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Die Familie Krupp ist eine der bekanntesten und bedeutendsten deutschen Unternehmerdynastien. Beheimatet in Essen, hat sie seit Gründung der Gussstahlfabrik 1811 deutsche Geschichte mitgestaltet.
Die Anfänge
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wanderten Mitglieder der Familie Krupp aus den Niederlanden aus und ließen sich in Essen nieder. Namentlich bekannt ist hier als erster der Kaufmann Arnold (Arndt) Krupp (auch Krupe), der 1587 in die Essener Kaufgilde aufgenommen wurde und 1624 starb. Er handelte vor allem mit Wein, Lebensmitteln und Eisenwaren.
Die Krupps gehörten zu den ersten Familien der kleinen Stadt Essen. Die Basis ihres Wohlstandes war der Handel. Immer wieder übernahmen Familienmitglieder öffentliche Ehrenämter, zum Beispiel als Rentmeister oder Ratsherr. Arnold Krupp (um 1662-1734), der unter anderem in Duisburg studiert und in Gießen zum Doktor beider Rechte promoviert wurde, war mehr als 30 Jahre Bürgermeister.
Helene Amalie Krupp (10.7.1732-9.5.1810)
Arnold Krupps Sohn Friedrich Jodocus (1706-1757) gründete 1732 ein Kolonialwarengeschäft, das nach seinem Tod von seiner zweiten Frau, Helene Amalie Krupp, geborene Ascherfeld, weitergeführt wurde. Sie war eine energische Unternehmerpersönlichkeit, die einerseits den Handel überregional erweiterte: Kunden und Lieferanten saßen nicht mehr nur im näheren rheinischen Umfeld, sondern auch in London, Hamburg und Bremen. Andererseits ging die „Witwe Krupp“ den Weg vom Handel zur Produktion: Sie errichtete eine kleine Schnupftabakfabrik und erwarb Beteiligungen an Steinkohlenzechen. Zwischen 1799 und 1808 gehörte ihr auch die Hütte „Gute Hoffnung“ in Sterkrade, heute Oberhausen. Weitblickend legte sie den Grundstein für frühindustrielle Aktivitäten der Familie.
Friedrich Krupp (17.7.1787-8.10.1826)
Helene Amalie Krupp überlebte ihren Sohn Peter Friedrich Wilhelm (1753-1795), der sie bei der Führung der Geschäfte unterstützt hatte, und wirkte prägend auf ihren Enkel Friedrich ein. Dieser war in ihrem Auftrag seit 1805 auf der Gutehoffnungshütte tätig, zuletzt als Betriebsleiter, und trat 1810 das Erbe von Helene Amalie Krupp an. Wie seine Vorfahren übernahm auch Friedrich Krupp als Stadtrat Ehrenämter im Dienst der Allgemeinheit, und wie seine Großmutter suchte er nach zukunftsweisenden neuen Geschäftsfeldern. So gab er das traditionsreiche Kaufmannsgeschäft auf und setzte seine Hoffnungen auf die Metallindustrie. Am 20.11.1811 gründete er mit den Brüdern Georg und Wilhelm von Kechel in Essen eine Gussstahlfabrik, um in einem Umschmelzprozess einen Spezialstahl herzustellen, der besonders rein, hart und zäh sein und englischen Qualitätsmaßstäben standhalten sollte. Gussstahl, technisch zutreffender: Tiegelstahl, war 1740 in England von Benjamin Huntsman erfunden worden. 1811 hatte die napoleonische Kontinentalsperre jedoch einen Export unmöglich gemacht.
Seit 1816 betrieb Krupp die Gussstahlfabrik als alleiniger Inhaber. Technische Rückschläge, Absatzschwierigkeiten, Finanzierungsengpässe und eine labile Gesundheit verhinderten ein Aufblühen. Das Geschäft erforderte hohe Investitionen und verschlang das ererbte Familienvermögen. 1824 musste Friedrich Krupp aus finanziellen Gründen das repräsentative Stadthaus der Familie verkaufen und mit seiner Familie in das kleine Haus des Betriebsleiters auf dem Fabrikgelände ziehen. Krupp verlor damit auch seinen gesellschaftlichen Status in der Essener Kaufmannschaft und wurde aus deren Liste gestrichen. Ein tiefer Fall. Als er 1826 im Alter von nur 39 Jahren starb, hinterließ er seiner Frau Therese, geborene Wilhelmi, (1790-1850) und den vier Kindern einen hoch verschuldeten Kleinbetrieb, der lediglich eine Handvoll Beschäftigte hatte. Allerdings war es ihm gelungen, auf metallurgisch-technischem Gebiet ein zukunftstaugliches Produktionsverfahren zu entwickeln. Hergestellt wurden anfänglich Gussstahlstangen, Schneid- und Schabwerkzeuge, Feilen, Münzstempel und Walzen. Die Krupp’sche Gussstahlfabrik gehörte zu jenen Keimzellen, die das agrarische „Ruhrgebiet“ allmählich in einen industriellen Ballungsraum neuer Dimension verwandeln sollten.
Alfred Krupp (26.4.1812-14.7.1887)
Therese Krupp führte den Betrieb ihres Mannes weiter, unterstützt von Verwandten und insbesondere ihrem ältesten Sohn Alfred (ursprünglich Alfried) Krupp. Dieser übernahm bereits mit 14 Jahren Verantwortung im Betrieb seines kranken Vaters und war schon nach kurzer Zeit der eigentliche Geschäftsführer, ab 1848 dann auch formaljuristisch alleiniger Inhaber. Ohne abgeschlossene Schulbildung eignete er sich in der Praxis ein profundes technisches und kaufmännisches Wissen an. Der Wille zum Weitermachen erfüllte ihn, und der Glaube an seinen Erfolg: „Meine Ungeduld ist ein Crocodil – das lässt sich nicht bezähmen."
Mit unternehmerischem Gespür, Beharrlichkeit und Risikobereitschaft gelang es ihm in wenigen Jahrzehnten, aus der Firma ein industrielles Großunternehmen mit 20.000 Beschäftigten zu formen, das international tätig war. Dabei profitierte er von der Gunst der Zeit. Das Zeitalter der Industriellen Revolution ist untrennbar mit dem Namen von Alfred Krupp verbunden. Er steht für wirtschaftliches Wachstum und technische Innovationen. Ziel war immer die Herstellung von Qualitätsprodukten: „Ordinär arbeiten ist gegen meine Neigung."
Bis etwa 1850 wuchsen Umsatz und Belegschaft nur langsam, aber dann brachte die Industrialisierung neue, höchst aufnahmefähige Märkte für die Firma. Eisenbahnmaterial wie Achsen, Federn und Schienen fanden starken Absatz. Insbesondere galt dies für eine Erfindung, die Alfred Krupp als seine wichtigste bezeichnete: den nahtlosen Eisenbahnradreifen. In den frühen 1850er-Jahren patentiert, entwickelte er sich zum weltweiten Exportschlager. Erst durch dieses Produkt wurde das Eisenbahnfahren schneller und sicherer.
Ein zweiter neuer Anwendungsbereich für Gussstahl ist mit dem Namen Alfred Krupps verbunden, nämlich die Gussstahlkanone, die allmählich die älteren Bronze- oder Eisengeschütze ablöste. Allerdings lag der Anteil der Rüstungsgüter am Gesamtumsatz der Firma in aller Regel deutlich unter der Hälfte des Umsatzes. Zum sprunghaften Wachstum des Unternehmens trug nicht zuletzt die Entscheidung Krupps bei, in Essen das erste Bessemer-Stahlwerk auf dem Kontinent zu bauen (1862) und damit das Zeitalter der Massenproduktion von Stahl einzuläuten. Nicht allein als Techniker setzte Krupp Akzente, auch in der Öffentlichkeitsarbeit fand er neue Wege, unter anderem durch den Einsatz der Fotografie. In der so genannten Gründerkrise nach 1873, als die Konjunktur weltweit einbrach, hätte allerdings die riskante Expansionsstrategie von Alfred Krupp fast das Ende für die Firma bedeutet. Nur durch Unterstützung der Banken überlebte sie.
Die patriotische Grundhaltung Krupps war echte politische Überzeugung, doch seine geschäftlichen Interessen verlor er dabei nicht aus den Augen. Zeitlebens blieb er ein konsequenter Gegner sozialistischer Ideen, und an seinem Führungsanspruch in der Firma ließ der Alleininhaber nicht rütteln. Zugleich bewies er jedoch patriarchalische Fürsorge für seine Beschäftigten. Mit dem 1873 geprägten Leitspruch „Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein“ umriss Alfred Krupp sein unternehmerisches Verständnis. Die betriebliche Sozialpolitik der Firma setzte sehr früh ein und reichte ausgesprochen weit – von Wohnungen über Unterstützungskassen, Krankenhäuser bis hin zu Schulen und Lebensmittelläden. Dieses Engagement entsprach Krupps sozialem Empfinden, hatte aber auch ganz praktische Motive: Er wollte revolutionäre Unruhe verhindern und eine qualifizierte, effizient arbeitende Stammbelegschaft an die Firma binden. Wer in den Genuss betrieblicher Sozialleistungen kam, musste sich im Gegenzug dem strengen Disziplinierungs- und Kontrollsystem Krupps unterwerfen. Im „Generalregulativ“ (1872), quasi dem Grundgesetz der Firma, fixierte Krupp nicht nur die Organisation der Firma, sondern schrieb auch das gegenseitige Treueverhältnis zwischen Unternehmer und Beschäftigten fest, mit den jeweiligen Rechten und Pflichten.
Alfred Krupp konzentrierte sich fast ausschließlich auf seine Firma und übernahm niemals Funktionen im öffentlichen Sektor oder in Verbänden. 1873 zog er mit seiner Familie in die Villa Hügel oberhalb der Ruhr im grünen Süden Essens ein, die er maßgeblich selbst entworfen hatte und die ihm als Wohnhaus und Repräsentationsort dienen sollte. Bis 1945 blieb die Villa Wohnsitz der Familie. Dann beschlagnahmten die Alliierten das Gebäude, und nach der Rückgabe 1952 stellte die Familie sie für kulturelle Zwecke zur Verfügung. Seitdem finden hier international beachtete Kunstausstellungen statt. Die Villa Hügel, heute im Besitz der gemeinnützigen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, ist nach wie vor ein markantes Wahrzeichen großbürgerlichen Lebensstils und der Industriekultur des Ruhrgebiets.
Alfreds Bruder Hermann Krupp (1814-1879), der seit 1831 in der Essener Gussstahlfabrik mitgearbeitet und dort entscheidend zur Erfindung einer Besteckwalze beigetragen hatte, verließ 1843 das Rheinland, um die technische Leitung der neu gegründeten Berndorfer Metallwarenfabrik in Österreich zu übernehmen. Die Firma Krupp hielt die Hälfte der dortigen Geschäftsanteile und übertrug sie 1849 auf Hermann Krupp.
Friedrich Alfred Krupp (17.2.1854-22.11.1902)
Als Alfred Krupp am 14.7.1887 starb, hinterließ er seinem Sohn Friedrich Alfred ein Weltunternehmen mit 20.200 Beschäftigten, davon allein 13.000 im Essener Stammwerk. Friedrich Alfred Krupp war das einzige Kind aus der Ehe von Alfred Krupp und Bertha Eichhoff (1831-1888), Tochter einer Kölner Beamtenfamilie. In seiner Wesensart unterschied er sich deutlich von seinem Vater. Das Interesse des sensiblen und an Asthma leidenden Friedrich Alfred Krupp galt eigentlich den Naturwissenschaften, insbesondere der Meereskunde. So entdeckte er auf eigenen Forschungsfahrten mehrere neue Arten von Kleinlebewesen.
Als Unternehmer wurde Friedrich Alfred Krupp von Zeitgenossen und in der Geschichtsschreibung oft unterschätzt. Tatsächlich aber formte er die Firma Fried. Krupp zu einem Konzern, der in neue Dimensionen der Rohstoffgewinnung und Stahlverarbeitung vorstieß. Ab 1896 begann der Bau eines Hüttenwerks in Rheinhausen, heute ein Stadtteil von Duisburg. Die Firma übernahm zudem 1893 das Grusonwerk in Magdeburg sowie 1896 die Germaniawerft in Kiel. Dort sollte unter anderem das erste deutsche U-Boot entstehen. Am Essener Firmensitz baute Friedrich Alfred Krupp die metallurgische Forschung intensiv aus und ebnete damit den Weg zu innovativen Stahllegierungen. Er selbst hatte ein paar Monate an der Technischen Hochschule in Braunschweig studiert. In der betrieblichen Sozialpolitik initiierte er – über Organisationen zur Sicherung unmittelbarer Lebensbedürfnisse hinaus – Spareinrichtungen, Sport- und Bildungsvereine sowie eine Siedlung für alte und invalide Mitarbeiter.
Weitaus stärker als sein Vater stand Friedrich Alfred Krupp im Rampenlicht der Öffentlichkeit und der Presse, unter anderem durch sein Reichstagsmandat (1893-1898, fraktionslos, aber den Freikonservativen nahestehend), die Gewinne des Unternehmens aus der Rüstungsproduktion und seinen Einsatz für die kaiserliche Flottenpolitik. Besonders die Sozialdemokraten griffen ihn massiv an, und 1902 berichtete der „Vorwärts“ über – angebliche – Einzelheiten des Privatlebens von Friedrich Alfred Krupp auf Capri und unterstellte ihm homosexuelle Neigungen. Kurz darauf starb Krupp in Essen. Beweise für die Vorwürfe gibt es bis heute nicht. Zu seinem Begräbnis kam Kaiser Wilhelm II. nach Essen und nutzte den Anlass für eine politische Demonstration gegen die Sozialdemokratie.
Margarethe Krupp (15.3.1854-24.2.1931)
Friedrich Alfred Krupp hatte 1882 Margarethe Freiin von Ende geheiratet. Sie war eine frühzeitig selbständige und tatkräftige Frau, die unter anderem als Erzieherin am Fürstenhof von Dessau gearbeitet hatte. Ihr soziales Engagement ging über das Übliche weit hinaus; Gestalt und Name der gartenstädtischen Siedlungen „Margarethenhöhe“ in Essen und „Margarethenhof“ in Duisburg zeugen noch heute davon. Nach dem Tod ihres Mannes nahm Margarethe Krupp bis zur Heirat ihrer ältesten, aber noch minderjährigen Tochter Bertha deren Rechte und Pflichten als Unternehmenserbin wahr. Für Identität und Zusammenhalt der Firma spielte sie auch später eine tragende Rolle.
Bertha Krupp von Bohlen und Halbach (29.3.1886-21.9.1957) und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (7.8.1870-16.1.1950)
Bertha Krupp, die zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Barbara (1887-1972) auf dem Hügel aufgewachsen war, erbte nach dem Tod ihres Vaters die formal in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Firma Fried. Krupp. 1906 heiratete sie den Diplomaten und promovierten Juristen Gustav von Bohlen und Halbach, der durch königlich-preußischen Erlass das Recht erhielt, seinem Familiennamen den Namen Krupp voranzustellen. Er führte das Unternehmen an der Spitze des Aufsichtsrates bis 1943. Bertha Krupp von Bohlen und Halbach behielt als Eigentümerin der Fried. Krupp AG jedoch Einfluss auf Grundsatzentscheidungen in der Firma und übernahm außerdem karitative und repräsentative Pflichten.
Diszipliniert, ordnungsliebend und korrekt – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach verstand sich und handelte stets als „Treuhänder des Krupp’schen Erbes“. Der – in den Worten des Historikers Golo Mann – „streng nach der Uhr lebende, immer selbst beherrschte, immer bedächtig handelnde Mann der Pflicht“ stellte die Familie und das Unternehmen ins Zentrum seines Lebens. Wenn er darüber hinaus noch ehrenamtliche Funktionen übernahm, engagierte er sich jedoch über Jahrzehnte hinweg und mit Nachdruck an führender Stelle. Herausragendes Beispiel ist sein Einsatz für die Vorläuferin der heutigen Max-Planck-Gesellschaft, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Dort fungierte er seit ihrer Gründung 1911 als Vizepräsident und wurde bei seinem Ausscheiden 1937 zum Ehrensenator ernannt. Auch im Deutschen Museum (München) besaß Gustav Krupp von 1914 bis 1921 als Vorsitzender des Vorstandsrates eine einflussreiche Position.
Der Beginn des 20. Jahrhunderts war eine wirtschaftliche Blütezeit. 1912 konnte das hundertjährige Firmenbestehen glanzvoll gefeiert werden. Kaiser Wilhelm II. und die Spitzen von Staat und Gesellschaft waren in Essen zu Gast. Der Kaiser, mit dem sich Gustav Krupp zeitlebens verbunden fühlte, ernannte Krupp zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister.
Mit dem Ersten Weltkrieg begann eine Ära der Umbrüche und Krisen, die zeitweise auch die Existenz des Unternehmens bedrohten. Nach Kriegsausbruch stellte man die Produktion binnen zweier Jahre weitgehend auf Rüstung um. 1919 verlangte der Versailler Vertrag die Zerstörung zahlreicher Fabrikanlagen und den fast vollständigen Verzicht auf Rüstungsproduktion. Krupp begann mit der Fertigung neuer „ziviler“ Güter, beispielsweise Lastkraftwagen, Lokomotiven, Landmaschinen, Registrierkassen oder Filmprojektoren. Die meisten der neuen Produktionslinien waren jedoch nicht oder nur nach langer Vorlaufzeit rentabel.
Im Zuge der Ruhrbesetzung inhaftierte die französische Besatzungsmacht Gustav Krupp von Bohlen und Halbach 1923 für sieben Monate. Prozess und Haft fanden reichsweit Aufmerksamkeit und bedeuteten für das Unternehmen – neben den ohnehin erheblichen Produktionsausfällen durch den Ruhrkampf – ein schwieriges Interregnum. Aus dem Militärgefängnis entlassen, stand Gustav Krupp von Bohlen und Halbach vor der Notwendigkeit, einschneidende Sanierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen einzuleiten und neues Kapital zu besorgen. Einzelne zukunftsweisende Erfolge blieben nicht aus: Innovativ waren WIDIA-Hartmetallwerkzeuge und Erzeugnisse aus dem von Krupp bereits 1912 erfundenen nicht rostenden Stahl (V2A oder NIROSTA). In Borbeck baute Krupp das modernste Hochofenwerk Europas. All dies entschärfte die chronische Existenzkrise des Unternehmens aber kaum. Dennoch und gegen den Rat des Spitzenmanagements entschieden sich Gustav und Bertha Krupp dafür, die Firma als selbstständiges Familienunternehmen weiterzuführen und sich nicht dem 1926 neu entstandenen Montangiganten, der Vereinigte Stahlwerke AG, anzuschließen.
In der großen Depression ab 1929 sank die Beschäftigtenzahl auf die Hälfte, das heißt auf rund 46.000 Menschen (1932). Als Vorsitzender des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (1931-1934) meldete sich Gustav Krupp von Bohlen und Halbach in der allgemeinen wirtschaftspolitischen Debatte zu Wort, hielt sich jedoch aus der Parteipolitik heraus und nahm in aller Regel eine moderierende Position ein, die auf einer konservativ-nationalen, monarchischen Grundhaltung beruhte.
Die Machtübernahme Hitlers sah Gustav Krupp von Bohlen und Halbach zunächst mit Skepsis. Die NSDAP hatte er zuvor nicht unterstützt, weder finanziell noch ideell. Aber der wirtschaftliche Aufschwung, von dem auch die Firma Krupp profitierte, und die scheinbare politische Stabilisierung veranlassten ihn, sich zunehmend mit dem NS-Regime zu arrangieren und dessen Brutalität zu verdrängen. Gustav Krupp verhielt sich staatsloyal, bestimmt von dem Wunsch, die Firma zu bewahren. Gleichwohl war der Umgang mit den Machthabern nicht frei von Konflikten, schränkte der Staat doch den unternehmerischen Entscheidungsspielraum immer stärker ein. Beispielsweise konnte Krupp nicht erreichen, dass der regimekritische ehemalige Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler (1884-1945) in den Firmenvorstand berufen wurde. Hitler war dagegen.
Eingebunden in die Autarkie- und Rüstungspolitik des „Dritten Reiches“, verstärkte das Unternehmen die Rüstungsproduktion deutlich – im Krieg auch unter Einsatz zahlreicher Fremd- und Zwangsarbeiter. Dennoch ist das, auch von der Firma mit geprägte, Bild von der „Waffenschmiede des Reiches“ kaum zutreffend: Beispielsweise war Krupp an der Gesamtproduktion deutscher Geschütze nur mit weniger als 10 Prozent beteiligt. Die Firma bemühte sich erfolgreich, auch die Produktion „ziviler“ Güter fortzuführen. 1938 beschäftigte sie 123.000 Menschen, davon 55.000 in Essen und 10.000 in Rheinhausen.
Gesundheitlich bereits angeschlagen, zog sich Gustav Krupp von Bohlen und Halbach 1943 von der Unternehmensleitung zurück. Die Familie wandelte die Firma, gestützt durch die so genannte „Lex Krupp“, von einer Aktiengesellschaft wieder in eine Personengesellschaft um. Neuer Alleininhaber wurde der älteste Sohn, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (13.8.1907-30.7.1967)
Er hatte eine strenge Erziehung zum Firmenerben erhalten, und diese Aufgabe nahm der zurückhaltende Mann pflichtbewusst war. Privat widmete sich Alfried Krupp der Fotografie und insbesondere dem Segelsport. Der größte Regattaerfolg gelang ihm 1936, als seine Crew in der 8-m-R-Klasse eine olympische Bronzemedaille gewann.
Alfried Krupp studierte Hüttenkunde in München, Berlin und Aachen, absolvierte verschiedene Volontariate und begann 1936 seine Tätigkeit als stellvertretender Direktor im Familienunternehmen, an dessen Spitze er 1943 trat. Nach dem Krieg wurde er als Alleininhaber des Krupp-Konzerns vor einem amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg angeklagt und am 31.7.1948 wegen „systematischer Plünderung“ besetzter Gebiete und „menschenunwürdiger Behandlung“ ausländischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener zu zwölf Jahren Haft und zur Einziehung seines Vermögens verurteilt. In den Anklagepunkten „Vorbereitung eines Angriffskrieges und Verschwörung gegen den Frieden“ sprach das Gericht Krupp frei. Im Zuge einer allgemeinen Überprüfung von Nürnberger Urteilen und auf Basis eines Gutachtens unabhängiger amerikanischer Sachverständiger begnadigte John Jay McCloy, der US-Hochkommissar für Deutschland, den Verurteilten 1951 und hob die Beschlagnahme des Vermögens auf: Die Strafen seien unangemessen hoch gewesen und das Maß individueller Schuld habe überhaupt nur schwer festgestellt werden können.
Der Krupp-Konzern musste sich infolge weitreichender Kriegszerstörungen, Demontagen, Enteignungen und der zeitweiligen Kontrolle durch die britische Militärregierung völlig neu ausrichten. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach übernahm 1953 wieder die Leitung des Konzerns – maßgeblich unterstützt von Berthold Beitz (geboren 1913), den er im November des Jahres zu seinem persönlichen Generalbevollmächtigten ernannte. Unter ihrer Ägide entstand ein neu strukturiertes Unternehmen, das seine Basis in Kohle und Stahl erhalten und noch erweitern konnte, beispielsweise durch die Übernahme des Bochumer Vereins für Gussstahlfabrikation. Der Konzern wuchs jedoch vor allem in der Stahlverarbeitung und im internationalen Bau von Industrieanlagen. Der von Beitz vorangetriebene Osthandel war auch von politischer Bedeutung. Auf mehreren Reisen, insbesondere in Schwellenländer in Südamerika, Afrika und Asien, knüpfte Alfried Krupp neue Geschäftsverbindungen und stärkte die internationale Ausrichtung des Konzerns. Ende der 1950er-Jahre war die Firma Fried. Krupp kurzzeitig noch einmal das größte deutsche Unternehmen, gemessen am Umsatz.
In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre geriet die Firma jedoch in eine Finanzkrise, noch verschärft durch die allgemeine Rezession. Um die wirtschaftliche Basis für die Zukunft zu erhalten und das Unternehmen dauerhaft zu sichern, legte Alfried Krupp von Bohlen und Halbach im Jahr 1967 fest, „die Firma über eine Stiftung, die Ausdruck der dem Gemeinwohl verpflichteten Tradition des Hauses Krupp sein soll, in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln“. Mit seinem Tod am 30.7.1967 ging sein gesamtes Vermögen auf die von ihm errichtete „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung“ über. Möglich wurde dies durch den Erbverzicht seines einzigen Sohnes Arndt von Bohlen und Halbach (1938-1986). Nach dem Willen des Stifters hat die Krupp-Stiftung insbesondere die Aufgabe, die ihr aus ihrer Unternehmensbeteiligung zufließenden Erträge ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Die Stiftung ist heute (2008) mit 25,1 % der Anteile größter Einzelaktionär der ThyssenKrupp AG.
Literatur
Berdrow, Wilhelm, Die Familie Krupp in Essen von 1587 bis 1887, Essen [1931]
Gall, Lothar, Krupp. Der Aufstieg eines Industrieimperiums, Berlin 2000
Gall, Lothar (Hg.), Krupp im 20. Jahrhundert. Die Geschichte des Unternehmens vom Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Stiftung, Berlin 2002
Wolbring, Barbara, Die Krupps, in: Volker Reinhardt (Hg.), Deutsche Familien. Historische Portraits von Bismarck bis Weizsäcker, München 2005, S. 73-94
Online
„Die Historie“ (Website der ThyssenKrupp AG) [Online]
Köhne-Lindenlaub, Renate, „Krupp, Gußstahlindustrielle“, in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 128-145 [Online]
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Stremmel, Ralf, Familie Krupp, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-krupp/DE-2086/lido/57c93a731eb9b8.39662863 (abgerufen am 14.11.2024)