai­ner Ma­ria Groot­hi­us es be­zeich­net, ist Strat­manns Hi­obs­bot­schaft ei­nes der „frü­hes­ten Zeug­nis­se des Pro­tes­tes ei­nes en­ga­gier­ten Pries­ters ge­gen die Ge­walt­maß­nah­men der neu­en Reichs­re­gie­rung, be­son­ders je­ne ge­gen Ju­den.“ Der Do­mi­ni­ka­ner­pa­ter for­der­te den öf­fent­li­chen Pro­test der Bi­schö­fe. Dem Zen­trum warf er vor, leicht­fer­tig dem Er­mäch­ti­gungs­ge­setz zu­ge­stimmt zu ha­ben.

Pro­vin­zi­al P. Lau­ren­ti­us Sie­mer (1888–1956), der we­nig Ver­ständ­nis für Strat­manns Frie­dens- und Pro­test­en­ga­ge­ment zeig­te und in dis­tan­zier­ter Hal­tung zu ihm stand, leg­te Wert auf ein un­ge­trüb­tes Ver­hält­nis zum Staat und ver­folg­te die Stra­te­gie des „Still­hal­tens und Ab­war­ten­s“. Strat­manns En­ga­ge­ment wur­de des­halb auch in den Au­gen sei­ner Obe­ren kri­tisch ge­se­hen.

Mit dem Macht­wech­sel 1933 wur­de das Ber­li­ner Do­mi­ni­ka­ner­klos­ter auf­grund der re­gime­kri­ti­schen christ­li­chen Ge­werk­schaft­ler, ka­tho­li­schen Po­li­ti­ker, In­tel­lek­tu­el­len und Pu­bli­zis­ten als Hoch­burg ka­tho­li­scher Wi­der­stän­dig­keit de­kla­riert. Pre­dig­ten wur­den über­wacht, Pa­tres ins Vi­sier ge­nom­men. Strat­mann wur­de auf­grund sei­ner Ver­ant­wor­tung im FDK, der 1933 ver­bo­ten wur­de, der ers­te Do­mi­ni­ka­ner, den die Ge­sta­po am 5.7.1933 in Ber­lin ver­haf­te­te. Er kam zum Ver­hör in das Ge­fäng­nis am Alex­an­der­platz und wur­de am 17.7.1933 in das Span­dau­er Ge­fäng­nis ver­legt. Die An­kla­ge lau­te­te „Lan­des­ver­ra­t“. Es folg­te ein Auf­ent­halt in der Un­ter­su­chungs­haft­an­stalt Moa­bit, zu­nächst nach Span­dau zu­rück­ge­bracht, schlos­sen sich sechs Wo­chen „Schutz­haf­t“ in Frank­furt am Main an. Über In­ter­ven­ti­on des Pro­vin­zi­als Sie­mer, des Ber­li­ner Dom­ka­pi­tu­lars Prä­lat Bern­hard Lich­ten­berg (1875–1943) und des Bres­lau­er Kar­di­nals Adolf Ber­tram (1859–1945) konn­te Strat­mann ent­las­sen wer­den. Im Köl­ner Do­mi­ni­ka­ner­klos­ter blieb er in Ge­wahr­sam. Trotz des Haus­ar­rests pre­dig­te er zum Christ­kö­nigs­fest mit Spit­zen ge­gen die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten. Dies soll ihm ei­ne er­neu­te An­kla­ge we­gen „Be­lei­di­gung der Reichs­re­gie­run­g“ ein­ge­bracht ha­ben. Sie­mer er­mög­lich­te ihm 1933 den frei­en Weg nach Rom. An der Ba­si­li­ka S. Ma­ria Mag­gio­re in Rom konn­te er als Pö­ni­ten­ti­ar (Beicht­va­ter) tä­tig wer­den.

Für den Pre­di­ger folg­te ein Le­ben auf Wan­der­schaft und Flucht. Strat­manns Vor­ha­ben, in Rom ein neu­es Buch zu ver­fas­sen, wur­de von Sie­mer un­ter­bun­den. Er be­fürch­te­te re­strik­ti­ve Aus­wir­kun­gen, soll­te der Exi­lant sein Schwei­ge­ge­bot bre­chen und sich zur La­ge in Deutsch­land äu­ßern. An­onym er­schien von ihm 1936 in Lon­don „Peace and the cler­gy“. Dar­über hin­aus plan­te Strat­mann ge­mein­sam mit der jü­di­schen Kon­ver­ti­tin Li­sa­ma­ria Mei­row­sky (1904–1942) die Grün­dung ei­ner Do­mi­ni­ka­ne­rin­nen­ge­mein­schaft, ent­wi­ckel­te Plä­ne für ei­nen fes­ten Stand­ort der Frie­dens­be­we­gung in Wien und bot 1938 Kon­vents­ex­er­zi­ti­en in Kern (Schweiz) an. Auf­grund der sich zu­spit­zen­den La­ge zog es ihn 1938 in das Do­mi­ni­ka­ner­klos­ter in Ven­lo. Mitt­ler­wei­le war er aus Deutsch­land aus­ge­bür­gert wor­den und ver­lor da­mit die Staats­an­ge­hö­rig­keit. Von der Kriegs­er­klä­rung ge­gen Hol­land er­fuhr er am 8.5.1940 in Slu­is bei Vlis­sin­gen (Ze­e­land). Ver­folgt von der Ge­sta­po, kam Strat­mann auf sei­ner Irr­fahrt von Hol­land nach Bel­gi­en in meh­re­ren Klös­tern un­ter. Von 1940 bis 1945 fand er bei den Be­tha­ni­en­schwes­tern ein Ver­steck. 1946 ver­öf­fent­lich­te er zum Dank das Buch „Be­tha­ni­en Pre­dig­t“ und pu­bli­zier­te sei­ne Er­in­ne­run­gen „In der Ver­ban­nun­g“ 1962. Nach Kriegs­en­de gab ihm das Do­mi­ni­ka­ner­klos­ter in Gent bis 1947 Zu­flucht. Sei­ne deut­schen Mit­brü­der hat­ten ihn für ver­stor­ben er­klärt.

Erst am 6.8.1947 be­trat Strat­mann nach 14-jäh­ri­gem Exil deut­schen Bo­den. Im Stu­di­en­haus Wal­ber­berg (heu­te Stadt Born­heim) fand er ei­ne neue Hei­mat. Er wur­de, wie Pau­lus En­gel­hardt es sieht, ein „pro­fi­lier­tes Mit­glied der Ge­mein­schaft, an­er­kannt in sei­ner Or­dens­stren­ge und klös­ter­li­chen Stil­le, strei­tend und be­strit­ten in sei­nen oft schar­fen und sar­kas­ti­schen Äu­ße­run­gen zu den neu­en Fra­gen um Krieg und Frie­den.“ Sein frü­he­rer Mit­strei­ter aus dem FDK, Wal­ter Dirks (1901–1991), be­rei­te­te pu­bli­zis­tisch sei­ne Rück­kehr in die Frie­dens­be­we­gung vor. Im April 1947 vo­tier­te er im Ber­li­ner Pe­trus­blatt und bei Auf­trit­ten auf der Aa­che­ner Frie­dens­wo­che 1947 für de­ren Wie­der­be­le­bung. Auf dem Main­zer Ka­tho­li­ken­tag 1948 hielt er die Frie­dens­re­de, in der er den Krieg als Mit­tel zur Lö­sung in­ter­na­tio­na­ler Kon­flik­te ver­ur­teil­te. Die Neu­grün­dung des FDK er­folg­te im Herbst 1948. Mit der neu­en, von Frank­reich aus­ge­hen­den Pax Chris­ti-Be­we­gung war ein Schul­ter­schluss in Er­wä­gung ge­zo­gen wor­den, bei­spiels­wei­se bei Pil­ger­fahr­ten.

Im Nach­kriegs­deutsch­land avan­cier­te Strat­mann er­neut zum „Vor­den­ker der neu­en Frie­dens­be­we­gun­g“ (Tim­mer­mann/Steubl). Sein Buch „Krieg und Chris­ten­tum heu­te“ (1950) nahm Stel­lung zum Ost-West-Kon­flikt und zu den Atom­waf­fen. Je­doch zeig­te sich, dass der FDK kaum brei­te Re­so­nanz fand. Es fehl­te an En­ga­ge­ment al­ter Mit­glie­der, die spi­ri­tu­ell-re­li­gi­ös ori­en­tier­te Pax Chris­ti-Be­we­gung fand ei­nen grö­ße­ren Kreis an An­hän­gern und schlie­ß­lich mag auch bi­schöf­li­cher Druck nicht un­er­heb­lich ge­we­sen sein. Schlie­ß­lich ent­schie­den sich die FDK-Füh­rungs­spit­zen 1951 zur Auf­lö­sung und vo­tier­ten bei den Mit­glie­dern für die Un­ter­stüt­zung von Pax Chris­ti.

In den fol­gen­den Jah­ren wur­de es um Strat­mann trotz an­hal­ten­der Pu­bli­ka­ti­ons­tä­tig­keit ru­hi­ger. In sei­nen Äu­ße­run­gen prio­ri­sier­te er wei­ter­hin ein po­li­tisch-öf­fent­li­ches Pro­fil der Frie­dens­be­we­gung. Den Wan­del zur Po­li­ti­sie­rung bei Pax Chris­ti in den spä­te­ren 1960er Jah­ren be­grü­ß­te er. Sei­ne The­men wa­ren viel­fäl­tig und reich­ten von der Fra­ge des Ein­flus­ses des Pa­zi­fis­mus, über die Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung bis hin zu ato­ma­ren Kampf­mit­teln. Dem­nach blieb sei­ne Stim­me im links­ka­tho­li­schen Spek­trum ver­nehm­bar. Die letz­te Le­bens­sta­ti­on fand Strat­mann seit 1965 auf Wunsch sei­nes Pro­vin­zi­al­obe­ren mit 77 Jah­ren im Do­mi­ni­ka­ne­rin­nen­klos­ter als Seel­sor­ger in Hoch­dahl bei Düs­sel­dorf.

Strat­mann starb am 13.5.1971 und wur­de auf dem Fried­hof des Klos­ters Wal­ber­berg be­gra­ben. Der Do­mi­ni­ka­ner­pa­ter fin­det seit­dem in der Frie­dens- und Or­dens­for­schung Er­wäh­nung. Zu­gleich wird an ihn mit ei­ner 2007 am ehe­ma­li­gen Do­mi­ni­ka­ne­rin­nen­klos­ter in Er­krath-Hoch­dahl ein­ge­weih­ten Ge­denk­ta­fel und ei­nem nach ihm be­nann­ten Weg er­in­nert.

Werke (Auswahl)

Ve­ri­tas: den Aka­de­mi­kern im Fel­de ent­bo­ten von deut­schen Do­mi­ni­ka­nern, hg. v. dem Se­kre­ta­ri­at Soz. Stu­den­ten­ar­beit, Mön­chen­glad­bach 1917.

Welt­kir­che und Welt­frie­de. Ka­tho­li­sche Ge­dan­ken zum Kriegs- und Frie­dens­pro­blem, Augs­burg 1924.

Richt­li­ni­en des Frie­dens­bun­des Deut­scher Ka­tho­li­ken. Er­läu­tert von P. Fran­zis­kus M. Strat­mann OP, Mün­chen 1925.

Re­gi­na Pa­cis. Ei­ne Leh­re vom Frie­den. Dar­ge­stellt am frie­den­rei­chen We­sen und Le­ben un­se­rer lie­ben Frau, Ber­lin 1927.

Peace and the Cler­gy, Lon­don 1936.

Be­tha­ni­en Pre­digt. Vom Geis­te des Pa­ters La­tas­te, Lu­zern 1946.

Krieg und Chris­ten­tum heu­te, Trier 1950.

The­sen zum ge­rech­ten und un­ge­rech­ten Krieg, in: Ato­ma­re Kampf­mit­tel und christ­li­che Ethik. Dis­kus­si­ons­bei­trä­ge deut­scher Ka­tho­li­ken, Mün­chen 1960, S. 34-39.

In der Ver­ban­nung. Ta­ge­buch­blät­ter 1940-1947, Frank­furt a.M. 1962.

Ga­ben und Auf­ga­ben: Über die re­li­giö­se Be­deu­tung der 7 Ga­ben des Hei­li­gen Geis­tes, Frank­furt a.M. 1962.

Die Hei­li­gen und der Staat, 5 Bän­de, Frank­furt a. M. 1949-1958.

Zahl­rei­che Ar­ti­kel in der Zeit­schrift des F.D.K. "Ka­tho­li­sche Frie­dens­war­te" be­zie­hungs­wei­se Der Frie­dens­kämp­fer (1924-1933). Wei­te­re Ar­ti­kel in den Zeit­schrif­ten Das Jun­ge Zen­trum, Abend­land, Pe­trus­blatt, Das Neue Reich, Die Er­fül­lung, Das Neue Ufer, Das Hei­li­ge Feu­er [u.a.] 

Literatur (Auswahl)

Brei­ten­born, Kon­rad, Der Frie­dens­bund Deut­scher Ka­tho­li­ken, Ber­lin (Ost) 1981.
 
Brü­ne, Rolf, Fran­zis­kus Ma­ria Strat­mann OP (1883–1971) – Ein (fast) ver­ges­se­ner Frie­dens­ak­ti­vist aus So­lin­gen, in: Die Hei­mat, Neue Fol­gen, 20 (2004), S. 52-60.

Gers­ter, Da­ni­el, Frie­dens­dia­lo­ge im Kal­ten Krieg. Ei­ne Ge­schich­te der Ka­tho­li­ken in der Bun­des­re­pu­blik 1957-1983, Frank­furt a. M./New York 2012.

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Fotografie von Franziskus Maria Stratmann. (Archiv der Dominikanerprovinz Teutonia, Köln)

 
Zitationshinweis

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Oelgemöller, Simon, Franziskus Maria Stratmann O. P., in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franziskus-maria-stratmann-o.-p./DE-2086/lido/628213fbb4a0e9.61676028 (abgerufen am 24.01.2025)