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Der aus der Nähe von Aachen stammende Nikolaus Wilhelm Beckers studierte in Rom, Wien und Padua Medizin und stieg zum Leibarzt und Rat Kaiser Leopolds I. (1640-1705) auf. Dieser erhob ihn 1682 in den Freiherrenstand.
1630 wurde Nikolaus Wilhelm Beckers in Walhorn (heute zu Belgien) im Herzogtum Limburg nahe Aachen als zweites von fünf Kindern geboren. Seine Eltern waren der Walhorner Schöffe Peter Beckers und dessen Frau Helena, geborene Meeßen. Die Familie war angesehenen, verfügte aber nur über geringes Vermögen. Über Kindheit und Jugend von Nikolaus Beckers ist kaum etwas bekannt, nur die Schulzeit ist ansatzweise nachvollziehbar. Nachdem bereits sein älterer Bruder Heinrich (gestorben 1681) nach Aachen gegangen war, wo er zum Greven der Chirurgen- und Barbierzunft aufstieg, zog Nikolaus Wilhelm für den Schulbesuch ebenfalls in die Reichsstadt. Wahrscheinlich besuchte er dort das Gymnasium des Augustinerklosters und möglicherweise auch philosophischen Unterricht.
Der genaue Werdegang nach seiner Schulzeit in Aachen ist ebenfalls unbekannt. Offensichtlich trat er aber alsbald in den Dienst der spanisch-niederländischen Armee und gehörte während des Französisch-Spanischen Krieges einem Regiment des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich (1614-1662) an. Er nahm an verschiedenen Schlachten teil, unter anderen an der Schlacht von Lens 1648 und den Eroberungen von Gravelingen 1652 und Dünkirchen 1653. Mit seinem Militärdienst setzte er eine familiäre Tradition fort. Sein Großvater Niklas Becker war Marineoffizier gewesen, sein Vater Obristleutnant in Spanien und ein Onkel Obristwachtmeister unter Johann von Tilly (1559-1632). Seinen Söldnerdienst muss er 1653, nach vier oder fünf Jahren, beendet haben. Anschließend hielt er sich in Brüssel, dem Sitz des Statthalters der spanischen Niederlande, bei einem Apotheker des Erzherzogs auf.
Denkbar ist, dass er schon während seiner Armeezugehörigkeit mit Medizin und Chirurgie in Berührung gekommen war und bereits über Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügte. Von Brüssel aus plante er, für ein Medizinstudium nach Rom zu gehen. Noch 1653 reiste er erstmals dorthin, konnte das Studium aufgrund fehlender finanzieller Mittel jedoch nicht aufnehmen. In Rom kam er in Kontakt mit einem Fürsten aus dem Geschlecht der Radziwill, der ihn für eine bevorstehende Italienreise als Apotheker einstellte. Vermutlich handelte es sich dabei um Michael Kasimir Radziwill (1635-1680). Nach Abschluss der Reise, die Beckers nach Neapel, Sizilien und Malta führte, traf er Anfang August wieder in Rom ein. Mit dem benötigten Geld ausgestattet, konnte er nun das Studium antreten. Nach etwa einem Jahr setzte er sein Medizinstudium in Wien fort.
Erneuter Geldmangel zwang ihn jedoch, sich ein weiteres Mal in fürstliche Dienste zu begeben. Anfang 1655 nahm er daher eine Stellung als Haushofmeister des Grafen Nikolaus Erdödy (gestorben 1693) im ungarischen Tyrnau an. Da sich der Graf überwiegend in Wien aufhielt, hatte Beckers während der vier Jahre seines Dienstes Gelegenheit, seine Studien dort weiterzuführen. Bereits 1657 verfasste er seine heute verlorene Dissertation, deren Thesen er am 30. Juni erfolgreich verteidigte. Zur Verleihung der Doktorwürde kam es allerdings nicht, da Beckers die damit verbundenen Kosten nicht aufbringen konnte. Erst nach Beendigung seiner Anstellung 1658 hatte er offenbar genügend Vermögen, um in Padua zu promovieren und erwarb dort Ende des Jahres die Doktorwürde.
Obwohl ihm Kaiser Leopold I. unmittelbar nach seiner Promotion ein Empfehlungsschreiben ausgestellt hatte, in dem er die Anstellung Beckers als Stadtarzt in Aachen wünschte, blieb eine Berufung aus. Die Gunst des Kaisers erlangte er vermutlich durch den Einfluss des Erzherzogs Leopold Wilhelm, der als Gönner des jungen Arztes gesehen wird. Dafür spricht, dass Beckers ihm seine Dissertation gewidmet hat-
Anfang 1659 verlobte sich Beckers in Wien mit der reichen Witwe eines Oberintendanten des Geheimen Staatsrates, Anna Barbara Huber, geborene von Hasling (gestorben wohl 1679). Durch diese Verbindung fand er Zugang zu den höchsten sozialen Kreisen und verfügte über die Mittel, den Doktortitel der Wiener Medizinischen Fakultät zu erlangen. Am 4.9.1659 wurde er im Stephansdom promoviert. Die Hochzeit erfolgte genau zwei Monate später; die Ehe blieb kinderlos.
Begünstigt durch seine neue gesellschaftliche Stellung und wohl nach wie vor protegiert von Leopold Wilhelm, kam Beckers in den folgenden Jahren in engen Kontakt zum Kaiserhof. Aus dem Mai 1661 ist ein Besuch des Kaisers und des Erzherzogs im Hause Beckers überliefert, bereits im Jahr darauf wurde er zum Hofarzt ernannt. Diese Stellung hatte er sieben Jahre inne, bevor er 1669 schließlich zum kaiserlichen Leibarzt und ins Kollegium der Medizinischen Fakultät aufstieg. Neben seinen Aufgaben am Hof beschäftigte sich Beckers intensiv mit den Lehren von Hippokrates (um 460-um 370 v. Chr.) und Galenus (um 129-um 199 n. Chr.) und veröffentlichte 1674 sein voluminöses Hauptwerk „Florilegium Hyppocraticum et Galenicum“.
In der Folgezeit übertrug ihm Leopold I. weitere Ämter. Bereits 1675 hatte er ihn zum kaiserlichen Rat, 1677 schließlich zu seinem ersten Leibarzt berufen. Zuvor hatte Beckers sich, nach dem Tod der zweiten Gemahlin Leopolds, Claudia Felizitas von Tirol (1653-1676), in der Anbahnung der Hochzeit des Kaisers mit Eleonore Theresia von Pfalz-Neuburg (1655-1720) verdient gemacht. Er war in herausgehobener Position sowohl an den Beratungen im Vorfeld der Ehe als auch den Verhandlungen mit Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg in Düsseldorf über den Ehevertrag beteiligt. In seiner Funktion als Arzt hatte er zuvor Gutachten über Gesundheitszustand und Fruchtbarkeit Eleonores erstellt und im Hinblick auf die Erwartung eines Thronfolgers zur Hochzeit geraten. Der Kaiser zeigte sich mit Standeserhöhungen erkenntlich. Nachdem er ihn bereits 1678 nach der Geburt des ersten Sohnes, des späteren Kaisers Joseph I. (1678-1711), in den ungarischen Ritterstand erhoben hatte, verlieh er Nikolaus Wilhelm Beckers am 9.4.1682 den Freiherrentitel zu Walhorn. Um den Fortbestand des Adelsranges zu gewährleisten, hatte Beckers erwirkt, dass der Titel auch für seinen Neffen Peter Deodat, den Sohn seines Bruders Heinrich, galt.
Über Versuche, in der Herrschaft Walhorn Territorialbesitz zu erwerben, scheiterten jedoch in den 1680er Jahren. Stattdessen konnte er 1694 die im Wiener Umland gelegene Herrschaft Schönkirchen erwerben. Fortan führte er den Titel Freiherr von und zu Walhorn und Schönkirchen. Die österreichische Herrschaft fiel, nach kinderloser zweiter Ehe Beckers mit Anna Maria Schirmthal, an Peter Deodat.
Dort wie in der Gymnasialkirche St. Katharina in Aachen und der Pfarrkirche von Walhorn erinnern Gedenktafeln an Nikolaus Wilhelm Beckers von Walhorn.
Quellen
Anhand der jeweils angegebenen Nummer unter den bibliographischen Angaben können Quellenexemplare über VD17 (siehe Online) recherchiert werden.
Des Ruhm-Gerüchtes Schall und Gegenhall/ Uber den Wolgebornen Herrn/ Herrn Nicola Wilhelm Beckers/ Freyherrn von Walhorn/ des Königreichs Hungarn/ Rittern/ Dero Röm. Kaiserl. Majestät Raht und vornehmsten Leib-Arzt/ [et]c. [et]c. / Aufgemerket/ und zu verlangter Antwort auf die Frage: Von seiner Person und Tugenden/ der Leopoldinischen zu der Natur-Geheimnüsse Erforschung/ im Röm. Reich gegründeten/ Hochlöblichen Gesellschafft übersendet vom Florimont […], Nürnberg 1688.
(39:114930Y)
Werke
Florilegium Hippocraticum Et Galenicum Praecipua Tam Theorica, Quam Practica Hippocratis Ac Galeni Dogmata Continens […], Erstausgabe Wien 1674, hier Neuauflage Wien 1688.
(23:243536E)
Copia Literarum Perillustris & Generosissimi Domini, Dni Nicolai Guilielmi Beckers, Liberi Baronis de Walhorn […], Augsburg 1690.
(3:641381P)
Literatur
Grondal, Guillaume, Walhorn: notices historiques (Bulletin de la société Verviétoise d’archéologie et d’histoire 45, Les Communes du Canton d'Eupen), Verviers 1958 [dort insbesondere: Le baron Nicolas Beckers de Walhorn, S. 101-107].
Mummenhof, Wilhelm/Poll, Bernhard, Nikolaus Wilhelm Beckers Freiherr von Walhorn, in: Rheinische Lebensbilder 5 (1973), S. 7-21.
Schmitz-Cliever, Egon, Der kaiserliche Leibarzt Nikolaus Wilhelm Beckers Freiherr von Walhorn, in: Sudhoffs Archiv der für Geschichte der Medizin 49 (1965), S. 311-314.
Online
Haagen, F., Artikel „Nikolaus Wilhelm Beckers“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 2 (1875), S. 236. [Online]
Schmidt, Alois, Nikolaus Wilhelm Beckers, Freiherr von Walhorn, in: Eifelvereinsblatt 8 (1907), S. 84-88 (Rheinland-pfälzisches Digitalisierungsportal Dilibri). [Online]
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Kaltscheuer, Christoph, Nikolaus Wilhelm Beckers, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/nikolaus-wilhelm-beckers-/DE-2086/lido/57c577c51e5ff9.57935579 (abgerufen am 15.10.2024)