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Olga Oppenheimer war eine Kölner Künstlerin der klassischen Moderne, Mitbegründerin des „Gereonsklubs“ und der „Kölner Sezession“, die durch ihre kunstpolitischen Vereinstätigkeiten in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zur Förderung der europäischen Avantgardekunst im Rheinland beigetragen hat. Mit ihren Werken war sie in einigen der wichtigsten rheinischen Ausstellungen dieser Zeit vertreten. Ihr Oeuvre ist mit Ausnahme von wenigen Arbeiten, die teilweise nur durch Fotos überliefert sind, heute verschollen.
Olga Friederike Oppenheimer kam am 9.7.1886 als erstes von sechs Kindern des jüdischen Tuchgroßhändlers Max Samuel Oppenheimer (1852-1922) und dessen Ehefrau Emilie Wilhelmine „Mimi“, geborene Oppenheim (1865-1934), in Köln zur Welt. Ihre fünf Geschwister waren Friedrich Alexander (1887), Irma Silvana (1897), Maria Herta (1901) sowie die Zwillinge Liese und Lotte (1905).
Max Samuel Oppenheimer stammte aus Duisburg, wo sein Vater Samuel als Kaufmann arbeitete. Oppenheimers Großvater mütterlicherseits, Isaac Oppenheim (1822-1895), war in Köln ebenfalls als Kaufmann tätig. Die Großmutter mütterlicherseits, Bertha, geb. Mayer (1841), stammte aus Mainz und war die Tochter des Briefträgers Israel Mayer (1799-1866).
Ein Aquarell Oppenheimers von 1899 belegt, dass die junge Olga sich bereits in ihrer Schulzeit künstlerisch betätigte. 1906 führte sie ein Atelier in der Kölner Rubensstraße, während sie in ihrem Elternhaus am Marsilstein 28 lebte. Unterstützt durch ihre liberalen Eltern nahm Olga Oppenheimer 1907 mit ihrer acht Jahre älteren Freundin Emilie Worringer (1878-1961), genannt Emmy, Malunterricht in München und Dachau, wo seit einigen Jahren eine zahlreiche Künstler anlockende Malerkolonie bestand, darunter die Gruppe der „Neu-Dachauer“. Zweifellos durch den Unterricht beeinflusst, sind Oppenheimers in dieser Zeit entstandene Holzschnitte geprägt vom Jugendstil der Münchner Sezessionskunst. Ein ebenfalls 1907 entstandenes pastellfarbenes Portrait der Großmutter Bertha Oppenheim ist in impressionistischem Stil ausgeführt.
Nach ihrer Rückkehr nach Köln lebte die Künstlerin 1908 wieder bei ihren Eltern. Im kommenden Jahr folgte ein Studienaufenthalt in Paris als Schülerin des postimpressionistischen Malers Paul Sérusier (1864-1927), der Gründer der Künstlergruppe „Les Nabis“ war und Paul Gauguins (1848-1903) Kreis in Pont-Aven angehört hatte. Oppenheimer knüpfte in dieser Zeit wichtige Kontakte, die sie später in den „Gereonsklub“ einbringen konnte.
Nach Ende ihres Parisaufenthalts kehrte Oppenheimer erneut nach Köln zurück, wo sie im neuerbauten Geschäftsgebäude Gereonshaus ein Atelier einrichtete und die private „Mal- und Zeichenschule Olga Oppenheimer“ eröffnete. In den Sommermonaten fand der Unterricht der Anstalt bei gutem Wetter im Kölner Umland statt. Der bildnerische Schwerpunkt der Lehre lag auf Portraits, Akten und Stillleben, die, wie Kritiken, Ausstellungskataloge und überlieferte Werke Oppenheimers belegen, gleichzeitig die Hauptbildthemen im Schaffen der Künstlerin darstellten. Von Oktober bis Dezember 1910 konnte sie sich durch die Beteiligung zwei ihrer Portraits an der zweiten Ausstellung des „Kölner Künstlerbundes“ erstmals der Öffentlichkeit präsentieren. Die ausgestellten Werke scheinen durch einen vom Stil der „Nabis“-Künstler beeinflussten flächigen Malduktus geprägt gewesen zu sein.
An der Kunstschau nahm mit 34 Werken auch der aus Wien zurückgekehrte Architekt und autodidaktisch gebildete Kölner Künstler Franz M. Jansen erstmals teil. Von der Presse zumindest teilweise wohlwollend besprochen, zeigte sich das Publikum von den Bildern der Künstler empört, was zu Jansens Ausschluss aus dem Künstlerbund führte. Diese Erfahrungen scheinen den Ausschlag dafür gegeben zu haben, dass Oppenheimer und Jansen gemeinsam mit Emmy Worringer gegen Ende des Jahres den „Gereonsklub“ ins Leben riefen. Bei diesem handelte es sich um ein privates, avantgardistisches Ausstellungs-, Diskussions- und Verkaufsforum, das seinen Namen in Anlehnung an den Treffpunkt des Klubs in Oppenheimers Atelier im Gereonshaus erhielt. Hier wurde am 20.1.1911 die erste Ausstellung der Gesellschaft eröffnet, die Arbeiten der europäischen Avantgarde zeigte, darunter Werke von Oppenheimers Lehrer Paul Sérusier, Gustav Klimt (1862-1918) und Pablo Picasso (1881-1973), sowie zwei Gemälde van Goghs (1853-1890). Die Schau vereinte die künstlerischen Einflüsse der beiden Mitinitiatoren Oppenheimer und Jansen und offenbarte gleichzeitig die Zielsetzung des Klubs: die Förderung junger europäischer Kunst im Rheinland und ihres Dialogs mit der rheinischen Kunstszene. Letztere nahm durch progressive Malerkollegen, Kunsthistoriker und -kritiker in der Folgezeit rege an den samstäglichen Veranstaltungen der Gesellschaft teil.
Unterstützt wurde die Vereinigung vom neuerungswilligen Direktor des Wallraf-Richartz-Museums Alfred Hagelstange (1874-1914) sowie dem Kunsthistoriker Wilhelm Worringer (1881-1965), einem Bruder der Mitbegründerin Emmy Worringer. Mit seiner 1908 erschienenen Dissertation „Abstraktion und Einfühlung“ nahm dieser schon bald einen bedeutenden geistigen Einfluss auf die Entwicklung des Expressionismus‘ und der abstrakten Kunst. Neben literarischen Veranstaltungen samt musikalischen Beiträgen zeigte der „Gereonsklub“ in den nächsten drei Jahren vor allem französische und deutsche Avantgardekunst in Form von monatlich wechselnden Gruppen- und Einzelausstellungen zeitgenössischer Künstler, die heute zur Elite der klassischen Moderne gehören. Darunter fanden sich Franz Marc (1880-1916), Robert Delaunay (1885-1941) und Paul Klee (1879-1940). Der Klub nahm damit eine Vorreiterstellung bei der Verbreitung zeitgenössischer Kunst im Westen des Kaiserreichs ein.
Für Oppenheimer bedeutete die Arbeit im „Gereonsklub“ eine Erweiterung ihres künstlerischen Kontaktnetzwerks, was sich unter anderem in der Beteiligung an mehreren wichtigen rheinischen Ausstellungen dieser Zeit niederschlug. Eine wichtige Verbindung für Oppenheimer und den Klub bildete August Macke, der regelmäßig im Restaurant „Zoologischer Garten“ von Emmy Worringers Eltern verkehrte und kurz nach Gründung des Forums Kontakt zum Künstlerzirkel gesucht hatte. Durch sein wachsendes Engagement und nicht zuletzt seine weitreichenden Kontakte zur jungen Kunstszene stieg Macke in den folgenden Monaten neben Emmy Worringer zur programmatischen Führungspersönlichkeit der Gesellschaft auf. Ihm ist auch zu verdanken, dass der „Gereonsklub“ im Januar 1912 mit der Übernahme der legendären ersten Ausstellung des „Blauen Reiters“ von der Münchner Galerie Thannhäuser erstmals Werke der jungen Bewegung in Köln zeigen konnte. Im Juni des Jahres präsentierte die Vereinigung in der Domstadt auch die zweite Ausstellung des „Blauen Reiters“.
1911 nahm Oppenheimer an der Ausstellung „Graphik Kölner Künstler“ im Wallraf-Richartz-Museum teil. Jedoch wurden ihre Werke von der Presse schlecht besprochen. Ein in diesem Jahr entstandenes Sonnenblumenstillleben zeigt Oppenheimers Anlehnung an den Fauvismus und aufkommenden Expressionismus. Im Dezember 1911 gehörte sie neben Jansen und Macke zu den Gründungsmitgliedern der „Kölner Sezession“, einer Gruppe von avantgardistischen Künstlern, die sich vom konservativen „Kölner Künstlerbund“ abspaltete. In der im darauffolgenden Monat im Kölner Kunstgewerbemuseum eröffneten ersten Ausstellung der neuen Vereinigung war sie mit Stillleben und einem Frauenportrait vertreten. Von Mai bis September des Jahres nahm Oppenheimer dann als eine von zehn Künstlerinnen mit einem Stillleben an der Kölner internationalen Sonderbund-Ausstellung teil, der bedeutendsten zeitgenössischen Gesamtschau europäischer Kunst der Moderne. Kurze Zeit später zog der „Gereonsklub“ aus Platzgründen von Oppenheimers Atelier ins Kölner Hansahaus am Friesenplatz.
Das Jahr 1913 markierte den Höhepunkt in Oppenheimers Ausstellungstätigkeit. Nachdem sie im Januar zunächst mit über fünf Werken an der zweiten und letzten Ausstellung der „Kölner Sezession“ beteiligt war, bot sich ihr in der Teilnahme an der nach Vorbild der Kölner Sonderbund-Schau von 1912 entwickelten Wanderausstellung Armory Show, erstmals eine internationale Plattform für ihr Werk. Die Ausstellung präsentierte zwischen Februar und Mai in New York, Chicago und Boston Werke der europäischen und amerikanischen Avantgarde und sollte von maßgeblicher Bedeutung für die Entwicklung der amerikanischen Kunst werden. Oppenheimer war als einzige deutsche Künstlerin mit einer 1911 geschaffenen sechsteiligen Holzschnittfolge zur Abenteuer-Erzählung „Van Zantens glückliche Zeit“ des dänischen Autoren Laurid Bruun (1864-1935) vertreten. Mit einem Verkaufspreis von 50 Mark (16,25 US-Dollar) je Blatt gehörten die Arbeiten zu den preiswerteren der Ausstellung. Neben Oppenheimer war auch ihr Malerkollege Franz M. Jansen mit einigen Werken beteiligt.
Im Juli 1913 gehörte die Künstlerin mit zwei Stillleben zu den 16 Künstlern der von August Macke veranstalteten Ausstellung Rheinischer Expressionisten in der Bonner Buchhandlung Friedrich Cohen. Ihre Beteiligung an der Ausstellung gleichen Namens in Otto Feldmanns Rheinischem Kunstsalon in Köln bildete schließlich den Abschluss von Oppenheimers kurzer, aber erfolgreicher Ausstellungstätigkeit. Der Grund für das Ende mögen zum einen die Auflösung des „Gereonsklubs“ in Folge eines wachsenden „Drucks der Verhältnisse“ um 1913/14 und der „Kölner Sezession“ 1913 gewesen sein. Zum anderen trug wohl der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 zu diesem Umstand bei.
1913 hatte Oppenheimer Adolf R. Worringer (1882-1960), Mitinhaber des Restaurants „Zoologischer Garten“ und Bruder ihrer Freundin Emmy Worringer, geheiratet. Das erste Kind des fortan in Köln-Riehl lebenden Paares, Robert (1914-1985), kam im darauffolgenden Jahr zur Welt. Er wurde später Restaurator.
Der Tod August Mackes 1914 und ihres Bruders Friedrich Alexander 1916, die beide an der Front gefallen waren, bildeten wahrscheinlich die Ursache dafür, dass die Künstlerin während des Weltkriegs in tiefe Depressionen stürzte, die 1916 zum Ende ihrer künstlerischen Tätigkeit führten. Im gleichen Jahr war ihr zweiter Sohn Ulrich (1916-1986) zur Welt gekommen, der später Bankier wurde. Er war in Düsseldorf unter anderem Direktor der Bank für Gemeinwirtschaft und 1960 Mitbegründer und Geschäftsinhaber des Bankenhauses Friedrich Simon. Aufgrund ihrer Erkrankung wurde die Oppenheimer 1918 in das Sanatorium Waldbreitbach bei Neuwied eingeliefert, wo sie bis 1941 verblieb. Den wahren Grund für den Aufenthalt versuchte die Familie in den kommenden Jahren vor den beiden Söhnen Robert und Ulrich geheim zu halten. Aufgrund seiner Ehe mit der Jüdin Oppenheimer wurde Adolf Worringer 1935 der Pachtvertrag für sein Kölner Lokal „Zoologischer Garten“ entzogen. 1936 wurde die Ehe der beiden geschieden.
Laut offizieller Todesbenachrichtigung starb Olga Oppenheimer am 4.7.1941 im KZ Lublin, in das sie zuvor deportiert worden war, an den Folgen des Fleckentyphus‘. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass die Künstlerin Opfer der von den Nationalsozialisten im Rahmen der Rassenhygiene durchgeführten Aktion T4 wurde, die unter anderem die Ermordung von Patienten mit psychischer Erkrankung vorsah.
Werke
1899 - Wilberg, Zeichnung, Privatbesitz
1907 - Ernte, Holzschnitt, Privatbesitz
1907 - Venedig, Holzschnitt, Privatbesitz
1907 - Akt in Rückenansicht, Holzschnitt, Privatbesitz
1907 - Bildnis Bertha Oppenheimer, Gemälde, Privatbesitz
1911 - Sonnenblumenstillleben, Aquarell, Verbleib unbekannt, Foto: Rheinisches Bildarchiv
1913 - Kaiser Wilhelm II. Gemälde, Verbleib unbekannt, Foto: Rheinisches Bildarchiv
undatiert - Frauenportrait, Gemälde, Kölnisches Stadtmuseum
undatiert - Doppelbildnis, Gemälde, Verbleib unbekannt
Literatur
Joachim Heusinger von Waldegg, Olga Oppenheimer, in: Die Rheinischen Expressionisten. August Macke und seine Malerfreunde, hg. von Aurel Bongers, Joachim Heusinger von Waldegg, Dierk Stemmler, Bonn 1982, S. 356ff.
Irene Kleinschmidt-Altpeter, Olga Oppenheimer, in: Ein expressionistischer Sommer. Bonn 1913, München 2013, hg. von Stephan Berg, S. 92.
Der Gereonsklub 1911-1913. Europas Avantgarde im Rheinland, hg. vom Verein August Macke Haus e.V., Bonn 1993.
Hildegard Reinhardt, Olga Oppenheimer (1886-1941) - Eine Kölner Malerin und Graphikerin, in: Kölner Museums-Bulletin: Berichte und Forschungen aus den Museen der Stadt Köln Heft 1 (1991), S. 19-32.
Hildegard Reinhardt, Olga Oppenheimer und die Kölner Sezession, in: Wegweiser durch das jüdische Rheinland, hg. von Ludger Heid, Julius H. Schoeps, Berlin 1991, S. 341-345.
Hildegard Reinhardt, Olga Oppenheimer (1886-1941) - Malerin und Graphikerin, in: Rheinische Expressionistinnen. Trude Brück, Lisa Hartlieb-Rilke, Fifi Kreutzer, Marie von Malachowski, Olga Oppenheimer, Lotte B. Prechner, Marta Worringer, hg. vom Verein August Macke Haus e.V., Bonn 1993, S. 114-123.
Hildegard Reinhardt, Olga Oppenheimer (1886-1941), in: Wie eine Nilbraut, die man in die Wellen wirft. Portraits expressionistischer Künstlerinnen und Schriftstellerinnen, hg. von Britta Jürgs, Berlin 1998, S. 216-229.
Hildegard Reinhardt, Olga Oppenheimer - Eine verschollene Künstlerin des Kölner „Gereonsklubs“, in: August Macke und die Rheinischen Expressionisten. Werke aus dem Kunstmuseum Bonn und anderen Sammlungen, hg. von Magdalena M. Moeller, München 2002, S. 289-292.
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Pesch, Martin, Olga Oppenheimer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/olga-oppenheimer/DE-2086/lido/5db1a5abde9f51.19861210 (abgerufen am 15.10.2024)