Warum steht vor dem Koblenzer Theater ein Obelisk? Zur Geschichte und Symbolik eines barocken Herrschaftszeichens in rheinischen Residenzstädten

Wolfgang Schmid (Winningen)

Obelisk vor dem Theater am Clemensplatz in Koblenz, R.Bodmer, Altkolorierter Aquatinta-Stich nach Vorlage von J.A. Lasinsky, um 1830.

1. Einleitung

Vor de­m Ko­blenzer Thea­ter steht ein Obe­lisk. Er macht ei­nen et­was ver­nach­läs­sig­ten Ein­druck, er be­hin­dert den Blick auf die klas­si­zis­ti­sche Fas­sa­de des be­kann­ten Thea­ters, und er blo­ckiert wert­vol­le Park­plät­ze in der In­nen­stadt. Dass er heu­te oh­ne so recht er­kenn­ba­re städ­te­bau­li­che Funk­ti­on und oh­ne ein­deu­tig ver­ständ­li­che Bot­schaft auf dem Dein­hards­platz steht, war si­cher­lich nicht im Sin­ne des Auf­trag­ge­bers. Klei­ne Was­ser­trö­ge an den Sei­ten, die heu­te als Müll­ei­mer die­nen, zei­gen, dass der Obe­lisk ein Brun­nen ist, ein so­ge­nann­ter Obe­lis­ken­brun­nen. War­um er sich vor dem Thea­ter be­fin­det, hat der Bau­herr fest­ge­hal­ten: Cle­mens Wen­ces­laus Elec­tor vici­nis su­is 1791 steht in gro­ßen bron­ze­nen Buch­sta­ben auf dem ro­ten Sand­stein. Drei Bot­schaf­ten wer­den uns mit­ge­teilt: Ers­tens ist der Kur­fürst Cle­mens Wen­zes­laus von Sach­sen der Bau­herr. Die­se Bot­schaft wird von ei­nem – er­neu­er­ten – in Bron­ze ge­gos­se­nen Wap­pen des Kur­fürs­ten auf der Thea­ter­sei­te un­ter­stri­chen. Zwei­tens wid­met er das Ge­schenk sei­nen Nach­barn. Drit­tens ent­stand der Obe­lisk im Jah­re 1791. Au­ßer­dem ist die In­schrift in la­tei­ni­scher Spra­che ab­ge­fasst, was ei­nen Hin­weis auf den Kreis der Adres­sa­ten gibt. Die­se Bot­schaft muss wich­tig ge­we­sen sein, sonst wä­re nicht ein so gro­ßer Stein er­rich­tet und mit ei­ner la­tei­ni­schen In­schrift ver­se­hen wor­den. An­de­re Fra­gen blei­ben of­fen: Wer wa­ren die Nach­barn, de­nen der Stein ge­wid­met ist? War­um wähl­te man da­für ei­ne Denk­mal­form, die ei­gent­lich in das Ägyp­ten des zwei­ten Jahr­tau­sends vor Chris­ti ge­hört? Um wel­ches Ge­schenk han­del­te es sich be­zie­hungs­wei­se was ist die Bot­schaft, die der Obe­lisk trans­fe­rie­ren soll­te?

Verbliebener Obelisk vor dem Pylon des Tempels von Luxor, 2004.

 

Um ei­ne Ant­wort auf die­se Fra­gen zu fin­den, sol­len zu­nächst ei­ni­ge Streif­zü­ge durch die Kul­tur­ge­schich­te der gro­ßen Stei­ne ge­macht wer­den, im zwei­ten Teil wird nach Ver­gleichs­bei­spie­len in Trier, Mainz un­d Bonn, in Würz­burg, Ful­da und Er­furt, dan­n auch über den west­deut­schen Raum hin­aus­grei­fend in Wien und Pots­dam ge­sucht und im Drit­ten der städ­te­bau­li­chen Kon­text des Ko­blen­zer Cle­mens­brun­nens be­leuch­tet. Es wird sich zei­gen, dass Obe­lis­ken­brun­nen ins­be­son­de­re in den Re­si­denz­städ­ten der geist­li­chen Ter­ri­to­ri­en haupt­säch­lich in den 1770er Jah­ren er­rich­tet wur­den. Dies schlie­ßt nicht aus, dass es auch in den an­gren­zen­den Ter­ri­to­ri­en, in Schloss­gär­ten und in der Grab­mal­kunst, nicht zu­letzt in der ephe­me­ren Ar­chi­tek­tur und in der em­ble­ma­ti­schen Li­te­ra­tur, zahl­rei­che Obe­lis­ken ge­ge­ben hat. Der Ko­blen­zer Obe­lisk ist der letz­te in ei­ner Rei­he, der in ei­nem geist­li­chen Ter­ri­to­ri­um vor dem Un­ter­gang des Al­ten Reichs er­rich­tet wur­de. We­ni­ge Jah­re spä­ter führ­te Na­po­le­ons Ägyp­ten­feld­zug zu ei­ner wah­ren Ägyp­to­ma­nie, und durch die Frei­heits­krie­ge  wur­den Obe­lis­ken zur be­lieb­tes­ten Form von Krie­ger­denk­mä­lern, die zahl­rei­che öf­fent­li­che Plät­ze be­setz­ten.

Obelisk auf dem Petersplatz, Rom, 1909.

 

2. Zur Kulturgeschichte der großen Steine

Be­reits in der Bi­bel fin­den sich zahl­rei­che Stei­ne. Als Ja­kob nach Ha­ran zog, muss­te er über­nach­ten. „Er nahm ei­nen von den Stei­nen die­ses Or­tes, leg­te ihn un­ter sei­nen Kopf und schlief dort ein. Da hat­te er ei­nen Traum: Er sah ei­ne Trep­pe, die auf der Er­de stand und bis zum Him­mel reich­te. Auf ihr stie­gen En­gel Got­tes auf und nie­der.“ Oben stand Gott und ver­sprach ihm und sei­nen Nach­kom­men Schutz und das Land, auf dem er lag. Als Ja­kob er­wach­te, er­schrak er und sag­te: „Wie Ehr­furcht ge­bie­tend ist doch die­ser Ort! Hier ist nichts an­de­res als das Haus Got­tes und das Tor des Him­mels. Ja­kob stand früh am Mor­gen auf, nahm den Stein, den er un­ter sei­nen Kopf ge­legt hat­te, stell­te ihn als Stein­mal auf und goss Öl dar­auf.“ Er leg­te ein Ge­lüb­de ab und be­te­te „dann soll der Stein, den ich als Stein­mal auf­ge­stellt ha­be, ein Got­tes­haus wer­den“ (1. Mos 28,10-22). Ja­kob er­rich­te­te den Stein zu ei­nem Mal – er­ex­it in ti­tu­lum. Die Him­mels­lei­ter ver­bin­det Him­mel und Er­de, schafft ei­ne Ver­bin­dung zwi­schen Gott und den Men­schen. Sie ist ei­ne Ver­hei­ßung für das ge­lob­te Volk.

In Psalm 118, Vers 22, steht: „Der Stein, den die Bau­leu­te ver­war­fen, er ist zum Eck­stein ge­wor­den.“ Aus­ge­rech­net das acht­los weg­ge­wor­fe­ne Teil wird zum tra­gen­den Ele­ment! Je­sus wird im ers­ten Brief des Pe­trus als „le­ben­di­ger Stein, der von den Men­schen ver­wor­fen, aber von Gott aus­er­wählt und ge­ehrt wor­den is­t“, als „kost­ba­rer Eck­stein“, aber auch als „Stein des An­sto­ßes“ und als „Fels des Är­ger­nis­ses“ be­zeich­net. „Lasst euch als le­ben­di­ge Stei­ne zu ei­nem geis­ti­gen Haus auf­bau­en.“ (1. Petr 2,4-8). Und zu Pe­trus schlie­ß­lich sag­te Chris­tus: „Du bist Pe­trus, und auf die­sen Fel­sen will ich mei­ne Kir­che bau­en.“ (Matth 16,18). Auf die­sen Satz be­rie­fen sich im­mer wie­der die mit­tel­al­ter­li­chen Päps­te; er wur­de zum Eck­stein, auf den die Kir­che der Ro­ma pri­ma er­baut wur­de.

Obelisk vor San Giovanni in Laterano, Rom, Druck von Giovanni Battista Piranesi (1720-1778), vor 1778.

 

Stei­ne, die zu ei­nem Mal er­rich­tet wur­den, gab es be­reits in den frü­hen Hoch­kul­tu­ren. Er­in­nert sei nur an die ägyp­ti­schen Py­ra­mi­den, in der Zeit um 2500 v. Chr. ent­stan­de­ne Pha­rao­nen­grä­ber. Die Be­deu­tends­te ist die 147 Me­ter ho­he Che­ops­py­ra­mi­de, die ei­ne Kan­ten­län­ge von 233 Me­tern be­sitzt und für die 2,3 Mil­lio­nen Blö­cke ver­baut wur­den. Frei­lich konn­ten sie trotz al­len Auf­wan­des ih­re Auf­ga­be, die Pha­rao­nen­grä­ber zu be­schüt­zen, nicht er­fül­len. 

Von den Py­ra­mi­den zu un­ter­schei­den sind die Obe­lis­ken, frei­ste­hen­de, schma­le, vier­ecki­ge Stein­pfei­ler, die sich nach oben ver­jün­gen und ei­ne py­ra­mi­den­för­mi­ge Spit­ze be­sit­zen. Sie gal­ten als stein­ge­wor­de­ne Strah­len der Son­ne, schmück­ten Tem­pel und Stra­ßen und dien­ten der Ver­eh­rung des Son­nen­got­tes. Den Grö­ß­ten ließ die Pha­rao­nin Hat­schep­sut um 1500 v. Chr. im Amun-Tem­pel bei Lu­xor er­rich­ten, er ist 32 Me­ter hoch und be­saß ei­ne ver­gol­de­te Spit­ze. Der Bau der Py­ra­mi­den so­wie der Trans­port und die Auf­rich­tung der Obe­lis­ken stell­ten nach dem da­ma­li­gen Stand der Tech­nik so be­mer­kens­wer­te Leis­tun­gen dar, dass die­se als Welt­wun­der gal­ten.[1]  Künst­ler und Ge­lehr­te der Re­nais­sance und des Ba­rock  un­ter­schie­den oft nicht mehr zwi­schen Obe­lis­ken und Py­ra­mi­den, da sie die­se nicht aus ei­ge­ner An­schau­ung kann­ten.[2]

Aufstellung des Obelisken auf dem Petersplatz im Jahr 1586 durch Domenico Fontana, von Niccola Zabaglia (1664-1750), 1743.

 

Von den Obe­lis­ken ging ei­ne un­heim­li­che Fas­zi­na­ti­on aus. Man woll­te die­se als pres­ti­ge­träch­ti­ge Sou­ve­nirs mit nach Hau­se neh­men, was bei ei­nem Ge­wicht zwi­schen 220 und 500 Ton­nen mit er­heb­li­chem Auf­wand ver­bun­den war. Be­reits Alex­an­der der Gro­ße (356-323 v. Chr.) brach­te ei­nen Obe­lis­ken nach Alex­an­dria, rö­mi­sche Kai­ser lie­ßen meh­re­re von ih­nen nach Rom trans­por­tie­ren, eben­so die Päps­te, so dass in der Ti­ber­stadt heu­te 14 ägyp­ti­sche Obe­lis­ken auf­ge­stellt sind.[3]  Un­ter Au­gus­tus (63 v.- Chr.–19 n. Chr.) wur­de von dem rö­mi­schen Prä­fek­ten Gai­us Cor­ne­li­us Gal­lus (um 70-27/26 v. Chr.) ein 32 Me­ter ho­her Obe­lisk nach Alex­an­dria ge­bracht. Zur Zeit des Ca­li­gu­la (12-41 n. Chr.) trans­por­tier­te man ihn auf ei­nem ei­gens da­für ge­bau­ten Schiff  nach Rom, wo er im Zir­kus des Ca­li­gu­la auf­ge­stellt wur­de. Der äl­te­re Pli­ni­us (23-79 n. Chr.) be­rich­tet aus­führ­lich dar­über. Heu­te be­fin­det sich der Obe­lisk auf dem Pe­ters­platz.

Vierströmebrunnen auf der Piazza Navona, Titel: Ein Blick auf die Piazza Navona, Rom, Ölgemälde von Hendrik Frans van Lint (1684-1763), um 1730.

 

Noch grö­ßer ist der Obe­lisk, der vor San Gio­van­ni in La­ter­a­no steht; er ist 34 Me­ter hoch und wiegt 460 Ton­nen. Er wur­de un­ter Kai­ser Kon­stan­tin nach Alex­an­dria ge­bracht und soll­te dann nach Kon­stan­ti­no­pel trans­por­tiert wer­den. Am­mia­nus Mar­cel­li­nus (um 330-um 395) be­rich­tet von ei­nem Schiff mit 300 Ru­de­rern. Kon­stan­tins Sohn be­schloss, ihn statt­des­sen nach Rom brin­gen zu las­sen, wo er im Cir­cus Ma­xi­mus auf­ge­stellt wur­de.

An­geb­lich ge­lang­ten im Mit­tel­al­ter 42 Obe­lis­ken nach Rom, von de­nen heu­te noch 14 ste­hen. Sie fan­den zu­nächst in den Zir­kus­an­la­gen der Stadt Auf­stel­lung, wo sie als Wen­de­mar­ken und Son­nen­uh­ren dien­ten. Im 16. Jahr­hun­dert wur­den sie auf öf­fent­li­che Plät­ze trans­por­tiert. 1586 hat man den Obe­lis­co Va­ti­ca­no trans­lo­ziert und 1588 den Obe­lis­co La­te­ra­nen­se. Do­me­ni­co Fon­ta­na (1543-1607), der Ar­chi­tekt der La­ter­ne auf der Kup­pel des Pe­ters­do­mes, ließ den 300 Ton­nen schwe­ren Obe­lis­ken auf dem Pe­ters­platz auf­stel­len. Er be­nö­tig­te da­für 150 Pfer­de, 47 Seil­win­den und 900 Män­ner. Mit ei­nem Ex­or­zis­mus wur­den die heid­ni­schen Dä­mo­nen ver­trie­ben, an­schlie­ßend wur­de der Stein mit Weih­was­ser be­sprengt und mit ei­nem gol­de­nen Kreuz be­krönt. 1590 ver­öf­fent­lich­te Fon­ta­na ein Buch über den Trans­port und die Auf­rich­tung von Obe­lis­ken, das mit zahl­rei­chen Kup­fer­sti­chen aus­ge­stat­tet ist und die Obe­lis­ken­be­geis­te­rung in ganz Eu­ro­pa ent­fach­te.[4]

Tritonenbrunnen auf der Piazza Barberini in Rom, erbaut von Giovanni Lorenzo Bernini, 2005.

 

Im ba­ro­cken Rom wa­ren die Obe­lis­ken Teil ei­nes städ­te­bau­li­chen Ge­samt­kon­zep­tes: Papst Six­tus V. (Pon­ti­fi­kat 1590-1595) woll­te die Ewi­ge Stadt durch ein drei­strah­li­ges Ach­sen­sys­tem er­schlie­ßen, er ließ brei­te Ver­bin­dungs­schnei­sen zwi­schen den sie­ben Haupt­kir­chen Roms bre­chen.[5]  In die­sem Sys­tem mar­kier­ten die Obe­lis­ken vor dem Pe­ters­dom und vor dem La­te­ran die städ­te­bau­li­chen Fix­punk­te. Hin­zu kam die Ge­stal­tung der Plät­ze durch mo­nu­men­ta­le Brun­nen­an­la­gen, et­wa Berni­nis Vier­strö­me­brun­nen an der Piaz­za Na­vo­na, der mit den Al­le­go­ri­en von Do­nau, Nil, Gan­ges und Rio de la Pla­ta und ei­nem 17 Me­ter ho­hen Obe­lis­ken den welt­um­span­nen­den Herr­schafts­an­spruch des Papst­tums über die vier da­mals be­kann­ten Erd­tei­le pro­pa­giert, oder sein Ele­fant auf der Piaz­za del­la Mi­ner­va, der ei­nen „nur“ fünf Me­ter ho­hen Obe­lis­ken trägt.

Das ba­ro­cke Rom ist un­trenn­bar mit dem Na­men des Bild­hau­ers Gio­van­ni Lo­ren­zo Bern­i­ni (1598-1680) ver­bun­den, der ne­ben dem Vier­strö­me­brun­nen und dem Tri­to­nen­brun­nen die Grab­mä­ler der Päps­te Ur­ban VIII. (ge­stor­ben 1644, Pon­ti­fi­kat ab 1623) und Alex­an­der VII. (ge­stor­ben 1667, Pon­ti­fi­kat ab 1655) in Sankt Pe­ter so­wie das Ta­ber­na­kel über dem Hoch­al­tar des Pe­ters­do­mes und die Ko­lon­na­den auf dem Vor­platz, der den Rah­men für den Obe­lis­co Va­ti­ca­no dar­stellt, schuf. Bern­i­ni, der für ins­ge­samt acht Päps­te ar­bei­te­te, hat das Ge­sicht des ba­ro­cken Rom ge­prägt.[6]  Die Stadt wur­de zum In­be­griff ei­ner ka­tho­li­schen Me­tro­po­le, de­ren Kir­chen­bau­ten, Pa­läs­te, Brun­nen und Grab­denk­mä­ler den Herr­schafts­an­spruch der Päps­te ver­bild­lich­ten.[7]  Die Obe­lis­ken dien­ten als Weg­wei­ser für Pil­ger zu den gro­ßen Ba­si­li­ken, als Zei­chen des Sie­ges des Chris­ten­tums über die heid­ni­schen Re­li­gio­nen, als Sym­bo­le für die An­knüp­fung der Päps­te an die Tra­di­ti­on der an­ti­ken Im­pe­ra­to­ren und als sicht­ba­res Do­ku­ment für den uni­ver­sa­len Herr­schafts­an­spruch der rö­mi­schen Kir­che.

Obelisk von Luxor auf dem Place de la Concorde, Paris, 2010.

 

Die Be­geis­te­rung für Obe­lis­ken blieb nicht auf den Hu­ma­nis­mus, den Ba­rock und den Klas­si­zis­mus  be­schränkt.[8]  Na­po­le­ons Feld­zug nach Ägyp­ten, die wis­sen­schaft­li­che Ent­de­ckung der Pha­rao­nen­kul­tur und die Ent­zif­fe­rung der Hie­ro­gly­phen (1822 durch Jean-François Cham­pol­li­on, Stein von Ro­set­te) sorg­te für ei­ne neue Be­geis­te­rungs­wel­le: 1833 schenk­te der ägyp­ti­sche Kö­nig sei­nem fran­zö­si­schen Amts­kol­le­gen den Obe­lis­ken von Lu­xor, der nach Pa­ris ge­bracht und auf der Place de la Con­cor­de auf­ge­stellt wur­de.[9]  Wei­te­re ägyp­ti­sche Obe­lis­ken ge­lang­ten nach Lon­don (1872) und New York (1881). In Wa­shing­ton wur­de 1884 das Wa­shing­ton Mo­nu­ment her­ge­stellt, das mit 169 Me­tern hö­her als der Köl­ner Dom war. Im 19. Jahr­hun­dert kam es zu ei­ner rich­tig­ge­hen­den Obe­lis­ken­in­fla­ti­on; zahl­lo­se Spitz­stei­ne wur­den nicht nur auf öf­fent­li­chen Plät­zen, son­dern auch auf Fried­hö­fen und in Land­schafts­gär­ten er­rich­tet.[10]

Luftbild des Washington Monument, 2003.

 

Auch im Nor­den hat man be­reits in vor­christ­li­cher Zeit Stei­ne auf­ge­rich­tet, bei­spiels­wei­se Ru­nen­stei­ne, Hü­nen­grä­ber und Ex­tern­stei­ne. Im nord­fran­zö­si­schen Car­nac wur­den im 3. Jahr­tau­send vor Chr., al­so in et­wa zur glei­chen Zeit wie die Py­ra­mi­den, Stein­rei­hen und Krei­se mit 3.000 Menhi­ren an­ge­legt. Im eng­li­schen Sto­ne­hen­ge ent­stand zur glei­chen Zeit die be­rühm­te Stein­set­zung, die as­tro­no­misch-as­tro­lo­gi­sche Funk­tio­nen er­fül­len soll­te. Im Raum Ko­blenz kann man auf den als „Ei­fel-Sto­ne­hen­ge“ be­zeich­ne­ten Go­lo­ring aus dem 7./8. Jahr­hun­dert v. Chr. ver­wei­sen, der ei­nen Durch­mes­ser von knapp 200 Me­tern be­sitzt. In sei­ner Mit­te stand ein acht bis zwölf Me­ter ho­her Kult­pfos­ten.[11]  Für Trier lässt sich ein kai­ser­zeit­li­cher Grab­hü­gel auf dem Pe­tris­berg an­füh­ren. Er hat ei­nen Durch­mes­ser von 51 Me­tern und wur­de mit dem Grab des le­gen­dä­ren Stadt­grün­ders Tre­be­ta iden­ti­fi­ziert, wor­auf ein aus dem 11. Jahr­hun­dert stam­men­des Grab­ge­dicht auf ei­ner Mar­mor­ta­fel ver­wies.[12]  Und nicht zu­letzt sei an die be­rühm­ten Hin­kel­stei­ne er­in­nert, die von ei­nem un­be­sieg­ba­ren Gal­li­er in ei­nem klei­nen gal­li­schen Dorf her­ge­stellt wur­den.[13]  Die­se führ­ten sie bei Spa­zier­gän­gen mit, ver­wen­de­ten sie als Wurf­ge­schos­se, und sie dien­ten ih­nen – wie der Cle­mens­brun­nen – als Ge­schenk.

Die Menhiren in Carnac, 2005.

 

Um nur noch ein pro­mi­nen­tes Bei­spiel her­aus­zu­grei­fen: 2005 wur­de mit­ten im Her­zen Ber­lins, in un­mit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft zum Reichs­tag  und zum Bran­den­bur­ger Tor, das viel­dis­ku­tier­te Denk­mal für die er­mor­de­ten Ju­den Eu­ro­pas ein­ge­weiht. Auf ei­ner Flä­che von 13.000 Qua­drat­me­tern sind 2.711 Ste­len auf­ge­stellt. Frei­lich zeig­te sich bald, wie sich das groß­städ­ti­sche Le­ben des Mo­nu­ments be­mäch­tig­te und sei­ne Funk­tio­nen ver­än­der­te; die Ste­len wur­den als Pick­nick­plät­ze, Son­nen­bän­ke und Sport­ge­rä­te ge­nutzt.[14]

Es gab und gibt so­mit ei­ne al­le Epo­chen und Län­der über­grei­fen­de Be­geis­te­rung der Mensch­heit für das Er­rich­ten von gro­ßen Stei­nen, die als Denk­mä­ler die­nen soll­ten. Die­se Mo­nu­men­te konn­ten mit un­ter­schied­li­chen In­hal­ten „auf­ge­la­den“ wer­den, er­füll­ten aber ver­gleich­ba­re Funk­tio­nen: Sie wur­den in der Ge­gen­wart für die Zu­kunft er­rich­tet, sie soll­ten die Leis­tun­gen der ge­gen­wär­ti­gen Ge­ne­ra­ti­on für die Nach­welt fest­hal­ten. Sie wa­ren da­bei so­wohl für die Ge­gen­wart als auch für die Zu­kunft ge­mein­schafts­stif­tend, weil sich die fol­gen­den Ge­ne­ra­tio­nen stets auch durch die Tra­di­ti­on, durch die mit Denk­mä­lern do­ku­men­tier­ten Leis­tun­gen ih­rer Vor­fah­ren, le­gi­ti­mie­ren konn­ten.[15]

Stonehenge in England, 2008.

 

Zum Zwei­ten ist zwi­schen der Ent­ste­hungs­ge­schich­te und der Re­zep­ti­ons­ge­schich­te der Denk­mä­ler zu un­ter­schei­den. Vie­le Bot­schaf­ten, die in Stein ge­hau­en oder in Erz ge­gos­sen wur­den, wa­ren bald nicht mehr zeit­ge­mäß oder in­ter­es­sier­ten die Nach­welt nicht mehr. Der rie­si­ge Denk­mal­park, der an die Schlacht von Ver­dun er­in­nert, ist heu­te weit­ge­hend ver­waist, weil die Ge­ne­ra­ti­on der Ve­te­ra­nen lang­sam aus­stirbt. Der Trie­rer Dom­stein, im 17. Jahr­hun­dert als sicht­ba­rer Be­weis für die spät­an­ti­ke Tra­di­ti­on des Trie­rer Do­mes vor dem Por­tal ab­ge­legt, wur­de im 19. Jahr­hun­dert mit ei­ner Le­gen­de ver­bun­den, wo­nach der arg­lis­tig ge­täusch­te Teu­fel den Stein nach dem Dom ge­wor­fen ha­ben soll. Heu­te dient er als Fo­to­staf­fa­ge für Tou­ris­ten und gilt als äl­tes­te Kin­der­rutsch­bahn der Welt.[16]

Goloring, Blick auf Wall und Graben vom nördlichen Eingang aus gesehen in Richtung Osten, 2005.

 

2.1 Mainz

Im zwei­ten Teil sol­len ei­ni­ge Ver­gleichs­bei­spie­le für den Ko­blen­zer Obe­lis­ken an­ge­führt wer­den, zu­nächst der Main­zer Neue Brun­nen oder auch Schön­born­brun­nen von 1726.[17]  Mainz be­saß meh­re­re öf­fent­li­che Brun­nen, dar­un­ter den Markt­brun­nen, 1526 von Erz­bi­schof Al­brecht von Bran­den­burg (ge­bo­ren 1490, Kur­fürst und Erz­bi­schof von Mainz 1514-1545) als Zei­chen sei­ner Stadt­herr­schaft auf dem Markt­platz vor dem Dom er­rich­tet,[18]  und den Neu­en Brun­nen, der 1726 an dem Neu­brun­nen­platz an der Gro­ßen Blei­che auf­ge­stellt wur­de. An­ge­fer­tigt hat ihn der Stadt­bau­meis­ter Jo­han­nes Weydt (Wirk­da­ten: 1705-1725). Das Blei­chen­vier­tel ist ei­ne groß an­ge­leg­te Stadt­er­wei­te­rung des 17. Jahr­hun­derts, die ent­lang der Gro­ßen, der Mitt­le­ren und der Hin­te­ren Blei­che bis zum Schloss ver­läuft.

Goloring, Standort des Kultpfostens, heutzutage markiert durch einen Fichtenstamm, 2005.

 

Bau­herr war Erz­bi­schof Jo­hann Phil­ipp von Schön­born (Epis­ko­pat 1642-1673), je­doch wur­de der Neu­brun­nen­platz erst von sei­nem Nef­fen Erz­bi­schof Lo­thar Franz von Schön­born (Epis­ko­pat 1693-1729 als Fürst­bi­schof  von Bam­berg, ab 1695 au­ßer­dem als Erz­bi­schof und Kur­fürst von Mainz) an­ge­legt.[19]  Der Na­me Schön­born lässt auf­hor­chen, Ver­tre­ter der Fa­mi­lie, die im 17./18. Jahr­hun­dert ei­ne gan­ze Rei­he von Bi­schofs­thro­nen in­ne hat­te, sind im gan­zen süd­west­deut­schen Raum als Bau­her­ren und Mä­ze­ne her­vor­ge­tre­ten.[20]  In Ko­blenz-Eh­ren­breit­stein er­in­nert das Di­kas­te­ri­al­ge­bäu­de an sie, in Trier die Pau­li­nus­kir­che und der Ge­orgs­brun­nen. In Mainz ließ der Nef­fe für sei­nen On­kel und sich Epi­ta­phi­en im Dom­chor er­rich­ten, so dass sich Par­al­le­len zwi­schen Brun­nen und Grab­denk­mä­lern auf­zei­gen las­sen, die als Herr­schafts­zei­chen im öf­fent­li­chen und im kirch­li­chen Raum dien­ten.[21]

Die Brun­nen­an­la­ge hat­te aber durch­aus auch ei­ne prak­ti­sche Auf­ga­be: Zur Was­ser­ver­sor­gung der Neu­stadt ließ der Kur­fürst 1726 von Bret­zen­heim aus ei­ne Was­ser­lei­tung bau­en, die als „Schön­born­sche Was­ser­ga­le­rie“ be­zeich­net wird. Auf dem Neu­brun­nen­platz wur­de ein Obe­lis­ken­brun­nen er­rich­tet, er be­steht aus ei­nem läng­s­ova­len, ge­schwun­ge­nen Be­cken und ei­nem Obe­lis­ken aus Sand­stein, um den vier Fi­gu­ren grup­piert sind; es han­del­te sich um Fluss­göt­ter, die 1828 durch Lö­wen er­setzt wur­den. Lei­der feh­len auch Wap­pen und ein Kur­hut, aber die um­fang­rei­che la­tei­ni­sche In­schrift ist er­hal­ten. Da­nach ist der Brun­nen zur Eh­re Got­tes, zur Zier­de der Stadt so­wie den Be­woh­nern, vor al­lem den Nach­barn, zum Wohl und zur Hil­fe ge­wid­met. Der er­ha­be­ne und ehr­wür­di­ge Fürst Lo­thar Franz ha­be 1726 ei­ne Was­ser­ader zum all­ge­mei­nen Bes­ten öff­nen las­sen. Al­le Durs­ti­gen kön­nen zu dem Was­ser kom­men, kön­nen es freu­dig schöp­fen und sol­len Gott prei­sen, der bei der Schöp­fung ei­nen Schatz an Was­ser ge­schaf­fen ha­be, der ein Brun­nen des flie­ßen­den Was­sers sei und der ins ewi­ge Le­ben mün­de. Es wird hier al­so nicht nur die Leis­tung des Stadt- und Lan­des­herrn her­vor­ge­ho­ben, son­dern auch der Neue Brun­nen über den Le­bens­brun­nen in heils­ge­schicht­li­che Zu­sam­men­hän­ge ein­ge­ord­net.[22]

Denkmal für die ermordeten Juden Europas, kurz Holocaust-Mahnmal genannt, Berlin, 2005.

 

Ganz an­ders als der Ko­blen­zer Obe­lisk ist der in Mainz mit Re­li­efs ge­ra­de­zu über­sät. Das Bild­pro­gramm der vier Sei­ten greift auf früh­neu­zeit­li­che Em­blem­bü­cher zu­rück. Die Süd­west­sei­te zeigt Sym­bo­le des Krie­ges und der Wach­sam­keit; sie ist den Schön­born­schen Bas­tio­nen zu­ge­wandt. Der Nord­os­ten, der auf das Rhein­ufer weist, zeigt Sym­bo­le des Han­dels und der Mä­ßi­gung, der Nord­wes­ten ist der Kunst und der Wis­sen­schaft ge­wid­met und der Süd­wes­ten zur Alt­stadt hin der gu­ten Re­gie­rung. Der Neue Brun­nen in Mainz kom­bi­niert so­mit ei­nen Obe­lis­ken mit ei­nem Brun­nen­be­cken, er ist an ei­ner städ­te­bau­lich her­vor­ge­ho­be­nen Stel­le an der Gro­ßen Blei­che po­si­tio­niert, und er wur­de im Zu­sam­men­hang mit der An­la­ge ei­ner Was­ser­lei­tung er­rich­tet. Die la­tei­ni­sche In­schrift und das ge­lehr­te Bild­pro­gramm ma­chen ihn zu ei­nem Mo­nu­ment der gu­ten Re­gie­rung des Kur­fürs­ten aus dem Hau­se Schön­born, das stets durch Mä­ze­na­ten­tum und Rom­treue her­vor­ge­tre­ten ist – in­so­fern ist der Neue Brun­nen, wie auch der Main­zer Markt­brun­nen mit sei­nen Hei­li­gen, ein Be­kennt­nis zur ka­tho­li­schen Re­li­gi­on. Hin­zu kommt si­cher­lich noch die Rol­le der Re­si­denz­stadt Mainz im po­li­ti­schen Ze­re­mo­ni­ell ei­nes geist­li­chen Kur­staa­tes.[23]  Die Stra­ßen und Plät­ze dien­ten als Büh­ne für fei­er­li­che Ein­rit­te und Hul­di­gun­gen,[24]  aber auch für die mit be­trächt­li­chem Auf­wand in­sze­nier­te Letz­te Rei­se des Kur­fürs­ten.[25]

Der Mainzer Neue Brunnen oder Schönbornbrunnen auf dem Neubrunnenplatz, errichtet 1726, 2009.

 

2.2 Trier

Über die Fra­ge, wer denn die Ro­ma se­c­un­da nörd­lich der Al­pen ist – Mainz, Trier oder gar Köln –, wur­de seit dem ho­hen Mit­tel­al­ter ge­strit­ten. Selbst­ver­ständ­lich konn­te Trier hin­ter Mainz nicht zu­rück­ste­hen, zu­mal das Kur­fürs­ten- und Erz­bis­tum eben­falls von ei­nem Schön­born, von Franz Ge­org, re­giert wur­de. Al­so be­kam auch Trier ei­nen Obe­lis­ken. Wie Mainz be­saß Trier ei­nen Markt­brun­nen, 1596 un­ter Erz­bi­schof  Ja­kob von Schö­nen­burg an­stel­le des go­ti­schen Pe­trus­brun­nens er­rich­tet. We­ni­ge Jah­re zu­vor hat­te der Kur­fürst vor dem Reichs­kam­mer­ge­richt den Pro­zess um die Reichs­un­mit­tel­bar­keit  der Stadt Trier ge­won­nen und zu­dem die Re­for­ma­ti­on nie­der­ge­schla­gen so­wie die Re­for­men des Kon­zils von Tri­ent (1545-1563) in sei­nem Ter­ri­to­ri­um um­ge­setzt. Der Pe­trus­brun­nen ist al­so eben­falls ein lan­des­herr­li­ches Mo­nu­ment, wel­ches die von den vier Kar­di­nal­tu­gen­den re­gier­te und un­ter dem hei­li­gen Pe­trus ste­hen­de Stadt­herr­schaft ver­bild­licht.[26]

Im 18. Jahr­hun­dert ist Kur­fürst Franz Ge­org von Schön­born nicht nur durch den Neu­bau der Stifts­kir­che St. Pau­lin her­vor­ge­tre­ten,[27]  son­dern auch durch die An­la­ge des Ge­orgs­plat­zes, des heu­ti­gen Korn­mark­tes. Franz Ge­org ver­such­te, die fünf Trie­rer Jahr­märk­te durch zwei Mes­sen nach Frank­fur­ter Vor­bild zu er­set­zen und ließ da­zu ei­nen Platz pla­nen, den Neu­en Markt oder St. Ge­orgs-Markt, der durch die neu an­ge­leg­te Seitz­stra­ße mit dem kur­fürst­li­chen Pa­last ver­bun­den wur­de. Am Korn­markt be­fand sich das Rat­haus, das 1736 um­ge­baut wor­den war.

Westansicht des Trierer Sankt Georgsbrunnen; Rokokobrunnen mit Darstellungen der vier Jahreszeiten und des heiligen Georg als Drachentöter auf Obelisk, 1749, Architekt Johannes Seiz, Bildhauer Joseph Amlinger, Steinhauer Micheln Schmitt und Johannes Steinem, 2010.

 

Um den neu­en Platz und die pro­jek­tier­te Be­bau­ung mit Was­ser zu ver­sor­gen, wur­de die Was­ser­lei­tung vom Her­ren­brünn­chen zum Haupt­markt an­ge­zapft, doch lie­fer­te die­se nicht ge­nug Was­ser, so dass wei­te­re Bau­maß­nah­men er­for­der­lich wur­den. In den Jah­ren 1749 bis 1759 wur­de der Ge­orgs­brun­nen er­rich­tet, ei­ne vier­sei­ti­ge ge­schwun­ge­ne Brun­nen­scha­le mit ei­nem Durch­mes­ser von zehn Me­tern, in de­ren Mit­te sich ein knapp elf Me­ter ho­her Obe­lisk er­hebt. An der Schau­sei­te ist ein Über­lauft­rog an­ge­bracht. In der Mit­te des Be­ckens er­hebt sich der Brun­nen­stock, der in ei­nen drei­ge­teil­ten Obe­lisk mün­det, wel­cher von ei­ner Fi­gur des hei­li­gen Ge­org be­krönt wird. Die Ar­chi­tek­tur ruht auf ei­nem im Was­ser ste­hen­den So­ckel. An des­sen vier Ecken ha­ben Fi­gu­ra­tio­nen der vier Jah­res­zei­ten Platz ge­nom­men: Der Früh­ling hält Blu­men in den Hän­den, der eben­falls als Frau dar­ge­stell­te Som­mer ein Gar­ben­bün­del, der Herbst mit Wein­re­ben und Be­cher ist ein Mann, eben­so der Win­ter, ein al­ter Mann mit Feu­er­scha­le und Man­tel. Die vier Jah­res­zei­ten sym­bo­li­sie­ren, eben­so wie die vier Him­mels­rich­tun­gen, die vier Tem­pe­ra­men­te und die vier Kar­di­nal­tu­gen­den, die Ord­nung der Welt, für die der pflicht­be­wuss­te Lan­des­herr sorgt.[28]  Dass der hei­li­ge Ge­org auf dem Brun­nen dar­ge­stellt ist, könn­te Zu­fall sein, der Dra­chen­tö­ter zähl­te zu den 14 Not­hel­fern. Da aber am Hoch­al­tar der von Franz Ge­org von Schön­born er­rich­te­ten Kir­che St. Pau­lin der hei­li­ge Fran­zis­kus und der hei­li­ge Ge­org zu fin­den sind, ist an­zu­neh­men, dass der Ge­orgs­brun­nen den Na­men sei­nes Bau­herrn ver­ewi­gen soll­te.[29]  Als Ver­gleichs­bei­spiel ist Fürst­bi­schof Fried­rich Karl von Schön­born (1729-1747) zu nen­nen, der auf den Brü­cken von Würz­burg und Bam­berg Fi­gu­ren der Hei­li­gen Fried­rich und Karl als Brü­cken­hei­li­ge auf­stel­len ließ.

Petrusbrunnen auf dem Hauptmarkt in Trier, manieristische Brunnenanlage, gegen 1595 von Hans Rupprecht Hoffmann, 2008.

 

Zwi­schen den Per­so­ni­fi­ka­tio­nen der vier Jah­res­zei­ten sind Kar­tu­schen für Wap­pen und In­schrif­ten an­ge­bracht. Durch ih­re Pracht her­vor­ge­ho­ben ist die­je­ni­ge an der Schau­sei­te, wo der Wap­pen­schild von zwei Lö­wen prä­sen­tiert wird, die gleich­zei­tig als Was­ser­spei­er die­nen. Be­son­de­res Au­gen­merk ver­die­nen zwei Kar­tu­schen an der Nord- be­zie­hungs­wei­se Süd­sei­te des Brun­nens. An der Nord­sei­te ist zu le­sen: ‚Trie­rer, da ich auf Be­fehl mit­tels dei­nes Gel­des in die Stadt ge­lei­tet wer­de, ste­he ich als Was­ser­göt­tin The­tis dei­nen Wün­schen zu Diens­ten’.[30]  An der Süd­sei­te steht: ‚Die­ses Werk er­rich­te­te die Sorg­falt des Trie­rer Se­nats, ver­langst Du die Na­men zu wis­sen, so be­trach­te die Wap­pen­schil­de, dann wirst Du sie er­fah­ren.’ Bei­de In­schrif­ten ent­hal­ten Chro­no­sti­chen, aus de­nen sich die Jah­res­zahl 1750 er­rech­nen lässt. Die Wap­pen sind an der vier­ten Sei­te an­ge­bracht, al­ler­dings sind die 33 Schil­de leer. Ihr Aus­se­hen lässt sich je­doch er­schlie­ßen, denn die An­ord­nung ent­spricht ei­nem Sche­ma der Prä­sen­ta­ti­on der Wap­pen von Erz­bi­schof, Statt­hal­ter, Bür­ger­meis­ter und Rats­her­ren, wie sie sich auf den vier Wap­pen­ta­feln in der Rats­her­ren­trink­stu­be im Her­ren­brünn­chen fin­den.[31]

In Trier ist al­so der glei­che Kon­text von Stadt­pla­nung, Was­ser­ver­sor­gung und kur­fürst­li­cher Re­prä­sen­ta­ti­on, von Rom­ver­weis und Be­kennt­nis zur ka­tho­li­schen Sa­che wie in Mainz fest­zu­stel­len, nur die künst­le­ri­sche Lö­sung ist ei­ne an­de­re, kei­ne Re­li­efs, da­für ein um­fang­rei­ches In­schrif­ten- und Wap­pen­pro­gramm. Der Zu­sam­men­hang von Brun­nen an öf­fent­li­chen Plät­zen und Grab­mä­lern in kirch­li­chen Räu­men soll we­nigs­tens an ei­nem Bei­spiel aus­ge­führt wer­den: Im Trie­rer Dom be­fin­det sich das Grab­mal des 1768 ge­stor­be­nen Kur­fürs­ten Jo­hann Phil­ipp von Wal­der­dorff. Er liegt auf ei­ne­m ­Mar­mor­sar­ko­phag und liest in ei­nem Buch, be­rei­tet sich durch die from­me Lek­tü­re auf sei­nen Tod vor. Da­hin­ter be­fin­det sich ein Obe­lisk, auf dem die Wor­te ste­hen: Ec­ce ho­ra est. Sie ge­hö­ren zu ei­nem Kno­chen­mann mit Sen­se, der an der Sei­te steht, auf den Kur­fürs­ten weist und auf des­sen Sterb­lich­keit und Ver­gäng­lich­keit auf­merk­sam macht. Im Ge­gen­zug hebt das dau­er­haf­te Ma­te­ri­al Mar­mor, aus dem der Sar­ko­phag, die Lie­ge­fi­gur und der Obe­lisk ge­schaf­fen sind, den Ewig­keits­an­spruch des Kur­fürs­ten her­vor.[32]  Ein Ver­gleichs­bei­spiel ist das Epi­taph  des Dom­props­tes Karl Em­me­rich Franz von Breid­bach-Bür­res­heim (ge­stor­ben 1743) im Main­zer Dom.[33]  Wenn wir wei­ter su­chen, fin­den wir in Trier noch Obe­lis­ken am Al­ler­hei­li­gen­al­tar des Erz­bi­schof­s Lo­thar von Met­ter­nich und am Drei­kö­nigs­al­tar Phil­ipp Chris­tophs von Sö­tern  o­der auf de­m ­ge­druck­ten ­Me­mo­ri­al-Ka­len­da­ri­um Jo­hann Hu­go von Ors­becks;[34]  sie wa­ren so­mit ein fes­ter ­Be­stand­teil der ka­tho­li­schen Fu­n­e­ral­sym­bo­lik.

Die Kirche St. Paulin in Trier, 2008.

 

Man soll­te die­se Be­fun­de nicht über­be­wer­ten, da sich nicht aus­schlie­ßen lässt, dass man Obe­lis­ken aus Mus­ter­bü­chern über­nahm oder dass die­se auch als aus­schlie­ß­lich de­ko­ra­ti­ve Ele­men­te ver­wen­det wer­den konn­ten; et­wa wa­ren im 18. Jahr­hun­dert mit Ent­fer­nungs- und Rich­tungs­an­ga­ben ver­se­he­ne Mei­len­stei­ne in Form von Obe­lis­ken weit ver­brei­tet.[35]  Aber ge­ra­de für das 18. Jahr­hun­dert er­scheint mir der Kon­nex zwi­schen Obe­lisk, Rom­ver­weis und ka­tho­li­scher Kon­fes­si­on für die geist­li­chen Ter­ri­to­ri­en des Rhein­lan­des evi­dent. Stüt­zen lässt sich die­se The­se im Üb­ri­gen durch die In­schrif­ten, die in Ko­blenz, Mainz und Trier in la­tei­ni­scher Spra­che ab­ge­fasst sind. Seit dem 16. Jahr­hun­dert grenz­ten sich ka­tho­li­sche Herr­schaf­ten da­durch von evan­ge­li­schen Ter­ri­to­ri­en ab. Dass die oft­mals kunst­voll ge­reim­ten und mit Chro­no­gram­men ver­se­he­nen Tex­te von Epi­ta­phi­en und Brun­nen nur ei­nem klei­nen Le­ser­kreis ver­ständ­lich wa­ren, nahm man bil­li­gend in Kauf.[36]

Marktplatz mit Rathaus und Marktfontaine in Bonn, Photochromdruck, um 1900.

 

2.3 Bonn

Die kur­k­öl­ni­sche Re­si­denz­stadt Bonn be­sitzt eben­falls zwei Platz­an­la­gen, den Müns­ter­platz und den lang ge­streck­ten Markt­platz. Am Markt­platz wur­de 1737 ein re­prä­sen­ta­ti­ves Rat­haus mit ei­ner Ro­ko­ko­fas­sa­de und ei­ner ho­hen Frei­trep­pe er­rich­tet, das an die For­men­spra­che des Schlos­ses in Brühl an­knüpft und die Stirn­sei­te des lang ge­zo­ge­nen Plat­zes be­herrscht. Auf dem Markt­platz gab es spä­tes­tens seit dem 16. Jahr­hun­dert ei­nen Brun­nen, der 1727 ab­ge­bro­chen wer­den muss­te. 1777 wur­de durch Kur­fürs­t Ma­xi­mi­li­an Fried­rich von Kö­nigs­egg ein neu­er Brun­nen in Form ei­nes Obe­lis­ken er­rich­tet. Er steht auf ei­nem reich ge­glie­der­ten So­ckel und ist mit Fes­tons ver­ziert. Zu ihm ge­hö­ren zwei klei­ne, ova­le Was­ser­be­cken mit Schlan­gen. Ei­ne la­tei­ni­sche In­schrift be­rich­tet, der Brun­nen sei von Rat und Be­völ­ke­rung der Stadt Bonn aus Dank­bar­keit und zu Eh­ren des Kur­fürs­ten er­rich­tet wor­den. Die­ser ha­be die Rech­te des Ra­tes ge­schützt, die Bür­ger bei Miss­ern­ten mit Ge­trei­de ver­sorgt, die Stadt durch den Bau ei­nes Ar­men­hau­ses von Mü­ßig­gän­gern be­freit und ei­ne Aka­de­mie ge­grün­det. Da gleich­zei­tig der Bon­ner Rat we­gen der Bau­las­ten pro­tes­tier­te und auf sei­ne an­ge­spann­te fi­nan­zi­el­le La­ge ver­wies, wird man die In­schrift – wie die an­de­ren auch – nicht ganz wört­lich neh­men dür­fen.[37]

Kurfürstliches Schloss Bonn, Hauptgebäude der Bonner Universität, Photochromdruck, um 1900.

 

An dem Obe­lis­ken sind die In­schrif­ten Man­su­etu­di­ne und Jus­ti­tia, al­so durch Mil­de und durch Ge­rech­tig­keit, an­ge­bracht; die Ge­rech­tig­keit be­darf als Kor­rek­tiv der Sanft­mut und die Sanft­mut be­nö­tigt zum Aus­gleich die Ge­rech­tig­keit. Die­se De­vi­sen fin­den sich auch auf Mün­zen und Me­dail­len des Kur­fürs­ten. Wei­ter liest man De­co­ri ur­bis – zum Schmuck der Stadt. Lei­der wur­de der Brun­nen in der Re­vo­lu­ti­ons­zeit – ähn­lich wie in an­de­ren Städ­ten – er­heb­lich be­schä­digt, et­wa ging der be­krö­nen­de Kur­hut ver­lo­ren. Ein Kup­fer­stich nach Franz Du­puis von 1790 nach ei­nem Ge­mäl­de von François Rous­seau und ein Guck­kas­ten­bild von Bal­tha­sar Fried­rich Lei­zel(t) (1755-1812), ent­stan­den nach 1777, zei­gen, dass der Brun­nen zum Schutz vor Ver­un­rei­ni­gung und Van­da­lis­mus – de­nen ge­ra­de Herr­schafts­zei­chen im öf­fent­li­chen Raum in be­son­de­rer Wei­se aus­ge­setzt wa­ren – von ei­nem Git­ter um­ge­ben war. Schlie­ß­lich zeigt ein um 1790 ent­stan­de­nes Ge­mäl­de aus der Werk­statt von Rous­seau, wel­che Rol­le der Platz im kur­fürst­li­chen Ze­re­mo­ni­ell bei ei­nem fei­er­li­chen Ein­zug des Ko­ad­ju­tor­s Ma­xi­mi­li­an Franz von Ös­ter­reich ge­spielt hat.[38]

Poppelsdorfer Schloss, auch Clemensruh genannt, Bonn, Druck nach Aquarellen von Laurenz Janscha aus dem Sommer 1792, 1798.

 

Auf den städ­te­bau­li­chen und den po­li­ti­schen Kon­text des Bon­ner Markt­brun­nens, wie ihn die In­schrift an­deu­tet, soll kurz hin­ge­wie­sen wer­den. Da­s Kur­fürs­ten­tum Köln wur­de in den Jah­ren 1583 bis 1761 von Kur­fürs­ten aus dem Hau­se Wit­tels­bach re­giert, von de­nen ins­be­son­de­re Cle­mens Au­gust durch au­ßer­or­dent­li­che Pracht­ent­fal­tung und in­ten­si­ve Bau­tä­tig­keit her­vor­ge­tre­ten ist. Es ent­stan­den nicht nur prunk­vol­le Prof­an­bau­ten wie das kur­fürst­li­che Schloss am Bon­ner Hof­gar­ten, das Pop­pels­dor­fer Schloss Cle­mens­ru­he und Au­gus­tus­burg bei Brühl so­wie das Jagd­schloss Her­zogs­freu­de im Kot­ten­forst, son­dern auch be­deu­ten­de Kir­chen­bau­ten wie die Kir­che auf dem Kreuz­berg in Bonn. Sicht­ach­sen wie die Pop­pels­dor­fer Al­lee ver­ban­den die Schlös­ser, das Jagd­schloss und die Kreuz­berg­kir­che mit­ein­an­der. In die­ses städ­te­bau­li­che Ge­samt­kon­zept ge­hö­ren auch der Markt­platz, das neue Rat­haus, der Brun­nen von 1777 und die Stadt­be­leuch­tung von 1782.[39]  1761 wur­de Ma­xi­mi­li­an Fried­rich von Kö­nigs­egg zum Kur­fürs­ten ge­wählt, ein Ver­tre­ter des auf­ge­klär­ten Ab­so­lu­tis­mus, der die Re­gie­rungs­ge­schäf­te je­doch weit­ge­hend sei­nem Hof­kam­mer­prä­si­den­ten, Ge­hei­men und Kon­fe­renz­mi­nis­ter Cas­par An­ton Reichs­graf von Bel­der­busch über­ließ. Die­ser ­kon­so­li­dier­te die Staats­fi­nan­zen und setz­te – zum Teil mit mas­si­ven Ein­grif­fen in die Kom­pe­ten­zen des Stadt­ra­tes und der Zünf­te – ein um­fang­rei­ches Re­form­pro­gramm al­ler Be­rei­che der „Po­li­zey“ um, wo­zu die Ein­füh­rung der Reichs­zunf­tord­nung 1772, die Neu­re­ge­lung der Ar­men­für­sor­ge, die Er­rich­tung ei­nes Ar­beits­hau­ses 1774 so­wie 1783 die Grün­dung der Aka­de­mie und dann 1786 der Uni­ver­si­tät Bonn ge­hör­ten. Die­ser Po­li­tik setz­te der Brun­nen auf dem Mark­platz ein Denk­mal.[40]

Schloss Herzogsfreude, Bonner Kottenforst, war bereits im Jahr 1810 komplett abgerissen, Druck nach Aquarellen von Laurenz Janscha aus dem Sommer 1792, 1798.

 

2.4 Würzburg

Ei­nen wei­te­ren Schön­born­brun­nen mit ei­nem Obe­lis­ken und den vier Kar­di­nal­tu­gen­den ent­warf Lu­kas An­ton van der Au­we­ra (1710-1766) im Auf­trag des Fürst­bi­schofs für den Platz vor dem Würz­bur­ger Rat­haus. Stär­ker noch als Ko­blenz, Trier, Mainz und Bonn ist Würz­burg im 18. Jahr­hun­dert als Kunst­me­tro­po­le her­vor­ge­tre­ten. Fürst­bi­schof Jo­hann Phil­ipp Franz von Schön­born (Epis­ko­pat 1719-1724) be­gann 1719 ei­nen Neu­bau der Re­si­denz, der 1744 un­ter Fürst­bi­schof Fried­rich Karl von Schön­born (Epis­ko­pat 1729-1746) zum Ab­schluss kam. Die pracht­vol­le In­nen­aus­stat­tung zog sich bis 1779 hin. Par­al­lel da­zu wur­de ab 1701 der Dom ba­ro­cki­siert, der ab 1750 ei­nen neu­en Chor und die Schön­born­ka­pel­le er­hielt. Würz­burg be­sitzt gleich zwei Obe­lis­ken­brun­nen, von de­nen der ei­ne klas­si­zis­ti­sche am Un­te­ren Markt­platz al­ler­dings erst 1802 von Jo­hann An­dre­as Gärt­ner (1744-1826), der zu­vor kur­trie­ri­scher Hof­bau­di­rek­tor in Ko­blenz war, er­rich­tet wur­de. Die an­ti­ki­sie­ren­den Re­li­efs stam­men von 1881.[41]

Der Vier­röh­ren­brun­nen wur­de von Fürst­bi­schof Adam Fried­rich von Seins­heim (Epis­ko­pat 1755-1779) in Auf­trag ge­ge­ben. Die­ser voll­ende­te, nach­dem sich das Land von den Schä­den des Sie­ben­jäh­ri­gen Krie­ges er­holt hat­te, die Aus­stat­tung des Würz­bur­ger Schlos­ses und war ab 1757 auch Bi­schof des von der Bau­tä­tig­keit der Schön­born ge­präg­ten Bam­berg. 1733 er­teil­te Fürst­bi­schof Fried­rich Karl von Schön­born (Epis­ko­pat 1729-1746) dem be­kann­ten Bau­meis­ter Bal­tha­sar Neu­mann den Auf­trag, ei­ne Was­ser­lei­tung zur Ver­sor­gung der Stadt Würz­burg zu er­rich­ten. Sie soll­te fri­sches Quell­was­ser her­bei­füh­ren und in meh­re­re Röh­ren- und Spring­brun­nen mün­den. Bei dem Pro­jekt stand zu­nächst die För­de­rung der Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung, der Re­si­denz und der Gar­ni­son durch sau­be­res Trink­was­ser im Vor­der­grund, doch ge­wann bald der städ­te­bau­li­che As­pekt ein ho­hes Ei­gen­ge­wicht. Im glei­chen Jahr noch konn­te das Pro­jekt ab­ge­schlos­sen wer­den.[42]  1741 wur­de das Lei­tungs­netz durch Neu­mann und den Brun­nen­meis­ter Adam Mar­tin Chris­ti­an Tim­ler für den statt­li­chen Be­trag von über 10.000 Gul­den ver­bes­sert, wo­bei man vor al­lem die ver­rot­te­ten Holz- durch Blei­roh­re er­setz­te.[43]  An ei­nem zen­tra­len Platz vor dem Rat­haus, dem Gra­fen­eck­art mit sei­nem 55 Me­ter ho­hen ro­ma­ni­schen Turm, und in der Nä­he der Main­brü­cke wur­de ein Lauf­brun­nen er­rich­tet. Er er­hielt ei­ne Brun­nen­säu­le, auf der der Lö­we der Schön­born ein Wap­pen Erz­bi­schofs Fried­rich Karl prä­sen­tier­te. Nach sei­nen vier Aus­läu­fen hieß er von An­fang an Vier­röh­ren­brun­nen.[44]

Aus ei­nem Be­richt an den ab­we­sen­den Fürst­bi­schof er­fährt man, dass sich die Bür­ger über den neu­en Brun­nen sehr ge­freut hät­ten, sie sei­en mit Krü­gen, Glä­sern und Büt­ten her­bei­ge­eilt und wür­den aus dem Brun­nen trin­ken, als lau­fe­te Wein her­aus.[45]  Frei­lich hielt die Freu­de nicht lan­ge vor: Be­reits 1734 hat­ten die Mäg­de Wasch­bän­ke auf­ge­stellt, an­de­re Be­woh­ner wu­schen ih­re Fü­ße im Brun­nen, aber auch ihr Ge­schirr und ih­re Klei­der. Der Rat hing Ver­bots­ta­feln auf, führ­te ei­ne Geld­stra­fe für das Wä­sche­wa­schen ein, er­wog 1755 so­gar ei­ne Ver­git­te­rung und ent­sand­te 1758 ei­nen Auf­se­her, der aber un­ter dem Über­mut der Ju­gend­li­chen zu lei­den hat­te, die den Brun­nen für Turn­übun­gen nutz­ten.[46]  Ähn­li­che Kon­flik­te sind auch für an­de­re Städ­te be­legt und er­mög­li­chen ei­nen will­kom­me­nen Hin­weis dar­auf, dass das Ver­hält­nis zwi­schen den Po­ten­ta­ten und ih­ren Un­ter­ta­nen doch nicht so span­nungs­frei war, wie es uns die Me­di­en der po­li­ti­schen Pro­pa­gan­da, zu de­nen auch die Brun­nen ge­hö­ren, glau­ben ma­chen wol­len. Ne­ben den Brun­nen dien­ten auch in den an­de­ren Städ­ten zahl­rei­che Wap­pen­ta­feln und ins­be­son­de­re in den geist­li­chen Ter­ri­to­ri­en die Dom­her­ren­ka­len­der als Me­di­en der Selbst­dar­stel­lung ei­ner tra­di­tio­nel­len und zu­dem re­li­gi­ös le­gi­ti­mier­ten po­li­ti­schen und ge­sell­schaft­li­chen Ord­nung.[47]

Drei Jahr­zehn­te spä­ter wur­de ei­ne auf­wen­di­ge Neu­ge­stal­tung des Vier­röh­ren­brun­nens be­schlos­sen. 1759 sind Schä­den über­lie­fert. Man woll­te je­doch kei­ne Re­pa­ra­tur, son­dern ei­nen neu­en und grö­ße­ren Brun­nen, wo­bey es auf die Kos­ten nicht an­zu­kom­men ha­be, auf die­sem of­fe­nen und gro­ßen Stadt­platz et­was an­sehn­li­ches so­wohl als dem ge­mei­nen Weesen nütz­li­ches Werck her­zu­stel­len. Ei­ne ähn­li­che For­mu­lie­rung fin­det sich in Bam­berg. Hier ver­han­del­te 1697/1699 Fürst­bi­schof Lo­thar Franz von Schön­born mit dem Stifts­ka­pi­tel von St. Ste­phan über die Ab­tre­tung von zwei Quel­len, die für den zum all­ge­mei­nen statt­nut­zen wie­der­er­ho­be­nen spring­bron­nen auf dem markt be­nö­tigt wur­den.[48]

Ähn­li­che Ar­gu­men­te fin­den sich auch in der Lei­chen­pre­digt für den Main­zer Kur­fürs­ten Lo­thar Franz von Schön­born von 1729, die die Er­rich­tung des Neu­en Brun­nens her­vor­hebt und ihn in An­leh­nung an Exo­dus 17, 3-7 so­gar mit Mo­ses ver­gleicht, der Was­ser aus dem Berg Ho­reb schlug, um das Volk Is­ra­el auf sei­nem Zug ins ge­lob­te Land zu trän­ken. Auch der Kur­fürst ließ ei­ne reich­li­che Quell ei­nes fri­schen ge­sun­den har­ten Was­sers, wel­ches Er zum all­ge­mei­nen bes­ten Nutz und Trost sei­nes Volks, zur Zier­de und Wohl­fahrt der gant­zen Stadt auch mit gros­ser Mü­he und schwe­ren Kos­ten las­sen her­ein lei­ten … wo sich an­jet­zo Men­schen und Vieh er­qui­cken.[49]

In Würz­burg war zu­nächst ein Brun­nen mit ei­ner Fi­gur des Fran­ken­hei­li­gen Ki­li­an ge­plant. Dann zog man ei­ne Fi­gur des Dio­ge­nes in Er­wä­gung, die gleich­zei­tig mit ei­ner La­ter­ne den Platz be­leuch­ten soll­te. Der Sie­ben­jäh­ri­ge Krieg ver­hin­der­te wei­te­re Pla­nun­gen. 1762 wur­den die vier Be­cken fer­tig­ge­stellt und die Fra­ge der Brun­nen­fi­gur er­neut dis­ku­tiert. 1763 leg­te Brun­nen­meis­ter Tim­ler ei­nen Ent­wurf vor, der noch kei­nen Obe­lis­ken, aber vier Kar­di­nal­tu­gen­den mit Füll­hör­nern, vier At­lan­ten, Re­li­efs und Put­ten mit Wein­trau­ben so­wie ei­ne be­krö­nen­de Fi­gur der Fran­ko­nia vor­sah. Ge­neh­migt wur­de schlie­ß­lich ein Ent­wurf, den der Bild­hau­er und Bau­meis­ter Lu­kas An­ton van der Au­we­ra, Sproß ei­ner weit­ver­zweig­ten Bild­hau­er­fa­mi­lie und er­fah­re­ner Brun­nen­bau­er, dem Rat vor­leg­te.[50]  Die si­gnier­te Zeich­nung ist er­hal­ten.

Bis 1765 mach­ten die Ar­bei­ten gu­te Fort­schrit­te, doch dann war der Ober­rats­prä­si­dent Phil­ipp An­ton Chris­toph Ernst von Gut­ten­berg der Mei­nung, die Be­cken sei­en zu klein, und ließ neue Plä­ne ent­wer­fen, wo­nach die vier Be­cken zu ei­nem gro­ßen zu­sam­men­ge­fasst und der Obe­lisk um vier Fuß ge­kürzt wer­den soll­ten. Der Ober­rat war für die Po­li­zey, für das Zunft- und Markt­we­sen zu­stän­dig. Im Ge­gen­satz zu dem Stadt­rat (Un­ter­rat) setz­te er sich aus dem Se­ni­or des Dom­ka­pi­tels, drei Dom- und drei Stifts­her­ren, dem äl­te­ren Bür­ger­meis­ter, zwei Mit­glie­dern des Ra­tes und drei Zunft­ver­tre­tern zu­sam­men.[51]  Der neue Vier­röh­ren­brun­nen wur­de nicht von Au­we­ra, son­dern von sei­nem Mit­ar­bei­ter, dem spä­te­ren Hof­bild­hau­er Pe­ter Wag­ner (1730-1809) um­ge­setzt.[52]  1766 wur­den die Ar­bei­ten ab­ge­schlos­sen und der Brun­nen – wie vie­le an­de­re auch – mit Pfos­ten und ei­ser­nen Ket­ten ge­schützt, um Be­schä­di­gun­gen zu ver­mei­den.[53]

Der Vier­röh­ren­brun­nen greift auf den 1711 vor dem Pan­the­on er­rich­te­ten Brun­nen zu­rück, auf dem der 1575 aus­ge­gra­be­ne ägyp­ti­sche Obe­lis­co Ma­cue­to plat­ziert wur­de. Der Vier­röh­ren­brun­nen weist zu­dem zahl­rei­che Par­al­le­len zu dem we­ni­ge Jah­re zu­vor in Trier er­rich­te­ten Ge­orgs­brun­nen auf, den er aber in sei­ner Ele­ganz bei wei­tem in den Schat­ten stellt. In ei­nem ge­schwun­ge­nen Brun­nen­trog er­hebt sich ein So­ckel mit In­schrif­ten­kar­tu­schen und vier was­ser­spei­en­den Del­phi­nen. Auf dem So­ckel sind ne­ben dem Obe­lis­ken die vier Kar­di­nal­tu­gen­den Stär­ke, Klug­heit, Mä­ßig­keit und Ge­rech­tig­keit plat­ziert. An dem Obe­lis­ken ist ei­ne ele­gan­te, von En­geln prä­sen­tier­te Kar­tu­sche mit dem Wap­pen der Stadt an­ge­bracht, In­schrif­ten mit Chro­no­gram­men hal­ten Na­men und Ti­tel des Ober­rats­prä­si­den­ten Phil­ipp An­ton Chris­toph Ernst von Gut­ten­berg, Dom­ka­pi­tu­lar und Stifts­herr von Bam­berg, Würz­burg und Com­burg (Schwä­bisch Hall), und das Jahr 1765 so­wie das Jahr der Re­stau­rie­rung 1796 und den Na­men des Ober­rats­prä­si­den­ten von Heu­ß­lein (1755-1830) fest. Auf der Spit­ze steht ei­ne Fi­gur. Es han­delt sich um kei­nen Hei­li­gen und auch um kei­ne Ge­stalt aus der an­ti­ken My­tho­lo­gie, son­dern um Fran­ko­nia, ei­ne Per­so­ni­fi­ka­ti­on des Her­zog­tums Fran­ken, mit der frän­ki­schen Fah­ne und dem Her­zogs­schwert in den Hän­den; sie trägt ei­nen Her­zogshut und ei­nen Her­me­lin­man­tel.[54]  Das Her­zog­tum (und da­mit auch die Stadt Würz­burg) steht un­ter der Re­gie­rung des von den Kar­di­nal­tu­gen­den ge­lei­te­ten Fürst­bi­schofs. Der Brun­nen ist ein Mo­nu­ment sei­ner Lan­des­herr­schaft, die sich durch Be­stän­dig­keit, Frei­gie­big­keit und Tu­gend aus­zeich­net. Auch hier ist er ein Herr­schafts­zei­chen, das al­ler­dings jetzt dem Am­t  und der Per­son des Ober­rats­prä­si­den­ten ei­ne pro­mi­nen­te Stel­lung ein­räumt.[55]

Der Vierröhrenbrunnen in Würzburg, erbaut von Lukas Anton von der Auwera auf dem Platz vor dem Würzburger Rathaus, 2004.

 

2.5 Fulda

Ful­da be­sitzt gleich drei Obe­lis­ken, zwei am Dom und ei­nen vor der Stadt­pfarr­kir­che St. Bla­si­us. Bei den Obe­lis­ken am Dom han­delt es sich um ein Paar, sie be­fin­den sich nicht im Zen­trum ei­nes Plat­zes und die­nen auch nicht als Brun­nen, son­dern sie ste­hen ein­fach nur ne­ben der Kir­che. Ful­da un­ter­schei­det sich von Trier und Mainz, von Ko­blenz und Bonn da­durch, dass es zu­nächst kei­ne Ka­the­dral- be­zie­hungs­wei­se Re­si­denz­stadt war, son­dern Sitz ei­ner Ab­tei, frei­lich ei­ner der äl­tes­ten, grö­ß­ten und ver­mö­gends­ten im Reichs­ge­biet: Die 744 von dem hei­li­gen Bo­ni­fa­ti­us ge­grün­de­te Ab­tei un­ter­stand di­rekt dem Papst, und sie be­saß mit der um 800 er­bau­ten Rat­gar-Ba­si­li­ka, die sich St. Pe­ter in Rom zum Vor­bild nahm, ei­nen der grö­ß­ten Kir­chen­bau­ten nörd­lich der Al­pen.

Nach­dem der Fürst­abt Pla­ci­dus von Dros­te (1678-1700) spar­sam ge­wirt­schaf­tet hat­te, konn­te sein Nach­fol­ger Adal­bert von Schleifras (1700-1714) ei­nen Neu­bau der an­geb­lich bau­fäl­li­gen Rat­gar-Ba­si­li­ka vor­neh­men. Als Bau­meis­ter konn­te der zu­vor für die Schön­born in Bam­berg tä­ti­ge Jo­hann Dient­zen­ho­fer (1663-1726) ge­won­nen wer­den, der für den Fürst­abt auch gleich das Ful­da­er Stadt­schloss und Schloss Bie­ber­stein er­rich­te­te. Zeit­gleich mit der Ba­ro­cki­sie­rung des Würz­bur­ger Do­mes, in be­wuss­ter An­leh­nung an den Pe­ters­dom und un­ter Ver­wen­dung der For­men­spra­che des rö­mi­schen Ba­rock ent­stand in kür­zes­ter Zeit ei­ne drei­schif­fi­ge Pfei­ler­ba­si­li­ka mit zwei Quer­häu­sern. Das Lang­haus ist fast 100 Me­ter lang. Im Os­ten lie­gen die bei­den 65 Me­ter ho­hen Fas­sa­den­tür­me, an die zwei Kup­pel­ka­pel­len, die An­dre­as­ka­pel­le und die Jo­han­ne­s­ka­pel­le, an­ge­baut sind. Be­reits 1707 war der Bau fer­tig­ge­stellt und 1708 das Dach voll­endet. 1712 wur­de die Kir­che ge­weiht. We­der in Trier noch in Mainz wag­te man sich im 18. Jahr­hun­dert an ein so am­bi­tio­nier­tes Bau­vor­ha­ben, an den Neu­bau ei­ner gan­zen Ka­the­dra­le.

Das Bau­pro­jekt soll­te durch­aus schon als Vor­griff auf ei­ne künf­ti­ge Ver­wen­dung der Kir­che als Ka­the­dra­le ver­stan­den wer­den. Be­reits 1531 un­ter­nahm der Fürst­abt ei­nen Vor­stoß zu ei­ner Ran­ger­hö­hung, die aber am Wi­der­stand der Main­zer und Würz­bur­ger Bi­schö­fe schei­ter­te. Im 16. Jahr­hun­dert konn­te die Ab­tei ei­nen Ver­such des Fürst­bi­schofs von Würz­burg ab­weh­ren, die Re­gie­rung im Hoch­stift Ful­da zu über­neh­men. 1572 wur­de ein Pries­ter­se­mi­nar ge­grün­det, ein Ge­ne­ral­vi­kar be­ru­fen und ein geist­li­ches Ge­richt ein­ge­rich­tet. 1604 ver­lieh man dem Fürst­abt die ju­ris­dic­tio qua­si-epi­sco­pa­lis, die Mainz und Würz­burg 1662 auch ju­ris­tisch an­er­kann­ten, oh­ne dass da­mit die Aus­ein­an­der­set­zun­gen be­en­det wor­den wä­ren. Nach der Voll­endung des Neu­baus be­klei­de­te der Fürst­abt auch das Amt ei­nes Weih­bi­schofs, und 1752 wur­de Ful­da dann end­gül­tig zum Fürst­bis­tum er­ho­ben.[56]

An der Schau­fas­sa­de des Ful­da­er Do­mes sind links und rechts von den bei­den Ka­pel­len in ei­ner Ent­fer­nung von acht Me­tern die bei­den elf Me­ter ho­hen Obe­lis­ken auf­ge­stellt. In ih­rer Zier­lich­keit bil­den sie ei­nen deut­li­chen Kon­trast zu der wuch­ti­gen Dop­pel­turm­fas­sa­de, stel­len aber gleich­zei­tig auch ei­ne op­ti­sche Fort­füh­rung dar, bil­den ge­ra­de­zu ein gleich­schenk­li­ges Drei­eck.[57]  Die bei­den Obe­lis­ken ste­hen auf drei Me­ter ho­hen Sand­stein­post­a­men­ten. Auf der pro­fi­lier­ten Ab­schluss­plat­te be­fin­den sich je­weils in der Mit­te vier Lö­wen und an den Ecken vier Ad­ler. Dar­über ist das Wap­pen des Bau­herrn an­ge­bracht. Der Obe­lisk, der mit Quas­ten­ge­hän­gen be­legt ist, wird von ei­ner Stein­ku­gel mit Wol­ken und En­gels­köpf­chen so­wie ei­nem ver­gol­de­ten Kup­fer­kreuz be­krönt.

An dem lin­ken (süd­li­chen) Obe­lis­ken sind meh­re­re In­schrif­ten an­ge­bracht. Sie nen­nen an der Ost­sei­te den Na­men Got­tes, dem der Stein ge­wid­met ist, ein Chro­no­gramm er­gibt die Jah­res­zahl 1714, wei­ter wird der Na­me des Bau­herrn ge­nannt. An der Süd­sei­te liest man ei­ne Wid­mung an Ma­ria als Ne­ben­pa­tro­nin der Kir­che, an der West­sei­te wird der ‚Wan­de­rer‘ dar­auf auf­merk­sam ge­macht, dass die Kir­che dem Sal­va­tor ge­wid­met ist, und im Nor­den wird der Be­su­cher nach dem Vor­bild des hei­li­gen. Bern­hard auf­ge­for­dert, die Kir­che zum Be­ten zu be­su­chen.[58]  Die Obe­lis­ken sind so­mit nicht nur ei­ne op­ti­sche Ver­brei­te­rung der Fas­sa­de, sie be­sit­zen ei­ne Ver­mitt­ler­rol­le zwi­schen Him­mel und Er­de, die man so­wohl po­li­tisch als auch kirch­lich oder aber in bei­der­lei Sin­ne ver­ste­hen kann. Die Obe­lis­ken stel­len ei­nen wei­te­ren der in Ful­da so be­lieb­ten Rom­ver­wei­se dar – auch vor dem Pe­ters­dom, der eben­falls von ei­ner ge­wal­ti­gen Vie­rungs­kup­pel be­krönt wird, be­fin­det sich ein Obe­lisk.[59]

Der Obelisk vor der Stadtpfarrkirche St. Blasius in Fulda, 2010.

 

„Die Obe­lis­ken der Turm­front sind freie künst­le­ri­sche Schöp­fun­gen, Ge­bil­de ho­her Zweck­frei­heit.“[60]  Al­ler­dings wa­ren sie zu­nächst gar nicht für ih­re heu­ti­gen Stand­or­te vor­ge­se­hen. Dient­zen­ho­fer hat­te sie für den Eh­ren­hof der Re­si­denz an­fer­ti­gen las­sen, wo sie zu ei­ner Ba­lus­tra­de an der Brü­cke über den Burg­gra­ben ge­hö­ren soll­ten. Ver­gleich­ba­re Obe­lis­ken­paa­re[61]  fin­den sich be­reits in den 1721 als Kup­fer­sti­che ver­brei­te­ten Ent­wür­fen Jo­hann Bern­hard Fi­scher von Er­lachs (1656-1723) für Schloss Schön­brunn bei Wien.[62]  Die Ful­da­er Obe­lis­ken wer­den 1709 und 1710 in den Schloss­bau­rech­nun­gen ge­nannt. Nach­dem Dient­zen­ho­fer 1711 Ful­da ver­las­sen hat­te, um Auf­trä­ge in Bam­berg und Würz­burg an­zu­neh­men, wur­den die Plä­ne ge­än­dert und der Burg­gra­ben zu­ge­schüt­tet. Die Obe­lis­ken wur­den 1713 – al­so nach der Wei­he der Kir­che – auf­ge­stellt und nach den Chro­no­gram­men so­wie nach den Rech­nun­gen 1714 voll­endet.[63]

In der im Krieg ver­brann­ten Samm­lung Eckert im Main­frän­ki­schen Mu­se­um, in die der Nach­lass des Ar­chi­tek­ten Bal­tha­sar Neu­mann auf­ge­gan­gen ist, be­fand sich ei­ne groß­for­ma­ti­ge la­vier­te Fe­der­zeich­nung (SE 253*, 43 mal 58 cm), die we­der be­zeich­net noch da­tiert oder si­gniert ist und von der sich nur ein Klein­bild­ne­ga­tiv er­hal­ten hat. Pe­ter Hein­rich Jahn hat den Längs­schnitt durch ei­ne Kup­pel­kir­che 2012 ei­ner ein­ge­hen­den Ana­ly­se un­ter­zo­gen, die in ei­ne drei­di­men­sio­na­le Re­kon­struk­ti­on mün­de­te.[64]  Er konn­te die Zeich­nung dem be­rühm­ten rö­mi­schen Ar­chi­tek­ten und Bild­hau­er Car­lo Fon­ta­na (1638-1714), der nicht nur die Bau­hüt­te von St. Pe­ter lei­te­te, son­dern auch ein gro­ßes Ate­lier be­saß, zu­schrei­ben. Ne­ben zahl­rei­chen Kir­chen und Pa­laz­zi ent­warf er ephe­me­re Fest- und Trau­er­ar­chi­tek­tu­ren, er­rich­te­te ei­nen Brun­nen auf dem Pe­ters­platz und ge­stal­te­te den auf der Piaz­za di San­ta Ma­ria in Tras­te­ve­re neu, zu­dem fer­tig­te er die Grab­mä­ler der Päps­te In­no­zenz XII. (Pon­ti­fi­kat 1691-1700) und Cle­mens XI. (Pon­ti­fi­kat 1700-1721) im Pe­ters­dom an. 1694 ver­öf­fent­lich­te er das Buch Il Tem­po Va­ti­ca­no, das den Bau des Pe­ters­do­mes zum In­halt hat. Dar­in nimmt auch die Auf­stel­lung des Obe­lis­ken im Jah­re 1586 brei­ten Raum ein und wird auf ei­nem Kup­fer­stich dar­ge­stellt.[65]  Car­lo Fon­ta­na war ein En­kel von Do­me­ni­co Fon­ta­na, der vier Obe­lis­ken auf­ge­rich­tet und dar­über 1590 ein Buch ver­öf­fent­licht hat­te. Obe­lis­ken la­gen der Fa­mi­lie so­zu­sa­gen im Blut.

Der Ent­wurf und die Re­kon­struk­ti­ons­ver­su­che Jahns ma­chen deut­lich, wie ge­wal­tig die Kup­pel über der Vie­rung ge­gen­über der heu­ti­gen Be­trach­tern eher ver­trau­ten Turm­fas­sa­de im Os­ten an­ge­legt war. Bei der Ost­sei­te wa­ren die bei­den flan­kie­ren­den Ka­pel­len durch den Vor­gän­ger­bau be­stimmt, auch die Tür­me soll­ten in ih­rer Bau­sub­stanz Wie­der­ver­wen­dung fin­den. Das Un­ter­ge­schoss war ähn­lich wie der spä­ter aus­ge­führ­te fün­fach­si­ge Bau kon­zi­piert, das Ober­ge­schoss ist eben­falls ein­ge­zo­gen, und die Tür­me ha­ben kei­ne drei Ge­schos­se, son­dern nur ei­nes, das zu­dem gro­ße Fens­ter (für die Glo­cken?) auf­weist. Dar­über er­hebt sich ein mäch­ti­ges Po­dest, auf dem sich zwei Me­tae, obe­lis­ken­för­mi­ge Turm­hel­me, he­ben.[66]  An den Ecken be­fin­den sich vier klei­ne Obe­lis­ken, wie sie heu­te auch vor dem ers­ten Turm­ge­schoss ste­hen. Zur Front hin wa­ren vor­ge­setz­te Kan­de­la­ber vor­ge­se­hen.

Wir ha­ben al­so ei­ne Werk­statt­zeich­nung oder ei­ne Riss­ko­pie aus dem Um­kreis des Auf­trag­ge­bers vor uns, die ge­mein­sam mit an­de­ren Quel­len be­legt, dass der höchst am­bi­tio­nier­te Fürst­abt Adal­bert von Schleif­fras zu­nächst plan­te, den re­nom­mier­ten rö­mi­schen Ar­chi­tek­ten Car­lo Fon­ta­na zu ver­pflich­ten. Die­ser lie­fer­te wohl 1704 ei­nen Ent­wurf und über­sand­te we­nig spä­ter auch ein nicht er­hal­te­nes Mo­dell der Kir­che. Nach­dem meh­re­re Va­ri­an­ten durch­ge­rech­net wor­den wa­ren, ent­schloss man sich für die Aus­füh­rung durch Dient­zen­ho­fer. Ob dies die kos­ten­güns­ti­ge­re Va­ri­an­te dar­stell­te oder ob sein Ent­wurf tra­di­tio­nel­ler war und des­halb eher als „rö­mi­sch“ an­ge­se­hen wur­de als der Plan des rö­mi­schen Star­ar­chi­tek­ten, ist schwer zu ent­schei­den. In je­dem Fall gab es in Ful­da ein Kir­chen­mo­dell mit zwei Me­tae, ei­nem Obe­lis­ken­paar, das bei spä­te­ren Pla­nun­gen als An­re­gung ge­dient ha­ben könn­te.

Auch der drit­te Ful­da­er Obe­lisk steht nicht mehr an sei­nem ur­sprüng­li­chen Stand­ort. Un­mit­tel­bar vor der von 1771 bis 1785 un­ter Fürst­bi­schof Hein­rich von Bi­bra (Epis­ko­pat 1759-1788) er­rich­te­ten Stadt­pfarr­kir­che St. Bla­si­us be­fin­det sich auf ei­nem Post­a­ment, das zwei Mu­schel­be­cken und zwei (er­neu­er­te) In­schriften­ta­feln trägt, ein Obe­lisk, der von ei­ner Wol­ken­ku­gel und ei­nem ver­gol­de­ten Kreuz be­krönt wird. Das Stadt- und das Bi­schofs­wap­pen sind er­gänzt. Auf der Nord­sei­te fin­den sich zwei In­schrif­ten. Die Ers­te be­rich­tet, die­se ‚Säu­le‘ (co­lum­na) sei im Jah­re 1669 zur Eh­re Got­tes und des Stadt­pa­trons, des hei­li­gen Bla­si­us, er­rich­tet wor­den, und zwar von Fürst­bi­schof Joa­chim von Gra­ve­negg (Epis­ko­pat 1644-1671). Aus der zwei­ten In­schrift geht her­vor, das ‚Denk­mal‘ (mo­nu­men­tum) sei zur grö­ße­ren Zier­de der Stadt von sei­nem al­ten Platz (in der Fried­rich­stra­ße) ent­fernt und hier neu auf­ge­stellt wor­den, und zwar un­ter Fürst­bi­schof Hein­rich von Bi­bra im Jah­re 1775. Die Rück­sei­te wen­det sich so­wohl an Frem­de als auch an Bür­ger und nennt ih­nen die Grund­zü­ge ei­nes glück­li­chen und voll­kom­me­nen Staa­tes, näm­lich Pflicht­er­fül­lung, Ge­rech­tig­keit und Ver­nunft.[67]  In­so­fern ge­hört die Ver­le­gung des Ful­da­er Obe­lis­ken in den zeit­li­chen Kon­text der Brun­nen­pro­jek­te an­de­rer Städ­te, und auch die po­li­ti­sche Im­pli­ka­ti­on ist ver­gleich­bar.

Ful­da spielt in der Ge­schich­te der deut­schen Obe­lis­ken noch in an­de­rer Hin­sicht ei­ne Rol­le: In den Jah­ren 1652 bis 1654 ver­öf­fent­lich­te der Je­su­it Atha­na­si­us Kir­cher (1602-1680) sein drei­bän­di­ges Werk Oedi­pus Ae­gyp­tia­cus. Es han­delt sich um ein Mus­ter­bei­spiel ba­ro­cker Ge­lehr­sam­keit, das ver­such­te, die ägyp­ti­sche Schrift zu er­for­schen und zu ent­zif­fern. Das 2.000 Fo­li­o­sei­ten zäh­len­de Buch ist mit zahl­rei­chen Kup­fer­sti­chen aus­ge­stat­tet. Kir­cher war ein Uni­ver­sal­ge­lehr­ter, der sich auch mit der Si­no­lo­gie, der Geo­lo­gie, der Me­di­zin und der Mu­sik be­fass­te so­wie als Er­fin­der her­vor­trat; er be­saß ei­ne gro­ße An­ti­ken- und Mo­dell­samm­lung, kon­stru­ier­te ei­nen Vor­läu­fer der La­ter­na Ma­gi­ca und ver­such­te sich an ei­nem Per­pe­tu­um Mo­bi­le.[68]  Er war an der Auf­stel­lung der Obe­lis­ken in Rom be­tei­ligt und sorg­te da­bei für die An­brin­gung von Hie­ro­gly­phen.

Kir­cher be­saß Be­zie­hun­gen zu Ful­da: In der Nä­he, in Gei­sa an der Rhön, wur­de er 1602 ge­bo­ren, be­such­te von 1614 bis 1618 das Je­sui­ten­kol­leg in Ful­da, be­vor es ihn als Stu­dent nach Pa­der­born und Köln, als Pro­fes­sor nach Würz­burg und dann an das Col­le­gi­um Ro­ma­num nach Rom ver­schlug. Sein Werk Oedi­pus Ae­gyp­tia­cus wid­me­te er Kai­ser Fer­di­nand III. (rö­misch-deut­scher Kai­ser 1637-1657), das ach­te Ka­pi­tel des drit­ten Bu­ches über den Obe­lis­ken von He­lio­po­lis bei Kai­ro de­di­zier­te er dem be­reits ge­nann­ten Fürst­abt Joa­chim von Gra­ve­negg, der den ers­ten Obe­lis­ken von Ful­da er­rich­te­te. Über die­se Vor­gän­ge be­rich­ten dar­über hin­aus drei Brie­fe Kir­chers an den Fürst­abt aus den Jah­ren 1659 bis 1663.[69]  So­mit könn­te ihm und Ful­da in der deut­schen Obe­lis­ken­ge­schich­te ei­ne Schlüs­sel­po­si­ti­on zu­kom­men.[70]

Zwar füh­ren al­le We­ge nach Rom. Es füh­ren aber auch vie­le We­ge von der Ro­ma pri­ma in die Ro­ma se­c­un­da im Nor­den, ein An­spruch, den ne­ben Trier und Mainz auch Ful­da er­hob. In der Re­nais­sance wur­de der Ho­ra­poll, ein spät­an­ti­kes Werk über die Hie­ro­gly­phen, nach sei­ner Wie­der­ent­de­ckung 1419 und sei­ner Über­set­zung durch Wil­li­bald Pirck­hei­mer (1470-1530) 1512, in Ge­lehr­ten­krei­sen un­ge­heu­er po­pu­lär. Im spä­ten 16. Jahr­hun­dert ent­fach­te das 1590 ge­druck­te Obe­lis­ken­buch des Do­me­ni­co Fon­ta­na die Be­geis­te­rung für die gro­ßen Stei­ne, eben­so im aus­ge­hen­den 17. Jahr­hun­dert das 1694 ver­öf­fent­lich­te Werk sei­nes En­kels Car­lo Fon­ta­na. 1652 bis 1654 er­schien das grund­ge­lehr­te Werk Oedi­pus Ae­gyp­tia­cus von Atha­na­si­us Kir­cher. Wei­ter kann man Stadt­an­sich­ten nen­nen, et­wa die be­rühm­ten rö­mi­schen Ve­du­ten von Gio­van­ni Bat­tis­ta Pi­ra­ne­si (1720-1778), 1756 in vier Bän­den als An­ti­chità ro­ma­nae ver­öf­fent­licht, und nicht zu­letzt auch gra­phi­sche Vor­la­gen­samm­lun­gen, em­ble­ma­ti­sche Wer­ke und das an den Hö­fen des 18. Jahr­hun­derts weit ver­brei­te­te Ge­dan­ken­gut der Frei­mau­rer, in dem Obe­lis­ken, Py­ra­mi­den und Sphin­gen ei­ne gro­ße Rol­le spiel­ten.

Der Dom zu Fulda mit den zwei dazu gruppierten Obelisken (links und rechts auf dem Bild), 2003.

 

2.6 Erfurt

Ein wei­te­rer „kur­main­zi­scher“ Obe­lisk be­fin­det sich in Er­furt. Hier war 742 ein Bis­tum ge­grün­det, aber kurz da­nach wie­der auf­ge­löst wor­den; es fiel an das Erz­bis­tum Mainz. Er­furt war ei­ne be­deu­ten­de Han­dels- und Uni­ver­si­täts­stadt. Sie war seit der Re­for­ma­ti­on kon­fes­sio­nell ge­spal­ten, die Ka­tho­li­ken stell­ten nur ein Vier­tel der Be­völ­ke­rung. 1664 muss­te sich die Stadt nach ei­ner Be­la­ge­rung dem Kur­fürs­ten Jo­hann Phil­ipp von Schön­born er­ge­ben, der sie in sein Ter­ri­to­ri­um ein­glie­der­te. Auf­grund ei­nes ‚Re­li­gi­ons­ver­gleichs‘ blie­ben die kon­fes­sio­nel­len Ver­hält­nis­se un­an­ge­tas­tet. Die Ex­kla­ve Er­furt mit der Fes­tung Pe­ters­berg wur­de fort­an von ei­nem Vi­ze­dom, seit 1675 von ei­nem Statt­hal­ter ver­wal­tet, der (wie in Trier) dem Dom­ka­pi­tel an­ge­hör­te. Die­ser pfleg­te zu­dem die di­plo­ma­ti­schen Ver­bin­dun­gen des Kur­fürst­lich Main­zi­schen Er­fur­ter Staats zu den be­nach­bar­ten Hö­fen in Wei­mar, Go­tha und Mei­nin­gen. Un­ter Kur­fürst Fried­rich Karl Jo­seph von Er­thal (Epis­ko­pat 1774-1802) be­klei­de­te der spä­te­re Erz­bi­schof von Mainz und Bi­schof von Kon­stanz, Worms und Re­gens­burg, Karl Theo­dor von Dal­berg (Epis­ko­pat 1771-1802), die­ses Amt. Der hoch­ge­bil­de­te Geist­li­che ist auf vie­len Ge­bie­ten als Wis­sen­schaft­ler und Schrift­stel­ler her­vor­ge­tre­ten. Sei­ne Re­gie­rung fiel in ei­ne Zeit des wirt­schaft­li­chen Wie­der­auf­stiegs nach dem Sie­ben­jäh­ri­gen Krieg, der Auf­klä­rung und der Bil­dungs­po­li­tik.[71]

1777 be­such­te Kur­fürst Fried­rich Karl Jo­seph von Er­thal Er­furt. Zur Er­in­ne­rung wur­de der Er­thal-Obe­lisk er­rich­tet. Ein 18 Me­ter ho­hes Mo­nu­ment auf dem Dom­platz, ein Ge­denk­stein, der nicht als Brun­nen dien­te. Über ei­nem So­ckel er­hebt sich der Obe­lisk, an dem vier Me­dail­lons mit Wap­pen, Mo­no­gramm und Or­den des Kur­fürs­ten an­ge­bracht sind. Ei­ne aus­führ­li­che deut­sche In­schrift nennt sei­ne Ti­tel und Amts­da­ten. Sie be­zeich­net ihn als BES­TEN VA­TER DES LAN­DES und er­wähnt, das Denk­mal sei an­läss­lich sei­nes Be­su­ches IN HOECHST EI­GE­NER PER­SON am 17. Mai 1777 ZU EWI­GEM GE­DÄCHT­NIS er­rich­tet wor­den. Auf­trag­ge­ber wa­ren AUS TIEFST GE­BÜH­REN­DER DANK­BAR­KEIT … DIE TREU­EN UN­TERTHA­NEN HIE­SI­GER STADT ER­FURT. Die Bau­kos­ten sol­len 1.120 Ta­ler be­tra­gen ha­ben, wo­von die Bür­ger der Stadt 858 durch ei­ne Kol­lek­te auf­brach­ten.[72]

Die In­schrift macht deut­lich, dass der Obe­lisk in den Rah­men des Ad­ven­tus-Ze­re­mo­ni­ells ge­hör­te. Der Be­such des Herr­schers war mit ei­nem fei­er­li­chen Ein­ritt ver­bun­den und ei­ner Hul­di­gung durch die Un­ter­ta­nen, er stell­te gleich­zei­tig ei­ne macht­vol­le De­mons­tra­ti­on ab­so­lu­tis­ti­scher Lan­des­herr­schaft dar. Da­bei spiel­ten ephe­me­re Fest­ar­chi­tek­tu­ren ei­ne Rol­le, wo­zu ne­ben Tri­umph­bö­gen auch Obe­lis­ken zähl­ten. Dies lässt sich ge­ra­de am Bei­spiel des Er­thal-Mo­nu­ments an­hand ei­ner Be­schrei­bung des Er­fur­ter Rats­herrn Con­stan­tin Bey­er nach­wei­sen: Nach über 100 Jah­ren freu­ten sich die Er­fur­ter, dass der Kur­fürst un­se­re Stadt … mit sei­ner Ge­gen­wart be­glü­cken wer­de.[73]  Der Ein­zug soll­te recht glän­zend wer­den, wo­ge­gen sich der Kur­fürst al­le kost­spie­li­gen Fei­er­lich­kei­ten und Ehr­er­bie­tun­gen ver­bat. Im­mer­hin zog er un­ter Glo­cken­ge­läut, Ka­no­nen­don­ner und dem Ju­bel­ge­schrei des Vol­kes mit gro­ßem Ge­fol­ge in die Stadt ein, wo ihn der Statt­hal­ter so­wie die ka­tho­li­sche und evan­ge­li­sche Geist­lich­keit, mit dem Weih­bi­schof und dem Se­ni­or an der Spit­ze, emp­fing. Der Kur­fürst blieb sechs Wo­chen, wo­bei die an­geb­lich von 20.000 Men­schen be­such­te Fron­leich­nams­pro­zes­si­on ei­nen Hö­he­punkt dar­stell­te. Bei sei­ner Ab­rei­se wur­den Eh­ren­pfor­ten er­rich­tet und fest­lich ge­klei­de­te Kin­der er­wähnt, die Blu­men streu­ten. Ab­schlie­ßend wer­den die Wohl­tä­tig­keit und die To­le­ranz des auf­ge­klär­tes­ten Fürs­ten ge­lobt. Er ha­be des­halb bei sei­nem Be­such die Kon­tro­ver­spre­dig­ten der Je­sui­ten im Dom un­ter­sagt, ha­be auch die evan­ge­li­schen Geist­li­chen zur Ta­fel ge­be­ten, sich freund­lich mit ih­nen un­ter­hal­ten und ih­re Kir­chen be­sich­tigt.[74]

Re­li­giö­se be­zie­hungs­wei­se kon­fes­sio­nel­le As­pek­te wer­den in der In­schrift am Er­thal-Obe­lisk nicht an­ge­spro­chen. Im aus­ge­hen­den 18. Jahr­hun­dert ste­hen Ab­so­lu­tis­mus und Ab­so­lu­tis­mus­kri­tik, po­li­ti­sche Ka­tho­li­zi­tät und To­le­ranz, Auf­klä­rung und Volks­fröm­mig­keit, Ba­rock und Klas­si­zis­mus recht un­ver­bun­den ne­ben­ein­an­der, wie sich ge­ra­de am Bei­spiel des Main­zer Kur­fürs­ten und sei­nes Er­fur­ter Statt­hal­ters zei­gen lässt. Ob die­ses Bild den Tat­sa­chen ent­sprach, sei da­hin­ge­stellt. Für Trier und Ko­blenz lässt sich nach­wei­sen, dass es ein er­heb­li­ches Kon­flikt­po­ten­ti­al zwi­schen den Hand­wer­kern und Kauf­leu­ten so­wie den Rats­her­ren auf der ei­nen und der Stadt und dem Stadt­herrn auf der an­de­ren Sei­te gab, so dass sich die Bür­ger nicht un­be­dingt als treue Un­tertha­nen ver­stan­den.[75]  Ähn­li­ches dürf­te auch für Mainz, Würz­burg und Ful­da zu­ge­trof­fen ha­ben. Den To­pos der Schen­kung an den Lan­des­her­ren fin­den wir aber auch in Trier und Bonn. Frei­lich soll­te man auch auf die Un­ter­schie­de hin­wei­sen: Der Obe­lisk war kein Brun­nen, son­dern ein rei­nes Denk­mal, Er­furt war kei­ne Bi­schofs- oder Re­si­denz­stadt, aber den­noch ein be­völ­ke­rungs­rei­ches Ver­wal­tungs-, Wirt­schafts- und Kul­tur­zen­trum. Die Be­schrif­tung war in deut­scher Spra­che ab­ge­fasst, sie be­sitzt wie das Bild­pro­gramm aus Rück­sicht auf die Er­fur­ter Ver­hält­nis­se kei­ne re­li­giö­se Kom­po­nen­te.

Erthal-Obelisk auf dem Platz vor dem Dom und der Severikirche in Erfurt, aquarellierte Zeichnung von Joseph Jacques Ramée, 1795.

 

Be­vor wir uns den letz­ten bei­den Bei­spie­le zu­wen­den, die et­was aus dem Rah­men fal­len, soll­ten wir die Obe­lis­ken be­zie­hungs­wei­se Obe­lis­ken­brun­nen noch ein­mal in chro­no­lo­gi­scher Rei­hen­fol­ge be­trach­ten: Blieb die auf­se­hen­er­re­gen­de Um­sied­lung von Stein­säu­len im Rom des aus­ge­hen­den 16. Jahr­hun­derts trotz ih­rer pu­bli­zis­ti­schen Ver­mark­tung (Fon­ta­na) zu­nächst noch oh­ne Fol­gen, so darf man dem Ful­da­er Obe­lisk von 1669 ei­ne Vor­rei­ter­rol­le zu­bil­li­gen, bei der si­cher­lich die Per­son und das Werk von Atha­na­si­us Kir­cher ei­ne Rol­le ge­spielt ha­ben. Auch den zwei­ten Platz nimmt im Jah­re 1714 wie­der­um Ful­da ein. Ei­nen Wen­de­punkt stellt der Main­zer Neue Brun­nen von 1726 dar: Ers­tens kom­men die Schön­born ins Spiel, zwei­tens gab es in Mainz (wie auch in Trier und Bonn) be­reits ei­nen äl­te­ren Brun­nen, der (wie in Trier) das po­li­ti­sche Pro­gramm der Lan­des­herr­schaft zum Aus­druck brach­te. Und zum Drit­ten bil­det der Main­zer Brun­nen wie auch die in Trier, Würz­burg und Ko­blenz, den Schluss­punkt auf­wen­di­ger Maß­nah­men im Be­reich der Was­ser­ver­sor­gung. Dann geht es Schlag auf Schlag: 1750 Trier, 1766 Würz­burg, 1775 Ful­da (Ver­set­zung), 1777 Er­furt und Bonn, 1781 Malme­dy und schlie­ß­lich 1791 Ko­blenz.

Das Bei­spiel Malme­dy kann hier nicht im De­tail be­han­delt wer­den. Die Reichs­ab­tei Sta­blo-Malme­dy ge­hör­te mit ih­ren bei­den Klös­tern zum Bis­tum Lüt­tich und zum Erz­bis­tum Köln. Der Fürst­abt stamm­te in der Frü­hen Neu­zeit häu­fig aus dem Hau­se Wit­tels­bach und war in Per­so­nal­uni­on  Erz­bi­schof von Köln. Im Pfäl­zi­schen Erb­fol­ge­krieg wur­den die Stadt und die Ab­tei 1689 nie­der­ge­brannt. Die Klos­ter­ge­bäu­de wur­den bis 1718 wie­der auf­ge­baut. Nach­dem der teil­wei­se er­hal­te­ne Kirch­turm 1742 zer­stört wor­den war, nahm man in den Jah­ren 1776 bis 1784 ei­nen mo­nu­men­ta­len klas­si­zis­ti­schen Neu­bau vor. 1781, al­so wäh­rend der Bau­zeit, er­rich­te­te der Fürst­abt Jac­ques de Hu­bin (Amts­zeit 1766-1786) auf dem Markt­platz (Place Al­bert 1er) ei­nen Obe­lis­ken­brun­nen. Auf ei­nem So­ckel mit vier halb­run­den Be­cken er­hebt sich der heu­te mit ei­ner Fah­ne ge­schmück­te Spitz­stein. Bis zur fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on wa­ren das Wap­pen des Fürst­ab­tes, der zum Bau 500 Gul­den bei­ge­tra­gen hat­te, und sei­ne De­vi­se FLU­MEN PA­CIS an­ge­bracht. Sie sind eben­so ver­schwun­den wie der 1920 ent­fern­te Preu­ße­n­ad­ler.[76]

Der 1777 erbaute Obeliskenbrunnen, Park des Schlosses Schönbrunn, Wien, 2007.

 

2.7 Wien

1777 ent­stand im Park des Schlos­ses Schön­brunn ein Obe­lis­ken­brun­nen, der mit ei­ner Hö­he von 31 Me­tern die Spitz­säu­len der rhei­ni­schen Re­si­denz­städ­te und, bis auf den vor dem La­te­ran, auch die in Rom in den Schat­ten stellt. Ne­ben der Grö­ße ist der Bau­herr her­vor­zu­he­ben: Die vor den To­ren von Wien ge­le­ge­ne habs­bur­gi­sche Som­mer­re­si­denz wur­de bei der Be­la­ge­rung durch die Tür­ken 1683 schwer be­schä­digt und an­schlie­ßend im Auf­trag der Kai­ser Leo­pold I. (1658-1705) be­zie­hungs­wei­se Jo­seph I. (1705-1711) durch Jo­hann Bern­hard Fi­scher von Er­lach (1656-1723) als gro­ßan­ge­leg­te Ant­wort auf die Kon­kur­renz von Ver­sailles neu er­rich­tet. Von 1742 bis zu ih­rem Tod 1780 wur­de un­ter Kai­se­rin Ma­ria The­re­sia (1740-1780) ein pracht­vol­ler Schloss­park an­ge­legt. Er ist das Haupt­werk des für sei­ne Ver­diens­te ge­adel­ten Ar­chi­tek­ten Jo­hann Fer­di­nand Het­zen­dorf von Ho­hen­berg (1733-1816), der für den Hof zahl­rei­che ephe­me­re Kunst­wer­ke wie Fest­ge­rüs­te, Tri­umph- und Trau­er­ge­rüs­te schuf.[77]  An dem Park­pro­jekt wa­ren wei­ter­hin Ma­ria The­re­si­as Ehe­mann Kai­ser Franz I. (1745-1765), bei dem das Ge­dan­ken­gut der Frei­mau­rer ei­ne be­deu­ten­de Rol­le spiel­te, be­tei­ligt so­wie der Staats­kanz­ler Wen­zel An­ton von Kau­nitz (1711-1794), der sich als Kunst­ken­ner und Kunst­för­de­rer für die Be­ru­fung Het­zen­dorfs ein­ge­setzt hat­te und bei den Pla­nun­gen des Parks ei­ne wich­ti­ge Rol­le spiel­te. In Wien geht der Brun­nen al­so nicht auf ei­nen geist­li­chen Lan­des­herrn, son­dern auf ei­ne – frei­lich erz­ka­tho­li­sche – Kai­se­rin zu­rück. Zu­dem hat­te der Wie­ner Obe­lis­ken­brun­nen sei­nen Stand­ort nicht in der Re­si­denz­stadt, son­dern im Schloss­park. Er war so­mit nur für das Herr­scher­haus, den Hof­staat und pro­mi­nen­te Gäs­ten sicht­bar, wur­de aber 1779 auch der Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich ge­macht.

Blick auf die 1775 erbaute Gloriette im Park des Schlosses Schönbrunn, Wien, Photochromdruck, um 1900.

 

Der Park von Schön­brunn wird durch ein Sys­tem von fünf Al­le­en, die par­al­lel zur Schloss­fas­sa­de in Ost-West-Rich­tung ver­lau­fen, fünf wei­te­ren in Nord-Süd-Rich­tung und sechs dia­go­na­len Al­le­en ge­glie­dert.[78]  Drei Al­le­en bil­den ei­ne brei­te Mit­tel­ach­se, die vom Haupt­ge­bäu­de mit dem Haupt­por­tal durch den In­nen­hof und die Frei­trep­pe auf den Nep­tun­brun­nen und die auf ei­ner An­hö­he ge­le­ge­ne Glo­ri­et­te zu­läuft. Die Bau­ten ent­stan­den in den Jah­ren 1773 bis 1780.[79]

Zur Mö­blie­rung des Schloss­parks ge­hört wei­ter das gro­ße Par­terre, ei­ne Ga­le­rie von 32 Skulp­tu­ren aus der an­ti­ken My­tho­lo­gie, für das ur­sprüng­lich vier wei­te­re Spring­brun­nen vor­ge­se­hen wa­ren, und ei­ne künst­lich an­ge­leg­te rö­mi­sche Rui­ne, ein Tau­ben­haus, ein Tier­gar­ten, ein Fa­sa­nen­gar­ten und ein bo­ta­ni­scher Gar­ten. Der Obe­lis­ken­brun­nen liegt zwar et­was ab­ge­le­gen an der Ost­sei­te des Parks, aber im Schnitt­punkt drei­er wich­ti­ger Blick­ach­sen: Die Obe­lis­ken­al­lee ver­läuft dia­go­nal zur Schloss­ter­ras­se mit den da­hin­ter lie­gen­den Fest­räu­men, ei­ne zwei­te dia­go­na­le Ach­se ver­bin­det den Brun­nen mit der auf ei­ner An­hö­he lie­gen­den Glo­ri­et­te, und als Drit­tes ist die Rus­ten-(Ul­men)al­lee zu nen­nen, die vom Obe­lis­ken am Nep­tun­brun­nen vor­bei nach Wes­ten führt.

Die 1775 im klas­si­zis­ti­schen Stil er­rich­te­te Glo­ri­et­te ist ein Aus­sichts­punkt und ein Ruh­mes­tem­pel zur Er­in­ne­rung an die von den Habs­bur­gern im Sie­ben­jäh­ri­gen Krieg 1757 ge­won­ne­ne Schlacht bei Ko­lin. Der Nep­tun­brun­nen war 1771 als Teil ei­ner gan­zen Brun­nen­land­schaft kon­zi­piert wor­den. Da die Was­ser­vor­rä­te nicht aus­reich­ten, muss­ten zwölf Be­cken wie­der zu­ge­schüt­tet wer­den. Der Brun­nen be­steht aus ei­nem gro­ßen Bas­sin und ei­ner künst­li­chen Fels­grot­te, über der der Mee­res­gott Nep­tun mit sei­nem Wa­gen fährt. Die Mee­res­nym­phe The­tis, ei­ne wei­te­re Nym­phe mit Füll­horn und die Tri­to­nen, die sei­ne Zug­pfer­de bän­di­gen, be­glei­ten ihn. Die Nym­phen sym­bo­li­sie­ren den Reich­tum der Mee­re, der Mee­res­gott in sei­nem Wa­gen den das Kai­ser­reich len­ken­den Sou­ve­rän. Der Ent­wurf stammt von Het­zen­dorf, die Fi­gu­ren von dem Hof­bild­hau­er Jo­hann Wil­helm Bey­er (1725-1796).

Der Neptunbrunnen aus dem Jahr 1771 im Park des Schlosses Schönbrunn, Wien, 2006.

 

In ei­nem 160 Qua­drat­me­ter gro­ßen Was­ser­be­cken des Obe­lis­ken­brun­nens be­fin­det sich ein künst­li­cher Fel­sen mit zwei Grot­ten. Auf vier ver­gol­de­ten Schild­krö­ten er­hebt sich der Obe­lisk. Sei­ne Spit­ze bil­det ein Ad­ler, der auf ei­ner ver­gol­de­ten Ku­gel sitzt. Im Ge­gen­satz zu den bis­her be­han­del­ten Denk­mä­lern ist der Obe­lisk mit Pseu­do­hie­ro­gly­phen be­deckt, die die Ge­schich­te des Hau­ses Habs­burg zum In­halt ha­ben.[80]  Ei­ne la­tei­ni­sche In­schrift macht deut­lich, dass der Obe­lisk 1777 un­ter der Re­gie­rung von Ma­ria The­re­sia und Jo­seph II. er­rich­tet wur­de. Sie wer­den als AA, als Au­gus­ti be­zeich­net. Die Plä­ne stam­men wie­der­um von Het­zen­dorf, die Fi­gu­ren von dem Bild­hau­er und Ar­chi­tek­ten Be­ne­dikt Hen­ri­ci (1749-1799), zum Teil nach Ent­wür­fen von Wil­helm Bey­er (1725-1806).

Auch iko­no­gra­phisch ver­weist der Wie­ner Obe­lisk in ei­ne et­was an­de­re Rich­tung: Wäh­rend die Grot­ten den Ein­gang zur dunk­len Un­ter­welt und der zer­klüf­te­te Grot­ten­berg die un­bän­di­ge Kraft der Er­de sym­bo­li­sie­ren, ste­hen die Schild­krö­ten, wenn man sie nicht ein­fach, wie zum Bei­spiel auch die Del­phi­ne, zum Stan­dard­pro­gramm der Was­ser­tie­re zäh­len will (Schild­krö­ten­brun­nen, Fon­ta­na del­le Tartarug­he des Tad­deo Lan­di­ni in Rom, 1588, die Schild­krö­ten frei­lich erst von 1658), für Frucht­bar­keit, Stär­ke und Un­sterb­lich­keit. Der Obe­lisk ver­weist, im Ge­gen­satz zu dem ur­wüch­si­gen Grot­ten­berg, auf die Ord­nung der Welt, für die der Sou­ve­rän sorgt. Sei­ne vier Sei­ten zei­gen in die vier Him­mels­rich­tun­gen, die auch die vier Tem­pe­ra­men­te, die vier Jah­res­zei­ten (Vi­val­di) und die vier Evan­ge­lis­ten re­prä­sen­tie­ren. Der Obe­lisk be­zie­hungs­wei­se der Sou­ve­rän ver­bin­det zu­dem Him­mel und Er­de, kirch­li­che und welt­li­che Herr­schaft. Er bil­det mit den Schild­krö­ten ein stand­fes­tes Fun­da­ment für die gol­de­ne Ku­gel, die die Son­ne be­zie­hungs­wei­se das Uni­ver­sum sym­bo­li­siert, auf der sich der Ad­ler be­fin­det: Er ist das ein­zi­ge We­sen, das sich der Son­ne nä­hern kann, oh­ne zu ver­bren­nen. Der Ad­ler ist wei­ter ein Ver­weis auf das an­ti­ke be­zie­hungs­wei­se das habs­bur­gi­sche Reich, ei­ne Per­so­ni­fi­ka­ti­on des Kai­sers, der sei­nen Platz zwi­schen Him­mel und Er­de hat. Man muss da­bei nicht un­be­dingt die an­ti­ke My­tho­lo­gie be­mü­hen, auch der Ja­kob des Al­ten Tes­ta­ments, der den Stein zu ei­nem Mal er­rich­te­te, sah im Traum ei­ne Him­mels­lei­ter (1. Mos 28,10-22).

2.8 Potsdam

Wir kön­nen als vor­läu­fi­ge Ar­beits­hy­po­the­se fest­hal­ten, dass sich Obe­lis­ken in Ka­the­dral-, Ab­tei- und Re­si­denz­städ­ten fin­den, und zwar in geist­li­chen Fürs­ten­tü­mern (au­ßer Wien), in rein ka­tho­li­schen Ter­ri­to­ri­en (au­ßer Er­furt), dass sie zwi­schen 1726 und 1791 ent­stan­den (au­ßer Ful­da), dass sie an öf­fent­li­chen Plät­zen (au­ßer Wien) als Brun­nen dien­ten (au­ßer Ful­da) und sich mit ei­ner la­tei­ni­schen In­schrift an ihr Pu­bli­kum wand­ten (au­ßer Er­furt). For­mal set­zen sie die Kennt­nis der rö­mi­schen Denk­mä­ler vor­aus, die durch die Wer­ke von Pli­ni­us, Am­mia­nus Mar­cel­li­nus, Fon­ta­na und Kir­cher, durch Ve­du­ten, Vor­la­gen­samm­lun­gen und Em­blem­bü­cher ver­mit­telt wor­den wa­ren. In­halt­lich ver­wei­sen sie auf Rom, all­ge­mein auf die Stadt der rö­mi­schen Im­pe­ra­to­ren und spe­zi­ell auf das Zen­trum der ka­tho­li­schen Chris­ten­heit. Sie sind Sym­bo­le ei­nes stand­haf­ten, tu­gend­rei­chen und gro­ßzü­gi­gen Lan­des­her­ren, des­sen Herr­schaft zu­dem re­li­gi­ös le­gi­ti­miert wird. Doch kei­ne Re­gel oh­ne Aus­nah­me.

Bea­trix Ha­jós hat es so for­mu­liert: „Der Obe­lisk soll­te so­mit die un­um­stö­ß­li­che und ewi­ge Herr­schaft des Hau­ses Habs­burg als Nach­fol­ger der rö­mi­schen Kai­ser und sein se­gens­rei­ches Re­gi­ment ver­an­schau­li­chen. Das gleich der Son­ne die Er­de be­lebt, das den wil­den, un­ge­stü­men Kräf­ten der Er­de himm­li­sches Licht und gött­li­chen Geist ver­mit­telt und sie ei­ner hö­he­ren Ord­nung in ewi­gem Frie­den und Har­mo­nie zu­führt.“[81]  Da­bei ist auch das Ge­samt­sys­tem der Schön­brun­ner Park­mö­bel von Be­deu­tung. An an­de­rer Stel­le schreibt sie, der Schloss­park sei ein Me­di­um der po­li­ti­schen Pro­pa­gan­da: „Nach ruhm­reich be­en­de­ten Krie­gen (Glo­ri­et­te) herrscht das Haus Habs­burg als Nach­fol­ger der Rö­mi­schen Kai­ser über die gan­ze Welt bis ans En­de der Zei­ten (Obe­lisk), wäh­rend sei­ne Fein­de dem Un­ter­gang ge­weiht sind (Rui­ne).“[82]

Ei­ne gan­ze Rei­he von Obe­lis­ken fin­den wir in der preu­ßi­schen Gar­ni­sons- und Re­si­denz­stadt Pots­dam. Am öst­li­chen En­de des Schloss­parks von Sanss­cou­ci ließ Ma­ria The­re­si­as Ge­gen­spie­ler, der Preu­ßen­kö­nig Fried­rich II. (Re­gie­rungs­zeit 1740-1786), ei­nen 20 Me­ter ho­hen Obe­lis­ken auf­stel­len.[83]  Sein Hof­ar­chi­tekt Ge­org Wen­zes­laus von Kno­bels­dorff (1688-1753) ließ ihn mit frei er­fun­de­nen Hie­ro­gly­phen de­ko­rie­ren. Er­rich­tet wur­de er 1748, drei Jah­re nach dem En­de des Zwei­ten Schle­si­schen Krie­ges. Der Obe­lisk bil­det den weit­hin sicht­ba­ren End­punkt ei­ner Ost-West-Ach­se, die die in der Mit­tel­ach­se des Schlos­ses ge­le­ge­ne gro­ße Fon­tä­ne mit der klei­nen Fon­tä­ne und dem Ora­ni­er­ron­dell mit sei­nen Bild­nis­sen der hol­län­di­schen Kö­nigs­fa­mi­lie ver­bin­det. Da­durch ent­steht ei­ne Zeit­ach­se, bei der der Obe­lisk die äl­tes­te Zeit ver­kör­pert und die über den Gro­ßen Kur­fürs­ten bis in die Ge­gen­wart reicht.[84]

Der 1588 erbaute Schildkrötenbrunnen in Rom, die Schildkröten wurden erst 1658 ergänzt, 2014.

 

Ei­ne ähn­li­che An­la­ge wie in Sans­sou­ci fin­den wir auch im Park des nord­west­lich von Ber­lin ge­le­ge­nen Schlos­ses Rheins­berg, wo Kno­bels­dorff 1739 für Fried­rich II. ei­nen ähn­li­chen Zu­gang ge­stal­te­te. Obe­lis­ken, die nicht an öf­fent­li­chen Stät­ten, son­dern in Schloss­parks ste­hen, die mit er­fun­de­nen, von Kir­cher über­nom­me­nen Hie­ro­gly­phen de­ko­riert wa­ren, die als Me­di­en der Ge­schichts­schrei­bung dien­ten und die die re­gie­ren­de Dy­nas­tie im Kon­text und als Er­geb­nis der Welt­ge­schich­te prä­sen­tier­ten – all dies ha­ben wir be­reits in Wien ken­nen ge­lernt. Ei­ne wei­te­re Par­al­le­le be­steht dar­in, dass die Obe­lis­ken in Schön­brunn und drei der vier Spitz­stei­ne von Pots­dam so­wie der in Rheins­berg nicht zen­tra­le Plät­ze mar­kier­ten, son­dern an der Pe­ri­phe­rie la­gen und die äu­ße­ren Gren­zen herr­schaft­li­cher Räu­me mar­kie­ren.[85]  Bei den trotz des Sie­ben­jäh­ri­gen Krie­ges en­gen Kon­tak­ten zwi­schen Kau­nitz, Jo­seph II. und Fried­rich II., aber auch zwi­schen Fi­scher von Er­lach und Kno­bels­dorff, kön­nen wir 30 Jah­re spä­ter ei­nen Trans­fer von Pots­dam nach Wien an­neh­men.[86]

Obelisk am Grienericksee, im Park des Schlosses Rheinsberg, 1739 im Auftrag Friedrichs II. von Preußen errichtet, 2008.

 

In Wien ha­ben wir al­ler­dings in Ana­lo­gie zu den Re­si­den­zen der geist­li­chen Fürs­ten auch ei­ne ka­tho­li­sche Kom­po­nen­te und ei­nen Ver­weis auf die Me­tro­po­le der ka­tho­li­schen Chris­ten­heit an­ge­nom­men, oh­ne frei­lich die Un­ter­schie­de zwi­schen ei­ner Kai­se­rin und ei­nem Bi­schof so­wie ei­nem Platz und ei­nem Park au­ßer Acht zu las­sen. Eva-Ma­ria En­gel hat die bei­den Obe­lis­ken in Sans­sou­ci und Rheins­berg als Aus­druck der Rom­sehn­sucht Fried­richs II., als Hin­weis auf ei­ne im­pe­ria­le Tra­di­ti­on, als Sym­bo­le des preu­ßi­schen Staa­tes und sei­ner eu­ro­päi­schen Macht­an­sprü­che ge­deu­tet. Er selbst ver­glich in sei­nem Ge­spräch mit sei­nem Nach­fol­ger Fried­rich Wil­helm II. (Re­gie­rungs­zeit 1786-1797) den Obe­lis­ken mit ei­nem Staats­ge­bil­de. Er sei schlank, auf­stre­bend und hoch, doch fest im Sturm und Un­ge­wit­ter. Sei­ne Stär­ke sei sei­ne Ge­rech­tig­keit. Die Spit­ze über­se­he al­les, wer­de aber vom Fun­da­ment ge­tra­gen. Das Volk müs­se aber ei­nig sein, um als Ba­sis des Herr­schers zu die­nen.[87]  Man wird nicht fehl ge­hen, den Wie­ner und den Pots­da­mer Obe­lis­ken als Sym­bo­le des auf­ge­klär­ten Ab­so­lu­tis­mus zu se­hen, was im Fall Schön­brunn ei­ne ka­tho­li­sche Kom­po­nen­te nicht aus­schlie­ßt.

Kei­ne Stadt in Deutsch­land hat­te so vie­le Obe­lis­ken wie Pots­dam: Bald nach sei­nem Re­gie­rungs­an­tritt ließ Fried­rich II. die Brei­te Stra­ße zu ei­ner Al­lee aus­bau­en. 1753 ent­warf Kno­bels­dorff das Neu­städ­ter Tor, das von zwei Obe­lis­ken flan­kiert wur­de, die wie­der­um mit Hie­ro­gly­phen de­ko­riert wa­ren. Sie wur­den mit stei­ner­nen Ad­lern mit Flü­geln aus Ei­sen be­krönt. Die­se wa­ren je­doch zu schwer be­zie­hungs­wei­se die gan­ze Sta­tik un­zu­rei­chend, je­den­falls wur­den 1772 die Obe­lis­ken ab­ge­tra­gen und neu er­rich­tet, frei­lich oh­ne blei­ben­den Er­folg, so dass sie 1776 noch­mals ab­ge­tra­gen wur­den. 1945 wur­den ein Obe­lisk und das Neu­städ­ter Tor zer­stört, sei­ne Res­te 1969 ab­ge­tra­gen und der an­de­re Obe­lisk 1981 nach der Ver­brei­te­rung der Brei­ten Stra­ße an ei­nen an­de­ren Stand­ort ver­scho­ben.

Detailansicht des 1753 errichteten Obelisken auf dem Alten Markt in Potsdam, 2006.

 

Eben­falls 1753 wur­de am Al­ten Markt in Pots­dam das Al­te Rat­haus er­baut. Kno­bels­dorff ließ den Platz vor dem Schloss als rö­mi­schen Platz ge­stal­ten. Hier­zu ge­hör­te auch ein 1753 er­rich­te­ter Obe­lisk an dem Bild­nis­me­dail­lons vier be­deu­ten­der Ho­hen­zol­lern an­ge­bracht wa­ren, de­nen Pots­dam viel zu ver­dan­ken hat (der Gro­ße Kur­fürst Fried­rich Wil­helm, Re­gie­rungs­zeit 1640-1688, Fried­rich I. Re­gie­rungs­zeit 1688-1713, ab 1701 als Kö­nig, Fried­rich Wil­helm I., Re­gie­rungs­zeit 1713-1740, Fried­rich II.). Auch die­se Platz­an­la­ge wur­de im Krieg zer­stört, der Obe­lisk um­ge­stal­tet und mit Bild­nis­sen be­deu­ten­der preu­ßi­scher Ar­chi­tek­ten (dar­un­ter Kno­bels­dorff und Karl Fried­rich Schin­kel, 1781-1841) ver­se­hen. Schlie­ß­lich sei noch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Fried­richs II. Nach­fol­ger Fried­rich Wil­helm II. im Nor­den Pots­dams ab 1787 ein Schloss (Mar­mor­pa­lais) und den Neu­en Gar­ten an­le­gen ließ. Der den Frei­mau­rern na­he­ste­hen­de Kö­nig ließ ei­nen Eis­kel­ler in Py­ra­mi­den­form, ei­ne Oran­ge­rie mit ei­nem ägyp­ti­schen Por­tal und 1793/1794 ei­nen Obe­lis­ken er­rich­ten, der vier Por­trät­me­dail­lons trägt. Sie zei­gen Män­ner in ver­schie­de­nen Le­bens­al­tern und sol­len die vier Jah­res­zei­ten sym­bo­li­sie­ren.

Ob die von Fried­rich II. sei­nem Nef­fen mit­ge­teil­te Deu­tung des Obe­lis­ken als Sym­bol des von ei­nem auf­ge­klär­ten Mon­ar­chen re­gier­ten Staa­tes von die­sem ge­teilt wur­de oder ob die­ser ein­fach für die Ge­heim­nis­se und die Weis­heit des al­ten Ägyp­tens be­zie­hungs­wei­se – wie die Hö­fe in Wien und in meh­re­ren geist­li­chen Re­si­den­zen – für die Ge­dan­ken der Frei­mau­rer schwärm­te, sei da­hin­ge­stellt. Be­reits bei Schön­brunn konn­te Bea­trix Ha­jós nach­wei­sen, dass Wien nicht nur als neu­es Rom, son­dern auch als neu­es Ägyp­ten, als Hort der Mys­tik und der Weis­heit, als ge­ord­ne­tes, von klu­gen Fürs­ten und ge­bil­de­ten Pries­tern re­gier­tes Land galt.[88]  Je­den­falls gibt es zwi­schen Schön­brunn und Pots­dam en­ge Be­zü­ge, bei de­nen Pots­dam ei­ne Vor­rei­ter­rol­le zu­kommt. Mit dem Bau­jahr 1777 lag Wien je­doch voll im Trend mit dem Obe­lis­ken­boom in den rhei­ni­schen Re­si­denz­städ­ten, und ei­ne im Rah­men die­ser Stu­die nicht mög­li­che Su­che nach Obe­lis­ken in Schloss­gär­ten för­dert 1779 auch in Schwet­zin­gen ei­nen sol­chen zu Ta­ge.[89]

In den 1780er Jah­ren kam der Plan ei­ner Stadt­er­wei­te­rung auf, die durch das Wachs­tum der Be­völ­ke­rung not­wen­dig ge­wor­den war.[90]  Die Ko­blen­zer Neu­stadt wur­de zeit­gleich mit dem Bau des neu­en Schlos­ses so­wie ei­ni­ger Ver­wal­tungs­ge­bäu­de an­ge­legt und führ­te zur Ent­fes­ti­gung der Süd­sei­te der Stadt. Das Zen­trum der Neu­stadt bil­de­te das am Rhein und in­mit­ten ei­nes Parks ge­le­ge­ne Schloss. Von die­sem aus führ­te ei­ne Haupt­stra­ße nach Wes­ten; sie be­ginnt mit ei­nem Halbron­dell an der Re­si­denz­stra­ße und mün­det in die Cle­mens­stra­ße (heu­te Schloss­stra­ße), die par­al­lel zu der al­ten Be­fes­ti­gung als Haupt­ach­se der Neu­stadt ver­läuft. Im Nor­den wer­den Schloss und Schloss­park von dem neu an­ge­leg­ten Cle­mens­platz, der eben­falls den Na­men des Grün­ders be­wahr­te, von der Alt­stadt ge­trennt. In der Neu­stadt soll­ten Be­am­te, Kauf­leu­te, Ärz­te, Apo­the­ker und Ju­ris­ten le­ben, die auf­ge­klär­te Füh­rungs­schicht der Haupt­stadt des Nie­der­erz­stifts.[91]  Um ih­ren Zu­zug – von dem er sich auch ei­ne neue wirt­schaft­li­che Blü­te ver­sprach – zu be­schleu­ni­gen, hat­te Cle­mens Wen­zes­laus 1783 ein To­le­ran­ze­dikt  er­las­sen, das es Pro­tes­tan­ten und Ju­den nach lan­ger Zeit wie­der er­laub­te, sich, wenn auch mit ein­ge­schränk­ten Bür­ger­rech­ten, in Kur­trier nie­der­zu­las­sen. Au­ßer­dem wur­den der Kauf von Grund­stü­cken und der Bau drei­ach­si­ger und min­des­tens zwei­ge­schos­si­ger Ge­bäu­de ge­för­dert.

3. Der Koblenzer Obelisk

Keh­ren wir zum Ab­schluss zu dem Ko­blen­zer Obe­lis­ken zu­rück, der zwei Jah­re vor dem in Pots­dam ent­stand. Un­ter dem letz­ten Trie­rer Kur­fürs­ten, dem Pracht lie­ben­den Erz­bi­schof Cle­mens Wen­zes­laus von Sach­sen, ei­nem En­kel Au­gusts des Star­ken, Kö­nig von Po­len und Kur­fürst von Sach­sen (Re­gie­rungs­zeit 1694-1733), und On­kel des fran­zö­si­schen Kö­nigs Lud­wig XVI. (Re­gie­rungs­zeit 1643-1715), wur­den meh­re­re Pro­jek­te in An­griff ge­nom­men, die die Stadt Ko­blenz grund­le­gend ver­än­der­ten, vor al­lem der Neu­bau des Schlos­ses und die An­la­ge ei­ner Neu­stadt.[92]  Plä­ne zu ei­ner städ­te­bau­li­chen Neu­glie­de­rung der Alt­stadt hat­te es schon län­ger ge­ge­ben. 1773 wur­den die Ge­bäu­de rund um das Je­sui­ten­kol­le­gi­um auf­ge­kauft und ab­ge­bro­chen so­wie ein Fried­hof ver­legt, um den heu­ti­gen Je­sui­ten­platz zu schaf­fen. Der Platz wur­de durch die Fir­mung­stra­ße mit ei­nem 1706 an­ge­leg­ten und 1748 ver­grö­ßer­ten Pa­ra­de­platz (heu­te Gör­res­platz) ver­bun­den. Die­ser war durch Ket­ten ab­ge­sperrt und mit Lin­den be­pflanzt. Die­se ge­rad­li­nig-geo­me­tri­sche Ord­nung ei­ner ge­glie­der­ten Platz­fol­ge mit Ach­sen, die mit Brun­nen, Denk­mä­lern und Git­tern aus­ge­stat­tet wa­ren, ent­sprach dem Ide­al ei­ner ba­ro­cken Platz­ge­stal­tung. Zu ver­wei­sen ist ne­ben Rom auf Bei­spie­le in Frank­reich, auf die Idee ei­ner place roy­al, wie wir sie be­son­ders ein­drucks­voll im loth­rin­gi­schen Nan­cy fin­den.[93]

1776 wand­te sich Kur­fürst Cle­mens Wen­zes­laus an sei­ne Land­stän­de. Er wol­le ein neu­es Re­si­denz- und Lust­schloss vor den To­ren von Ko­blenz bau­en, was der Stadt durch den Bau so­wie die Ver­le­gung von Hof und Be­hör­den neue Ein­nah­men ver­schaf­fen so­wie Han­del und Ge­wer­be be­le­ben wür­de. Die Phil­ipps­burg in Eh­ren­breit­stein sei bau­fäl­lig, ei­ne Re­pa­ra­tur loh­ne sich nicht mehr, wes­halb er im Di­kas­te­ri­al­ge­bäu­de be­zie­hungs­wei­se in den Schlös­sern Schön­born­lust und Kär­lich re­si­die­ren müs­se. Zu­dem sei die Burg durch her­ab­stür­zen­de Fel­sen ge­fähr­det, und die um­ständ­li­che Ver­kehrs­an­bin­dung über den Rhein be­hin­de­re die Ar­beit der Ver­wal­tung. Ei­ne Re­si­denz­bau­kom­mis­son wur­de ein­be­ru­fen und der fran­zö­si­sche Ar­chi­tekt Pier­re Mi­chel d’Ix­nard (1723-1795) mit der An­fer­ti­gung von Plä­nen be­auf­tragt.[94]

Der Alte Markt in Potsdam mit Blick auf das Rathaus, Ölgemälde von Carl Christian Wilhelm Baron, 1773.

 

Der ers­te Plan sah ei­ne Aus­rich­tung des Schlos­ses auf die Alt­stadt hin vor, zum heu­ti­gen Gör­res­platz, der als Pa­ra­de­platz die­nen soll­te. Der zwei­te Ent­wurf pro­jek­tier­te ei­ne Wen­dung des Schlos­ses zum Rhein. Es soll­te nä­her am Ufer er­rich­tet wer­den und sich mit Cir­cu­lar­flü­geln und ei­nem weit­flä­chi­gen Hof­raum zur Schloss­stras­se hin öff­nen; da­mit er­folg­te ei­ne Ab­wen­dung von der Alt­stadt und ei­ne Hin­wen­dung zur Neu­stadt, was durch­aus auch als po­li­ti­sches Pro­gramm zu ver­ste­hen ist. Nach län­ge­ren Que­re­len, Gut­ach­ten der Pa­ri­ser Aka­de­mie und ei­nem Ge­gen­ent­wurf des kur­trie­ri­schen Hof­bau­meis­ters Jo­hann Seitz (1717-1779),[95]  der eben­falls kei­ne Zu­stim­mung fand, ent­ließ der Kur­fürst 1779 d’Ix­nard und be­rief den Pa­ri­ser Ar­chi­tek­ten An­toi­ne-François Pey­re den Jün­ge­ren (1739-1823), der neue Plä­ne für ei­nen jetzt deut­lich ver­klei­ner­ten und ver­ein­fach­ten Bau ent­warf. 1786 konn­te der Kur­fürst das Schloss be­zie­hen. 1792 wur­de die Schloss­ka­pel­le ge­weiht, doch im glei­chen Jahr muss­te er vor­läu­fig und 1794 end­gül­tig vor den fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­ons­trup­pen flie­hen.

Als wei­te­res Ge­bäu­de ist in die­sem Zu­sam­men­hang mit der An­la­ge des Cle­mens­plat­zes das Ko­blen­zer Thea­ter zu nen­nen. 1787 er­teil­te der Kur­fürst dem Hof­rat Franz Jo­seph Schmitz (1725-1806) ein Pri­vi­leg zum Bau ei­nes Ko­mö­di­en- und Ball­hau­ses, das gleich­zei­tig auch für Kar­ne­vals­fei­ern und Kon­zer­te, als Ca­fé und Bil­lard­sa­lon die­nen soll­te. Das schräg ge­gen­über dem Schloss ge­le­ge­ne Ge­bäu­de wur­de vom Kur­fürs­ten fi­nan­zi­ell ge­för­dert und konn­te in­ner­halb von sie­ben Mo­na­ten durch den Ar­chi­tek­ten Pe­ter Jo­seph Kra­he (1758-1840) für 44.000 Ta­ler ge­baut wer­den. Das Ko­blen­zer Schau­spiel­haus war ei­nes der mo­derns­ten sei­ner Zeit und ist heu­te ei­nes der we­ni­gen er­hal­te­nen klas­si­zis­ti­schen Auf­füh­rungs­ge­bäu­de. Es wur­de am Cle­mens­tag 1787 mit Mo­zarts Ent­füh­rung aus dem Se­rail er­öff­net. Das Thea­ter be­sitzt ei­ne klas­si­zis­ti­sche Fas­sa­de mit Pi­las­tern. Ei­ne la­tei­ni­sche In­schrift un­ter­streicht sei­ne Wid­mung an die Mu­sen, die gu­ten Sit­ten und die Un­ter­hal­tung der Öf­fent­lich­keit.[96]  Rechts da­ne­ben be­fin­det sich der 1786 er­bau­te Trie­rer Hof, der noch stär­ker dem Spät­ba­rock ver­haf­tet ist.

Vor dem Thea­ter er­rich­te­te Kur­fürst Cle­mens Wen­zes­laus ei­nen neun Me­ter ho­hen Obe­lis­ken, der auf ei­nem qua­dra­ti­schen Po­dest steht. Die­ses be­fin­det sich auf vier halb­kreis­för­mi­gen Brun­nen­scha­len.[97]  Der Ko­blen­zer Obe­lisk ist, was man beim ers­ten Blick leicht über­sieht, eben­falls ein Brun­nen. Seit dem 16. Jahr­hun­dert hat­te es mehr­fach er­folg­lo­se Ver­su­che ge­ge­ben, die Stadt Ko­blenz mit ei­ner funk­tio­nie­ren­den Was­ser­ver­sor­gung aus­zu­stat­ten. Be­reits 1682 wur­de ei­ne Lei­tung von Met­ter­nich in die Stadt ge­plant. Kur­fürst Franz Ge­org von Schön­born woll­te 1750 ei­ne Was­ser­lei­tung mit schmü­cken­den Brun­nen, zur Zier­de der Stadt ei­nen Haupt­spring­brun­nen auf dem hie­si­gen Pa­ra­de­platz, er­rich­ten und be­auf­trag­te 1751/1753 sei­nen Haus­ar­chi­tek­ten Bal­tha­sar Neu­mann mit der Pla­nung; al­ler­dings konn­te das Pro­jekt aus Kos­ten­grün­den nicht zum Ab­schluss ge­bracht wer­den.[98]  Erst mit dem Schloss­bau kam Be­we­gung in die Sa­che.[99]  Cle­mens Wen­zes­laus er­klär­te sich be­reit, die Kos­ten zu über­neh­men, und ließ durch den kur­trie­ri­schen Hof­brun­nen­di­rek­tor Ge­org Hein­rich Kirn (1736-1793) in den Jah­ren 1783 bis 1786 ei­ne sechs Ki­lo­me­ter lan­ge Lei­tung von Met­ter­nich über Lüt­zel und die Bal­du­ins­brü­cke durch den Al­ten­gra­ben, den Plan, die Gör­gen­gas­se und das Rhein­gäss­chen zum Pul­ver­turm, der zum Was­ser­turm aus­ge­baut wur­de, und dann zum Schloss füh­ren.

Die Was­ser­lei­tung war zu­nächst nur für das Schloss vor­ge­se­hen, da man be­fürch­te­te, die Was­ser­men­ge sei zur Ver­sor­gung der Stadt zu ge­ring. Aus die­sem Grund wur­de die Stadt auch nicht an den Kos­ten be­tei­ligt und in der Neu­stadt leg­te man Haus­brun­nen an. An­stel­le der ver­an­schlag­ten 21.000 kos­te­te die Was­ser­lei­tung je­doch 32.000 Reichs­ta­ler, so dass die Stadt doch noch auf­ge­for­dert wur­de, ei­nen Bei­trag zu leis­ten; im Ge­gen­zug durf­te sie fünf Brun­nen­plät­ze be­nen­nen (Gör­res­platz, Kas­tor­hof, Plan, Münz­platz, Flor­ins­markt). Schlie­ß­lich ver­pflich­te­te sich die Stadt, 7.000 Gul­den (4.666 Reichs­ta­ler) so­wie ei­nen Bei­trag zu den Un­ter­halts­kos­ten zu zah­len. Am 21 Au­gust 1786 war – wie die In­schrift in der Brun­nen­stu­be über­lie­fert – die Was­ser­lei­tung fer­tig ge­stellt. Im Schloss gab es zwölf Aus­läu­fe, die die Kü­che, den Wein­kel­ler, das Wasch­haus und die Pfer­de­stäl­le ver­sorg­ten; Brun­nen für die Stadt wa­ren bis da­hin nicht er­rich­tet wor­den.

1791 wur­de dann der Cle­mens­brun­nen als öf­fent­li­cher Brun­nen in Be­trieb ge­nom­men. Erst un­ter fran­zö­si­scher Herr­schaft wur­den 1805 der Brun­nen auf dem Plan und 1812 der auf dem Kas­tor­platz er­rich­tet. Den klas­si­zis­ti­schen Brun­nen am Plan ließ der Wein­händ­ler und Bür­ger­meis­ter Jo­hann Ni­ko­laus Ne­bel (1781-1841) aus Stei­nen des zer­stör­ten Schlos­ses Schön­born­lust und ei­nem Ab­fluss­be­cken aus der Kar­tau­se er­rich­ten. An­ge­bracht wur­de au­ßer­dem ei­ne aus dem al­ten Was­ser­turm stam­men­de Mar­mor­ta­fel. Die aus­führ­li­che la­tei­ni­sche In­schrift wen­det sich an den Le­ser (CER­NIS LEC­TOR) und be­rich­tet, der Kur­fürst ha­be das Was­ser die­ses Brun­nens auf ei­ge­ne Kos­ten von Met­ter­nich hier­her füh­ren las­sen. Der Bau der Lei­tung sei 1783 be­gon­nen und 1786 ab­ge­schlos­sen wor­den. Dann wird der Ent­wer­fer, Lei­ter und Voll­ender die­ses aus­ge­zeich­ne­ten und nütz­li­chen Bau­es, der Pio­nier­haupt­mann und Was­ser­bau­di­rek­tor Ge­org Kirn (1736-1793) ge­nannt, be­vor um Got­tes Se­gen für die­ses Werk ge­be­ten wird.[100]

Lo­ben­de Wor­te fand auch sechs Jahr­zehn­te spä­ter Chris­ti­an von Stram­berg (1785-1868) in sei­nem „Rhei­ni­schen An­ti­qua­ri­us“. Er be­rich­tet zum Teil in en­ger An­leh­nung an den Text der In­schriften­ta­fel über das Pro­jekt zur Her­bey­schaf­fung gu­ten fri­schen Brunn­was­sers. Da­bei be­schreibt er die Lei­tun­gen und die Brun­nen­stu­ben so­wie die in der chur­fürst­li­chen Schmelz zu Sayn ge­gos­se­nen ei­ser­nen Röh­ren. Das al­les sind die herr­lichs­te[n] Mo­nu­men­ten, und kön­nen nicht ge­nug ge­rüh­met und be­wun­de­ret wer­den. So wie die­ses kost­ba­re und in Wahr­heit herr­li­che Werk Ih­ro Chur­fürst­li­che Durch­laucht, Höchst­wel­che es auf eig­ne Kos­ten ha­ben ma­chen las­sen [!], bey der Nach­welt ver­ewi­get; eben so gro­ße Ehr ma­chet es dem Brun­nen­meis­ter Kirn, wel­cher als ein trie­ri­scher Ein­ge­bohr­ner ein so präch­ti­ges Was­ser­werk al­lein zu Stand ge­bracht hat. Kirn sei dar­auf hin zum In­ge­nieur-Haupt­mann und zum Chaus­sée-In­spec­teur be­för­dert wor­den, sei­nem Sohn sei­en die­se Stel­len in Aus­sicht ge­stellt wor­den, und ei­ne Mar­mor­ta­fel am Was­ser­turm hal­te sei­nen Na­men fest.[101]  Dann kommt er zu dem Ur­teil: Die­se Was­ser­lei­tung wa­re eins mit von den kost­spie­li­gen Stü­cken, so bey dem Bau­we­sen ge­macht wor­den, und wird all­zeit von al­len durch­pas­si­ren­den Frem­den mit Ver­wun­de­rung ge­se­hen und ge­rüh­met wer­den.[102]  Nicht das Füh­ren von Krie­gen und der Bau von Pa­läs­ten, son­dern die nicht min­der kost­spie­li­ge Sor­ge um die Was­ser­ver­sor­gung der Un­ter­ta­nen be­grün­den den Nach­ruhm ei­nes Fürs­ten.[103]

Der öf­fent­li­che Brun­nen vor dem Ko­blen­zer Thea­ter wur­de dann 1791 er­rich­tet. Der Grund für die Ver­zö­ge­rung lag dar­in, dass erst zu die­sem Zeit­punkt der Stadt­gra­ben zu­ge­schüt­tet wur­de, so dass der Cle­mens­platz ent­stand. Als Stand­ort wähl­te man die­sen, weil dort die Lei­tung ver­lief, die oh­ne grö­ße­re Bau­ar­bei­ten an­ge­zapft wer­den konn­te; zu­dem konn­te der Über­lauf zu dem 1788/1789 er­rich­te­ten Bau­hof ge­lei­tet wer­den.[104]  Ein re­prä­sen­ta­ti­ve­rer Platz für den Cle­mens­brun­nen, et­wa in dem Halbron­dell vor dem Schloss in der Ach­se der Schloss­stra­ße, schied aus die­sem Grund aus. An die­sem pro­mi­nen­ten Platz wur­de 1794 der Frei­heits­baum er­rich­tet.[105]

Am Cle­mens­tag, dem 23.11.1791, wur­de der Cle­mens­brun­nen ein­ge­weiht. Er be­fand sich ur­sprüng­lich mit­ten auf dem neu an­ge­leg­ten Cle­mens­platz. Da­bei müs­sen wir be­rück­sich­ti­gen, dass der Cle­mens­platz sei­ne Form ver­än­dert hat: Sei­ne öst­li­che Hälf­te, der Rei­chen­sper­ger Platz, ent­stand erst nach dem Ab­riss des Ka­me­ral-Bau­hofs, den be­reits Chris­ti­an von Stram­berg 1851 als au­ßer­or­dent­lich stö­ren­den Fremd­kör­per in der Platz­ge­stal­tung be­zeich­ne­te.[106]  Auch die Häu­ser­zei­le an der heu­ti­gen Stre­se­mann­stra­ße, die den Blick vom Platz auf das Schloss ver­sperrt, ist neue­ren Da­tums; die Ge­bäu­de des Ober­prä­si­di­ums an der Süd­sei­te wur­den erst 1907/1910, die der kö­nig­li­chen Be­zirks­re­gie­rung auf der Ost­sei­te 1902/1907 er­rich­tet. Erst da­bei ent­stand ei­ne von re­prä­sen­ta­ti­ven Ge­bäu­den ein­ge­rahm­te Dop­pel­platz­an­la­ge. 1954 wur­de der Cle­mens­platz in Dein­hards­platz um­be­nannt und so­mit der Na­me des für die städ­ti­sche Was­ser­ver­sor­gung so ver­dienst­vol­len Kur­fürs­ten durch den ei­nes Wein­händ­lers und Sekt­fa­bri­kan­ten er­setzt. 1970 schlie­ß­lich wur­de der Cle­mens­brun­nen vor das Thea­ter ver­scho­ben, um dem Ver­kehr Platz zu schaf­fen.

Ne­ben sei­ner tech­ni­schen Di­men­si­on und sei­ner städ­te­bau­li­chen Funk­ti­on ist auf die zei­chen­haf­te Wir­kung des Obe­lis­ken am Cle­mens­brun­nen ein­zu­ge­hen.[107]  Nach den bis­he­ri­gen Über­le­gun­gen lässt sich fest­hal­ten, dass er in den ka­tho­li­schen Ter­ri­to­ri­en als Sym­bol der Rom­treue, aber auch als Si­gnum der Lan­des­herr­schaft und der Glo­rie, des Ruhms und Nach­ruhms des Fürs­ten galt. So­wohl der Neue Brun­nen in Mainz als auch der Ge­orgs­brun­nen in Trier und auch die in Bonn, Würz­burg und Wien be­sit­zen je­weils ei­nen Obe­lis­ken,[108]  aber auch das Por­tal des Ko­blen­zer, des Lu­xem­bur­ger und des Trie­rer Je­sui­ten­kol­legs so­wie das am Ro­ten Turm in Trier. Man könn­te ge­gen die­se Deu­tung ein­wen­den, dass die Bild­pro­gram­me des rö­mi­schen Ba­rock und die ihr zu­grun­de lie­gen­de Fröm­mig­keit im Zeit­al­ter der Auf­klä­rung nicht mehr zeit­ge­mäß wa­ren. Tat­säch­lich hat Cle­mens Wen­zes­laus vie­le Re­for­men des re­li­giö­sen Le­bens in die We­ge ge­lei­tet wie die Be­schrän­kung der Pro­zes­sio­nen, Wall­fahr­ten und Fei­er­ta­ge. Al­ler­dings war Kur­trier ein geist­li­ches Ter­ri­to­ri­um, und wir müs­sen in An­be­tracht des kom­ple­xen Ver­hält­nis­ses von Erz­bis­tum, Kur­fürs­ten­tum, Dom­ka­pi­tel, Städ­ten, Land­stän­den und Adel stets mit ei­ner „Gleich­zei­tig­keit des Un­gleich­zei­ti­gen“ rech­nen.[109]  Auch un­ter Cle­mens Wen­zes­laus und bis 1794 ver­schick­ten die Dom­her­ren jähr­lich ei­nen groß­for­ma­ti­gen Wap­pen­ka­len­der, der das ge­mein­sam von ih­nen und dem Lan­des­herrn re­gier­te Kur­fürs­ten­tum un­ter dem Schutz des Hei­li­gen Rocks und des Hei­li­gen Na­gels so­wie der Bis­tums­pa­tro­ne zeigt.[110]

Der Obe­lisk auf dem Ko­blen­zer Brun­nen trans­fe­rier­te aber nicht nur ei­ne re­li­giö­se be­zie­hungs­wei­se kir­chen­po­li­ti­sche, son­dern auch ei­ne po­li­ti­sche Bot­schaft. Hier­zu tru­gen der ur­sprüng­li­che Auf­stel­lungs­ort, die er­neu­er­ten Wap­pen und die la­tei­ni­sche In­schrift bei: Kur­fürst Cle­mens Wen­zes­laus wid­me­te den Brun­nen sei­nen Nach­barn. Hier grü­ßt der Lands­herr sei­ne Un­ter­ta­nen, vom Schloss aus wen­det sich sei­ne Bot­schaft über den Cle­mens­platz hin­weg an die in den an­lie­gen­den Häu­sern le­ben­den Ko­blen­zer Bür­ger be­zie­hungs­wei­se An­ge­hö­ri­gen des Ho­fes. Da der Cle­mens­platz so­wohl an die Alt­stadt als auch an die Neu­stadt grenzt, dürf­te sich die Bot­schaft an bei­de Stadt­tei­le ge­rich­tet und so­mit auch ei­ne ge­mein­schafts­stif­ten­de Funk­ti­on be­ses­sen ha­ben.[111]

Zu­dem ist auf die Herr­scher­tu­gend der Frei­gie­big­keit hin­zu­wei­sen, die lar­gi­tas, mit der der Kur­fürst die Un­ter­ta­nen mit et­was Nütz­li­chem, näm­lich mit Trink-, Brauch- und Lösch­was­ser be­schenkt.[112]  An den Brun­nen von Nan­cy fin­den sich der Meer­gott Nep­tun und sei­ne Gat­tin Am­phi­tri­te; sie sind gleich­zei­tig Per­so­ni­fi­ka­tio­nen des gro­ßzü­gi­gen Fürs­ten­paa­res, das sei­ne Stadt mit ei­nem Platz und mit zwei Brun­nen be­schenk­te.[113]  Auch bei den Brun­nen von Rom spielt die Was­ser­ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung, hier im be­wuss­ten Rück­griff auf an­ti­ke Im­pe­ra­to­ren, ei­ne wich­ti­ge Rol­le.[114]  Wei­te­re Bei­spie­le sind Trier, Würz­burg und Bonn. Der Be­griff des Ge­schenks hat frei­lich ei­nen Bei­ge­schmack, weil letzt­lich die Bür­ger be­zie­hungs­wei­se die Land­stän­de die Kos­ten der Brun­nen be­zah­len muss­ten.[115]  Frei­lich be­dank­ten sie sich mit ei­nem Lob­ge­dicht und er­hiel­ten als Ge­gen­ga­be nicht nur Zu­gang zum Cle­mens­brun­nen, son­dern auch ei­ne sechs­jäh­ri­ge Brü­cken­frei­heit auf der Bal­du­ins­brü­cke über die Mo­sel.[116]

Wich­tig ist da­bei auch die räum­li­che Kom­po­nen­te: Der Stadt­raum wird durch ei­ne Mau­er, Stra­ße­n­ach­sen, Kir­chen so­wie die lan­des­herr­li­che Re­si­denz und Ver­wal­tungs­ge­bäu­de ge­glie­dert, ein Ar­chi­tek­tur­ka­non, zu dem auch die Brun­nen zäh­len. In­schrif­ten, Wap­pen und Bild­pro­gram­me trans­fe­rier­ten ei­ne re­li­giö­se und ei­ne po­li­ti­sche Bot­schaft: Auf der ei­nen Sei­te un­ter­stri­chen sie die Ka­tho­li­zi­tät der Be­woh­ner und mach­ten durch zahl­rei­che Rom- be­zie­hungs­wei­se Je­ru­sa­lem­be­zü­ge deut­lich, dass es sich bei Ko­blenz oder Trier um Hei­li­ge Städ­te han­del­te. Die Stadt dien­te nicht nur als Bil­der­bi­bel, son­dern auch als Büh­ne für Pro­zes­sio­nen, fei­er­li­che Ein­rit­te, Herr­scher­be­su­che und Bi­schofs­be­gräb­nis­se. Adres­sa­ten wa­ren die Bür­ger, aber auch die Geist­li­chen, die in der Stadt leb­ten, so­wie der Hof­staat. Ih­nen führ­te man vor Au­gen, dass sie in ei­ner wohl re­gier­ten ka­tho­li­schen Stadt leb­ten. Re­si­denz­bau­ten und Por­träts imi­tier­ten den Son­nen­kö­nig und ver­bild­lich­ten dar­über hin­aus so­gar ab­so­lu­tis­ti­sche Macht­an­sprü­che. Auch Macht- und Männ­lich­keits­phan­ta­si­en mö­gen ei­ne Rol­le ge­spielt ha­ben.[117]

Bei die­sem räum­li­chen Be­zugs­sys­tem muss man auch das Ter­ri­to­ri­um ein­be­zie­hen: Schlös­ser und Obe­lis­ken­brun­nen gab es in Kur­trier nur in den bei­den Re­si­denz­städ­ten Ko­blenz und Trier. Die Ord­nung von Kir­che und Welt, die re­li­gi­ös le­gi­ti­mier­te Staats­fröm­mig­keit, wur­de den wohl­dis­zi­pli­nier­ten Un­ter­ta­nen auf dem Lan­de bei Be­su­chen in der Stadt vor Au­gen ge­führt. Zu die­ser Dar­stel­lung ge­hör­te die sprich­wört­li­che ba­ro­cke Pracht, die sich glei­cher­ma­ßen in Kir­chen wie in Pa­läs­ten fin­det und die Lan­des­herr­schaft in ei­ne über­ir­di­sche Sphä­re tauch­te. Das pracht­voll ge­schmück­te Amts­wap­pen des Kur­fürs­ten wur­de bei je­der Ge­le­gen­heit an­ge­bracht, aber auch die Wap­pen­se­ri­en der Dom­ka­pi­tu­la­re und Rats­her­ren in ih­rer ge­nau fest­ge­leg­ten Rei­hen­fol­ge. Nicht nur die Po­si­ti­on des Lan­des­herrn, son­dern die gan­ze po­li­ti­sche und ge­sell­schaft­li­che Ord­nung wur­de da­mit re­li­gi­ös le­gi­ti­miert.

Auch auf dem Lan­de war die­se Ord­nung vi­su­ell er­fahr­bar. Auch hier gab es Stra­ße­n­ach­sen, die die Schlös­ser des Adels mit Wall­fahrts­ka­pel­len ver­bin­den, so zum Bei­spiel in Bas­sen­heim und in Föh­ren, die den Zeit­ge­nos­sen die vom Lan­des­herrn ge­schaf­fe­ne Ord­nung der Welt vor Au­gen führ­ten.[118]  Über­all gab es Kreuz­we­ge, Kal­va­ri­en­ber­ge, Hei­li­ge Grä­ber und Öl­ber­ge, be­acht­lich war die Zahl der Wall­fahrts­ka­pel­len, groß die Zahl der Jo­hann-Ne­po­muk-Fi­gu­ren auf den Brü­cken und un­über­schau­bar die der We­ge­kreu­ze und Bild­stö­cke. Je­dem Be­su­cher wur­de si­gna­li­siert: Dies war gut re­gier­tes, Hei­li­ges Land.[119]  In Würz­burg ging man so weit, die fürst­bi­schöf­li­che Lan­des­herr­schaft in der Ge­stalt ei­ner Per­so­ni­fi­ka­ti­on der Fran­ko­nia dar­zu­stel­len, wäh­rend man in Trier zeig­te, wie das Land un­ter dem Schutz des Hei­li­gen Rocks und des Hei­li­gen Na­gels stand.

Er­rich­te­te man in Bay­ern und Ös­ter­reich Zwie­bel­tür­me und Pest­säu­len, so bau­te man im ka­tho­li­schen Rhein­land Obe­lis­ken­brun­nen. Sie wa­ren so­mit weit­hin sicht­ba­re Denk­zei­chen in­ner­halb ba­ro­cker Platz­sys­te­me, sie be­inhal­te­ten ei­ne po­li­ti­sche Bot­schaft, ein Lob des Kur­fürs­ten, und sie be­sa­ßen ei­ne kir­chen­po­li­ti­sche In­ten­ti­on, in­dem sie die Treue zu Rom und zur ka­tho­li­schen Re­li­gi­on deut­lich mach­ten. Je­de die­ser Städ­te ver­stand sich als ei­ne Ro­ma se­c­un­da, die auch in ih­ren Brun­nen, Stra­ßen und Kir­chen der ewi­gen Stadt nach­ei­fer­te. Die Lan­des­her­ren er­rich­te­ten Denk­mä­ler, um den Zeit­ge­nos­sen ih­ren Macht­an­spruch zu de­mons­trie­ren und um der Nach­welt ih­re Leis­tun­gen vor Au­gen zu füh­ren. Die Un­ter­ta­nen dank­ten ih­rem Lan­des­herrn. In Trier lie­ßen sie 1750 ih­re Wap­pen am Ge­orgs­brun­nen an­brin­gen, in Bonn mei­ßel­ten sie 1777 ei­ne In­schrift ein, die die Wahr­heit zu­recht­rück­te, In Er­furt sam­mel­ten sie 1777 und in Ko­blenz stell­te sie 1791 vier La­ter­nen ne­ben den Brun­nen, die er­gie­bigs­te Was­ser­py­ra­mi­de be­zie­hungs­wei­se die­se Eh­ren­säu­le, auf, um die­ses Denk­mal kur­fürst­li­cher Mil­de nachts zu be­leuch­ten und um nächt­li­chen Un­fug zu ver­hü­ten.[120]  Ge­nutzt hat es frei­lich we­nig. Drei Jah­re spä­ter feg­ten die Stür­me der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on über Trier, Ko­blenz, Mainz und Bonn hin­weg, die Herr­schafts­zei­chen wur­den ver­stüm­melt, und heu­te ste­hen sie mit ih­rer nicht mehr ganz zeit­ge­mä­ßen Bot­schaft et­was ver­lo­ren im Stadt­raum. Des­halb hat man sie in Trier und Ko­blenz zur Sei­te ge­rückt, um Platz für par­ken­de Fahr­zeu­ge zu schaf­fen, und in Bonn dient der Obe­lis­ken­brun­nen da­zu, die Fahr­rä­der der Be­su­cher des Wo­chen­markts an­zu­ket­ten.[121]  Sic tran­sit glo­ria mun­di.

Literatur

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Kurfürstliches Schloss Koblenz, im Jahr 1786 durch den französischen Architekten Antoine-François Peyre fertiggestellt, 2006.

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Schmid, Wolfgang, Warum steht vor dem Koblenzer Theater ein Obelisk? Zur Geschichte und Symbolik eines barocken Herrschaftszeichens in rheinischen Residenzstädten, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/warum-steht-vor-dem-koblenzer-theater-ein-obelisk-zur-geschichte-und-symbolik-eines-barocken-herrschaftszeichens-in-rheinischen-residenzstaedten/DE-2086/lido/5885eb40dc1e20.79126473 (abgerufen am 05.12.2024)