Johann I. von Kleve

Herzog von Kleve (1419-1481)

Manuel Hagemann (Bonn)

Johann I. von Kleve, Ausschnitt aus einem Gemälde, 17. Jahrhundert. (Museum Kurhaus Kleve)

Jo­hann I. war der zwei­te Her­zog von Kle­ve und Graf von der Mark.

Jo­hann wur­de am 14.1.1419 als ers­ter Sohn des 1417 zum Her­zog er­ho­be­nen Adolf II. (I.) von Kle­ve und sei­ner Frau Ma­ria von Bur­gund (1393-1463) ge­bo­ren. Die Ge­burt des lan­ge er­war­te­ten Thron­fol­gers lös­te hef­ti­ge Strei­tig­kei­ten zwi­schen dem Her­zog und sei­nem Bru­der Ger­hard (um 1387-1461) aus, der ei­nen Teil des kle­ve-mär­ki­schen Er­bes für sich for­der­te. 1437 trat Adolf ihm die Graf­schaft Mark auf Le­bens­zeit ab.

Im Al­ter von neun Jah­ren wur­de Jo­hann zur Er­zie­hung an den Hof sei­nes On­kels Her­zog Phil­ipp des Gu­ten von Bur­gund (Re­gie­rungs­zeit 1419-1467) ge­ge­ben, wo er ei­ne stan­des­ge­mä­ße Aus­bil­dung er­hielt und von der bur­gun­di­schen Hof­kul­tur tief ge­prägt wur­de. 1438 be­glei­te­te er sei­ne Schwes­ter Agnes (1422-1448) auf ih­rer Rei­se zur Hoch­zeit mit Karl von Via­na, Prinz von Na­var­ra (1421-1461) und un­ter­nahm ei­ne Pil­ger­rei­se nach San­tia­go de Com­pos­tel­la. Seit 1440 ver­füg­te Jo­hann über die Herr­schaft Wi­j­nenda­le.

Beim Aus­bruch der Soes­ter Feh­de zwi­schen Kle­ve und dem Köl­ner Erz­bi­schof Diet­rich von Mo­ers 1444 rief ihn sein al­tern­der Va­ter an den Nie­der­rhein zu­rück und be­auf­trag­te ihn mit der Füh­rung des Krie­ges. Am 24.6.1444 hul­dig­te die Stadt Soest dem Kle­ver Jung­her­zog als ih­rem neu­en Herrn. Jo­hanns wich­tigs­ter Er­folg war es, dass das von ihm be­feh­lig­te Soest im Som­mer 1447 den Be­la­ge­rern stand­hal­ten konn­te.

Nach dem Tod Adolfs II. am 23.9.1448 trat Jo­hann I. des­sen Nach­fol­ge an. Aus dem von Ni­ko­laus von Ku­es  und dem bur­gun­di­schen Her­zog ver­mit­tel­ten Frie­dens­schluss von Maas­tricht am 27.4.1449 ging der jun­ge Her­zog als Sie­ger der Soes­ter Feh­de her­vor: Soest und Xan­ten blie­ben in kle­vi­scher Hand. Im Früh­jahr 1450 trat der jun­ge Her­zog ge­mein­sam mit ei­ni­gen nie­der­rhei­ni­schen Ad­li­gen ei­ne zwei­te gro­ße Pil­ger­rei­se an, die ihn über Ita­li­en nach Je­ru­sa­lem führ­te, wo er am Hei­li­gen Grab zum Rit­ter ge­schla­gen wur­de. Nach dem Rück­weg über Rom traf Jo­hann im April 1451 wie­der in Kle­ve ein. Dort hat­te er sich in der Müns­te­ri­schen Stifts­feh­de er­neut mit dem Köl­ner Erz­bi­schof aus­ein­an­der­zu­set­zen: Wäh­rend Diet­rich von Mo­ers sei­nem Bru­der Wal­ram (1393-1455) auf den Bi­schofs­stuhl von Müns­ter hel­fen woll­te, un­ter­stütz­ten Jo­hann und der Her­zog von Bur­gund den Ge­gen­kan­di­da­ten Erich von Ho­ya (um 1410-1458). Zwar ge­lang es kei­ner Sei­te, sich lang­fris­tig durch­zu­set­zen, aber mit dem Tod Wal­rams von Mo­ers 1455 wa­ren die köl­ni­schen Plä­ne ge­schei­tert und die Fi­nanz­si­tua­ti­on des Erz­stifts hat­te sich wei­ter ver­schlech­tert; wie­der­um konn­ten sich Kle­ve und Bur­gund als Sie­ger füh­len.

1455 hei­ra­te­te Her­zog Jo­hann sei­ne bur­gun­di­sche Ver­wand­te Eli­sa­beth von Es­tam­pes-Ne­vers (um 1439-1483) und stärk­te da­mit die kle­visch-bur­gun­di­schen Be­zie­hun­gen. Be­reits 1451 war er in den Or­den vom Gol­de­nen Vlies des Her­zogs von Bur­gund auf­ge­nom­men wor­den, wäh­rend sich der kle­vi­sche An­to­ni­us­or­den auf­lös­te. Das hö­fi­sche Le­ben und die Ver­wal­tungs­pra­xis im Kle­ver Ter­ri­to­ri­um ori­en­tier­ten sich un­ter Jo­hann I. zu­neh­mend am bur­gun­di­schen Vor­bild. Auch der 1458 ge­bo­re­ne Sohn und Er­be, Jo­hann II. (Re­gie­rungs­zeit 1481-1521), wur­de wie sein Va­ter am bur­gun­di­schen Hof er­zo­gen. Lang­fris­tig führ­te die­se Ent­wick­lung Kle­ve aber in im­mer en­ge­re Ab­hän­gig­keit von Bur­gund, die zu ei­nem völ­li­gen Ver­lust der Selb­stän­dig­keit zu füh­ren droh­te.

Mit sei­nem On­kel Graf Ger­hard zur Mark er­reich­te Her­zog Jo­hann 1456 ei­ne Ei­ni­gung, die ihm den un­ge­schie­de­nen Mit­be­sitz der Graf­schaft Mark ein­brach­te. Nach Ger­hards Tod 1461 fiel die Mark end­gül­tig an den Kle­ver Her­zog. Sei­nen jün­ge­ren Bru­der Adolf (1425-1492), der in bur­gun­di­schen Diens­ten Kar­rie­re mach­te, fand Jo­hann I. 1450/ 1463 mit den kle­vi­schen Au­ßen­be­sit­zun­gen Ra­ven­stein und Wi­j­nenda­le in Flan­dern ab und wirk­te so­mit ei­ner Neu­auf­la­ge des Streits um die Graf­schaft Mark recht­zei­tig ent­ge­gen.

 Meh­re­re Feh­den präg­ten die wei­te­re Re­gie­rungs­zeit Jo­hanns. 1462/ 1463 stan­den sich Kle­ve und Köln er­neut in der zwei­ten Soes­ter Feh­de ge­gen­über. Zwar ver­ein­bar­te der neue Köl­ner Erz­bi­schof Ru­precht von der Pfalz 1464 mit Her­zog Jo­hann, die bei­der­sei­ti­gen Ge­biets­an­sprü­che ru­hen zu las­sen, doch er­gab sich ei­ne neue Si­tua­ti­on, als Adolf von Gel­dern (Re­gie­rungs­zeit 1465-1471) sei­nen Va­ter, Her­zog Ar­nold von Gel­dern (Re­gie­rungs­zeit 1423-1465 und 1471-1472), 1465 ge­fan­gen setz­te. Wäh­rend Jo­hann sei­nen Schwa­ger Ar­nold un­ter­stütz­te, schlug sich der Erz­bi­schof 1467 auf die Sei­te des Soh­nes und setz­te sich die Rück­erobe­rung von Soest, Xan­ten und As­pel / Rees zum Ziel.

Ob­wohl Adolf von Gel­dern 1468 bei Strae­len ei­nen deut­li­chen Sieg über Her­zog Jo­hann er­rang, blie­ben die köl­ni­schen Wün­sche un­er­reicht. Kle­ve muss­te le­dig­lich die gel­dri­schen Pfand­schaf­ten Wach­ten­donk und Düf­fel ab­tre­ten. Doch konn­ten die­se Ver­lus­te be­reits 1473 wie­der aus­ge­gli­chen wer­den, als Jo­hann I. den bur­gun­di­schen Her­zog Karl den Küh­nen (Re­gie­rungs­zeit 1465-1477) da­bei un­ter­stütz­te, die Vog­tei über das Her­zog­tum Gel­dern, die ihm der al­te Her­zog Ar­nold auf­ge­tra­gen hat­te, ge­gen den Wi­der­stand der dor­ti­gen Stän­de durch­zu­set­zen. Für sei­ne Hil­fe er­hielt der Kle­ver Her­zog 1473 nicht nur Wach­ten­donk und die Düf­fel, son­dern auch Goch, Lo­bith und die Vog­tei über El­ten.

An der Be­la­ge­rung von Neuss durch den Her­zog von Bur­gund 1474/ 1475 nahm Jo­hann I. nicht per­sön­lich teil. Nach dem Tod Karls des Küh­nen 1477 be­müh­te sich der Kle­ver Her­zog oh­ne Er­folg, ei­ne Ehe zwi­schen des­sen Erb­toch­ter Ma­ria (1457-1482) und sei­nem äl­tes­ten Sohn, dem Jung­her­zog Jo­hann, zu ar­ran­gie­ren. Schlie­ß­lich un­ter­stütz­te Kle­ve den habs­bur­gi­schen Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an (1459-1519) nach sei­ner Hei­rat mit Ma­ria von Bur­gund bei der Durch­set­zung sei­ner Erb­an­sprü­che in Gel­dern.

Ein mit gro­ßem Nach­druck ver­folg­tes in­nen­po­li­ti­sches Ziel Jo­hanns war die Klos­ter­re­form und die Durch­set­zung der Or­dens­re­geln und der Klau­sur, was dem Her­zog ge­gen teil­wei­se er­bit­ter­ten Wi­der­stand weit­ge­hend er­folg­reich ge­lang. Ge­gen­über den wirt­schaft­lich star­ken Städ­ten, al­len vor­an We­sel, war er im­mer wie­der zu Kon­zes­sio­nen be­reit. An­ders als sei­ne Vor­gän­ger und sein Nach­fol­ger hat Jo­hann I. kei­ne neue Stadt pri­vi­le­giert.

Die bur­gun­disch ge­präg­te Hof­kul­tur blieb Zeit sei­nes Le­bens Leit­bild für Jo­hann I. von Kle­ve, der ei­nem ho­hen rit­ter­li­chen Ide­al an­hing. Sein In­ter­es­se am frü­hen Hu­ma­nis­mus, den er am Kle­ver Hof för­der­te, wie sein Wi­der­wil­le da­ge­gen, To­des­ur­tei­le zu fäl­len, wer­fen ein we­nig Licht auf sei­ne Per­sön­lich­keit.

Sei­nen Se­kre­tär Gert van der Schu­ren be­auf­trag­te Her­zog Jo­hann mit der Ab­fas­sung ei­ner Ge­schich­te des Kle­ver Hau­ses. Der Xan­te­ner De­kan Ar­nold Heyme­rick, der zeit­wei­se in en­gem Kon­takt mit dem Her­zog stand, cha­rak­te­ri­sier­te den Kle­ver Hof, wo die ad­li­gen Rä­te den Ge­lehr­ten ge­gen­über ar­ro­gant auf­tra­ten und die Hun­de al­les ver­schmutz­ten, in sei­nen Schrif­ten dis­tan­ziert.

Der schwer gicht­kran­ke Jo­hann I. starb am 5.9.1481 und wur­de in der Kle­ver Stifts­kir­che be­stat­tet.

Quellen

Han­sen, Jo­seph, West­fa­len und Rhein­land im 15. Jahr­hun­dert, 2 Bän­de, Leip­zig 1888-1890.
Il­gen, Theo­dor, Quel­len zur in­ne­ren Ge­schich­te der rhei­ni­schen Ter­ri­to­ri­en. Her­zog­tum Kle­ve 1: Äm­ter und Ge­rich­te, 2 Bän­de in 3 Tei­len, Bonn 1921-1925.
Schol­ten, Ro­bert (Hg.), Cle­vi­sche Chro­nik nach der Ori­gi­nal­hand­schrift des Gert van der Schu­ren, Kle­ve 1884.

Literatur

Jans­sen, Wil­helm, Die Ent­wick­lung des Ter­ri­to­ri­ums Kle­ve, Bonn 2007 (Ge­schicht­li­cher At­las der Rhein­lan­de V 11-12).
Jans­sen, Wil­helm, Die nie­der­rhei­ni­schen Ter­ri­to­ri­en im Spät­mit­tel­al­ter. Po­li­ti­sche Ge­schich­te und Ver­fas­sungs­ent­wick­lung 1300-1500, in: Rhei­ni­sche Vier­tel­jahrs­blät­ter 64 (2000), S. 45-167.
Land im Mit­tel­punkt der Mäch­te. Die Her­zog­tü­mer Jü­lich – Kle­ve – Berg, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Kle­ve 1984.

Online

Jans­sen, Wil­helm, "Jo­hann I., Her­zog von Kle­ve", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 10 (1974), S. 492-493. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Hagemann, Manuel, Johann I. von Kleve, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-i.-von-kleve/DE-2086/lido/57c92d974d3617.76830625 (abgerufen am 05.12.2024)