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Friedrich Baudri war ein erfolgreicher Glasmaler, die Neugotik bedingungslos verteidigender Schriftsteller und zwischen Revolution und Reichsgründung einer der bekanntesten Politiker Kölns.
Geboren am 19.4.1804 in Elberfeld (heute Stadt Wuppertal) als Sohn des aus Tanu in der Normandie eingewanderten tapissier (Dekorateur) Laurent/Lorenz Baudri (1771-1851) und der aus einer weitverzweigten rheinischen Familie stammenden, in Düsseldorf geborenen Gertrud Wiertzfeld (auch Wirtzfeld, 1768-1856). Nach Studien an der Kunstakademie München in der Porträtmalerei bei Professor Heinrich von Hess unternahm er ausgedehnte Reisen nach Oberbayern, Salzburg und Ungarn. Diese vermittelten ihm handlungsorientierende Grundmuster für sein weiteres Leben wie Liberalität, Weite des Blicks und Verständnis für die Lebensart und Kultur der Menschen fremder Herkunft.
Nach Rückkehr in das heimatliche Elberfeld 1842 setzte er sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Wilhelm von Schadow (1788-1862) fort. Der Aufstieg der Photographie ließ den jungen Porträtmaler erkennen, dass seine künstlerische Befähigung nicht ausreichte, um mit der neuen Abbildungstechnik zu konkurrieren. Der auf Empfehlung seines weihbischöflichen Bruders Johann vollzogene Umzug nach Köln und die Hinwendung der durch den Dombau mächtig geförderten Glasmalerei erwies sich als kluger Schritt. Er gründete gemeinsam mit dem Domwerkmeister Vinzenz Statz und dem Maler und Stadtkonservator Johann Anton Ramboux eine Glasmalereianstalt in seinem Haus, Mohrenstraße 19. Tüchtigkeit, Fleiß, Aufgeschlossenheit für alte und neue Techniken, das Beharren auf das neugotische Kunstschaffen und nicht zuletzt sein weihbischöflicher Bruder, der ihm die Türen zum Klerus des Erzbistums Köln öffnete, ließen die Neugründung zu einem künstlerischen und ökonomischen Erfolg werden. Das finanzielle Fundament für seine Glasmalerei verschaffte ihm die Heirat mit der aus wohlhabender Koblenzer Familie stammenden Gertrud Menn (1823-1856). Infolge des frühen Todes seiner Ehefrau trug er neben all seinen Verpflichtungen die Belastung als alleinerziehender Vater von drei kleinen Kindern.
Als ein bedeutsames Instrument zur Propagierung des neugotischen Stils rief er 1851 das „Organ für christliche Kunst“ ins Leben. Er wusste bedeutende Autoren wie August Reichensperger, Ernst Weyden (1805-1869) oder August Essenwein (1831-1892) für die Mitarbeit zu gewinnen. Zahllose Artikel, in denen er sich als literarisch gewandter Schriftsteller und Kritiker erwies, dem auch Polemik nicht fremd war, hatten dem „Organ“ seinen persönlichen Stempel aufgedrückt.
Als er mit einigen Kunstinteressierten aus dem ultramontanen kölnischen Netzwerk wenige Jahre später den bis heute bestehenden „Verein für christliche Kunst“ aus der Taufe hob, stand das Blatt der Neuschöpfung flankierend zur Seite. Das heute einen Glanzpunkt der Kölner Museumslandschaft bildende erzbischöfliche Museum Kolumba verdankt seine Entstehung den intensiven Bemühungen des Vereins – an der Spitze Johann und Friedrich Baudri.
Baudris nimmermüde Tätigkeit bei fast allen katholischen Vereinen der Stadt seit 1848, so im Verwaltungsrat der katholischen Zeitung „Rheinische/Deutsche Volkshalle“, der er auch zeitweise als Redakteur aushalf, im Schutzvorstand des Gesellenvereins, im Clemens-, Pius-, Heilig Grab- und Borromäusverein sowie im Geselligkeitsverein „Colonia“ (1854), der 1863 von der Bürgergesellschaft abgelöst wurde, verschafften ihm ein hohes Ansehen bei seinen Mitbürgern. Die Wahl zum Mitglied des kölnischen Gemeindeparlaments war nicht zuletzt Ausdruck dieser Hochachtung. Trotz jahrelanger Anerkennung seiner Leistungen als zuständiger Stadtverordneter für den gesamten Bereich der Kultur- und Denkmalpflege auch für den Dombau seitens der Bürgerschaft und des Rates verlor er auf Drängen des kulturkämpferischen Liberalismus 1871 sein Mandat.
Ein bemerkenswertes Kapitel in der Kölner Stadtgeschichte war der Streit um die Mariensäule, die sich heute auf dem Gereonsdriesch erhebt. Anlass war das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Mariens 1854. Baudri hatte zur Finanzierung einen Marienverein gegründet. Dieser fand nicht den ungeteilten Beifall aller Ultramontanen; eine starke Minorität wünschte stattdessen den Bau eines Krankenhauses. Nach langwieriger Diskussion, in die sich auch der Stadtrat eingemischt hatte, einigte man sich auf eine „kölsche“ Lösung. Beide Projekte wurden geplant und ausgeführt. Die These, die Mariensäule sei als Gegenbild gegen das zeitlich später geplante und realisierte Königsdenkmal errichtet worden, findet in den Quellen keinen Anhalt.
In den 1860er Jahren stieg Baudri zum unumstrittenen Führer der Kölner Ultramontanen auf. Die großen Wahlkämpfe vor dem Hintergrund des preußischen Verfassungskonflikts sahen Baudri zum Teil sogar gemeinsam mit dem „Fortschritt“ in der vordersten Reihe. Als Mitgründer der „Alt-Kölnischen Partei“, den Nachfolgern „Bürgerverein“ und „Neuer Bürgerverein“ focht er für die Integrität der preußischen Verfassung gegen die Maßnahmen der Regierung Bismarck. Er stand nicht nur gegen die Vermehrung des Heeres ohne Zustimmung des Parlaments, sondern fürchtete auch die Abschaffung der für die Kirche günstigen Artikel in der Verfassung. Der preußische Sieg bei Königgrätz am 3.7.1866 löste bei den Kölner Ultramontanen eine Art Schockstarre aus. Baudri hatte sie als erster überwunden, darin dem Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (Episkopat 1850-1877) folgend, der in seiner Schrift „Deutschland nach dem Kriege von 1866“ (1867) eine pragmatische Haltung der deutschen Katholiken gegenüber den neuen Verhältnissen forderte. Schon im Frühjahr 1867 sorgte er mit hohem Einsatz für die Wahl des Frankfurter Stadtpfarrers Eugen Thissen (1813-1877), bis 1858 Pfarrer von St. Jakob in Köln, zum Mitglied des konstituierenden Reichstages des norddeutschen Bundes in Köln. Frühere Angebote einer Wahl in das Abgeordnetenhaus hatte Baudri mehrfach ausgeschlagen; erst nach Beginn des Kulturkampfes ließ er sich für Aachen 1873 in das Abgeordnetenhaus und 1874 in den Reichstag wählen.
Von seinen unmittelbaren kirchenpolitischen Aktivitäten sei hier noch besonders die Organisation der großen Adressenbewegungen zugunsten des Heiligen Stuhls 1859 und 1867/1868 erwähnt; er schaffte es, tausende von Unterschriften zu sammeln und eine Massenkundgebung des katholischen Köln 1868 für die Verteidigung der päpstlichen Interessen zu organisieren. Als Schriftführer in Mainz (1848), Mitglied des Kölner Lokalkomitees (1858) und Präsident des Katholikentages in Mainz (1871) erwarb er sich im deutschen Katholizismus breite Anerkennung. Die für die deutschen Katholiken bittere Zeit des Kulturkampfes hatte er noch in der ersten Hälfte der 1870er Jahre erleben müssen.
Am 6.10.1874 verstarb Baudri an einem Herzversagen. Unter großer Anteilnahme der Kölner Bürgerschaft wurde er auf dem Melaten-Friedhof bestattet. Sein Grab wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder hergerichtet. Zu Recht rühmte ihn die „Kölnische Volkszeitung“ vom 11.10.1874 – und das unter dem schweren Druck des Kulturkampfes: „Alle katholischen Bestrebungen im öffentlichen Leben durften auf die thatkräftige Förderung und opferwillige Unterstützung Baudri´s rechnen. Es gab wohl kaum eine katholische Tendenz, dem er nicht als Mitgründer oder eifriges Mitglied angehört hätte.“
Quellen
Gierse, Ludwig/Heinen, Ernst (Bearb.), Friedrich Baudri. Tagebücher 1854-1871, 1. Band: 1854-1857. 2. Band: 1858-1862, Düsseldorf 2006/ 2009.
Literatur
Gierse, Ludwig, Friedrich Baudri zum Kölner Dom in seinen Tagebüchern, in: Kölner Domblatt 38/39 (1974), S. 13–42.
Heinen, Ernst, Friedrich Baudri (1808-1874) - ein bedeutender Vertreter des politischen Katholizismus in Köln, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 74 (2003), S. 31-58.
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Heinen, Ernst, Friedrich Baudri, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-baudri/DE-2086/lido/57c5751bb7f572.76154765 (abgerufen am 05.11.2024)