Die Düsseldorfer Straßenbenennungen in der jungen Bundesrepublik

Sebastian Hansen (Düsseldorf)

Foto des Adolf-Hitler-Platzes (heute Graf-Adolf-Platz) nach einem Luftangriff. Im Hintergrund ist das Telegrafenamt, in der Mitte die Oberpostdirektion und ganz rechts die Ruine des Café Wien zu erkennen, 25.8.1942. (Stadtarchiv Düsseldorf)

1. Einleitung

Stra­ßen­na­men schei­nen ein nicht weg­zu­den­ken­der Be­stand­teil un­se­res Le­bens zu sein.[1] Sie die­nen in der Stadt wie auf dem Land der kla­ren räum­li­chen Struk­tu­rie­rung und Ori­en­tie­rung. Zu­gleich sind sie re­le­vant für die Iden­ti­tät des Ein­zel­nen. Doch was wis­sen wir von den Stra­ßen­na­men, die uns täg­lich be­geg­nen? Auch wenn wir die ver­schie­de­nen Na­men nicht im­mer be­wusst wahr­neh­men oder wei­ter re­flek­tie­ren, sind sie stets Teil un­se­res kul­tu­rel­len Ge­dächt­nis­ses.

Vie­le Stra­ßen tra­gen Na­men, die un­mit­tel­bar aus der All­tags­nut­zung und All­tags- kom­mu­ni­ka­ti­on her­vor­ge­gan­gen sind. Der Markt- oder der Brun­nen­platz, die Bä­cker- oder die Müh­len­stra­ße, der Acker­weg oder die Ra­tin­ger Stra­ße sind meist Be­nen­nun­gen, die sich im Lau­fe der Zeit ent­wi­ckelt und schlie­ß­lich ver­fes­tigt ha­ben. In vie­len Städ­ten ha­ben Ver­än­de­run­gen im Stadt­bild je­doch da­zu ge­führt, dass der un­mit­tel­ba­re Be­zug ei­nes Stra­ßen­na­mens zu sei­nem Ent­ste­hungs­kon­text nicht mehr auf den ers­ten Blick er­sicht­lich ist. Sol­che Fäl­le ver­an­schau­li­chen be­son­ders deut­lich, wie sehr Stra­ßen durch ih­re Na­men die Ver­gan­gen­heit zu kon­ser­vie­ren ver­mö­gen und Na­mens­ge­bun­gen Stra­ßen zu ei­nem Me­di­um der Er­in­ne­rung ma­chen, mit dem Ge­sell­schaf­ten über den ei­ge­nen zeit­li­chen Ho­ri­zont hin­aus Ver­gan­ge­nes tra­die­ren. Um­ge­kehrt kön­nen die Ver­än­de­rung und die Um­be­nen­nung von Stra­ßen aber auch zum Ver­ges­sen füh­ren. Bei­des, das Er­in­nern wie das Ver­ges­sen, ver­mag je­weils ein In­di­ka­tor für den Wan­del von Or­ten und Ge­sell­schaf­ten, für das Ge­schichts­be­wusst­sein und nicht zu­letzt für die Be­deu­tung von Stra­ßen­na­men im kul­tu­rel­len Ge­dächt­nis zu sein.

Seit­dem sich im 18. Jahr­hun­dert ei­ne Stra­ßen­be­nen­nungs­pra­xis eta­blier­te, die da­zu über­ging, ver­mehrt Per­sön­lich­kei­ten und be­son­de­re Er­eig­nis­se in Stra­ßen­na­men prä­sent zu ma­chen, er­hielt die Na­mens­ge­bung zu­dem ei­ne neue, zu­tiefst po­li­ti­sche Di­men­si­on. Nun galt auch für die Stra­ße als Ele­ment des öf­fent­li­chen Rau­mes die Fra­ge, wel­che Per­so­nen, Ide­en oder Er­eig­nis­se ge­ehrt und wor­an er­in­nert wer­den soll­te. Die Be­nen­nung so­wie die Um­be­nen­nung von Stra­ßen wur­de zu ei­nem be­deut­sa­men Ele­ment der po­li­ti­schen Ge­stal­tung. Dies lässt sich be­reits wäh­rend der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on in Pa­ris be­ob­ach­ten, als aus Stra­ßen wie der Rue de Ri­che­lieu die Rue de la Loi, aus der Place Roya­le die Place de la Li­ber­té, aus dem Quai des Théa­tins der Quai Vol­taire oder aus dem Mont­mart­re der Mont Ma­rat wur­den.[2] 

Al­lein in Deutsch­land zei­tig­ten seit die­ser Zeit die un­ter­schied­li­chen po­li­ti­schen Ent­wick­lun­gen be­stimm­te Na­mens­ge­bun­gen, die im Rück­blick deut­li­che „Be­nen­nungs­kon­junk­tu­ren“[3] er­ken­nen las­sen. Hier­zu ge­hört et­wa ein Ver­bür­ger­li­chungs­trend, der in der Mit­te des 19. Jahr­hun­derts die bis­he­ri­gen dy­nas­ti­schen Be­nen­nun­gen ab­lös­te. Stra­ßen er­hiel­ten nun ver­mehrt die Na­men von Dich­tern und Kom­po­nis­ten. Mit den Ei­ni­gungs­krie­gen und der Reichs­grün­dung von 1871 nahm die Prä­senz von Schlacht­or­ten und nam­haf­ten Mi­li­tärs zu. Im 20. Jahr­hun­dert hat­ten ins­be­son­de­re die po­li­ti­schen Um­brü­che gro­ße Aus­wir­kun­gen auf den Um­gang mit Stra­ßen­na­men und ge­ben mit Blick auf die 1918 ent­stan­de­ne Wei­ma­rer Re­pu­blik, das „Drit­te Reich“, die Jah­re der al­li­ier­ten Be­sat­zung ab 1945, die Grün­dung der bei­den deut­schen Staa­ten 1949 so­wie die Wie­der­ver­ei­ni­gung 1990 mar­kan­te Un­ter­schie­de zu er­ken­nen. Seit Be­ginn des 21. Jahr­hun­derts rich­tet sich die Auf­merk­sam­keit ver­stärkt auf Na­men, die mit dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und Ko­lo­nia­lis­mus im Zu­sam­men­hang ste­hen. Sie sind vie­ler­orts erst­mals oder teils nach lan­ger Zeit wie­der frag­wür­dig ge­wor­den. Die mit­un­ter kon­tro­vers de­bat­tier­ten Fra­gen der Ab­än­de­run­gen führ­ten bis­lang zu un­ter­schied­li­chen Er­geb­nis­sen.

 

Be­trach­ten wir am Bei­spiel Düs­sel­dorfs die ers­ten Jah­re nach dem Zwei­ten Welt­krieg und die Zeit der frü­hen Bun­des­re­pu­blik, be­geg­nen wir eben­falls zahl­rei­chen Um- und Neu­be­nen­nun­gen von Stra­ßen. Da­bei spiel­te im­mer wie­der die Fra­ge ei­ne Rol­le, ob und wie nach dem En­de der NS-Herr­schaft po­li­ti­sche Zei­chen zu set­zen sei­en. Der Stadt­ver­ord­ne­te Pe­ter Wa­ter­kot­te von der KPD äu­ßer­te 1948 in ei­ner Sit­zung der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung, man ha­be sich der Stra­ßen­um­be­nen­nun­gen nicht nur an­zu­neh­men, weil es von den Al­li­ier­ten ge­wünscht sei, son­dern „aus in­ners­ter Über­zeu­gung her­aus wol­len wir die Stra­ßen um­be­nen­nen, um zu zei­gen, daß wir auf ei­nem neu­en We­ge sind.“[4] Die Po­li­tik konn­te zu die­ser Zeit be­reits auf zahl­rei­che Ab­än­de­run­gen von Stra­ßen­na­men auf­bau­en, die im Früh­jahr und Som­mer 1945 er­folgt wa­ren.

2. Umbenennungen unmittelbar nach Kriegsende

In Deutsch­land wur­den 1945 vie­ler­orts be­reits vor dem Ein­marsch der Al­li­ier­ten und der Ka­pi­tu­la­ti­on des Deut­schen Reichs Stra­ßen­schil­der, die die Na­men von Per­sön­lich­kei­ten des NS-Re­gimes tru­gen oder ge­ne­rell von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­stimmt wor­den wa­ren, ent­fernt.[5] Von Sei­ten der Al­li­ier­ten wur­den um­ge­hend nach der Er­obe­rung Stra­ßen­na­men aus der NS-Zeit ver­bo­ten be­zie­hungs­wei­se zu­rück­ge­nom­men. Doch be­stand hier­bei zu­nächst ein Er­mes­sens­spiel­raum. Im Hand­book for Mi­li­ta­ry Go­vern­ment in Ger­ma­ny aus dem Jahr 1944 war die Fra­ge nicht ex­pli­zit ge­re­gelt. Die Re­vi­sio­nen ver­lie­fen des­halb in den ver­schie­de­nen Städ­ten und Dör­fern un­ter­schied­lich. In ei­ni­gen Or­ten wur­den sämt­li­che Na­mens­än­de­run­gen seit 1933 re­vi­diert, in an­de­ren nur teil­wei­se. In Düs­sel­dorf wur­den Lis­ten ver­öf­fent­licht, in de­nen die Stra­ßen auf­ge­führt wa­ren, die ih­ren frü­he­ren Na­men zu­rück­er­hiel­ten. Die ers­te Lis­te er­schien am 19.5.1945 im Düs­sel­dor­fer Mit­tei­lungs­blatt, die zwei nächs­ten Lis­ten folg­ten am 2.6. und am 14.7.1945.[6]

Foto des KPD-Abgeordneten Peter Waterkotte, Foto: Carl August Stachelscheid, undatiert. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 

Auch wenn mit­tels die­ser Lis­ten in kur­zer Zeit suk­zes­si­ve die voll­zo­ge­ne Wie­der­her­stel­lung der al­ten Stra­ßen­na­men be­kannt ge­ge­ben wur­de, galt grund­sätz­lich seit der ers­ten Be­kannt­ma­chung vom 19. Mai, dass sämt­li­che Stra­ßen, die seit 1933 um­be­nannt wor­den wa­ren, „mit so­for­ti­ger Wir­kung ih­re ur­sprüng­li­chen Na­men“[7] zu­rück­er­hiel­ten. In­ner­halb von zwei Mo­na­ten führ­ten da­her 47 Stra­ßen­na­men wie­der ih­re frü­he­re Be­zeich­nung. So wur­den im Mai 1945 un­ter an­de­rem aus der Her­mann-Gö­ring-Stra­ße und dem Adolf-Hit­ler-Platz wie­der die Ben­ra­ther Stra­ße und der Graf-Adolf-Platz, der an Graf Adolf V. von Berg er­in­ner­te. Im Ju­ni gab es wie­der ei­ne Men­dels­sohn­stra­ße statt ei­ner Hans-Schemm-Stra­ße. Im Ju­li wur­de aus dem Lands­wind­weg der Syn­ago­gen­weg und aus der Au­gust-Wint­zen-Stra­ße die Walt­her-Ra­then­au-Stra­ße.

1946 be­gann ei­ne zwei­te Pha­se der al­li­ier­ten Be­sat­zungs­zeit, die bis zur Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land 1949 reich­te und in der For­schung als Kon­so­li­die­rungs­zeit be­zeich­net wird.[8] Nun galt es, die Kon­troll­rats­di­rek­ti­ve Nr. 30 des Al­li­ier­ten Kon­troll­rats vom 13.5.1946 zu be­ach­ten, die auf der Grund­la­ge des Pots­da­mer Ab­kom­mens die Dena­zi­fi­zie­rung und De­mi­li­ta­ri­sie­rung wei­ter for­cier­te. So wa­ren nun auch al­le „Stra­ßen- oder Land­stra­ßen­schil­der“ zu än­dern, die „dar­auf ab­zie­len, die deut­sche mi­li­tä­ri­sche Tra­di­ti­on zu be­wah­ren und le­ben­dig zu er­hal­ten, den Mi­li­ta­ris­mus wach­zu­ru­fen oder die Er­in­ne­rung an die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Par­tei auf­recht­zu­er­hal­ten, oder ih­rem We­sen nach in der Ver­herr­li­chung von krie­ge­ri­schen Er­eig­nis­sen zu be­ste­hen.“[9] Die­se Ver­ord­nung, die mi­li­tä­ri­sche Er­eig­nis­se aus dem öf­fent­li­chen Raum ver­schwin­den ließ, war durch­aus um­fas­sen­der aus­ge­rich­tet, denn sie galt für al­le mi­li­tä­ri­schen Er­eig­nis­se seit Be­ginn des Ers­ten Welt­kriegs 1914. Das Nord­rhein-West­fä­li­sche In­nen­mi­nis­te­ri­um, das die Kon­troll­rats­di­rek­ti­ve an die Re­gie­rungs­be­zir­ke ver­schick­te, for­der­te zu­nächst die Um­be­nen­nun­gen ein. Doch nur we­nig spä­ter, im Fe­bru­ar 1947, stell­te das Mi­nis­te­ri­um klar, dass die Re­ge­lung nicht für al­le Mi­li­tär­per­so­nen aus dem Kai­ser­reich zu gel­ten ha­be. Für Be­nen­nun­gen, die sich auf nam­haf­te Per­sön­lich­kei­ten be­zo­gen, die nicht in Be­zug zum Kai­ser­reich nach Kriegs­aus­bruch stan­den, gab es kei­nen not­wen­di­gen Än­de­rungs­be­darf.[10] De­bat­ten in ver­schie­de­nen Städ­ten hat­ten für Un­stim­mig­kei­ten und Streit in die­ser Fra­ge ge­sorgt. In man­chen Städ­ten wie bei­spiels­wei­se Gel­sen­kir­chen oder Iser­lohn kam es zu sehr um­fang­rei­chen Um­be­nen­nun­gen, die sich auch auf Schlacht­or­te und preu­ßi­sche Of­fi­zie­re des 19. Jahr­hun­derts und frü­he­re Zeit­räu­me be­zo­gen.[11] Dies er­folg­te aus Un­kennt­nis des Er­las­ses oder war po­li­tisch ge­wollt. Stra­ßen, die die Na­men Bis­marck, Molt­ke oder Blü­cher führ­ten, stan­den folg­lich in ei­ni­gen Städ­ten zur Um­be­nen­nung an. In Düs­sel­dorf gab es der­ar­tig weit aus­grei­fen­de Än­de­run­gen nicht.

3. Umgang mit langjährigen Helden und Düsseldorfer Persönlichkeiten

In der jun­gen Bun­des­re­pu­blik ba­sier­ten die Düs­sel­dor­fer De­bat­ten und Ent­schei­dun­gen über Stra­ßen­na­men auf un­ter­schied­li­chen An­läs­sen. Zur Be­zug­nah­me auf An­ord­nun­gen der Al­li­ier­ten ka­men In­itia­ti­ven von ver­schie­de­nen Sei­ten hin­zu. Zu­dem führ­ten der Wie­der­auf­bau und das ra­sche Wachs­tum der Stadt ver­mehrt zur Ein­rich­tung neu­er Stra­ßen. Die Ver­ant­wort­li­chen vo­tier­ten da­bei in vie­len Fäl­len für re­la­tiv un­ver­fäng­li­che Na­men, die sich häu­fig or­ga­nisch in die be­reits vor­han­de­nen Stra­ßen­na­men vor Ort ein­füg­ten. Na­men wie Patt­schei­der Weg oder Ol­den­bur­ger Stra­ße wa­ren un­auf­fäl­lig und re­la­tiv neu­tral.[12] Sol­che Na­men ver­ur­sach­ten kei­ne Dis­kus­si­on. An­ders sah es je­doch bei Vor­schlä­gen aus, die be­kann­te Per­sön­lich­kei­ten be­tra­fen.

Foto des Adolf-Hitler-Platzes (heute Graf-Adolf-Platz) nach einem Luftangriff. Im Hintergrund ist das Telegrafenamt, in der Mitte die Oberpostdirektion und ganz rechts die Ruine des Café Wien zu erkennen, 25.8.1942. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 

Dies zeig­te sich erst­mals im Früh­jahr 1949, als die Na­mens­än­de­rung wei­te­rer Stra­ßen zur De­bat­te stand, um der Kon­troll­rats­di­rek­ti­ve Nr. 30 von 1946 so­wie ei­ni­gen Än­de­rungs­vor­schlä­gen nach­zu­kom­men, „die auf Grund der In­itia­ti­ve aus Krei­sen der Be­völ­ke­rung ent­stan­den sin­d“.[13] Zu den pro­mi­nen­ten Per­so­nen, die un­ter Be­zug­nah­me auf die Kon­troll­rats­di­rek­ti­ve nicht län­ger im öf­fent­li­chen Raum prä­sent sein soll­ten, ge­hör­te der frü­he­re Reichs­prä­si­dent Paul von Hin­den­burg (1847-1934). Ihn hat­te die Stadt be­reits 1915, kurz nach der Schlacht bei Tan­nen­berg, ge­ehrt, in­dem sie die Al­lee­stra­ße in Hin­den­burg­wall um­be­nann­te. Fer­ner stan­den mit der Bock­holt­stra­ße, der Bo­el­cke­stra­ße, der Im­mel­mann­stra­ße und der Richt­ho­fen­stra­ße vier be­kann­te Mi­li­tärs des Ers­ten Welt­kriegs im Fo­kus, die im Fal­le Bock­holts seit 1933, in den drei an­de­ren Fäl­len seit 1928 als Na­mens­ge­ber fun­gier­ten.[14] Lud­wig Bock­holt (1885-1918) war auf­grund sei­nes Lang­stre­cken­flug­re­kords mit ei­nem Luft­schiff zu An­se­hen ge­kom­men. Os­wald Bo­el­cke (1891-1916), Max Im­mel­mann (1890-1916) und Man­fred von Richt­ho­fen (1892-1918) - der so­ge­nann­te Ro­te Ba­ron -, hat­ten als Jagd­flie­ger Er­fol­ge ge­fei­ert. Auf­grund der er­reich­ten Höchst­zahl an Luft­sie­gen war Richt­ho­fen der be­kann­tes­te un­ter ih­nen. Die Eh­run­gen und die Prä­senz des Ro­ten Ba­rons er­streck­ten sich nicht nur auf die Wei­ma­rer Re­pu­blik und das „Drit­te Reich“, son­dern sind in der Bun­des­re­pu­blik bis heu­te an­zu­tref­fen.[15]

Als der Düs­sel­dor­fer Stadt­rat am 23.3.1949 über die Um­be­nen­nung die­ser Stra­ßen­na­men zu ent­schei­den hat­te, er­hob nie­mand Ein­wän­de bei der vor­ge­schla­ge­nen Um­be­nen­nung des Hin­den­burg­walls. Doch hin­sicht­lich der vier an­de­ren Na­mens­ge­ber war der Rat nicht ganz ei­ner Mei­nung, wie der Ein­wand des FDP-Po­li­ti­kers Wil­helm Be­rens zeigt. Er äu­ßer­te, dass auch die Eng­län­der am Grab Man­fred von Rich­ho­fens Blu­men ab­ge­wor­fen und die­sen be­rühm­ten Jagd­flie­ger „rit­ter­li­ch“ ver­ehrt hät­ten, wes­halb sie als „fai­re Na­ti­on“ si­cher­lich kei­nen Ein­wand da­ge­gen er­he­ben wür­den, wenn man die Na­men die­ser be­rühm­ten Deut­schen un­an­ge­tas­tet lie­ße.[16] Denn die vier Her­ren hät­ten im Ers­ten Welt­krieg „nichts an­de­res ge­tan […] als ih­re Pflicht (Zu­ruf: Bra­vo! Sehr rich­tig!).“ Die FDP lehn­te ei­ne Um­be­nen­nung ab, weil man sich da­mit selbst die Ach­tung ver­sa­gen wür­de: „Wenn wir ei­ner sol­chen Aen­de­rung der Stra­ßen­na­men zu­stim­men, wür­den wir mei­ner An­sicht nach und auch der An­sicht mei­ner Frak­ti­on nach uns selbst ver­leug­nen. In­dem wir in die­sem Fal­le die Vor­la­ge ab­leh­nen, ach­ten wir uns selbst und er­rin­gen uns die Ach­tung der an­dern, weil wir zu den Leu­ten ste­hen, die für Deutsch­land im­mer­hin et­was be­deu­ten.“ Be­rens wies dar­auf hin, dass die Um­be­nen­nun­gen au­ßer­dem in­kon­se­quent sei­en, denn dann müss­te auch die nach Kai­ser Wil­helm II. be­nann­te Kai­ser-Wil­helm-Stra­ße um­ge­tauft wer­den. Der Kai­ser sei hin­sicht­lich der ge­nann­ten Her­ren der­je­ni­ge, der wohl „ei­ne frag­wür­di­ge­re Rol­le ge­spiel­t“ ha­be. Dass die Kai­ser-Wil­helm-Stra­ße 1888 kurz nach dem Tod Kai­ser Wil­helm I. be­nannt wor­den war und sich folg­lich ur­sprüng­lich gar nicht auf des­sen En­kel be­zog[17], schien Be­rens und den an­de­ren Sit­zungs­teil­neh­mern of­fen­sicht­lich nicht be­wusst ge­we­sen zu sein. Zu­min­dest wur­de der Aus­sa­ge nicht wi­der­spro­chen.

In der Ab­stim­mung sprach sich die Mehr­heit der Rats­mit­glie­der je­doch für die vor­ge­schla­ge­nen Än­de­run­gen aus. Die Richt­ho­fen­stra­ße er­hielt die frü­he­re Be­zeich­nung Kai­sers­wer­t­her Stra­ße zu­rück. Aus der Bo­el­cke­stra­ße wur­de die Keh­ler Stra­ße, be­nannt nach der ba­di­schen Stadt Kehl. Für die Bock­holt­stra­ße wähl­te man den Luft­fahrt­pio­nier Ot­to Li­li­en­thal zur neu­en Be­zugs­per­son. Und die Im­mel­mann­stra­ße er­hielt mit Her­mann Köhl je­ne Per­sön­lich­keit zum Na­mens­ge­ber, die 1928 zu­sam­men mit Ja­mes Fitz­mau­rice und Gün­ther Frei­herr von Hü­ne­feld erst­mals oh­ne Un­ter­bre­chung den At­lan­tik von Eu­ro­pa nach Ame­ri­ka über­flo­gen hat­te, nach­dem dies im Jahr zu­vor Charles Lind­bergh in um­ge­kehr­ter Rich­tung ge­lun­gen war.

Un­strit­tig wa­ren zur glei­chen Zeit hin­ge­gen  an­de­re Per­so­nen, die in der Wei­ma­rer Re­pu­blik und als Geg­ner des „Drit­ten Reichs“ po­li­tisch ak­tiv ge­we­sen wa­ren und durch ih­re Ge­burt oder ihr Wir­ken vor Ort ei­nen di­rek­ten Be­zug zur Stadt hat­ten. So be­nann­ten die Rats­mit­glie­der in der glei­chen Sit­zung im März 1949 ei­ne Stra­ße nach Carl Son­nen­schein, ei­nem ka­tho­li­schen Pries­ter, der 1876 in Düs­sel­dorf ge­bo­ren und 1929 in Ber­lin ge­stor­ben war. Er war vor al­len Din­gen auf­grund sei­nes ka­ri­ta­ti­ven Wir­kens in den Ar­bei­ter­be­zir­ken der Reichs­haupt­stadt sehr an­ge­se­hen. Kurt Tuchol­s­ky hat­te ihn den „Zi­geu­ner der Wohl­tä­tig­keit“ ge­nannt, der „für die ganz Fei­nen ei­ne et­was su­spek­te Er­schei­nun­g“[18] ge­we­sen sei. Im Fall die­ses Pries­ters konn­te man sich oh­ne De­bat­te auf ei­ne Be­nen­nung ei­ni­gen. Der KPD-Stadt­ver­ord­ne­te Wa­ter­kot­te äu­ßer­te nur, er ha­be ge­hört, Son­nen­schein sei ein po­li­tisch Ver­folg­ter ge­we­sen, „so daß die Sa­che zu­recht be­steht.“[19]

Die­se Zu­stim­mung galt auch für den in Düs­sel­dorf ge­bo­re­nen Ka­tho­li­ken Erich Klau­se­ner (1885-1934), der in der Wei­ma­rer Re­pu­blik zu den füh­ren­den Ver­tre­tern des po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus ge­hör­te und als Geg­ner der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten in Er­schei­nung trat. Er wur­de am 30.6.1934 im Zu­ge der Ent­mach­tung und Er­mor­dung der SA-Spit­ze um Ernst Röhm so­wie zahl­rei­cher Kri­ti­ker des Re­gimes er­mor­det.[20] Die Eh­rung Klau­se­ners durch die Be­nen­nung ei­ner neu­en Stra­ße mit sei­nem Na­men er­folg­te ein­stim­mig.[21]

Foto des Hindenburgwalls (heute Heinrich-Heine-Allee). In der Bildmitte ist das Wilhelm-Marx-Haus und rechts davon das Carsch-Haus abgebildet, um 1933. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 

Dies galt auch für die öf­fent­li­che Wür­di­gung von Franz Jür­gens (1895-1945), der kurz vor dem Ein­marsch der Al­li­ier­ten am 16.4.1945 auf­grund sei­nes Wi­der­stands ge­gen das NS-Re­gime stand­recht­lich er­schos­sen wor­den war. [22] Mit der Um­be­nen­nung des vor dem Po­li­zei­prä­si­di­um ge­le­ge­nen Ka­val­le­rie­plat­zes in Jür­gens­platz soll­te sei­ner Per­son und da­mit sei­nes Han­delns ge­dacht wer­den. Jür­gens war kein ge­bür­ti­ger Düs­sel­dor­fer, son­dern kam erst im letz­ten Kriegs­jahr in die Stadt und über­nahm am 1.1.1945 das Kom­man­do über die Schutz­po­li­zei. Da er in den letz­ten Wo­chen des Re­gimes die Füh­rung ei­ner Ein­heit des Volks­sturms und der Schutz­po­li­zei ver­wei­ger­te und zu­sam­men mit meh­re­ren Bür­gern im Rah­men der so­ge­nann­ten Ak­ti­on Rhein­land Wi­der­stand leis­te­te, un­ter an­de­rem durch die Fest­set­zung des Po­li­zei­prä­si­den­ten Au­gust Kor­reng, muss­ten er und vier wei­te­re Bür­ger, die sich hier­an und an den Ver­hand­lun­gen mit den Al­li­ier­ten zur fried­li­chen Über­ga­be der Stadt be­tei­ligt hat­ten, ihr Le­ben las­sen.[23] Es war vier Jah­re spä­ter der Wunsch ge­we­sen, die­sem Mann von Sei­ten der Stadt An­er­ken­nung für die be­wie­se­ne Ver­ant­wor­tung zu zei­gen, wie Ober­bür­ger­meis­ter Jo­seph Go­ckeln in der Sit­zung äu­ßer­te.[24] 

Das Polizeipräsidium am Mackensplatz (heute Franz-Jürgens-Platz), Foto: Julius Söhn, um 1936. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 

Per­sön­lich­kei­ten, die aus Düs­sel­dorf stamm­ten oder hier Ver­diens­te er­war­ben, ge­hör­ten folg­lich zu den ers­ten aus­ge­wähl­ten Na­mens­ge­bern von Stra­ßen. Dass aber Per­sön­lich­kei­ten mit lo­ka­lem Be­zug auch um­strit­ten wa­ren und an­ge­dach­te Al­ter­na­ti­ven nicht un­be­dingt zum Zu­ge ka­men, zeigt die De­bat­te um die Um­be­nen­nung der Ernst-Po­ens­gen-Al­lee im No­vem­ber 1949.[25] Die Fa­mi­lie Po­ens­gen ge­hört zu den „be­deu­tends­ten Un­ter­neh­mer­fa­mi­li­en der rhei­ni­schen Wirt­schafts­ge­schich­te“[26]. Im 19. Jahr­hun­dert ma­ß­geb­lich am Auf- und Aus­bau der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie be­tei­ligt, en­ga­gier­te sich auch der 1871 ge­bo­re­ne und 1949 ge­stor­be­ne Ernst Po­ens­gen als Un­ter­neh­mer und Mä­zen in der Stadt. In der NS-Zeit hat­te er ver­schie­de­ne Funk­tio­nen in der Rüs­tungs­in­dus­trie in­ne und war seit 1935 Vor­stands­vor­sit­zen­der der knapp zehn Jah­re zu­vor mit Fritz Thys­sen (1873-1951) ge­grün­de­ten Ver­ei­nig­ten Stahl­wer­ke, blieb dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ge­gen­über je­doch of­fen­sicht­lich „skep­tisch ein­ge­stellt.“[27] We­ni­ge Mo­na­te nach sei­nem Tod stand ei­ne Um­be­nen­nung der seit 1941 im Stadt­teil Flin­gern ge­le­ge­nen Ernst-Po­ens­gen-Al­lee zur De­bat­te.

An­ge­sto­ßen hat­te sie der KPD-Stadt­ver­ord­ne­te Wa­ter­kot­te, in­dem er in der Sit­zung des Haupt­aus­schus­ses am 31.10.1949 im Zu­sam­men­hang mit der be­schlos­se­nen Ein­rich­tung der Erich-Klau­se­ner-Stra­ße den Vor­schlag un­ter­brei­te­te, die Ernst-Po­ens­gen-Al­lee in Pe­ter-Erd­mann-Stra­ße um­zu­be­nen­nen. Es soll­te hier­durch an ein Düs­sel­dor­fer Mit­glied des Reichs­ban­ner Schwarz-Rot-Gold er­in­nert wer­den, das „1926 aus po­li­ti­schen Grün­den“[28] er­mor­det wor­den war. Der Aus­schuss stimm­te die­sem Vor­schlag zu und sprach sich so­mit er­neut für die Wür­di­gung ei­nes en­ga­gier­ten De­mo­kra­ten der Wei­ma­rer Re­pu­blik aus, in der das 1924 von SPD, Zen­trum und DDP ge­grün­de­te Reichs­ban­ner ein zen­tra­les pro­re­pu­bli­ka­ni­sches Bünd­nis der De­mo­kra­ten war. Doch die Ver­wal­tung, die vom Aus­schuss mit der Aus­ar­bei­tung ei­ner ent­spre­chen­den Vor­la­ge für die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung be­auf­tragt wur­de, war mit Un­klar­hei­ten kon­fron­tiert, die schlie­ß­lich der ge­plan­ten Um­be­nen­nung ei­ne ganz neue Rich­tung ga­ben.

Die Ver­wal­tung war da­von aus­ge­gan­gen, dass die frü­he­re Rons­dor­fer Stra­ße im Lau­fe der Zeit in drei Ab­schnit­te un­ter­teilt wor­den war und ne­ben der Be­zeich­nung Rons­dor­fer Stra­ße die Na­men Ros­mar­in­stra­ße so­wie seit 1941 Ernst-Po­ens­gen-Al­lee trug. Bei der Über­prü­fung wur­de je­doch fest­ge­stellt, dass durch die Ein­füh­rung der Ernst-Po­ens­gen-Al­lee die ge­sam­te Rons­dor­fer Stra­ße bis hin zur Ros­mar­in­stra­ße von die­ser Na­mens­ge­bung be­trof­fen war, was be­deu­te­te, „daß es kei­ne Rons­dor­fer Stra­ße mehr gibt.“[29] Da­mit hat­ten sich die Ge­ge­ben­hei­ten, von de­nen die Ver­wal­tung of­fen­sicht­lich noch in der Sit­zung des Haupt­aus­schus­ses aus­ge­gan­gen war, zu Be­ginn der nach­fol­gen­den Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung be­reits ver­än­dert. Die Ver­wal­tung be­ab­sich­tig­te da­her, die Be­schluss­vor­la­ge zu­rück­zu­zie­hen. In­dem die SPD al­ler­dings den An­trag ein­brach­te, die Ernst-Po­ens­gen-Al­lee wie­der „um­zu­än­dern in Rons­dor­fer Stra­ße, wie sie frü­her hie­ß“, nahm die Um­be­nen­nung die ent­schei­den­de Wen­de. Auch Pe­ter Wa­ter­kot­te, der ur­sprüng­lich den Vor­schlag ein­ge­bracht hat­te, die Stra­ße nach Pe­ter Erd­mann zu be­nen­nen, schloss sich aus prag­ma­ti­schen Grün­den die­sem An­trag an. Zu­dem führ­te der SPD-Stadt­ver­ord­ne­te Karl Stein aus, dass die An­woh­ner be­reits kurz nach dem Zu­sam­men­bruch von 1945 die Ab­sicht ge­habt hät­ten, die Stra­ße nach Pe­ter Erd­mann zu be­nen­nen, doch ha­be das die be­reits da­mals auf die­ser Stra­ße le­ben­de Wit­we ab­ge­lehnt. Ihr sei es „lie­ber“, so Stein, die Stra­ße wie­der als Rons­dor­fer Stra­ße zu be­zeich­nen. Au­ßer­dem ste­he da­von los­ge­löst je­der Fahr­gast, der die Stra­ßen­bahn be­nut­ze, „auf dem Stand­punkt, daß die­se Stra­ße Rons­dor­fer Stra­ße hei­ßt und nicht Ernst-Po­ens­gen-Al­lee.“

Am En­de der De­bat­te wur­de die vor­ge­schla­ge­ne Um­be­nen­nung in Rons­dor­fer Stra­ße von ei­ner Mehr­heit an­ge­nom­men. Je­doch rief das Ab­stim­mungs­ver­hal­ten Kri­tik her­vor. Da 22 Stim­men für und 18 Stim­men ge­gen die Än­de­rung ge­zählt wur­den, äu­ßer­te der SPD-Stadt­ver­ord­ne­te Ge­org Rich­ter, die „CDU ist für Na­zis. Das ist ein Ver­trau­ens­vo­tum für Na­zi-Po­ens­gen.“ Auch der KPD-Po­li­ti­ker Wa­ter­kot­te hielt den Stadt­ver­ord­ne­ten von CDU und Zen­trum vor, sie „ge­hen mit den Kon­zern­her­ren und mit den Na­zis.“ Am Bei­spiel von Ernst Po­ens­gen zeig­te sich ei­ne Ent­zwei­ung, wenn­gleich es kei­ne ver­tief­te Aus­ein­an­der­set­zung gab. Aus Sicht von SPD und KPD ge­hör­te Po­ens­gen nicht zu den Per­so­nen, mit de­nen man zei­gen konn­te, dass man auf ei­nem neu­en Weg war.

4. Neue Symbole der jungen Republik

Bei den Stra­ßen­be­nen­nun­gen ka­men aber auch Po­li­ti­ker, Künst­ler und Städ­te zum Zu­ge, die auf­grund ih­rer na­tio­na­len oder in­ter­na­tio­na­len Be­deu­tung aus­ge­wählt wur­den. Zu den ers­ten nam­haf­ten Per­sön­lich­kei­ten ge­hör­te gleich zu Be­ginn des Jah­res 1950 Fried­rich Ebert (1871-1925). Nach­dem der Haupt­aus­schuss im Au­gust 1949 den Vor­schlag der Lan­des­re­gie­rung, das Man­nes­mann­ufer in Fried­rich-Ebert-Stra­ße um­zu­be­nen­nen, mit der Be­grün­dung ab­ge­lehnt hat­te, die­se Stra­ße sei „als Teil­stra­ße der Rhein­front nicht ge­eig­ne­t“[30], ent­schied man we­ni­ge Mo­na­te spä­ter aus ei­ge­ner Über­le­gung her­aus, die Kai­ser-Wil­helm-Stra­ße nach dem ers­ten Reichs­prä­si­den­ten der Wei­ma­rer Re­pu­blik um­zu­be­nen­nen.[31] Da der 30. Jah­res­tag die­ser Wahl im Jahr 1919 ver­stri­chen war, nahm man den 25. To­des­tag des So­zi­al­de­mo­kra­ten am 28.2.1950 zum An­lass. Die Eh­rung Eberts stand au­ßer Fra­ge. Der ers­te Kai­ser des 1871 ge­grün­de­ten Deut­schen Reichs ver­schwand ge­räusch­los aus dem Stra­ßen­bild und wur­de von „dem ers­ten vom Volk ge­wähl­ten Staats­ober­haupt“ er­setzt, so der KPD-Stadt­ver­ord­ne­te Fritz Schalk. Der Rat traf die Ent­schei­dung ein­stim­mig bei zwei Ent­hal­tun­gen, die den kur­zen Zu­ruf „Mon­ar­chis­ten!“ her­vor­rie­fen. Seit­her weist die Fried­rich-Ebert-Stra­ße zu­sam­men mit der Bis­marck­stra­ße den Weg vom Haupt­por­tal des Haupt­bahn­hofs in Rich­tung In­nen­stadt.

Wäh­rend die Be­nen­nung der Fried­rich-Ebert-Stra­ße un­strit­tig war, sah es 1954 im Fal­le der heu­ti­gen Ber­li­ner Al­lee an­ders aus. Die­se Stra­ße, die im Zu­ge des Wie­der­auf­baus der zer­stör­ten Stadt als neue Nord-Süd-Ach­se ent­stand und dem wach­sen­den Au­to­ver­kehr ge­recht wer­den soll­te – Düs­sel­dorf hat­te 1945 et­wa 345.000 Ein­woh­ner, zehn Jah­re spä­ter wa­ren es be­reits 645.000[32] –, kam nicht auf An­hieb zu ih­rem Na­men und ließ meh­re­re auf­schluss­rei­che Vor­schlä­ge auf­kom­men. Als Par­al­lel­stra­ße zur Kö­nigs­al­lee in der Ent­ste­hungs­pha­se zu­nächst auch als Par­al­lel­stra­ße be­zeich­net, stan­den in der ent­spre­chen­den De­bat­te des Stadt­rats am 5.2.1954 vor al­len Din­gen zwei Na­men zur Dis­kus­si­on: Jan-Wel­lem-Stra­ße und Stra­ße der Re­pu­blik.[33] Mit dem Vor­schlag, die Stra­ße nach Jan Wel­lem – Kur­fürst Jo­hann Wil­helm von Pfalz- Neu­burg – zu be­nen­nen, hat­te die Ver­wal­tung ei­ne An­re­gung sei­tens der Hei­mat­ver­bän­de auf­ge­grif­fen, die die­sen Na­men fa­vo­ri­sier­ten. Aus Sicht der FDP stand die­ser Na­me für die neue Stra­ße au­ßer Fra­ge. Der FDP-Rats­herr Franz Graf äu­ßer­te, dass Jan Wel­lem ein Sym­bol der Stadt und es nur fol­ge­rich­tig sei, ei­ne gro­ße und re­prä­sen­ta­ti­ve neue Stra­ße nach ihm zu be­nen­nen. Da­ge­gen plä­dier­te das Zen­trum da­für, die Al­lee­stra­ße, die bis 1949 noch als Hin­den­burg­wall fir­mier­te, in Jan-Wel­lem-Stra­ße um­zu­be­nen­nen, da in die­sem Fal­le die Nä­he zur Alt­stadt ge­ge­ben sei und da­mit der his­to­ri­sche Be­zug ein­deu­tig nä­her­lä­ge, zu­mal die Aus­deh­nung Düs­sel­dorfs um 1700, al­so zu Leb­zei­ten Jan Wel­lems, un­ge­fähr bis zu die­ser Stel­le ge­reicht ha­be. Die so­ge­nann­te Par­al­lel­stra­ße sol­le statt­des­sen „Stra­ße der Re­pu­bli­k“ hei­ßen, weil sie „ei­ne Schöp­fung der Re­pu­bli­k“ sei. Man kön­ne und sol­le mit die­ser Be­nen­nung zum Aus­druck brin­gen, dass „wir al­le […] gu­te Re­pu­bli­ka­ner sin­d“. Ge­ra­de weil ein sol­cher Na­me in Düs­sel­dorf noch feh­le, es aber in vie­len Staa­ten üb­lich und gu­te Tra­di­ti­on sei, Plät­ze und Stra­ßen so zu be­nen­nen, wür­de man „sein Licht un­ter den Schef­fel stel­len“, wenn man die Ge­le­gen­heit nicht nut­zen und ein sol­ches Be­kennt­nis der­art deut­lich zum Aus­druck brin­gen wür­de.

Porträtaufnahme von Ernst Poensgen, Foto: Martin Knauer, undatiert. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 

Im Grun­de blo­ckier­ten sich die­se bei­den Vor­schlä­ge zu­nächst, zu­mal Ober­bür­ger­meis­ter Go­ckeln da­von ab­riet, die Al­lee­stra­ße er­neut um­zu­be­nen­nen. Er er­in­ner­te dar­an, dass man sich in­zwi­schen dar­auf ver­stän­digt, ge­ra­de­zu ei­nen „Rüt­li­sch­wur“ ge­ge­ben ha­be, von Um­be­nen­nun­gen in der In­nen­stadt ab­zu­se­hen, um hier end­lich Ru­he ein­keh­ren zu las­sen. Da­durch ließ sich ei­ne Ver­stän­di­gung zwi­schen den bei­den Va­ri­an­ten noch schwe­rer er­zie­len. Ganz aus­sichts­los war aber ein drit­ter Vor­schlag, der ei­ne be­deut­sa­me Al­ter­na­ti­ve dar­bot. Die KPD-Rats­her­rin Do­ris Maa­se un­ter­brei­te­te den Vor­schlag, die zu be­nen­nen­de Par­al­lel­stra­ße mit dem Na­men Hein­rich Hei­ne zu ver­bin­den, denn der Na­me Jan Wel­lem kön­ne ei­gent­lich nicht mehr mit der Groß­stadt Düs­sel­dorf as­so­zi­iert wer­den. Wenn es dar­um ge­he, ein Sym­bol der Stadt in den Blick zu neh­men, dann sei es in­zwi­schen ge­bo­ten, ein neu­es Sym­bol zu er­schaf­fen, das der Stadt wirk­lich ge­recht wer­de – und dies sei Hein­rich Hei­ne, der Mann, „der in Eu­ro­pa und in der gan­zen Welt als Düs­sel­dorfs grö­ß­ter Sohn be­kannt is­t“. Für Do­ris Maa­se war Hei­ne zu­gleich in Zei­ten der Atom­bom­be und der Schaf­fung ei­ner eu­ro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­ge­mein­schaft (EVG-Ver­trä­ge von 1952) ein Sym­bol der Völ­ker­ver­stän­di­gung. Ei­ne re­prä­sen­ta­ti­ve Al­lee, die den Na­men Hein­rich Hei­nes tra­ge – und nicht ei­ne klei­ne, kaum wahr­nehm­ba­re Ne­ben­stra­ße wie je­ne, die zu die­sem Zeit­punkt be­reits sei­nen Na­men führ­te[34] –, sei ein Si­gnal für den Frie­den.

Die­ser Vor­schlag ver­moch­te je­doch die Mehr­heit der Rats­mit­glie­der nicht zu über­zeu­gen. Nach ei­ner in­ten­si­ven De­bat­te und ei­nem tur­bu­len­ten Ab­stim­mungs­pro­zess setz­te sich äu­ßerst knapp mit 29 zu 28 Stim­men die Be­nen­nung in Stra­ße der Re­pu­blik durch. Auf­grund zahl­rei­cher Zu­schrif­ten, die zu­nächst den Äl­tes­ten­rat be­schäf­tig­ten, ent­schied der Rat der Stadt Düs­sel­dorf je­doch 1955, die neu ein­ge­rich­te­te Nord-Süd-Ver­bin­dung in Ber­li­ner Al­lee um­zu­be­nen­nen.[35] Es war eben­falls ei­ne sym­bo­lisch ge­mein­te Stra­ßen­be­nen­nung: Zehn Jah­re nach Kriegs­en­de sprach sich die Düs­sel­dor­fer Po­li­tik da­für aus, die ge­teil­te ehe­ma­li­ge Haupt­stadt zu eh­ren und so an die schmerz­haf­te Tren­nung der bei­den deut­schen Staa­ten und an die er­hoff­te Wie­der­ver­ei­ni­gung zu er­in­nern. Wie­der ein­mal war da­mit ei­ne Stadt zur Na­mens­ge­be­rin ei­ner Stra­ße ge­wor­den. Wäh­rend in frü­he­ren Jahr­zehn­ten be­rühm­te Schlacht­or­te zur Gel­tung ka­men und nach 1945 ten­den­zi­ell we­ni­ger auf­fäl­li­ge Städ­te­na­men Ein­zug hiel­ten, hat­te man mit der Ber­li­ner Al­lee wie be­reits mit der zu­nächst be­schlos­se­nen Be­zeich­nung Stra­ße der Re­pu­blik wie­der zu ei­ner Be­nen­nung zu­rück­ge­fun­den, die in ei­nem spe­zi­fisch na­tio­na­len Kon­text stand. In der 1955 sou­ve­rän ge­wor­de­nen Bun­des­re­pu­blik be­sa­ßen die Fra­gen von Frei­heit und von Ein­heit wei­ter­hin ei­ne in­nen- und au­ßen­po­li­ti­scher Ak­tua­li­tät. Dies galt auch für ei­ne wei­te­re Fra­ge, mit der die neu ein­ge­rich­te­te Dan­zi­ger Stra­ße ver­bun­den war, näm­lich den Um­gang mit den Ver­trie­be­nen.

Von Sei­ten der FDP wur­de be­reits 1952 der Wunsch ge­äu­ßert, in den Stra­ßen­be­nen­nun­gen auch die Ver­trie­be­nen zu be­rück­sich­ti­gen.[36] Man griff da­mit de­ren An­lie­gen auf, ei­ne Mög­lich­keit zu fin­den, um an die ehe­ma­li­gen deut­schen Ost­ge­bie­te zu er­in­nern. Da­bei wünsch­te man aus­drück­lich ei­ne tref­fen­de Stra­ßen­be­nen­nung in der In­nen­stadt und nicht in ei­nem Au­ßen­be­zirk. Dass das ge­sam­te Vor­ha­ben „ein Po­li­ti­cum“ sei, wur­de von der FDP selbst klar be­nannt. In der nach­fol­gen­den De­bat­te um ei­ne sol­che Stra­ße, die bis 1956 an­dau­er­te, wur­de deut­lich, dass mit dem The­ma Ver­trei­bung ins­be­son­de­re von Sei­ten der FDP die noch of­fe­ne Fra­ge der Ost­gren­ze be­zie­hungs­wei­se der ehe­ma­li­gen deut­schen Ge­bie­te ins Au­ge ge­nom­men wur­de. Da es kei­nen Frie­dens­ver­trag gab, der die Gren­zen end­gül­tig re­gel­te, war dies ein ak­tu­el­les The­ma, das durch die Bit­te der FDP auch im Rah­men der Stra­ßen­be­nen­nun­gen zur Dis­kus­si­on führ­te. Nach­dem ver­schie­de­ne Stra­ßen als mög­li­che Na­mens­trä­ger de­bat­tiert wur­den, ei­nig­te man sich schlie­ß­lich in der Rats­sit­zung am 28.5.1956 auf die Dan­zi­ger Stra­ße.[37] Die For­de­rung nach ei­ner Stra­ße in der In­nen­stadt ließ sich je­doch nicht durch­set­zen. Ent­schei­dend für die Be­nen­nung war schlie­ß­lich, dass Düs­sel­dorf am 7.8.1954 ei­ne Pa­ten­schaft für die deutsch­spra­chi­gen Dan­zi­ger be­zie­hungs­wei­se die von dort stam­men­den Ver­trie­be­nen über­nom­men hat­te[38], wo­durch die Be­nen­nung zu ei­nem re­la­tiv pas­sen­den und da­mit ver­bun­den auch har­mo­nisch her­bei­ge­führ­ten Er­geb­nis führ­te.

Ganz un­spek­ta­ku­lär war hin­ge­gen die Be­nen­nung ei­ner Stra­ße nach Gus­tav Stre­se­mann (1878-1929) im Jahr 1956.[39] Der frü­he­re Au­ßen­mi­nis­ter der Wei­ma­rer Re­pu­blik, des­sen 20. To­des­tag 1949 und des­sen 25. To­des­tag 1954 in den Me­di­en zu zahl­rei­chen Eh­run­gen als vor­bild­li­chem Ver­stän­di­gungs­po­li­ti­ker und Eu­ro­pä­er ge­führt hat­ten[40], wur­de auch in Düs­sel­dorf von al­len Po­li­ti­kern oh­ne Ein­wand als Na­mens­ge­ber mit­ge­tra­gen. Er­neut zeig­te sich da­mit die be­reits sechs Jah­re zu­vor bei der Be­nen­nung der Fried­rich-Ebert-Stra­ße ab­les­bar ge­wor­de­ne un­be­strit­te­ne Wür­di­gung nam­haf­ter De­mo­kra­ten der Wei­ma­rer Zeit. Man knüpf­te an die Tra­di­ti­on der ers­ten Re­pu­blik an – nicht zu­letzt auch, weil die jun­ge Bun­des­re­pu­blik selbst noch kei­ne gro­ße Aus­wahl ver­dien­ter Po­li­ti­ker zu bie­ten hat­te. Der So­zi­al­de­mo­krat und ers­te Vor­sit­zen­de des 1949 ge­grün­de­ten Deut­schen Ge­werk­schafts­bun­des Hans Böck­ler (1875-1951) ge­hör­te zu den frü­hes­ten zeit­ge­nös­si­schen Po­li­ti­kern, die bei Stra­ßen­be­nen­nun­gen Be­rück­sich­ti­gung fan­den. Nach dem plötz­li­chen Tod Böck­lers im Jahr 1951 be­schloss be­reits im dar­auf­fol­gen­den Jahr auf In­itia­ti­ve des CDU-Stadt­ver­ord­ne­ten Röhr der Rat der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf ein­stim­mig, ei­ne Stra­ße nach ihm zu be­nen­nen.[41] 

Doch in der Nach­kriegs­zeit stan­den tra­di­tio­nell nicht nur Po­li­ti­ker und Städ­te, son­dern auch Künst­ler zur Wahl. In Düs­sel­dorf kam es eben­falls zu meh­re­ren Stra­ßen­be­nen­nun­gen, bei de­nen be­reits lan­ge ver­stor­be­ne Schrift­stel­ler wie Jo­seph Ei­chen­dorff (1788-1857) oder kürz­lich ver­stor­be­ne Mu­si­ker wie Hans Pfitz­ner (1869-1949) Be­rück­sich­ti­gung fan­den. Die Be­nen­nung ei­ner Stra­ße nach Tho­mas Mann (1875-1955) im Jahr 1956 ist da­bei be­son­ders auf­fäl­lig. Denn sie er­folg­te im Ver­gleich zu an­de­ren Städ­ten nicht nur sehr früh, son­dern die Wahl fiel zu­dem auf ei­nen re­nom­mier­ten No­bel­preis­trä­ger, der da­mals durch­aus um­strit­ten war. Zwi­schen Tho­mas Mann und Düs­sel­dorf be­stan­den be­reits zu Leb­zei­ten des Schrift­stel­lers meh­re­re Be­zü­ge.[42] Sie rei­chen von sei­nen Be­su­chen und Be­kannt­schaf­ten, die ihn seit 1903 ver­schie­dent­lich nach Düs­sel­dorf führ­ten, bis zu sei­ner 1953 er­schie­ne­nen No­vel­le „Die Be­tro­ge­ne“, für die der Schrift­stel­ler die Kunst- und Gar­ten­stadt am Rhein als Hand­lungs­ort wähl­te. Bei sei­nem letz­ten Be­such in Düs­sel­dorf im Au­gust 1954 ab­sol­vier­te Tho­mas Mann ein um­fang­rei­ches Pro­gramm, zu dem un­ter an­de­rem ein Be­such von Schloss Ben­rath, ei­ne Zu­sam­men­kunft mit Kul­tus­mi­nis­ter Wer­ner Schütz (1900-1975) und ei­ne Le­sung aus sei­nem neu ver­öf­fent­lich­ten Ro­man „Fe­lix Krul­l“ im Schu­mann-Saal mit an­schlie­ßen­dem Emp­fang im Mal­kas­ten ge­hör­ten. 1956 ei­ne Stra­ße nach Tho­mas Mann zu be­nen­nen, nur we­ni­ge Mo­na­te nach dem Tod des Schrift­stel­lers, lag durch die­se un­mit­tel­ba­re Prä­senz durch­aus na­he. Aber selbst­ver­ständ­lich war ei­ne sol­che Stra­ßen­be­nen­nung den­noch nicht, denn zu die­ser Zeit rief der Schrift­stel­ler in Deutsch­land auch hef­ti­ge Kri­tik und Ab­leh­nung her­vor.

Neue Straßenschilder nach der Umbenennung der Alleestraße in Heinrich-Heine-Allee, Foto: Irmgard Baum, September 1963. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 

Die Grün­de hier­für wa­ren viel­fäl­tig und rei­chen mit Blick auf sein Be­kennt­nis zur Re­pu­blik und sei­ner ent­schie­de­nen Ab­leh­nung des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus min­des­tens bis in die 1920er Jah­re zu­rück. Von be­son­de­rem Ge­wicht war je­doch die Hal­tung und das En­ga­ge­ment Tho­mas Manns in der Zeit sei­nes ame­ri­ka­ni­schen Exils.[43] Hier war er nicht nur zu ei­nem zen­tra­len Ge­gen­spie­ler Hit­lers ge­wor­den, der wäh­rend des Krie­ges die Deut­schen zur Ab­kehr vom Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und zum Wi­der­stand auf­rief. Auch nach dem En­de der NS-Herr­schaft äu­ßer­te er auf viel­fäl­ti­ge Wei­se Kri­tik am Ver­hal­ten der Deut­schen. Be­reits im Som­mer 1945 lös­te er da­mit in der deut­schen Öf­fent­lich­keit ei­ne ers­te Kon­tro­ver­se aus. Wie aus­ge­prägt die Dis­tanz und Ab­leh­nung ge­gen­über Tho­mas Mann in den frü­hen Nach­kriegs­jah­ren wa­ren, ver­deut­lich­te auch ei­ne 1947 durch­ge­führ­te Um­fra­ge der ame­ri­ka­ni­schen Mi­li­tär­be­hör­de in meh­re­ren baye­ri­schen Städ­ten. Von 82 Mei­nungs­füh­rer aus den Be­rei­chen Po­li­tik, Wirt­schaft und Kul­tur, die be­fragt wur­den, wie sie zu ei­ner Rück­kehr der Emi­gran­ten ste­hen, sprach sich der Gro­ß­teil ge­gen ei­ne Rück­kehr aus. Als Grund nann­ten sie die Be­fürch­tung, die Emi­gran­ten be­sä­ßen kein Ver­ständ­nis und kein Mit­leid ge­gen­über den Deut­schen, die wäh­rend des NS-Zeit im Land ge­blie­ben wa­ren. Spe­zi­ell ge­gen Tho­mas Mann spra­chen sich da­bei fast al­le Be­frag­ten aus. Wenn­gleich vie­le sei­ne li­te­ra­ri­sche Grö­ße an­er­kann­ten, lehnt sie ihn mehr­heit­lich ab, weil sie ihm „ei­ne man­geln­de Gro­ß­mü­tig­keit den Deut­schen ge­gen­über, ja ei­nen re­gel­rech­ten ‚Haß‘ auf sein ei­ge­nes Vol­k“[44] vor­war­fen. In den 1950er Jah­ren war die­se Kri­tik an Tho­mas Mann kei­nes­wegs ver­klun­gen. Ei­ne Stra­ße, die sei­nen Na­men trug, er­scheint des­halb auch rück­bli­ckend über­haupt nicht selbst­ver­ständ­lich. Die Düs­sel­dor­fer Po­li­tik zeig­te sich hier­von je­doch un­be­ein­druckt. In­dem sie den Schrift­stel­ler zu ei­nem sehr frü­hen Zeit­punkt auf die­se Wei­se wür­dig­te, ge­hör­te sie zu­sam­men mit Mün­chen zu den Vor­rei­tern. Nur Dort­mund war schnel­ler. Hier war Tho­mas Mann be­reits 1946 und da­mit zu Leb­zei­ten die­se Eh­re zu­teil ge­wor­den.[45] Ob es da­bei zu Ge­gen­stim­men oder Pro­tes­ten kam, müss­te wei­ter un­ter­sucht wer­den. Zu­min­dest für Düs­sel­dorf lässt sich fest­hal­ten, dass es bei die­sem Vor­schlag in der Rats­sit­zung, aber auch da­nach kei­nen Streit gab. Die Na­mens­ge­bun­gen wur­den ein­stim­mig an­ge­nom­men.[46] Al­ler­dings gab es wäh­rend der Be­ra­tung ei­nen be­mer­kens­wer­ten Ein­wand von Sei­ten der KPD-Rats­her­rin Do­ris Maa­se. Sie stör­te sich näm­lich dar­an, dass die aus­ge­wähl­te neue Stra­ße im Stadt­teil Mör­sen­broich lag. Aus ih­rer Sicht war es nicht an­ge­mes­sen, ei­ne Stra­ße nach Tho­mas Mann zu be­nen­nen, die nicht in der In­nen­stadt lie­ge. Da in der glei­chen Sit­zung dar­über ent­schie­den wur­de, Gus­tav Stre­se­mann ei­ne Stra­ße und ei­nen Platz zu wid­men, äu­ßer­te Do­ris Maa­se, der Na­me Tho­mas Mann sei „min­des­tens eben­so be­kann­t“ wie der Na­me des frü­he­ren Au­ßen­mi­nis­ters. Er ha­be „als deut­scher Schrift­stel­ler eben­so viel für Deutsch­land ge­tan […] wie Stre­se­mann als Staats­mann.“ Es sei da­her un­wür­dig, ei­ne Stra­ße nach Tho­mas Mann in ei­nem Au­ßen­be­zirk zu be­nen­nen, „wo­hin wirk­lich kaum je­mand komm­t“. Sie hielt nur ei­ne Stra­ße in der In­nen­stadt für an­ge­mes­sen, weil al­les an­de­re „ei­ne Ver­klei­ne­rung des Wer­tes die­ses Man­nes“ sei, „der im­mer­hin No­bel­preis­trä­ger ist und als ei­ner der grö­ß­ten Dich­ter un­se­rer Zeit ge­gol­ten hat.“ Do­ris Maa­se ver­moch­te die an­de­ren Rats­mit­glie­der al­ler­dings nicht von ih­ren Über­le­gun­gen zu über­zeu­gen. Ober­bür­ger­meis­ter Go­ckeln ver­trat die Auf­fas­sung, dass es in der In­nen­stadt kei­ne grö­ße­re Stra­ße mehr ge­be, die noch um­be­nannt wer­den könn­te. Da­mit knüpf­te er an sei­ne frü­her schon ge­äu­ßer­ten Vor­be­hal­te ge­gen­über Na­mens­än­de­run­gen in der In­nen­stadt an. Er woll­te die Un­ru­he, die bei der Ab­än­de­rung eta­blier­ter Na­men ent­ste­hen konn­te, ver­mei­den und hat­te hier­über im Rat längst ei­nen Kon­sens – den be­reits zi­tier­ten „Rüt­li­sch­wur“ – er­zie­len kön­nen. Ent­spre­chend setz­te sich bei der Ab­stim­mung über die Tho­mas-Mann-Stra­ße die­se Zu­rück­hal­tung, von der am En­de auch Do­ris Mas­se nicht ab­wich, durch. Ein Ab­wä­gen zwi­schen dem Li­te­ra­tur- und dem Frie­dens­no­bel­preis­trä­ger stand nicht zur De­bat­te, zu­mal sich die neue, na­he dem Haupt­bahn­hof ge­le­ge­ne Stre­se­mann­stra­ße pas­send in die be­reits be­ste­hen­de Eh­rung der bei­den Staats­män­ner Bis­marck und Ebert ein­füg­te.

5. Fazit

Die Düs­sel­dor­fer Stra­ßen­be­nen­nun­gen in der frü­hen Bun­des­re­pu­blik zei­gen ver­schie­de­ne Bei­spie­le, die von be­stimm­ten Ab­sich­ten und mit­un­ter in­ten­si­ven Aus­ein­an­der­set­zun­gen zeu­gen. Auch wenn in die­sen Jah­ren teil­wei­se ge­räusch­los noch wei­te­re, we­ni­ger auf­fal­len­de Stra­ßen­na­men ein­ge­rich­tet wur­den, er­wei­sen sich meh­re­re vor­ge­schla­ge­ne und ge­wähl­te Na­men als mar­kan­te po­li­ti­sche State­ments. Der 1948 von Pe­ter Wa­ter­kot­te er­ho­be­ne Wunsch, man wol­le auch bei den Stra­ßen­be­nen­nun­gen aus in­ners­ter Über­zeu­gung her­aus zei­gen, dass man sich nach dem En­de der NS-Zeit auf ei­nem neu­en We­ge be­fin­de, er­füll­te sich in den nach­fol­gen­den Jah­ren. Die jun­ge De­mo­kra­tie knüpf­te bei der Aus­wahl von Vor­bil­dern nicht nur an die Wei­ma­rer Jah­re an, son­dern fand bei der Na­mens­ge­bung auch neue Per­sön­lich­kei­ten aus der un­mit­tel­ba­ren Ge­gen­wart. Die Stra­ßen­na­men blie­ben da­mit auch in der neu­en Re­pu­blik ein Be­stand­teil der po­li­ti­schen Ge­stal­tung und der Er­in­ne­rungs­kul­tur. Nach wie vor wei­sen sie den Bür­gern und Be­su­chern der Lan­des­haupt­stadt nicht nur den Weg durch den Ort, son­dern auch in die fa­cet­ten­rei­che Ge­schich­te un­se­rer Ge­sell­schaft.

Quellen

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StAD 9-0-1-28, 9-0-1-29, 9-0-1-30, 9-0-1-31, 9-0-1-32, 9-0-1-79, Rats­pro­to­kol­le.

StAD 9-3-3-9, Düs­sel­dor­fer Mit­tei­lungs­blatt Nr. 4 vom 19.5.1945; Nr. 6 vom 2.6.1945; Nr. 12 vom 14.7.1945.

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Einzige bekannte Aufnahme von der KPD-Abgeordneten Dr. Doris Maase, um 1948. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Hansen, Sebastian, Die Düsseldorfer Straßenbenennungen in der jungen Bundesrepublik, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-duesseldorfer-strassenbenennungen-in-der-jungen-bundesrepublik/DE-2086/lido/632c1f60898a75.45231921 (abgerufen am 06.12.2024)