Zu den Kapiteln
Schlagworte
Der „Giftpilz von Hermeskeil“, so nannten zeitgenössische Gegner den ehemaligen Gauleiter der NSDAP Koblenz-Trier, Gustav Simon. Und in der Tat war dieser eine äußerst giftige Person. Von Natur aus sehr klein, wird Simon stets als drahtig, hektisch und hyperaktiv beschrieben. Gleichzeitig war er verschlagen, rücksichtslos und immer zur Anwendung von Gewalt gegen diejenigen bereit, die den Nationalsozialismus nicht so rückhaltlos bejahten wie er selbst. In seiner Funktion als Chef der Zivilverwaltung im deutsch besetzten Luxemburg legte er seit Sommer 1940 dieselbe Brutalität an den Tag, die das NS-Regime allgemein kennzeichnete. Simon war ein bedingungsloser Gefolgsmann des „Führers“ Adolf Hitler, der sowohl seine Untergebenen wie auch die ihm anvertraute Bevölkerung rücksichtslos für die Ziele des Nationalsozialismus zu mobilisieren versuchte.
Gustav Johannes Simon wurde am 2.8.1900 in Malstatt-Burbach (heute: Stadt Saarbrücken) als Sohn des Reichsbahn-Hilfsarbeiters Adam Simon (1872-1941) und dessen Ehefrau Charlotte Karoline geboren. Die Familie war katholisch. Von 1906 bis 1914 besuchte er die Volksschule vor Ort, trat danach in die Präparandenanstalt Merzig ein und bestand am 9.3.1917 die Aufnahme am Königlichen Schullehrerseminar Merzig. Seine besten Noten bekam er in „Religion“ (2-3) und „Deutsch“ (2-3). In dieser katholischen Institution legte er 1920 seine erste Volksschullehrerprüfung ab, fand jedoch in den Wirren der Nachkriegszeit zunächst keine Anstellung. Eigentlich war Simon ein sozialer Aufsteiger, denn seine Familie väterlicherseits bestand aus ehemaligen Bauern und Landarbeitern, die mangels Zukunftsperspektive in die Großstadt gezogen waren und sich dort als Hilfsarbeiter verdingten. Ein ähnliches Schicksal ereilte nun auch den angehenden Junglehrer, der sich in den nächsten drei Jahren als Eisenbahnaushelfer und Zolldeklarant durchschlagen musste.
Simon, der zu dieser Zeit in Morbach im Hunsrück wohnte, radikalisierte sich 1922/1923 und schloss sich der politischen Rechten an. Als gebürtiger Saarländer war er vom „Saarstatut“ betroffen, mit dem das Saarland 1920 für 15 Jahre unter Verwaltung des Völkerbundes gestellt worden war. Simon entwickelte einen abgrundtiefen Hass auf den „Erbfeind“ Frankreich, das in der internationalen Regierungskommission im Saarland die Haupttolle spielte. Der französische Staat war dort zudem der wichtigste Arbeitgeber, weil er die ehemaligen preußischen Staatsgruben an der Saar als Reparationsleistung erhalten hatte. Für Simon war diese Situation, die ihm die deutsche Kriegsniederlage von 1918/1919 jeden Tag vor Augen führte, unerträglich. Ähnliches gilt für die Besetzung des Ruhrgebiets durch französisch-belgische Truppen Anfang 1923, die als Reaktion auf ausgebliebene Reparationszahlungen erfolgte. Sie schürte in großen Teilen des deutschen Bürgertums eine regelrechte antifranzösische Hasswelle und öffnete einem radikalen Nationalismus Tür und Tor. Simon muss zu diesem Zeitpunkt auch unter der Hyperinflation gelitten haben, die im Dezember 1923 ihren Höhepunkt erreichte. Leider fehlen für seine formativen Jahre 1922/1923 Dokumente und Selbstzeugnisse, die weiteren Aufschluss über seinen Lebensweg geben könnten.
Am 2.8.1923 immatrikulierte sich Simon als Werksstudent an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Frankfurt am Main. An dieser Fakultät, die für ihre Liberalität und innovativen Methoden berühmt war, lehrten so bedeutende Soziologen wie Franz Oppenheimer (1864-1943), Carl Grünberg (1861-1940) und Gottfried Salomon (1892-1964). Sie bildete auch die Keimzelle des Frankfurter Instituts für Sozialforschung um Max Horkheimer (1895-1973). Simon hingegen vertrat eine zum Lehrkörper dieser Fakultät diametral entgegengesetzte Position. Er engagierte sich in der Völkischen Hochschulgruppe, die dem Hochschulring Deutscher Art angehörte und einen besonders radikalen Antisemitismus praktizierte, und avancierte schnell zu deren stellvertretendem Vorsitzenden. 1924 trat er in die Nationalsozialistische Freiheitspartei (NSFP) ein, die im Gefolge von Adolf Hitlers (1889-1945) gescheitertem Putschversuch vom 9.11.1923 und dem anschließenden Verbot der NSDAP gegründet worden war. Sie war eine Fraktionsgemeinschaft, in der sich ehemalige Mitglieder der NSDAP und anderer „völkischer“ Parteien sammelten und die bei der Reichstagswahl vom 4.5.1924 immerhin 32 Mandate errang. Im Wahlkreis Koblenz-Trier, in dem Simon lebte, fuhr die NSFP mit 1,3 Prozent der Stimmen jedoch ihr reichsweit schlechtestes Ergebnis ein.
In den ersten Jahren nach der Hyperinflation versuchte Simon weiterhin verzweifelt, sich eine bürgerliche Existenz aufzubauen. Im November 1924 holte er das Abitur nach und schrieb sich zum Sommersemester 1925 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Frankfurt am Main ein. Zugleich forcierte er sein politisches Engagement innerhalb wie außerhalb der Universität. Am 14.8.1925 trat Simon unter der Mitgliedsnummer 17.017 in die wenige Monate zuvor neu gegründete NSDAP ein, zählte also zu deren „Alten Kämpfern“. Er hob die Hochschulgruppe Frankfurt des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes sowie eine Ortsgruppe der NSDAP in Hermeskeil aus der Taufe, wo seine Eltern lebten und sein Vater mittlerweile eine beachtliche Karriere als Bahnhofsvorsteher mit mehr als 100 Untergebenen gemacht hatte. Im Mai 1927 brach Simon sein Jurastudium aus Geldmangel ab. Er entschied sich stattdessen dafür, die Prüfung zum Diplom-Handelslehrer abzulegen. In den nächsten beiden Jahren verdingte er sich als Aushilfslehrer an einer Volksschule in Gusenburg, danach als Handelsstudienreferendar und Gewerbelehrer in Völklingen. Aussicht, ins Beamtenverhältnis übernommen zu werden, besaß Simon nicht.
Angesichts seiner noch immer prekären beruflichen Situation erweis es sich für Simon im Nachhinein als Glücksfall, dass er sich weiter ehrenamtlich in der NSDAP engagierte. Dabei scheint er sich insbesondere bei Robert Ley, dem Leiter des Gaues Rheinland-Süd, einen guten Namen gemacht zu haben, obgleich für die Jahre 1927/1928 kaum Informationen über seine propagandistischen Aktivitäten vorliegen. Offenbar war es Simon in dieser Zeit im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis in Hermeskeil und Umgebung gelungen, der NSDAP viele neue Mitglieder zuzuführen. Auch sein jüngerer Bruder Paul (1908-1947) schloss sich sogleich nach seinem Abitur im Dezember 1926 unter der Mitgliedsnummer 49.185 der NSDAP und ihrer Sturmabteilung (SA) an. Seite an Seite kämpften die beiden Brüder in den darauffolgenden Jahren dafür, die Ideen der NSDAP im südlichen Rheinland zu verbreiten.
Bereits im September 1928 hatte sich Ley dazu entschieden, Gustav Simon zum Leiter des neugegründeten NSDAP-Bezirks Trier-Birkenfeld zu machen. Diese Aufgabe konnte Simon nicht mehr von Völklingen aus erledigen. Er entschied sich daher, seinen Beruf aufzugeben und sich voll und ganz in den Dienst der NSDAP zu stellen. Dies war hoch riskant, da er für seinen Einsatz lediglich eine geringe Aufwandsentschädigung bekam, weil es in der NSDAP zu diesem Zeitpunkt noch keine fest etatisierten Ämter und kaum hauptberufliche Betätigungsmöglichkeiten gab. Im März 1929 wurde Simon von Ley noch zusätzlich mit der Reorganisation der Ortsgruppe Koblenz betraut, die bereits am 7.4.1927 polizeilich verboten worden und seit ihrer Neugründung im Sommer 1928 aufgrund vielfältiger innerparteilicher Zwistigkeiten nicht mehr zur Ruhe gekommen war. In Koblenz, wo er zwischen 1929 und 1945 seinen Wohnsitz nahm, schaffte Simon den Durchbruch zum Berufspolitiker. Bei den Preußischen Kommunalwahlen vom 17.11.1929 gewann die NSDAP acht der insgesamt 44 Mandate im Stadtrat. Simon wurde Fraktionsführer im Koblenzer Rathaus und Mitglied im Preußischen Provinziallandtag, wo die NSDAP mit 3,2 Prozent der Stimmen sechs der insgesamt 163 Sitze errungen hatte.
Mittlerweile war Simon durch Ley zum NSDAP-Bezirksleiter Koblenz-Trier ernannt worden. Auch in seiner neuen Funktion wurde er zum unermüdlichen Propagandisten des Nationalsozialismus und hatte einen maßgeblichen Anteil an dessen Aufstieg in einer überwiegend katholischen Region, die dafür außerordentlich wenig prädestiniert schien. Übereinstimmend betont die Forschung den radikalen Antisemitismus, den Simon als Mobilisierungsinstrument nutzte, etwa in den beiden nationalsozialistischen Tageszeitungen „Koblenzer Nationalblatt“ und „Trierer Nationalblatt“, die er im Sommer 1930 selbst aus der Taufe gehoben hatte und als deren Hauptschriftleiter er zunächst zeichnete. Bei der Reichstagswahl vom 14.9.1930 erreichte die NSDAP in der Stadt Koblenz fast 26 Prozent Stimmenanteil; eine Verdoppelung gegenüber den Kommunalwahlen vom 17.11.1929. Simon zog nunmehr als Direktkandidat in den Weimarer Reichstag ein; seine bürgerliche Existenz schien endgültig gesichert. Er vermählte sich mit seiner Lebensgefährtin Frieda Margaretha ("Friedel") Henning (geboren 1911). Aus dieser Ehe, die 1942 geschieden wurde, ging 1931 der Sohn Gustav Adolf hervor. Am 1.11.1930 trat Simon unter der Mitgliedsnummer 433 noch in den Nationalsozialistischen Lehrerbund ein. Offenbar fühlte er sich seinem alten Beruf, den er nicht mehr ausübte, noch immer verbunden.
In den nächsten Wochen und Monaten unterbreitete Simon Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser (1892-1934) verschiedentlich Vorschläge für eine Teilung des Gaues Rheinland (bis 1928 Gau Rheinland-Süd). Im Rahmen einer Reform, bei der die territoriale Einteilung der meisten NSDAP-Gaue an die Reichstagswahlkreise angepasst wurde, kam es am 1.6.1931 zur Gründung des neuen Gaues Koblenz-Trier. Zum Gauleiter wurde Simon ernannt. Er war damit in eine Position aufgestiegen, die ihn in besondere Nähe zu Hitler brachte, dem die Gauleiter ja direkt unterstanden. Innerhalb ihrer Gaue besaßen sie im Prinzip dieselbe Machtfülle wie ihr unumschränkter „Führer“. Die Gauleiter der NSDAP konnten selbst entscheiden, wie sie die Vorgaben der Parteiführung in ihrem „Hoheitsbereich“ umsetzten und welcher Mitarbeiter sie sich dabei bedienten. Simon stützte sich auf eine Clique ergebener Männer, darunter seinen Bruder Paul, den er zum Bezirksleiter der Eifelkreise Bitburg, Daun und Prüm, später auch zum Gauinspekteur ernannte.
Nach der Machtübernahme der NSDAP am 30.1.1933 wurde Simon regelrecht mit Ämtern überschüttet oder eignete sie sich gleich selbst an. Im April 1933 übernahm er den Vorsitz des Rheinischen Provinziallandtages und wurde wenige Monate darauf in den Preußischen Staatsrat berufen. Am 28.6.1933 avancierte er zum Bundesführer der Saarvereine Deutschlands, schließlich zum Mitglied der Akademie für Deutsches Recht. Im Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps brachte er es binnen weniger Jahre zum Obergruppenführer. Diese Ämter vermögen aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass Simon innerhalb der Gauleiter-Riege vergleichsweise schwach und unbedeutend blieb. Er war einer der wenigen Gauleiter, die kein staatliches Amt innehatten und weder als Ober- oder Ministerpräsident noch als Reichstatthalter fungierten. Dies wirkte sich auch negativ auf Simons Stellung innerhalb des Gaues Koblenz-Trier aus. Dort musste er sich seine Machtbastionen erst mühsam erarbeiten.
Als Gauleiter praktizierte Simon im Gau Koblenz-Trier seit 1933 eine Doppelstrategie. Zum einen strebte er danach, die Partei, ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände zum schlagkräftigen Instrument auszubauen, indem er die „Gleichschaltung“ der traditionellen Vereine, Organisationen und Verbände vorantrieb. Zum anderen versuchte Simon, den Einfluss der NSDAP auf innere Verwaltung, Wehrmacht und Wirtschaft in seinem Gau weiter auszudehnen. Im innerparteilichen Rahmen baute Simon die Gauleitung zum Steuerungsorgan sowohl der Gliederungen als auch der angeschlossenen Verbände aus, die in Koblenz-Trier nicht ein so starkes Eigenleben führten wie in anderen Parteigauen. Den traditionellen Eliten in der inneren Verwaltung und der Wirtschaft suchte er durch eine gezielte Politik aus Bündnisangeboten und Nadelstichen beizukommen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch Simons Verhältnis zur katholischen Kirche, insbesondere zum Trierer Bischof Franz Rudolf Bornewasser. Nach außen hin schien Simon stets um ein kooperatives Verhältnis bemüht, was sich etwa bei der gemeinsamen Durchführung der Trierer Heiligtumsfahrt im Sommer 1933 zeigen lässt. Hier übernahm die SA wichtige logistische Funktionen für die zwei Millionen Pilger, die den „Heiligen Rock“ besuchten, eine im Trierer Dom ausgestellte Reliquie. In der NSDAP ließ Simon jedoch keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass der „politische Katholizismus“ ein weltanschaulicher Gegner des Nationalsozialismus sei, den es zu bekämpfen gelte. Am 17.2.1939 trat Simon offiziell zusammen mit Ehefrau und Sohn aus der katholischen Kirche aus. Er intensivierte die antikatholische Propaganda und forcierte auch Übergriffe der NSDAP gegen Katholiken und katholische Einrichtungen. Die meisten jener „Kirchenkampf“-Maßnahmen, die bis 1938/1939 im Gau Koblenz-Trier stattfanden, oblagen jedoch staatlichen Institutionen, vor allen Dingen der Polizei, und können nicht umstandslos Simon als Hauptverantwortlichem zugerechnet werden.
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges übernahm der Gauleiter Koblenz-Trier dann auch erstmalig ein staatliches Verwaltungsamt, als er am 22.9.1939 zum Stellvertreter des Reichsverteidigungskommissars für den Wehrkreis XII ernannt wurde. Er blieb in dieser Eigenschaft aber dem Gauleiter Hessen-Nassau-Süd, Jakob Sprenger (1884-1945), nachgeordnet. Nach dem siegreichen Abschluss des „Falles Gelb“, also des deutschen Feldzugs gegen die Niederlande, Belgien und Luxemburg, wurde Simon dann durch den „Führererlass“ vom 2.8.1940 zum Chef der Zivilverwaltung (CdZ) in Luxemburg ernannt. In dieser Eigenschaft führte er „die gesamte Verwaltung im zivilen Bereich“ und sollte Luxemburg, wie es ein zweiter „Führererlass“ vom 18.10.1940 formulierte, „in kürzester Zeit dem deutschen Volkstum“ zurückgewinnen. Simon bekam also eine Blankovollmacht für eine rigorose Politik der „Germanisierung“. Diese vollzog sich in weiten Teilen außerhalb geltender völkerrechtlicher Normen. Die Konstruktion der CdZ-Verwaltung diente gerade dazu, die Annexion Luxemburgs zu verschleiern und nach außen hin eine der Haager Landkriegsordnung konforme Besatzung zu simulieren.
Die von Simon zu verantwortende Okkupationspolitik oszillierte zwischen pseudolegalen Aktionen wie der institutionellen und personellen „Gleichschaltung“ der luxemburgischen Verwaltung, dem Verbot der französischen und der Einführung der deutschen Sprache und des Reichsrechts auf der einen Seite und einer rücksichtslosen Repression auf der anderen. Die Vertreibung der 4.000 luxemburgischen Juden ins unbesetzte Frankreich, dann deren Deportation „in den Osten“, lag in Simons Verantwortung. Als es nach der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht für Luxemburger am 30.8.1942 zu einer Welle von Streiks und Protesten kam, verhängte Simon den „zivilen Ausnahmezustand“, richtete Sondergerichte ein und ließ 21 Luxemburger exekutieren. Daraufhin verfestigte sich der dortige Widerstand gegen die NS-Okkupationsherrschaft noch. Allerdings hatte Simon es durchaus verstanden, sich die passive Loyalität eines Großteils der luxemburgischen Bevölkerung zu sichern. Schon seit den 1930er Jahren hatte er mit der Volksdeutschen Bewegung (VDB) Damian Kratzenbergs (1878-1946) die luxemburgische Kollaboration unterstützt. Die VDB, die nach der NS-Okkupation dann atemberaubende Erfolge bei der Rekrutierung von Luxemburgern gefeiert hatte, fungierte als Vorfeldorganisation der NSDAP, deren Apparat Anfang 1941 aus dem Gau Koblenz-Trier exportiert worden war.
In den letzten beiden Kriegsjahren pendelte Simon zwischen Luxemburg und Koblenz, seinem Dienstsitz als Gauleiter, und versuchte mit unzähligen Mobilisierungskampagnen zum erhofften „Endsieg“ des Deutschen Reiches beizutragen. Unterdessen vereinigte er immer mehr staatliche Ämter auf seine Person. Am 15.11.1940 wurde Simon Gauwohnungskommissar, am 6.4.1942 Beauftragter des Generalbevollmächtigen für den Arbeitseinsatz und am 16.11.1942 Reichsverteidigungskommissar für den Gau Moselland. Die Aufgabenausweitung erfolgte parallel zu jenen Veränderungen, die sich seit 1942/1943 im Verhältnis zwischen innerer Verwaltung, Wehrmacht, Wirtschaft und NSDAP ergeben hatten. Sie ließ Simon immer tiefer in die verbrecherische Politik des NS-Staates eintauchen, etwa bei der Rekrutierung und rigorosen Ausbeutung von ausländischen Zwangsarbeitern. Simon sperrte sich nicht, sondern spielte mit Inbrunst auf jener Klaviatur des Terrors, die er nach 1933 aufgrund fehlender Kompetenzen noch nicht hatte orchestrieren dürfen. Im Herbst 1944 startete er schließlich den verzweifelten Versuch, den „Deutschen Volkssturm“ im Moselland aufzubauen und zur signifikanten militärischen Kraft im „Abwehrkampf“ zu formen. Nach der bedingungslosen Kapitulation vom 8.5.1945 setzte sich Simon nach Westfalen ab. Am 11.12.1945 wurde er von der britischen Armee in der Nähe von Paderborn verhaftet und erwartete seine Auslieferung nach Luxemburg. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Am 18.12.1945 erhängte sich Simon in seiner Gefängniszelle an einem Bettpfosten.
Quellen
Brommer, Peter (Hg.), Das Bistum Trier im Nationalsozialismus aus der Sicht von Partei und Staat. Quellenpublikation, Mainz 2009.
Brommer, Peter (Bearb.), Die Partei hört mit, Band 1: Lageberichte und andere Meldungen des Sicherheitsdienstes der SS aus dem Großraum Koblenz 1937-1941; Band 2 (in 2 Teilbänden.), Lageberichte und andere Meldungen des Sicherheitsdienstes der SS, der Gestapo und sonstiger Parteidienststellen im Gau Moselland 1941-1945, Koblenz 1988-1992.
Heyen, Franz-Josef, Nationalsozialismus im Alltag. Quellen zur Geschichte des Nationalsozialismus vornehmlich im Raum Mainz-Koblenz-Trier, Boppard am Rhein 1967.
Literatur
Dostert, Paul, Luxemburg zwischen Selbstbehauptung und nationaler Selbstaufgabe. Die deutsche Besatzungspolitik und die Volksdeutsche Bewegung 1940-1945, Phil. Diss. Freiburg 1984.
Klauck, Hans Peter, Gustav Simon, der Satrap aus Saarbrücken. Gauleiter des Mosellandes, in: Saarbrücker Hefte. Die Saarländische Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 96 (2006), S. 76-80.
Krier, Émile, Gustav Simon (1900-1945), in: Rheinische Lebensbilder 16 (1997), S. 255-285.
Lilla, Joachim (Bearb.), Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933-1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924, unter Mitarb. v. Martin Döring u. Andreas Schulz, Düsseldorf 2004, S. 619-621 (= Nr. 1071 u. 1074).
Maier, Franz (Bearb.), Biographisches Organisationshandbuch der NSDAP und ihrer Gliederungen im Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz, Mainz/Zarrentin 2007, S. 445-447 (= Nr. 289) u. 448-450. (= Nr. 291).
Quadflieg, Peter M., „Zwangssoldaten“ und „Ons Jongen“. Eupen-Malmedy und Luxemburg als Rekrutierungsgebiet der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, Aachen 2008.
Schneider, Volker, Gauleiter Gustav Simon, der „Moselgau“ und das ehemalige SS-Sonderlager/KZ Hinzert, in: Meyer, Hans-Georg/Berkessel, Hans (Hg.), Die Zeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz, Band 2: „Für die Außenwelt seid ihr tot!“, Mainz 2000, S. 276-307.
Tyrell, Albrecht, Führergedanke und Gauleiterwechsel. Die Teilung des Gaues Rheinland der NSDAP 1931, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 23 (1975), S. 341-374.
Volkmann, Hans-Erich, Luxemburg im Zeichen des Hakenkreuzes. Eine politische Wirtschaftsgeschichte 1933 bis 1944, 2., durchgesehene Auflage, Paderborn [u. a.] 2011.
Online
Gustav Simon in der Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten. [Online]
Gustav Simon (Kurzbiographie und Quellen des Landeshauptarchiv Koblenz zu Gustav Simon). [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Nolzen, Armin, Gustav Simon, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gustav-simon/DE-2086/lido/57c951e12e0c75.55304921 (abgerufen am 05.11.2024)