Der Bataveraufstand – Versuch einer Deutung der Revolte am Niederrhein (69/70 n. Chr.)

Isabelle Künzer (Gießen)

Rheingrenze des Römischen Reichs während des Bataveraufstands 69/70 n. Chr. (CC BY-SA 4.0 / Juschki)

1. Die Geschehnisse am Niederrhein 69/70 n. Chr.

Im Jah­re 69 n. Chr. er­ho­ben sich in Mainz acht Ko­hor­ten ba­ta­vi­scher Hilfs­trup­pen. Die Sol­da­ten wa­ren mit Vi­tel­li­us (69 n. Chr.), dem Be­fehls­ha­ber des rö­mi­schen Hee­res in Nie­der­ger­ma­ni­en, der von sei­nen Trup­pen in Köln zum Kai­ser aus­ge­ru­fen wor­den war, nach Ita­li­en ge­zo­gen. Als in der ers­ten Schlacht von Be­dria­cum, in der Nä­he des heu­ti­gen Cre­mo­na, der Kon­kur­rent des Vi­tel­li­us um das Kai­ser­tum, Otho (69 n. Chr.), be­siegt wor­den war, schick­te Vi­tel­li­us ei­nen Teil sei­nes mi­li­tä­ri­schen Kon­tin­gents zu­rück nach Ger­ma­ni­en (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 2,69,1). Durch den vor­he­ri­gen Ab­zug der Trup­pen war das Rhein­land sei­ner­zeit mi­li­tä­risch nur ru­di­men­tär ge­si­chert. Die Ba­ta­ver hat­ten sich wäh­rend ih­res Auf­ent­halts in Ita­li­en wohl Dis­zi­plin­lo­sig­kei­ten zu Schul­den kom­men las­sen und wa­ren zu­dem in Rei­be­rei­en mit an­de­ren Hee­res­ein­hei­ten ver­wi­ckelt. Vi­tel­li­us schloss sie vom Beu­te­ma­chen aus und schick­te sie zu­rück in ih­re Hei­mat.

Als nun die Do­nau­le­gio­nen, die sich der Kai­serer­he­bung des Ves­pa­si­an (Kai­ser 69-79 n. Chr.) an­ge­schlos­sen hat­ten, nach Ita­li­en und da­mit ge­gen Vi­tel­li­us mar­schier­ten, be­or­der­te Vi­tel­li­us sei­ne ba­ta­vi­schen Hilfs­trup­pen als Un­ter­stüt­zung zu­rück nach Ita­li­en. Die­ser For­de­rung ka­men die Sol­da­ten aber nicht nach. Sie meu­ter­ten. Die Sol­da­ten der Ba­ta­ver­ko­hor­ten hat­ten schon lan­ge im rö­mi­schen Heer ge­dient. Die Ba­ta­ver stell­ten her­aus, dass sie sich nach Ru­he und ih­rer Hei­mat sehn­ten (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,20,1). Ei­nen wei­te­ren Ein­satz für Rom lehn­ten sie ab und stell­ten statt­des­sen Be­din­gun­gen. So ver­lang­ten sie ein Do­na­tiv als Ge­gen­leis­tung und da­mit ei­ne re­gel­rech­te Prä­mie für ih­ren er­neu­ten Zug nach Ita­li­en. Dar­über hin­aus for­der­ten sie ei­ne Ver­dop­pe­lung des Sol­des so­wie die Er­hö­hung der An­zahl von Rei­tern in ih­ren Ko­hor­ten. All das hat­te Vi­tel­li­us ih­nen be­reits zu­ge­si­chert, je­doch sei­ne Ver­spre­chen noch nicht ein­ge­löst. Nun brach­ten die Ba­ta­ver in ei­ner Pha­se, da man sie drin­gend brauch­te, nach­hal­tig ih­re Vor­stel­lun­gen zum Aus­druck (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,19,1).[1] Als ih­re For­de­run­gen auch nun durch den rö­mi­schen Statt­hal­ter der Pro­vinz Ober­ger­ma­ni­en, Mar­cus Hor­deo­ni­us Flac­cus (ge­stor­ben En­de 69 / 70 n. Chr.), nicht er­füllt wur­den, zo­gen sie, statt nach Sü­den zu mar­schie­ren, wei­ter nach Nor­den in ih­re Hei­mat am Nie­der­rhein und lie­fer­ten sich bei Bonn ein Ge­fecht mit Le­gi­ons­sol­da­ten und Hilfs­trup­pen.

Ob die Sol­da­ten der Ba­ta­ver sich ei­nem Auf­stand an­schlos­sen, in den ihr Stamm be­reits zu­vor ge­tre­ten war, lässt sich nicht mit letz­ter Si­cher­heit re­kon­stru­ie­ren.[2] Ver­mut­lich gab es im Sied­lungs­ge­biet der Ba­ta­ver in die­ser Zeit Un­ru­hen und wohl auch Un­mut ge­gen­über den mi­li­tä­risch Ver­ant­wort­li­chen der Rö­mer. Nach­dem Mar­cus Hor­deo­ni­us Flac­cus die Ent­sen­dung wei­te­rer Trup­pen zu Vi­tel­li­us nach Ita­li­en ver­wei­gert hat­te, soll­ten durch Trup­pen­aus­he­bun­gen auch un­ter den Ba­ta­vern zu­sätz­li­che Sol­da­ten für Vi­tel­li­us re­kru­tiert wer­den (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,14,1-3).[3] Die Ba­ta­ver wer­te­ten die­se Aus­he­bun­gen als ei­nen Bruch des Ver­trags­ver­hält­nis­ses, in dem sie mit den Rö­mern stan­den. Durch die Re­kru­tie­rungs­maß­nah­me sei­tens der Rö­mer war der Sta­tus der Ba­ta­ver in ih­rem spe­zi­el­len Ver­hält­nis zum rö­mi­schen Reich und ins­be­son­de­re die Po­si­ti­on der ba­ta­vi­schen Eli­ten in­fra­ge ge­stellt.[4]  Ei­nen be­son­de­ren Un­ru­he­herd stell­te da­bei ei­ne am Nie­der­rhein ver­blie­be­ne, nicht mit Vi­tel­li­us nach Ita­li­en ge­zo­ge­ne, neun­te Ba­ta­ver­ko­hor­te dar, die un­ter dem Kom­man­do des Iu­li­us Ci­vi­lis (ge­stor­ben nach 70 n. Chr.) stand.

Ci­vi­lis dien­te seit 25 Jah­ren im rö­mi­schen Heer, be­saß das rö­mi­sche Bür­ger­recht und ge­hör­te dem Rit­ter­stand an (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,32,2). Er und sein Bru­der Clau­di­us Pau­lus wa­ren an­geb­lich in den Auf­stand des Gai­us Iu­li­us Vin­dex (um 25-68 n. Chr.) in Gal­li­en in­vol­viert, der zum Sturz Ne­ros (37-68 n. Chr., Kai­ser 54-68 n. Chr.) füh­ren soll­te. Der Le­gat des Mi­li­tär­be­zirks Nie­der­ger­ma­ni­en, Fon­tei­us Ca­pi­to (ge­stor­ben 68 n. Chr.), der loy­al zu Ne­ro stand, hat­te den Bru­der des Ci­vi­lis tö­ten und Ci­vi­lis selbst als Ge­fan­ge­nen nach Rom über­stel­len las­sen. Un­ter Gal­ba (3 v.-69 n. Chr., Kai­ser 68/69 n. Chr.), dem ers­ten Herr­scher des Vier­kai­ser­jah­res, wur­de Ci­vi­lis re­ha­bi­li­tiert. Die Usur­pa­ti­on des Vi­tel­li­us brach­te neue Ge­fahr für Ci­vi­lis. Die Sol­da­ten dräng­ten auf sei­ne Hin­rich­tung. Vi­tel­li­us wuss­te um die Wich­tig­keit der Ba­ta­ver­ko­hor­ten und kam der For­de­rung des Hee­res nicht nach (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 1,59,1). Ci­vi­lis ver­ei­nig­te nun un­ter sei­ner Füh­rung die acht Ba­ta­ver­ko­hor­ten, die sich in Mainz von Vi­tel­li­us los­ge­sagt hat­ten, und die von ihm selbst kom­man­dier­te Ko­hor­te (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,15,1; 4,19,1). Ver­mut­lich kann man erst zu die­sem Zeit­punkt wirk­lich von ei­nem Auf­stand, dem so­ge­nann­ten Ba­ta­ver­auf­stand, spre­chen.[5]  In der Aus­ein­an­der­set­zung mit den vi­tel­li­us­treu­en Le­gio­nen der rö­mi­schen Rhein­ar­mee ver­ei­dig­te Ci­vi­lis sei­ne Ba­ta­ver­trup­pen auf Ves­pa­si­an (9-79 n. Chr., Kai­ser 69-79 n. Chr.), ei­nen wei­te­ren Thron­prä­ten­den­ten des Vier­kai­ser­jah­res 68/69 n. Chr. und spä­ter­hin Be­grün­der der fla­vi­schen Dy­nas­tie (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,21,1).[6] Nach An­ga­ben des Ta­ci­tus wur­den die Ba­ta­ver so­gar von rö­mi­schen Kom­man­deu­ren, die auf Sei­ten Ves­pa­si­ans stan­den, da­zu auf­ge­for­dert, Hee­res­ein­hei­ten in Ger­ma­ni­en zu bin­den, da­mit die­se Vi­tel­li­us nicht zur Un­ter­stüt­zung im Kampf ge­gen Ves­pa­si­an in Ita­li­en die­nen konn­ten (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,13,2f.).

Am Nie­der­rhein schlos­sen die Ba­ta­ver das Le­gi­ons­la­ger Ve­te­ra (beim heu­ti­gen Xan­ten) ein. Die mi­li­tä­ri­sche Re­ak­ti­on sei­tens der Rö­mer ver­lief zu­nächst er­folg­reich. Ve­te­ra konn­te ent­setzt, mi­li­tä­risch ver­stärkt und neu ver­sorgt wer­den. Al­ler­dings wur­den in­fol­ge der Be­la­ge­rung von Mog­un­tia­cum (Mainz) durch die Chat­ten be­acht­li­che Tei­le der rö­mi­schen Trup­pen an ei­nen an­de­ren Kon­flikt­herd ab­ge­zo­gen. Zu­dem war das Jahr be­reits recht weit fort­ge­schrit­ten. Ei­ne sys­te­ma­ti­sche und voll­stän­di­ge Be­rei­ni­gung der Si­tua­ti­on in Nie­der­ger­ma­ni­en war auch aus die­sem Grun­de kaum mög­lich. In die­ser Zeit schlos­sen sich wei­te­re ger­ma­ni­sche Stäm­me, wie die Bruk­te­rer, und gal­li­sche Stäm­me den Ba­ta­vern an und un­ter­nah­men Plün­de­rungs­zü­ge.[7]  Ve­te­ra wur­de En­de des Jah­res 69 n. Chr. er­neut ein­ge­schlos­sen. Als die Vor­rä­te auf­ge­zehrt wa­ren, er­gab sich die Be­sat­zung des Le­gi­ons­la­gers Ve­te­ra wohl im März des Jah­res 70 n. Chr. Zahl­rei­che rö­mi­sche Le­gio­nä­re wur­den bei ih­rem Ab­zug aus dem La­ger ge­tö­tet (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,29-36; 4,60f.).[8]

Um die wei­te­re Si­tua­ti­on am Nie­der­rhein nach­voll­zie­hen zu kön­nen, ist ein Blick auf die La­ge in an­de­ren Re­gio­nen des rö­mi­schen Rei­ches not­wen­dig. In Ita­li­en hat­te in­zwi­schen Ves­pa­si­an die Herr­schaft er­run­gen. Er war von Ne­ro mit der Nie­der­schla­gung des Jü­di­schen Auf­stands be­traut wor­den. Mit Un­ter­stüt­zung des Statt­hal­ters von Sy­ri­en, Gai­us Li­ci­ni­us Mu­cia­nus (ge­stor­ben nach 70 n. Chr.), und des Prä­fek­ten von Ägyp­ten, Ti­be­ri­us Iu­li­us Alex­an­der (ge­stor­ben nach 70 n. Chr.), ließ sich Ves­pa­si­an zum Kai­ser aus­ru­fen. Ves­pa­si­an zog sei­ner­zeit aber nicht so­fort nach Rom, um sich mit Vi­tel­li­us aus­ein­an­der­zu­set­zen, son­dern brach­te von Ägyp­ten aus die Ge­trei­de­ver­sor­gung Ita­li­ens in sei­ne Hand. Auch die Do­nau­le­gio­nen un­ter Mar­cus An­to­ni­us Pri­mus (um 30/35-nach 95   n. Chr.) hat­ten sich Ves­pa­si­an an­ge­schlos­sen, nach­dem Vi­tel­li­us das Do­na­tiv an die Sol­da­ten nicht ge­zahlt hat­te. Die Do­nau­le­gio­nen mar­schier­ten nach dem Aus­blei­ben die­ser Gel­der nach Ita­li­en. Die­ser Auf­marsch war auch der Grund, wes­halb Vi­tel­li­us die Ba­ta­ver, die er nach Mainz zu­rück­ge­sandt hat­te, nun wie­der nach Ita­li­en be­or­der­te, oh­ne dass die­se dem Be­fehl nach­ka­men. In der zwei­ten Schlacht von Be­dria­cum wa­ren die An­hän­ger Ves­pa­si­ans ge­gen die Vi­tel­lia­ner sieg­reich. Auch der Kom­man­deur der rö­mi­schen Flot­te schloss sich nun Ves­pa­si­an an. En­des des Jah­res 69 n. Chr. kam es in Rom zur ge­walt­sa­men Aus­ein­an­der­set­zung mit der Par­tei des Vi­tel­li­us. Auch an die­sem Schau­platz blieb die Par­tei Ves­pa­si­ans sieg­reich. Vi­tel­li­us wur­de ge­tö­tet.

Nach­dem die mi­li­tä­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen um das Kai­ser­tum ab­ge­schlos­sen wa­ren, konn­te man sich an die Kon­so­li­die­rung der Si­tua­ti­on an der Pe­ri­phe­rie des rö­mi­schen Rei­ches be­ge­ben und sich mit nun­mehr wie­der ver­füg­ba­ren, nicht län­ger durch den di­rek­ten Kampf der Kon­kur­ren­ten um das Kai­ser­tum ge­bun­de­nen Hee­res­ein­hei­ten der La­ge am Nie­der­rhein wid­men. Die Ba­ta­ver hat­ten ih­re Er­he­bung näm­lich nicht auf­ge­ge­ben, nach­dem Ves­pa­si­an das Kai­ser­tum er­run­gen hat­te, dem sie sich ja vor der mi­li­tä­ri­schen Kon­fron­ta­ti­on mit den rö­mi­schen Trup­pen am Rhein an­ge­schlos­sen hat­ten. Ob die Ba­ta­ver be­reits zu­vor ge­gen An­hän­ger Ves­pa­si­ans in der Rhein­ar­mee agiert hat­ten, weil die­se oder zu­min­dest Tei­le der rö­mi­schen Trup­pen am Rhein schon auf Ves­pa­si­an ver­ei­digt wor­den wa­ren, ist nicht mit letz­ter Si­cher­heit zu er­grün­den.[9]  Fest steht in je­dem Fall, dass die Ba­ta­ver ih­re Re­vol­te fort­führ­ten, als Ves­pa­si­an sich im Kampf um das Kai­ser­tum durch­ge­setzt hat­te, und da­mit ih­nen, die sich mut­ma­ß­lich zu dem Fla­vier be­kannt hat­ten, An­hän­ger Ves­pa­si­ans ge­gen­über­stan­den. Un­ter dem Kom­man­do des Quin­tus Pe­til­li­us Ce­ria­lis (ge­stor­ben nach 74 n. Chr.) wur­de der Auf­stand der Ba­ta­ver nun nie­der­ge­schla­gen. Nach ei­ni­gen ver­lust­rei­chen mi­li­tä­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den rö­mi­schen Le­gio­nen tra­ten die Ba­ta­ver in Ver­hand­lun­gen mit den Rö­mern und ka­pi­tu­lier­ten letzt­lich im Som­mer des Jah­res 70 n. Chr. (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,71-78; 5,14-26).

Aber was ver­an­lass­te die Ba­ta­ver, ge­gen das rö­mi­sche Reich ei­nen Auf­stand an­zu­zet­teln? Wel­che Mo­ti­ve wa­ren für die Er­he­bung der Ba­ta­ver und vor al­lem da­für ver­ant­wort­lich, dass sie ih­ren Auf­stand fort­setz­ten, nach­dem Ves­pa­si­an die Herr­schaft er­langt hat­te? War der Ba­ta­ver­auf­stand ei­ne Er­he­bung mit se­pa­ra­tis­ti­schen Zie­len, al­so mit der Ab­sicht ver­knüpft, ei­ne Los­lö­sung vom rö­mi­schen Reich zu er­wir­ken? Oder war die­se Re­vol­te Teil des Bür­ger­kriegs­ge­sche­hens im Vier­kai­ser­jahr? Steck­ten wo­mög­lich ganz an­de­re Phä­no­me­ne hin­ter dem Ba­ta­ver­auf­stand? Be­vor man die­se Fra­gen ge­nau­er be­ant­wor­ten kann, ist es zu­nächst not­wen­dig, sich dem Stamm der Ba­ta­ver all­ge­mein, ih­rem Sied­lungs­ge­biet und ih­rem Ver­hält­nis zum Im­pe­ri­um Ro­ma­num zu­zu­wen­den, um über ei­nen Er­klä­rungs­an­satz für die­se ei­gen­ar­ti­ge Dop­pe­lung von Stam­mes­re­bel­li­on und Hee­res­re­vol­te zu ver­fü­gen. So­dann gilt es, ei­nen Blick auf die an­ti­ken Quel­len zu wer­fen, die über die­sen Auf­stand be­rich­ten, und des­sen bis­he­ri­ge Be­trach­tung in der For­schung zu skiz­zie­ren. Auf die­ser Grund­la­ge soll dann ei­ne Deu­tung des Ba­ta­ver­auf­stan­des ver­sucht wer­den.

2. Die Bataver – Siedlungsgebiet und Verhältnis zu Rom

Die Wohn­sit­ze der Ba­ta­ver la­gen im Ge­biet des Rhein­del­tas. Der Kern ih­res Sied­lungs­ge­biets lag auf der so­ge­nann­ten Ba­ta­ver­in­sel (in­su­la Ba­ta­vo­r­um) und wur­de vom Ge­biet der heu­ti­gen Städ­te Ut­recht, Nim­we­gen und Rot­ter­dam ge­bil­det. Die süd­li­che Gren­ze ih­res Ter­ri­to­ri­ums war wohl die Maas (Cae­sar, Gal­li­scher Krieg 4,10; Pli­ni­us der Äl­te­re, Na­tur­ge­schich­te 4,101; Ta­ci­tus, Ger­ma­nia 29; Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,12). Nach An­ga­ben des Ta­ci­tus wan­der­ten die als Ger­ma­nen be­zeich­ne­ten Ba­ta­ver in die­se Re­gi­on ein, nach­dem sie sich vom Stam­me der Chat­ten ge­trennt hat­ten und ein neu­es Sied­lungs­ge­biet such­ten.[10]

Wann der ers­te Kon­takt zwi­schen Ba­ta­vern und Rö­mern statt­fand, ist nicht prä­zi­se zu re­kon­stru­ie­ren. An­ge­nom­men wird, dass es un­ter Cae­sar zur ers­ten Be­geg­nung der Ba­ta­ver mit den Rö­mern kam. Je­den­falls hat­ten die Ba­ta­ver von ei­nem nicht ein­deu­tig nä­her ve­ri­fi­zier­ba­ren Zeit­punkt an bis zu ih­rer Er­he­bung 69 n. Chr. den Sta­tus mit Rom ver­bün­de­ter Reichs­an­ge­hö­ri­ger in­ne. Sie gal­ten al­so nicht als Un­ter­wor­fe­ne,[11] wo­mit sie ei­ne be­son­de­re Stel­lung be­sa­ßen. Sie muss­ten kei­ne Tri­bu­te an Rom zah­len, wa­ren aber ver­pflich­tet, mi­li­tä­ri­sche Kon­tin­gen­te zu stel­len (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 5,25,2). Die­se Trup­pen re­kru­tier­te der Stamm al­ler­dings in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung und oh­ne Aus­he­bun­gen von Sei­ten der Rö­mer. Sie wa­ren wie an­de­re rö­mi­sche Au­xi­l­i­ar­ein­hei­ten or­ga­ni­siert und in das rö­mi­sche Heer in­te­griert. Die Ko­hor­ten der Ba­ta­ver wur­den von ein­hei­mi­schen, al­so ba­ta­vi­schen Füh­rern kom­man­diert.[12]  Die­se An­füh­rer ver­füg­ten so­zu­sa­gen über ei­ne Dop­pel­funk­ti­on. Sie wa­ren die Eli­ten in­ner­halb des Stam­mes und be­feh­lig­ten zu­gleich die Sol­da­ten der Ba­ta­ver im rö­mi­schen Dienst. Da­mit nah­men sie ei­ne ganz be­son­de­re Rol­le ein zwi­schen der re­gio­na­len Ver­wur­ze­lung und lo­ka­len Iden­ti­täts­aus­bil­dung, auf der ihr Füh­rungs­an­spruch in­ner­halb des Stam­mes be­ruh­te, und ih­rer Funk­ti­on als Kom­man­deu­re rö­mi­scher Hilfs­trup­pen­ein­hei­ten, die ih­nen das rö­mi­sche Bür­ger­recht und die Zu­ge­hö­rig­keit zum rö­mi­schen Rit­ter­stand ein­ge­bracht hat­te. Auf die­se Wei­se wa­ren die Eli­ten der Ba­ta­ver oben­drein Teil der rö­mi­schen Reich­sa­ris­to­kra­tie.[13] Das gilt auch für den Füh­rer des Ba­ta­ver­auf­stan­des, Iu­li­us Ci­vi­lis.

3. Quellenlage und Forschungsstand zum Bataveraufstand

3.1 Literarische Quellen zum Bataveraufstand

Bei je­der Be­schäf­ti­gung mit dem Ba­ta­ver­auf­stand er­gibt sich ei­ner­seits die Schwie­rig­keit, Er­eig­nis­se und Mo­ti­va­tio­nen zu re­kon­stru­ie­ren, und an­de­rer­seits die Pro­ble­ma­tik, dass jeg­li­che In­ter­pre­ta­ti­on von den li­te­ra­ri­schen Quel­len, die über die Vor­gän­ge be­rich­ten, und von de­ren Dar­stel­lungs­ab­sich­ten ab­hän­gig ist. Für die Aus­ein­an­der­set­zung mit den Ge­scheh­nis­sen, dem Ur­sprung des Auf­stan­des und den Mo­ti­ven der Ba­ta­ver ist man in ers­ter Li­nie auf li­te­ra­ri­sche Quel­len an­ge­wie­sen. In der Per­spek­ti­vi­tät die­ser Quel­len liegt auch die Ur­sa­che da­für, dass sich vie­le Fra­gen rund um die Re­vol­te der Ba­ta­ver nicht zu­frie­den­stel­lend ana­ly­sie­ren las­sen.[14]

Die aus­führ­lichs­te Dar­stel­lung zum Ba­ta­ver­auf­stand fin­det sich in den His­to­ri­en des Ta­ci­tus (ge­bo­ren um 55 n. Chr.), ei­nem Ge­schichts­werk, das ur­sprüng­lich die Zeit von der Re­gie­rung Gal­bas (68/69 n. Chr.) bis zum En­de Do­mi­ti­ans (96 n. Chr.) be­han­del­te. Über­lie­fert sind von den His­to­ri­en nur die Bü­cher, die dem Bür­ger­krieg des Vier­kai­ser­jah­res ge­wid­met sind. Ta­ci­tus griff sei­ner­seits auf äl­te­re Be­rich­te zu den Er­eig­nis­sen und hier be­son­ders auf ein his­to­rio­gra­phi­sches Werk des äl­te­ren Pli­ni­us (23/24-79 n. Chr.) zu­rück, dem ei­ne pro­f­la­vi­sche Ten­denz zu­ge­schrie­ben wird. Im Ver­gleich zu Ta­ci­tus misst Cas­si­us Dio (um 164-nach 229 n. Chr.), der für die ent­spre­chen­de Pas­sa­ge nur in den Ex­zer­pten des by­zan­ti­ni­schen Mönchs Xi­phi­li­nos (2. Hälf­te 11. Jahr­hun­dert) er­hal­ten ist, der Er­he­bung der Ba­ta­ver ei­ne we­sent­lich ge­rin­ge­re Be­deu­tung bei (Cas­si­us Dio, Rö­mi­sche Ge­schich­te 65(66),3,1-3). Auch der jü­di­sche Ge­schichts­schrei­ber Fla­vi­us Jo­se­phus (38-nach­100 n. Chr.) be­rich­tet vom Ba­ta­ver­auf­stand (Fla­vi­us Jo­se­phus, Der Jü­di­sche Krieg 7,75-88). Er ver­gleicht die­sen mit dem jü­di­schen Auf­stand und setzt die Ge­scheh­nis­se in Ger­ma­ni­en zu ei­ner wei­te­ren zeit­glei­chen Re­bel­li­on in Moe­si­en in Be­zug. Auf die­se Wei­se er­scheint der Ba­ta­ver­auf­stand als Sym­pton ei­ner Zeit, zu der in un­ter­schied­li­chen Re­gio­nen des rö­mi­schen Rei­ches Ver­su­che un­ter­nom­men wur­den, sich der rö­mi­schen Herr­schaft zu ent­le­di­gen. In die­sem Zu­sam­men­hang ist der Ba­ta­ver­auf­stand bei Fla­vi­us Jo­se­phus mit ein­deu­tig se­pa­ra­tis­ti­schen Ten­den­zen ver­bun­den. Wei­te­re Er­wäh­nun­gen des Ba­ta­ver­auf­stan­des bei Fron­tin (ge­stor­ben nach 100 n. Chr.) und Plut­arch (um 45- nach 120 n. Chr.) bie­ten kaum De­tails zur Sa­che. Es gibt dem­nach kei­ne der Dar­stel­lung des Ta­ci­tus an Sub­stanz und Um­fang ver­gleich­ba­re Be­hand­lung des Ba­ta­ver­auf­stan­des.[15]

Ta­ci­tus bie­tet in sei­ner Schil­de­rung des Ba­ta­ver­auf­stan­des kei­nen ein­heit­li­chen Er­zähl­strang, son­dern glie­dert sei­nen Be­richt in drei grö­ße­re Ab­schnit­te (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,12-37; 4,54-78; 5,14-26), die von­ein­an­der durch Ein­schü­be ge­schie­den sind, wel­che Er­eig­nis­se des Bür­ger­kriegs zum Ge­gen­stand ha­ben. Die Dar­stel­lung zum Ba­ta­ver­auf­stand be­ginnt in den His­to­ri­en an ei­ner Stel­le, an der Ta­ci­tus be­reits das Bür­ger­kriegs­ge­sche­hen in Rom bis zum En­de des Jah­res 69 n. Chr. be­han­delt hat. Der Ba­ta­ver­auf­stand ist bei Ta­ci­tus dem­nach nicht chro­no­lo­gisch in ein an­na­lis­ti­sches Dar­stel­lungs­sche­ma ein­ge­fügt, son­dern wird erst im Rück­blick the­ma­ti­siert. Ta­ci­tus führt als Er­klä­rung da­für an, dass erst zu die­sem Zeit­punkt in Rom die ge­naue La­ge am Nie­der­rhein be­kannt wur­de. Mit die­sem kom­po­si­to­ri­schen Mit­tel er­reicht Ta­ci­tus al­ler­dings, dass in sei­ner Dar­stel­lung der Ba­ta­ver­auf­stand vom Bür­ger­krieg des Vier­kai­ser­jah­res deut­lich ab­ge­grenzt wird, auch wenn bei­de als Be­ge­ben­hei­ten des­sel­ben Zeit­ho­ri­zonts er­schei­nen. Ganz of­fen­sicht­lich will Ta­ci­tus von der grund­sätz­li­chen Ten­denz sei­ner Dar­stel­lung her den Ba­ta­ver­auf­stand und den Bür­ger­krieg kei­nes­falls in ei­nen un­mit­tel­ba­ren in­ne­ren Zu­sam­men­hang brin­gen, son­dern als von­ein­an­der un­ab­hän­gi­ge Er­eig­nis­se prä­sen­tie­ren.[16]

3.2 Der Bataveraufstand in der Forschung

An die Quel­len­la­ge und die be­son­de­re Be­deu­tung des Ta­ci­tus für je­de Be­schäf­ti­gung mit dem Ba­ta­ver­auf­stand knüpft sich ei­ne Rei­he von Fra­gen. Der For­schungs­stand zur Re­vol­te der Ba­ta­ver ist über­aus kom­plex und un­über­sicht­lich. Hier sol­len ei­ni­ge wich­ti­ge For­schungs­fel­der skiz­ziert wer­den.

Prin­zi­pi­ell stellt sich die Fra­ge nach der Glaub­wür­dig­keit des Ta­ci­tus. Die For­schungs­po­si­tio­nen rei­chen von An­sät­zen, die Ta­ci­tus für ver­trau­ens­wür­dig hal­ten,[17] bis hin zu Mei­nun­gen, die die ta­cit­ei­sche Schil­de­rung als zu sehr von per­sön­li­chen Dar­stel­lungs­ten­den­zen ge­prägt se­hen und da­mit als un­glaub­wür­dig ver­wer­fen.[18] An die­sen Pro­blem­kreis sind eben­falls Fra­gen ge­knüpft, die den Um­gang des Ta­ci­tus mit sei­nen li­te­ra­ri­schen Vor­la­gen be­tref­fen. Da­bei steht die Fra­ge im Zen­trum, ob und in­wie­weit Ta­ci­tus die­se Be­rich­te über­nahm oder sie ei­ge­nen In­ten­tio­nen an­pass­te.[19]

Ne­ben der Aus­ein­an­der­set­zung mit den Quel­len do­mi­nie­ren in der For­schung The­men, die kon­kret den Auf­stand zum Ge­gen­stand ma­chen. Da­bei steht die Fra­ge nach den Ur­sa­chen und Mo­ti­ven im Zen­trum. Es wird dis­ku­tiert, ob die Ba­ta­ver mit ih­rer Er­he­bung von Be­ginn an ei­ne Art Frei­heits­kampf führ­ten und sich von der rö­mi­schen Herr­schaft los­sa­gen woll­ten.[20] Wei­ter geht es dar­um, in­wie­weit der Ba­ta­ver­auf­stand als Teil des Bür­ger­kriegs­ge­sche­hens im Vier­kai­ser­jahr zu be­trach­ten ist und in die­sem Zu­sam­men­hang auf­grund des Be­kennt­nis­ses der Ba­ta­ver zu Ves­pa­si­an als ei­ne Maß­nah­me ge­dacht war, die Vi­tel­lia­ner an ei­nen zu­sätz­li­chen Kon­flikt­herd zu bin­den.[21] An die­sen Streit­punkt ist die Pro­ble­ma­tik ge­knüpft, ob es wo­mög­lich zu ei­ner Ver­än­de­rung der Mo­ti­ve im Lau­fe des Auf­stands kam. Das hei­ßt, es ist zu eru­ie­ren, ob der Ba­ta­ver­auf­stand als ei­ne pro­ve­s­pa­sia­ni­sche Maß­nah­me be­gann, dann je­doch an Ei­gen­dy­na­mik ge­wann und in­fol­ge­des­sen im­mer mehr das Ziel in den Vor­der­grund trat, sich vom rö­mi­schen Reich zu lö­sen.[22] In die­sem Zu­sam­men­hang wird schlie­ß­lich ge­fragt, wel­che Mo­ti­ve für die­sen Wan­del ver­ant­wort­lich wa­ren, wann kon­kret es zu die­ser Ver­än­de­rung kam und ob die­se ein­zig der Füh­rungs­fi­gur Ci­vi­lis zu­zu­schrei­ben ist.

Die Per­son des Ci­vi­lis und des­sen Schick­sal im rö­mi­schen Dienst so­wie sei­ne per­sön­li­chen Er­leb­nis­se un­ter rö­mi­scher Herr­schaft sind ein wei­te­rer An­satz­punkt der For­schung zum Ba­ta­ver­auf­stand. Auf­grund der be­son­de­ren Er­fah­run­gen die­ses Ba­ta­vers sah man zu­wei­len ei­ne Zu­sam­men­ar­beit des Ci­vi­lis mit rö­mi­schen, vor al­lem aber vi­tel­lia­ni­schen mi­li­tä­ri­schen Ver­bän­den als un­rea­lis­tisch an (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 5,26,2). Dem­nach lie­ße sich die Op­po­si­ti­on zur rö­mi­schen Rhein­ar­mee leicht er­klä­ren, wo­mög­lich so­gar ei­ne gänz­lich an­ti­rö­mi­sche Hal­tung des Ci­vi­lis.[23]  In die­sem Kon­text ist aber zu über­prü­fen, ob Ci­vi­lis zu Be­ginn des Auf­stands mit sei­nem An­schluss an die Par­tei Ves­pa­si­ans sei­ne wah­ren Mo­ti­ve ver­schlei­er­te, sich von Rom ab­zu­spal­ten.[24] Ta­ci­tus schreibt dem Ci­vi­lis ei­ne sol­che Ver­stel­lung ex­pli­zit zu. Dass das ge­sam­te Sze­na­rio am Nie­der­rhein je­doch ein­zig über die Per­fi­die des Ci­vi­lis zu er­klä­ren und im We­sent­li­chen dem­nach der ta­cit­ei­schen Dar­stel­lung der Er­eig­nis­se zu fol­gen ist, wur­de schon vor ei­ni­ger Zeit von der For­schung als ir­rig zu­rück­ge­wie­sen.[25] Es bleibt al­so zu klä­ren, was hin­ter dem Ba­ta­ver­auf­stand steckt.

4. Der Bataveraufstand – Motive, Ursprung und Deutung

Als An­satz­punkt zur Er­klä­rung des Ba­ta­ver­auf­stan­des bie­tet sich zu­nächst ein Blick auf die For­de­run­gen und de­ren Kon­text an, die die von Vi­tel­li­us er­neut nach Ita­li­en be­or­der­ten Ba­ta­ver­ko­hor­ten in Mainz er­ho­ben. Es han­del­te sich um alt­ge­dien­te Sol­da­ten, für die ein Zug nach Ita­li­en ei­nen er­neu­ten, wo­mög­lich lang­wie­ri­gen Mi­li­tär­ein­satz fern der Hei­mat be­deu­tet hät­te. Für die Sol­da­ten lag es da­her na­he, ih­re Wün­sche, de­ren Er­fül­lung ih­nen von Vi­tel­li­us zu­ge­si­chert wor­den war (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,19,1), noch­mals nach­drück­lich in ei­ner Si­tua­ti­on zu wie­der­ho­len, als man ih­rer be­durf­te.[26] Hor­deo­ni­us Flac­cus (ge­stor­ben En­de 69 / An­fang 70 n. Chr.) lehn­te nun die For­de­run­gen der Ba­ta­ver ab. Letz­ten En­des war die­se Wei­ge­rung aus rö­mi­scher Sicht al­ler­dings kon­se­quent. Den Ba­ta­vern ei­ne Prä­mie für ih­ren Marsch nach Ita­li­en zu zah­len, hät­te sie ge­gen­über an­de­ren Trup­pen­tei­len her­aus­ge­ho­ben, die auch kei­ne Son­der­zah­lung für ih­re Mär­sche er­hiel­ten. Glei­ches galt für die For­de­rung der Ba­ta­ver nach dop­pel­tem Sold. Hät­te man ih­nen ei­nen hö­he­ren Sold als den sons­ti­gen Hilfs­trup­pen­ein­hei­ten ge­zahlt, wä­ren sie eben­falls in ei­ne Son­der­stel­lung ge­rückt und von an­de­ren Hilfs­trup­pen­kon­tin­gen­ten ab­ge­ho­ben wor­den. Fer­ner ver­lang­ten die Ba­ta­ver ei­ne An­he­bung des Rei­ter­kon­tin­gents in ih­ren Ko­hor­ten. Die Zahl der Rei­ter in ei­ner Au­xi­l­i­ar­ko­hor­te war al­ler­dings fest­ge­legt. Ei­ne Aus­nah­me für die ba­ta­vi­schen For­ma­tio­nen wä­re mit der Ver­än­de­rung der tak­ti­schen Struk­tur die­ser Ein­hei­ten ver­bun­den ge­we­sen. Das hät­te wie­der­um ei­ne an­de­re Ver­wen­dung der Ba­ta­ver in­ner­halb des rö­mi­schen Hee­res er­for­der­lich ge­macht.[27] Die An­sprü­che der Ba­ta­ver wa­ren für die Rö­mer ei­gent­lich nicht zu rea­li­sie­ren. Im Grun­de ge­nom­men setz­ten die Ba­ta­ver mit ih­ren For­de­run­gen an die Rö­mer das Bünd­nis­ver­hält­nis wil­lent­lich aufs Spiel oder stell­ten es zu­min­dest auf ei­ne Be­wäh­rungs­pro­be.

Nach­dem ih­nen kei­ne Zu­ge­ständ­nis­se ge­macht wor­den wa­ren, zo­gen die acht ba­ta­vi­schen Au­xi­l­i­ar­ko­hor­ten aus Mainz ab an den Nie­der­rhein. In die­sem Zu­sam­men­hang muss man sich in Er­in­ne­rung ru­fen, dass sich in die­ser Zeit die am Nie­der­rhein ver­blie­be­nen Ba­ta­ver eben­falls über die rö­mi­schen Re­kru­tie­rungs­maß­nah­men em­pör­ten, weil ge­mäß ih­rem Bünd­nis­ver­hält­nis mit den Rö­mern bei ih­nen kei­ne Aus­he­bun­gen statt­fin­den soll­ten, son­dern sie selbst­stän­dig und ei­gen­ver­ant­wort­lich Hilfs­trup­pen­kon­tin­gen­te stell­ten. Aus Sicht der ba­ta­vi­schen Stam­mes­an­ge­hö­ri­gen wa­ren die Rö­mer ver­trags­brü­chig und be­raub­ten sie da­mit ih­rer recht­li­chen Son­der­stel­lung, die sie ge­gen­über an­de­ren Stäm­men ge­nos­sen, be­han­del­ten sie viel­mehr jetzt ge­nau­so wie an­de­re Völ­ker­schaf­ten, die, im Ge­gen­satz zu den Ba­ta­vern, von Rom un­ter­wor­fen wor­den wa­ren.[28] Be­trach­tet man in die­sem Zu­sam­men­hang nun die For­de­run­gen der ba­ta­vi­schen Hilfs­trup­pen, so ist zu er­ken­nen, dass die Sol­da­ten un­ter den Ba­ta­vern ih­ren recht­li­chen Son­der­sta­tus, den sie als fo­ede­ra­ti ge­nos­sen, auch in ih­rer mi­li­tä­ri­schen Ver­wen­dung ge­spie­gelt se­hen woll­ten.[29] Ob in die­sem Zu­sam­men­hang von ei­nem „Selbst­ver­ständ­nis als Eli­te­trup­pe“[30] ge­spro­chen wer­den kann, ist ei­ne an­de­re Fra­ge. In je­dem Fall zeigt sich hin­ter den For­de­run­gen der un­ter­schied­li­chen Par­tei­en auf Sei­ten der Ba­ta­ver ein Selbst­ver­ständ­nis als ei­ne pri­vi­le­gier­te Grup­pie­rung.

Nach der Ver­ei­ni­gung der ba­ta­vi­schen Au­xi­l­i­ar­ko­hor­ten mit der Ab­tei­lung des Ci­vi­lis war es aus Sicht der Ba­ta­ver al­ler­dings sehr wohl kon­se­quent, den An­schluss an die Par­tei Ves­pa­si­ans zu su­chen. Ers­tens hat­te Vi­tel­li­us sie in Ita­li­en vom Beu­te­ma­chen aus­ge­schlos­sen. Zwei­tens war es in Ita­li­en zu Strei­tig­kei­ten mit Le­gio­nä­ren der vi­tel­li­us­treu­en Rhein­ar­mee ge­kom­men. Und drit­tens hat­te Vi­tel­li­us ih­nen die Er­fül­lung ih­rer For­de­run­gen in Aus­sicht ge­stellt, sein Ver­spre­chen je­doch nicht ein­ge­löst. Nach die­sen Er­fah­run­gen war ei­ne dis­tan­zier­te Hal­tung der Ba­ta­ver ge­gen­über den Vi­tel­lia­nern durch­aus zu er­war­ten. Ob da­bei die An­hän­ger Ves­pa­si­ans ge­zielt die Zu­sam­men­ar­beit mit den Ba­ta­vern such­ten, wie Ta­ci­tus an­gibt (Ta­ci­tus, His­to­ri­en 4,13,2f.), ist kaum zu be­ant­wor­ten. In je­dem Fal­le kann man die Er­he­bung der Ba­ta­ver vom Bür­ger­kriegs­ge­sche­hen des Vier­kai­ser­jah­res nicht lö­sen. Ob nun ge­wollt oder nicht, ban­den die Ba­ta­ver die Kräf­te der Rhein­ar­mee, die auf Sei­ten des Vi­tel­li­us stand, und ver­hin­der­ten so, dass er sich ein­zig auf die Aus­ein­an­der­set­zung um das rö­mi­sche Kai­ser­tum kon­zen­trie­ren konn­te. So wirk­te sich der Ba­ta­ver­auf­stand un­ter­stüt­zend für Ves­pa­si­an aus.

Ein Be­kennt­nis zu Ves­pa­si­an moch­te aus Per­spek­ti­ve der Ba­ta­ver durch­aus be­acht­li­che Vor­tei­le ver­spre­chen. In­fol­ge ih­rer Re­vol­te hat­ten sie von Sei­ten der Rhein­ar­mee und bei ei­nem Er­folg der Usur­pa­ti­on des Vi­tel­li­us nicht mit Sym­pa­thie zu rech­nen. Von Ves­pa­si­an hin­ge­gen er­hoff­ten sie sich, dass er mög­li­cher­wei­se ih­re For­de­run­gen er­füll­te, oder sie ver­spra­chen sich zu­min­dest, dass er ih­nen ge­wo­gen be­geg­ne­te.[31]

Nun be­en­de­ten die Ba­ta­ver ih­ren Auf­stand nach der er­folg­rei­chen Über­nah­me des Kai­ser­tums durch Ves­pa­si­an al­ler­dings nicht. In der For­schung wird ger­ne dar­auf ver­wie­sen, dass sich die Zie­le oder Mo­ti­ve der Ak­teu­re auf Sei­ten der Ba­ta­ver ver­än­der­ten: War die Er­he­bung zu­nächst so­zu­sa­gen Teil des Bür­ger­kriegs, ge­wann sie nun an Ei­gen­dy­na­mik und nahm ei­nen ge­ra­de­zu se­pa­ra­tis­ti­schen Cha­rak­ter an. Bei ei­nem wahr­haf­ten Be­kennt­nis zu den Fla­vi­ern wä­re ei­ne Auf­lö­sung der Er­he­bung zu er­war­ten ge­we­sen, nach­dem Ves­pa­si­an die Herr­schaft er­run­gen hat­te. Als Er­klä­rung für die Fort­dau­er des Auf­stands wird in der For­schung zum ei­nen die von An­fang an be­ste­hen­de Ver­stel­lung des Ci­vi­lis an­ge­führt, der sei­ne pro­f­la­vi­sche Hal­tung nur vor­ge­täuscht ha­be.[32] Da­bei folgt man der Dar­stel­lung des Ta­ci­tus. Zum an­de­ren wird auf ei­ne ge­wis­se his­to­ri­sche Zwangs­läu­fig­keit ver­wie­sen. Dem­nach ha­be sich der Ba­ta­ver­auf­stand not­wen­di­ger­wei­se zu ei­nem Un­ter­neh­men ent­wi­ckeln müs­sen, dass die Los­sa­gung vom Im­pe­ri­um Ro­ma­num zum Ziel hat­te.[33]  Die­ses von den Ba­ta­vern be­ab­sich­tig­te End­er­geb­nis, die Be­frei­ung aus rö­mi­scher Herr­schaft zu er­lan­gen, ist hier den bei­den In­ter­pre­ta­ti­ons­va­ri­an­ten ge­mein­sam.

Be­trach­tet man die Fol­gen des Auf­stands für die Ba­ta­ver, so ist zu er­ken­nen, dass die Rö­mer über­haupt kei­ne Ver­än­de­rung an ih­rer recht­li­chen Stel­lung vor­nah­men. Auch die Ba­ta­ver­ko­hor­ten wur­den nicht voll­stän­dig auf­ge­löst. Die Men­ge der ba­ta­vi­schen Au­xi­l­i­ar­ein­hei­ten wur­de zwar um die Hälf­te ver­rin­gert, doch durch die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der Ba­ta­ver­ko­hor­ten in ei­ner an­de­ren Ko­hor­ten­form, die über ei­ne grö­ße­re Per­so­nen­zahl ver­füg­te (co­hors mil­li­a­ria), blieb die Zahl der in rö­mi­schen Hilfs­trup­pen die­nen­den Ba­ta­ver in et­wa kon­stant.[34] Ins­ge­samt hiel­ten sich al­so die Aus­wir­kun­gen für die Ba­ta­ver in Gren­zen. Dar­in zei­gen sich mar­kan­te Un­ter­schie­de zum Um­gang der Rö­mer mit Auf­stän­den, die nach rö­mi­schem Selbst­ver­ständ­nis se­pa­ra­tis­ti­sche Zie­le ver­folg­ten. Hier schrit­ten die Rö­mer ganz an­ders ein: Sol­che Un­ter­neh­mun­gen wur­den in der Re­gel ge­walt­sam nie­der­ge­schla­gen, nicht zu­letzt um ein Ex­em­pel zu sta­tu­ie­ren. Die Re­ak­ti­on der Rö­mer auf das Ver­hal­ten der Tre­ve­rer und Lin­go­nen in die­ser Zeit ist ein mar­kan­tes Bei­spiel da­für.[35]

Ge­ra­de die Tat­sa­che, dass die Ba­ta­ver aber auch nach ih­rem Auf­stand ih­ren recht­li­chen Son­der­sta­tus be­hiel­ten, ist ein ein­deu­ti­ges In­diz da­für, dass der Auf­stand aus Sicht der Rö­mer letz­ten En­des be­grenzt war und man in Rom kei­nes­falls von se­pa­ra­tis­ti­schen Be­stre­bun­gen der Ba­ta­ver aus­ging, viel­mehr die Er­he­bung der Ba­ta­ver in ih­rer In­ten­tio­na­li­tät in das Bür­ger­kriegs­ge­sche­hen ein­zu­ord­nen wuss­te. Die Rö­mer selbst schrie­ben den Ba­ta­vern al­so wohl nicht die Ab­sicht zu, sich vom Im­pe­ri­um Ro­ma­num los­sa­gen zu wol­len. Es ist da­her zu er­wä­gen, ob die ver­gleichs­wei­se mil­de Be­hand­lung der Ba­ta­ver nicht auf ihr tem­po­rä­res En­ga­ge­ment auf Sei­ten Ves­pa­si­ans zu­rück­zu­füh­ren ist.[36] Da­mit wä­re der Ba­ta­ver­auf­stand sehr wohl in die Aus­ein­an­der­set­zun­gen ver­schie­de­ner Usur­pa­to­ren im Bür­ger­krieg des Vier­kai­ser­jah­res zu in­te­grie­ren. Bei ei­ner sol­chen An­nah­me wä­re aber zu klä­ren, wes­halb der Ba­ta­ver­auf­stand in der ta­cit­ei­schen Dar­stel­lung ein­deu­tig Zü­ge ei­ner se­pa­ra­tis­ti­schen Be­we­gung trägt. Be­vor auf die­se wich­ti­ge Fra­ge ein­ge­gan­gen wer­den kann, ist zu­nächst auf die in der For­schung zu­wei­len ver­tre­te­ne Po­si­ti­on zu­rück­zu­kom­men, im Ver­lau­fe des Ba­ta­ver­auf­stan­des hät­ten sich die Mo­tiv­la­ge und Ziel­set­zung un­ver­meid­lich ver­scho­ben.[37]

Ge­gen­über der Fest­stel­lung ei­ner un­ab­wend­ba­ren Cha­rak­ter­ver­än­de­rung der ba­ta­vi­schen Er­he­bung hin zu ei­nem ge­gen das rö­mi­sche Reich ge­rich­te­ten Auf­stand ist kri­tisch zu be­mer­ken, dass es kei­ne Zwangs­läu­fig­keit his­to­ri­scher Pro­zes­se gibt. Die An­nah­me, der Ba­ta­ver­auf­stand ha­be sich ver­selbst­stän­digt, ist pro­ble­ma­tisch, ins­be­son­de­re wenn die pos­tu­lier­te not­wen­di­ge Ent­wick­lung hin zu ei­nem se­pa­ra­tis­ti­schen Un­ter­neh­men un­ter Ver­weis auf die Dar­stel­lung in den ta­cit­ei­schen His­to­ri­en mit dem Zu­sam­men­bruch rö­mi­scher Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren in Nie­der­ger­ma­ni­en ge­recht­fer­tigt wird.[38]  Es ist kaum da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ba­ta­ver wie auch die Tre­ve­rer und Lin­go­nen da­von aus­gin­gen, die rö­mi­sche Herr­schaft in die­sem Ge­biet sei auf Dau­er nicht mehr zu kon­so­li­die­ren. Nicht ganz un­be­denk­lich ist dar­über hin­aus die An­nah­me, in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on ha­be ein eth­ni­sches Be­wusst­sein, al­so das Selbst­ver­ständ­nis als Ba­ta­ver und da­mit als ein ger­ma­ni­scher Stamm und nicht als rö­mi­sche Ver­bün­de­te, be­son­de­re Be­deu­tung er­langt und ei­ne Los­lö­sung vom rö­mi­schen Reich be­för­dert.[39]

Viel­mehr ist zu er­wä­gen, dass die lo­kal-re­gio­na­le Iden­ti­täts­de­fi­ni­ti­on als Ba­ta­ver und be­son­ders der ba­ta­vi­schen Eli­ten in Kom­bi­na­ti­on mit der recht­li­chen Son­der­stel­lung des Stam­mes und der sei­ner­zeit spe­zi­fi­schen Re­kru­tie­rungs­pra­xis durch die Rö­mer wohl ei­ne be­son­de­re An­fäl­lig­keit für die In­stru­men­ta­li­sie­rung der Ba­ta­ver zur Durch­set­zung macht­po­li­ti­scher In­ter­es­sen sei­tens un­ter­schied­li­cher Prä­ten­den­ten im Rin­gen um das Kai­ser­tum zur Fol­ge hat­te.[40] Ei­ne be­son­de­re Si­tua­ti­on er­gab sich, als die des Mi­li­tär­diens­tes mü­den und sich nach der Hei­mat seh­nen­den Ba­ta­ver­ko­hor­ten von Vi­tel­li­us er­neut zu ei­nem Ein­satz her­an­ge­zo­gen wer­den soll­ten und zu­sätz­li­che Trup­pen­aus­he­bun­gen im Ge­biet der Ba­ta­ver statt­fan­den. Un­ter die­sen Be­din­gun­gen ent­stand ei­ne be­son­de­re Be­las­tung für die waf­fen­fä­hi­gen An­ge­hö­ri­gen der Ba­ta­ver, war doch letz­ten En­des ih­re Re­kru­tie­rungs­ba­sis quan­ti­ta­tiv be­grenzt.

Auch wenn die Ba­ta­ver als Par­tei­gän­ger der Fla­vier auf­tra­ten, war die Fort­füh­rung ih­rer Er­he­bung un­ter ves­pa­sia­ni­scher Herr­schaft un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den in ge­wis­ser Wei­se kon­se­quent, wenn man be­denkt, dass ih­re For­de­run­gen nach wie vor nicht er­füllt wa­ren, aber auf­grund der Er­fol­ge ge­gen die Rhein­ar­mee ihr Selbst­be­wusst­sein ge­wach­sen sein dürf­te. Da­bei ist zu­gleich auch mit ei­nem ex­pe­ri­men­tel­len Cha­rak­ter des gan­zen Un­ter­neh­mens zu rech­nen. In­dem die Ba­ta­ver sich mit dem Herr­schafts­an­tritt Ves­pa­si­ans eben nicht so­fort kon­sens­be­reit zeig­ten, ver­such­ten sie ge­gen­über Ves­pa­si­an Gren­zen aus­zu­lo­ten und die­sen da­zu zu be­we­gen, ih­nen ent­ge­gen­zu­kom­men. Ge­ra­de in der Pha­se der Herr­schafts­kon­so­li­die­rung war es für den Kai­ser au­ßer­or­dent­lich wich­tig, nicht durch ver­schie­de­ne Brenn­punk­te von der Auf­ga­be ab­ge­hal­ten zu wer­den, sei­ne Herr­schaft zu eta­blie­ren und zu sta­bi­li­sie­ren. Die Ba­ta­ver ver­such­ten da­her, ei­ne güns­ti­ge Si­tua­ti­on aus­zu­nut­zen, nach­hal­tig auf ih­re Be­deu­tung als Au­xi­l­i­ar­ein­hei­ten für die rö­mi­sche Ar­mee zu ver­wei­sen und sich ih­re Son­der­stel­lung durch zu­sätz­li­che Pri­vi­le­gi­en be­stä­ti­gen zu las­sen.

Aus Sicht der Rö­mer und vor al­lem der Fla­vier war es aber be­son­ders wich­tig, nach dem Mas­sa­ker von Ve­te­ra dem Un­ter­neh­men der Ba­ta­ver se­pa­ra­tis­ti­sche Zü­ge zu­zu­schrei­ben. Es wä­re für Ves­pa­si­an kaum zu recht­fer­ti­gen ge­we­sen, dass die­ses Blut­bad an rö­mi­schen Le­gio­nä­ren in sei­nem Sin­ne oder zu sei­ner Un­ter­stüt­zung be­gan­gen wur­de. Aus die­sem Grun­de muss­te man sich nach die­sen Er­eig­nis­sen von Ci­vi­lis dis­tan­zie­ren und den An­füh­rer des Auf­stands zu ei­nem Reichs­feind sti­li­sie­ren, des­sen Par­tei­nah­me für die Fla­vier nicht auf Über­zeu­gung, son­dern auf Ver­stel­lung be­ruh­te. Das dürf­te sich in der Dar­stel­lung der pro­f­la­vi­schen Ge­schichts­schrei­bung ge­spie­gelt ha­ben, die Ta­ci­tus als Quel­le für sei­ne ei­ge­ne li­te­ra­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit den Er­eig­nis­sen dien­te. In die­sem Punkt scheint Ta­ci­tus al­so sei­nen Vor­la­gen ge­folgt zu sein. Al­ler­dings in­te­grier­te er sei­ne Dar­stel­lung der Er­eig­nis­se selbst­stän­dig in be­stimm­te nar­ra­ti­ve und kom­po­si­to­ri­sche Kon­tex­te. Die­ses Mit­tel ge­stat­te­te es ihm, ei­ge­ne In­ten­tio­nen zu ver­fol­gen und sich von sei­nen Quel­len zu lö­sen. Zu­gleich er­klärt sich auf die­se Wei­se aber auch sei­ne von Wi­der­sprü­chen und In­kon­se­quen­zen ge­kenn­zeich­ne­te Dar­stel­lung des Ba­ta­ver­auf­stan­des.[41]

5. Fazit

Letzt­lich las­sen sich so­wohl hin­sicht­lich der Re­kon­struk­ti­on der Er­eig­nis­se als auch be­züg­lich der Mo­ti­va­ti­on der Ba­ta­ver nur mehr oder we­ni­ger plau­si­ble Mut­ma­ßun­gen äu­ßern be­zie­hungs­wei­se be­stimm­ten Deu­tun­gen und In­ter­pre­ta­tio­nen der Ge­scheh­nis­se ei­ne hö­he­re oder ge­rin­ge­re Wahr­schein­lich­keit zu­wei­sen. Da­bei kön­nen sol­che In­ter­pre­ta­ti­ons- und Re­kon­struk­ti­ons­ver­su­che wohl die grö­ße­re Plau­si­bi­li­tät für sich be­an­spru­chen, die meh­re­re In­ter­pre­ta­ti­ons­ebe­nen be­rück­sich­ti­gen und bes­ten­falls mit­ein­an­der in Ein­klang zu brin­gen ver­ste­hen.

Zum ei­nen gilt es den Be­son­der­hei­ten der ta­cit­ei­schen Dar­stel­lung ge­recht zu wer­den, oh­ne die­se von vorn­her­ein in ih­ren In­kon­sis­ten­zen gänz­lich als Ver­zer­rung der Rea­li­tät zu ver­wer­fen, son­dern viel­mehr die Ei­gen­hei­ten der ta­cit­ei­schen Kom­po­si­ti­on auf über­ge­ord­ne­te In­ten­tio­nen im Zu­sam­men­hang mit dem ta­cit­ei­schen Rom- und Ge­schichts­bild zu­rück­zu­füh­ren, die auch sei­ne Dar­stel­lung des Ba­ta­ver­auf­stan­des be­ein­fluss­ten. Zum an­de­ren sind die Ba­ta­ver als his­to­ri­sche Ak­teu­re und ih­re Hand­lungs­mo­ti­va­ti­on zu be­rück­sich­ti­gen. Die spe­zi­fisch rö­mi­sche Per­spek­ti­ve des über­lie­fer­ten Quel­len­ma­te­ri­als wird da­bei un­ter Um­stän­den den Mo­ti­ven der Ba­ta­ver nur un­zu­rei­chend ge­recht. Die wis­sen­schaft­li­che Be­schäf­ti­gung mit dem Ba­ta­ver­auf­stand bleibt un­ter die­sen Be­din­gun­gen da­her nach wie vor ei­ne Her­aus­for­de­rung.

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Ver­öf­fent­licht am 6.1.2021 

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Künzer, Isabelle, Der Bataveraufstand – Versuch einer Deutung der Revolte am Niederrhein (69/70 n. Chr.), in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-bataveraufstand-%25E2%2580%2593-versuch-einer-deutung-der-revolte-am-niederrhein-6970-n.-chr./DE-2086/lido/5ff42d7b0c5278.11582508 (abgerufen am 11.11.2024)