Die Stadtverwaltung Krefeld in der NS-Zeit
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Die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Krefeld 1933 erfolgte nicht, wie in vielen anderen Städten, bereits im März 1933 symbolisch durch eine spektakuläre Entlassung des Oberbürgermeisters, sondern vollzog sich schrittweise vom Frühjahr bis zum Sommer, allerdings nicht weniger effektiv, und kann im August 1933 als mehr oder weniger abgeschlossen gelten. So liegt der Schwerpunkt des folgenden Beitrags auf dem Jahr 1933, in dem nicht nur personell, sondern auch organisatorisch die Tatsachen geschaffen wurden, die in Krefeld bis 1945 Bestand hatten. Die im Zusammenhang zu berücksichtigende Besonderheit der Kommunalverfassung in der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh., die von 1929 bis 1940 in Geltung war, wird eingangs vorgestellt.
1. Die Grundlagen der Kommunalverfassung in Krefeld(-Uerdingen) ab 1929/1930
Der Titel ist, der gebotenen Kürze geschuldet, nicht präzise, richtig müsste er heißen: Die Stadtverwaltung der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. und die Verwaltung des Stadtteils Krefeld (1933 bis 1940) beziehungsweise der Stadt Krefeld (1940 bis 1945); dieses Titelmonster ist der komplizierten kommunalverfassungsrechtlichen Gegebenheiten in Krefeld nach der Eingemeindung Uerdingens 1929 geschuldet. In der Folge der kommunalen Neugliederung entstanden drei rechtliche Gebilde im vergrößerten Stadtgebiet: die Stadtgemeinde Krefeld-Uerdingen a.Rh. (Gesamtstadt) als Stadt im Sinne der damals noch geltenden Rheinischen Städteordnung und der weiteren kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften. Die frühere Stadt Krefeld (erweitert durch die Eingemeindungen vor allem von Fischeln, Traar, Benrad, Gellep-Stratum), bildete fortan den Stadtteil Krefeld, die bisherige Stadt Uerdingen den Stadtteil Uerdingen. Die Stadtteile hatten die Eigenschaften von Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Nach § 7 Abs. 1 des Neugliederungsgesetzes vom 29.7.1929 gingen für „eine längere Übergangszeit nur bestimmte Verwaltungszweige in die gemeinsame Verwaltung“, also die der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh., über, die übrigen Verwaltungszweige waren „von den beiden Stadtteilen […] getrennt und selbständig verwaltet werden“. Die Übergangszeit sollte 20 Jahre betragen, konnte aber verkürzt werden, wie es zum 1.4.1940 geschah. Die Angelegenheiten der gemeinsamen Verwaltung waren in § 8 der Ortssatzung für die Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. und die Stadtteile Krefeld und Uerdingen vom 24.4.1930 in zwölf Positionen abschließend niedergelegt. Diese umfaßten im Wesentlichen:
– Kreisangelegenheiten,
– Wahlsachen und Abstimmungen,
– Finanzangelegenheiten der Gesamtstadt,
– Erlaß von Ortssatzungen für die Gesamtstadt,
– Personalangelegenheiten der gemeinschaftlichen Verwaltung,
– Verwaltung der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversogung,
– Verwaltung der vereinigten Rheinhafen- und Werftanlagen nebst Hafenbahn,
– Eigentum des Gemeindevermögens,
– Feststellung gemeinsamer Fluchtlinien-, Bebauungs- und Flächenaufteilungspläne, jedoch nur mit Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung des beteiligten Stadtteils,
– weitere Angelegenheiten, „falls sie mit Zustimmung der beiden Stadtteile in die gemeinsame Verwaltung in die gemeinsame Verwaltung der beiden Gesamtstadt überwiesen werden“.
Alle übrigen „Selbstverwaltungs- und Auftragsangelegenheiten“ fielen unter die „getrennte und selbständige Verwaltung der Stadtteile Krefeld und Uerdingen“ (§ 9). Wegen der personellen Ausgestaltung der Verwaltung der drei Körperschaften bestimmte § 3 der Ortssatzung: „Der Bürgermeister der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. ist zugleich Bürgermeister des Stadtteils Krefeld, die Beigeordneten der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. sind zugleich Beigeordnete des Stadtteils Krefeld, einer von ihnen, und zwar der 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters in den Angelegenheiten der Gesamtstadt […] ist zugleich Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen.“
Erstaunlicherweise, obwohl um die Ausgestaltung der Ortssatzung seinerzeit zäh gerungen wurde, ist diese Bestimmung nicht eindeutig, denn sie läßt durchaus den Schluss zu, dass der Erste Beigeordnete der Gesamtstadt, der zugleich Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen war, auch Beigeordneter des Stadtteils Krefeld sein könnte, was aber nicht der Fall war und auch nicht der Fall sein sollte. Nach § 6 (letzter Absatz) der Ortssatzung war der Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen nur „verpflichtet, ein Dezernat der Gesamtstadt zu übernehmen, wofür insbesondere das Hafen- und Werftdezernat in Frage kommen soll, ist aber nicht verpflichtet, ein Dezernat der Verwaltung des Stadtteils Krefeld zu übernehmen.“ Die Wahrnehmung eines Dezernats des Stadtteils Krefeld durch den Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen wäre auch rechtlich problematisch gewesen, sofern dieser nicht auch durch die Bezirksverordnetenversammlung des Stadtteils Krefeld eigens gewählt worden wäre. Andererseits bestimmte die Bezirksverordnetenversammlung des Stadtteils Krefeld, dass Bürgermeister Dr. Wilhelm Warsch den Oberbürgermeister im Stadtteil Krefeld an 10. (letzter) Stelle vertrat.
In der Praxis sah das so aus, dass Bürgermeister Dr. Warsch in seiner Funktion als Erster Beigeordneter der Gesamtstadt nur ein recht kleines Dezernat der Gesamtstadt verwaltete, das das Versicherungsamt, das Statistische Amt und die Volks- und sonstigen Zählungen umfasste. Im Zuge der Vorbereitung der neuen Dezernatsverteilung, die am 1.5.1931 in Kraft gesetzt werden sollte, schrieb Dr. Warsch am 7.4.1931 an den Oberbürgermeister: „Ich habe bekanntlich auf Grund der Ortssatzung auf die Übernahme eines Dezernats des Stadtteils Krefeld ausdrücklich verzichtet. Das gilt naturgemäß auch für eine vertretungsweise Dezernatsübernahme.“ Eine solche komme nur „für ein Gesamtstadtdezernat in Frage. Im Vereinigungsvertrag ist für mich die Übernahme des Hafendezernats vorgesehen, was ja auch über kurz oder lang Wirklichkeit werden wird. Es ist deshalb durchaus sachlich gerechtfertigt, daß ich schon jetzt durch eine gelegentliche Vertretung des Hafendezernats gewissermaßen in die Sache hineinwachse.“ Die (dem Oberbürgermeister zugewiesene) Vertretung im Hafendezernat habe ihm dieser „nach Ablauf eines Jahres zugesagt“. Oberbürgermeister Heinrich Hüpper bedauerte, da eine gänzliche Neuverteilung der Dezernate nicht beabsichtigt sei, der Bitte „zurzeit keine Folge geben zu können“. Von den weiteren Dezernenten verwaltete nur Beigeordneter Mebus Anfang 1933 kein gesamtstädtisches Dezernat.
Die äußeren Vorgänge der Veränderungen bei den Verwaltungen der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. und des Stadtteils Krefeld sind im 5. Band der Krefelder Stadtgeschichte bereits dargestellt worden. Dort noch offen gebliebene Fragen ließen sich erst unter Berücksichtigung auch organisatorischer Details beantworten, die im Zuge der Arbeiten an einer Organsationsgeschichte der Krefelder Stadtverwaltung erhoben wurden. Hiernach dürfte sich ein weitgehend abgerundetes Bild der damaligen Vorgänge ergeben.
2. Die Ausgangslage: Dezernatsverteilung Anfang 1933
Anfang 1933 verwalteten die leitenden Beamten (Oberbürgermeister, Beigeordnete) die folgenden Dezernate der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld. Die den Namen beigeschriebenen Parteiangaben meinen eine tatsächliche Parteizugehörigkeit beziehungsweise Zuordnung zu einer Partei, soweit bekannt. Die in den Übersichten der Dezernatsverteilung einzeln aufgeführten Sachbereiche werden im Interesse der Übersichtlichkeit stichwortartig zusammengefasst. Die Mehrheit der Gegenstände betreffen den Stadtteil Krefeld; Angelegenheiten der Gesamtstadt Krefeld-Uerdingen a. Rh. sind mit (G) versehen, gemeinsame Angelegenheiten der Gesamtstadt und des Stadtteil Krefeld mit (G/K).
Oberbürgermeister Hüpper [Zentrum]
(Oberbürgermeister der der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld Heinrich Hüpper, im Amt seit 11.6.1930)
Vertreter:
a) in Sachen der Gesamtstadt (I. Beigeordneter der Gesamtstadt und Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen): Dr. Wilhelm Warsch
b) in Sachen des Stadtteils Krefeld (I. Beigeordneter des Stadtteils Krefeld mit der Amtsbezeichnung 2. Bürgermeister): Dr. Paul Witten (1887-1954)
Repräsentation der Gesamtstadt (G) und des Stadtteils Krefeld (K); Stadtverordnetenversammlung (G) und Bezirksverordnetenversammlung Krefeld (K); Titel- und Ordenssachen, Kirchensachen (staatlliche Aufsicht); Schenkungen und Stiftungen an Korporationen, Stadthalle, soweit Vergebung der Säle in Frage kommt; Stadtarchiv; Kaiser-Wilhelm-Museum; Stadtbibliothek; Naturwissenschaftliches Museum; Heimatmuseum; Presseamt; Provinzial-Feuerversicherung; Schenkungen und Stiftungen an die Gesamtstadt (G) und den Stadtteil Krefeld (K); Konzertveranstaltungen; Städtisches Orchester; Stadttheater ; Vertretung der Stadt in dem Verbande gemeinnütziger Theater
Bürgermeister Dr. Warsch [Zentrum]
(Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen und I. Beigeordneter der Gesamtstadt Dr. Wilhelm Warsch, im Amt seit 17.9.1925)
Stellvertreter: Bürgermeister Dr. Witten
Versicherungsamt (G); Statistisches Amt (G); Volks- und sonstige Zählungen (G).
Bürgermeister Dr. Witten [Zentrum]
(Beigeordneter [Kämmerer] der Gesamtstadt und I. Beigeordneter mit der Amtsbezeichnung [2.] Bürgermeister des Stadtteils Krefeld Dr. Paul Witten, im Amt seit 23.4.1920)
Stellvertreter: Beigeordneter Dr. Helm
Finanz-, allgemeines Kassen und Rechnungswesen, Schulden- und Vermögensverwaltung (G/K); Grundstücksverwaltung; Kleingarten- und Kleinpachtangelegenheiten; Hausverwaltung; Baudarlehenskasse; Vermessungsamt; Stadterweiterung, Aufstellung von Bebauungs- und Fluchtlinienplänen, Offenlegung von Straßen (G); Sparkasse; [Hauptamt]; [Personalverwaltung].
Beigeordneter Dr. Helm [DNVP]
(Beigeordneter der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld Dr. Robert Helm, im Amt seit 24.10.1930)
Stellvertreter: Beigeordneter Dr. Beyer
Haftpflichtangelegenheiten (G/K); Aufwertungsstelle (G/K); Städtisches Krankenhaus; Schulverwaltung; Schulzahnklinik; Textilforschungsanstalt; Mieteinigungsamt; Polizeiverwaltung (ohne Baupolizei); Private Versicherungsunternehmen; Verwaltungsstelle Krefeld-Fischeln
Beigeordneter Stadtoberbaurat Lubszynski (bis 31.3./30.9.1933)
(Beigeordneter der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld Stadtoberbaurat Ludwig Lubszynski)
Stellvertreter: Beigeordneter Dr. Hollatz
G.W.E.-Werke (G); Straßenbahn (Vorstand, Aufsichtsrats- und Tarifsachen); Öffentliche Uhrenanlagen [Tiefbauamt]; Kohlenbeschaffung für die Stadt (G/K); Stadtbäder; Krefelder Eisenbahn (Vorstand, Oberster Betriebsleiter)
Beigeordneter Pohl
(Beigeordneter der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld Martin Pohl, im Amt seit 21.9.1916)
Stellvertreter: In Vertretungsfällen geht das Dezernat an den Oberbürgermeister zurück
Hafen- und Werftverwaltung (G); Hafenkommissar (Staatliche Aufsicht) (G); Kleinbahn Krefeld-Uerdingen a.Rh. (G); Rheinschifffahrt (G); Industriesiedlungen; Bahn- und Gelände AG, Vorstand
Beigeordneter Mebus [SPD]
(Beigeordneter der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld Artur Mebus, im Amt seit 22.4.1920)
Stellvertreter: Beigeordneter Dr. Beyer
Landwirtschaftliche Angelegenheiten; Vorbereitung von städtischen und vaterländischen Feiern; Wetterdienst; Milch- und Trinkbuden; Verkehrsamt und Rundfunkwesen, ausschließlich Luftverkehr; Verkehrswerbungen; Öffentliches Anschlagswesen; Öffentliche Märkte; Reinigungs- und Schirramt; Straßenreinigung nebst Abgaben; Müllabfuhr nebst Abgaben; Schlachthof; Stadtwaagen; Leihanstalt
Beigeordneter Dr. Beyer (bis 12.4.1933 †) [DDP/DStP?]
(Beigeordneter der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld Dr. Walter Beyer, im Amt ab 16.9.1920)
Stellvertreter: Beigeordneter Mebus
Städtische Wirtschaften einschließlich der Stadthalle mit Ausnahme der Vermietung der Säle; Schiedsmannsachen; Luftverkehr [einschl. Luftschutz] ; Vertretung der Stadt im Verband Deutscher Flughäfen und [in der] Wissenschaftlichen Gesellschaft für Luftfahrt; Rechtsberatung der [nichtjuristischen] Dezernate Lubszynski, Pohl, Mebus und Dr. Hollatz (G/K); Stadtausschuss (G); Schöffen und Geschworenenliste (G/K); Standesämter; Steuersachen, Allgemeines (G/K); Rechnungsamt (G/K)
Beigeordneter Stadtoberbaurat Dr. Hollatz [Wirtschaftspartei]
(Beigeordneter der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld Dr. Josef Hollatz, im Amt ab 24.10.1930)
Stellvertreter: Beigeordneter Lubszynski
Baupolizei; Wohnungsaufsicht; Allgemeine Bauverwaltung; Bauverbot der Gemeindebehörde im Sinne der §§ 11 und 12 des Fluchtliniengesetzes vom 2.7.1875; Friedhofverwaltung; Gartenamt; Hochbauamt mit Bauberatungsstelle; Kanalamt; Gräben und Bachschau; Veranlagung der Kanalnutzungsgebühren; Notstandsarbeiten (Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge); Tiefbauamt ; Eisenbahnanlagen und Straßenbahnen (außer Vorstands-, Aufsichtsrats- und Tarifsachen); Veranlagung der Anliegerbeiträge nach dem Fluchtlinien- und Kommunalabgabengesetz; Wohlfahrtsamt (Bezirksfürsorgeverband) (G); Jugendamt (G)
Stadtassessor Dr. Erdtmann [DNVP?]
(Stadtassessor Dr. Egon Erdtmann, im Amt ab 1.10.1921)
Stellvertreter: N.N. [Dr. Beyer?]
Heimatschutz; Naturdenkmalpflege; Milchhandelsgenehmigungsstelle; Stadtamt für Leibesübungen; Wahlen (G); Besatzungsamt (Abwicklungsstelle); Verwaltungsstelle Krefeld-Fischeln; Feuerlöschwesen; Krankentransporte; Desinfektionsanstalt
3. Die Entwicklung von Februar bis Anfang Juli 1933
Die nach dem 30.1.1933 sich (in Krefeld erst sukzessive auswirkenden) neuen politischen Gegebenheiten betrafen zuerst, schon im Februar, den der SPD angehörenden Beigeordneten Mebus. Dieser war seit dem 23.12.1932 krankheitshalber beurlaubt war. Am 11.2.1933 genehmigte der Oberbürgermeister (angeblich wegen Fortdauer der Krankheit, tatsächlich schon aus politischen Gründen) dessen „weitere Beurlaubung bis auf weiteres“ unter Fortdauer der bestehenden Vertretungsregelung. Am 20. März, nachdem NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Becker (1891-1957) Mebus einige Tage zuvor massiv zum Rücktritt aufgefordert hatte, galt er weiterhin als beurlaubt. Hiernach trat Mebus in der Verwaltungsspitze nicht mehr in Erscheinung, die bislang von ihm verwalteten Angelegenheiten gingen überwiegend auf Stadtassessor Dr. Erdtmann über (und nicht auf seinen Dezernatsvertreter Dr. Beyer, der auch schon im Visier der Nazis stand). Im Zusammenhang mit einem anhängigen Strafverfahren (in dem er später freigesprochen wurde) wurde Mebus am 20.7.1933 „vorläufig vom Dienst enthoben“, dann durch Erlass des Preußischen Ministers des Innern vom 8.11.1933 gemäß § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BerBG) entlassen und erhielt ab 1.3.1934 Ruhegehalt.
Nach den Kommunalwahlen am 12. März, bei denen die NSDAP in der Stadtverordnetenversammlung sowie in den Bezirksverordnetenversammlungen jeweils die stärkste Fraktion geworden war, wurde der Ton der Nationalsozialisten gegenüber der Verwaltungsspitze zusehends schärfer, wie im Falle Mebus schon gezeigt. Bürgermeister Dr. Warsch, Mitglied des Zentrums, ab 13. März in einem schon länger genehmigten Erholungsurlaub, kehrte aus dem Urlaub nicht mehr in sein Amt zurück. Auch er blieb zunächst „vorläufig“ weiter beurlaubt, „aus Zweckmäßigkeitsgründen“, wie der Regierungspräsident am 26. März verlautbarte, wurde 1934 entlassen beziehungsweise 1935 in den Ruhestand versetzt. Das von Dr. Warsch verwaltete Dezernat wurde nach seiner Beurlaubung mutmaßlich zunächst von seinem Dezernatsvertreter Dr. Witten wahrgenommen. Die Stellvertretung des Oberbürgermeisters der Gesamtstadt wurde erkennbar nicht neu geregelt, sie wurde offenkundig bis auf weiteres von dessen zweitem Stellvertreter, Bürgermeister Dr. Witten, wahrgenommen. Schnell besetzt hingegen wurde die durch Dr. Warschs Ausscheiden ebenfalls vakante Stelle des Bürgermeisters des Stadtteils Uerdingen, die der Regierungspräsident bereits mit Verfügung vom 27.3.1933 dem früheren (bis 1923/1925) Uerdinger Bürgermeister Friedrich Aldehoff zunächst kommissarisch übertrug, der das Amt am 3. April antrat. Mit der kommissarischen Ernennung Aldehoffs in Uerdingen war zunächst noch nicht die Stellvertretung des Oberbürgermeisters der Gesamtstadt an erster Stelle verbunden; diese wurde erst in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 7.7.1933 festgelegt. Aldehogg wurde am 14. Juli zum kommissarischen I. Beigeordneten der Gesamtstadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. ernannt, seine Wahl in dieses Amt erfolgte erst in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 22.12.1933, die planmäßige Anstellung erst am 5.6.1934.
Der Dezernent für die Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke, Ludwig Lubszynski trat nach Erreichen der Altersgrenze am 1.4.1933 in den Ruhestand. Bemerkenswert, vor allem weil Lubszynski Jude war, ist seine Weiterbeschäftigung als „Hilfsarbeiter (Fachberater)“ der Stadt Krefeld, wobei er „mit der Wahrnehmung seiner bisherigen Geschäfte beauftragt“ wurde. „Er wird zeichnen: I.A. Sofern die Unterschrift des Oberbürgermeisters oder seines gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, übernehme ich [Oberbürgermeister Hüpper] das Dezernat selber.“ Für die hierdurch frei werdende Beigeordnetenstelle wurde Ende Juni dem Nationalsozialisten Dr. Alois Heuyng vorgeschlagen, der am 4. Juli gegenüber dem Oberbürgermeister erklärte, er halte „zu meiner schnelleren und leichteren Einarbeitung … eine Zusammenarbeit mit Herrn Lubszynski für eine Reihe von Wochen für sehr zweckmäßig“, die Entscheidung hierüber wolle er „allerdings Herrn Kreisleiter Becker überlassen“ .
Das wichtige Personaldezernat, das von Bürgermeister Dr. Witten verwaltet wurde (die Sachbearbeitung lag bei Bürodirektor Friedrich Honerkamp), ging am 30. März nominell auf den Oberbürgermeister über. Faktisch aber wurde es Stadtbaddirektor Emil Funnemann als Hilfsdezernenten unter dem Oberbürgermeister übertragen. Funnemann war am 20. März mit Wirkung vom 22. März in die Hauptverwaltung einberufen und mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Verwaltungsdirektors beauftragt worden. Diese Personalie war offenkundig vom Oberbürgermeister unmittelbar initiiert worden, ohne erkennbare Mitwirkung des Personaldezernenten, der Entwurf trägt lediglich die Paraphen von Bürodirektor Honerkamp und des Oberbürgermeisters. Mutmaßlich wollte Hüpper mit diesem Schritt den heftigen personalpolitischen Angriffen der NSDAP in den Tagen zuvor etwas entgegensetzen.
In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 6.4.1933 hatte diese eine (weitgehende) „Beschlußzuständigkeit für bestimmte Geschäftszweige und die Erledigung einzelner Geschäfte der Verwaltung“ auf den Gemeinschaftsausschuß gemäß § 22 der Gemeindefinanzverordnung vom 2.11.1932 übertragen. Diesem auch „Hauptausschuß“ genannten (aus zwölf Mitgliedern bestehenden) Gremium oblag in der Folgezeit die Beschlussfassung über nahezu alle kommunalen Angelegenheiten mit Ausnahme der Änderung der Grenzen des Stadtbezirks, Wappen und Siegel sowie Flagge der Gesamtstadt, Wahl des Oberbürgermeisters und der Beigeordneten. Dieser Hauptausschuss bestellte am 24. April „zwecks Angleichung der Stadtverwaltung Krefeld an die nunmehrigen Machtverhältnisse“ den NSDAP-Stadt- und Bezirksverordneten und Kreisleiter der NSDAP in Krefeld, Wilhelm Becker, zum dem Oberbürgermeister beigeordneten ehrenamtlichen Kommissar, was eine faktische Entmachtung des Oberbürgermeisters bedeutete, dessen Verbleib an der Spitze der Verwaltung fortan nur noch eine Frage der Zeit war.
Unter spektakulären Umständen verlief das Ausscheiden des liberalen (der DVP nahestehenden oder angehörenden) Beigeordneten Dr. Walter Beyer. Auch diesen hatte am 17. März Kreisleiter Becker zum Ausscheiden aus dem Dienst binnen zwei Tagen aufgefordert, mit der unverhohlenen Drohung, dass „ein späterer Abgang […] bitterer für ihn sein“ werde. Beyer verweigerte sich, sah sich daher massiven Repressalien der NSDAP ausgesetzt, denen er nicht gewachsen war. Am 12. April abends beging er in seiner Wohnung in Kapellen Selbstmord („Schuß in die Schläfe“), wobei in der Öffentlichkeit von „starker seelischer Depression und völliger Nervenzerrüttung“ die Rede war. Das Dezernat Dr. Beyer wurde (als einziges der bislang vakant gewordenen Dezernate) offiziell aufgeteilt: Die Mehrzahl der Zuständigkeiten, darunter die Steuersachen, gingen auf Beigeordneten Dr. Helm über, das Stadttheater, das Orchester und die Konzertveranstaltungen auf den Oberbürgermeister, der Luftverkehr auf Dr. Erdtmann.
Die nächste durch Beurlaubung absehbar frei werdende Stelle war die von Stadtkämmerer Bürgermeister Dr. Paul Witten, der dem Zentrum angehörte. Dieser wurde durch Verfügung des Oberbürgermeisters vom 30.6.1933 ab 3. Juli ohne Angabe von Gründen beurlaubt. Die Aufgaben des Dezernats gingen zunächst auf seinen Dezernatsvertreter Dr. Helm über, der im August 1933 auch förmlich die Nachfolge von Dr. Witten als Stadtkämmerer und später auch als Bürgermeister des Stadtteils Krefeld übernahm. Die von Dr. Witten aus dem Dezernat Dr. Warsch vorübergehend verwalteten Aufgaben des Versicherungsamts übernahm im August 1933 Dr. Hürter, die des Statistischen Amts und der Volkszählungen usw. Dr. Erdtmann.
4. Die Neuordnung der Verwaltungsspitze (Juli bis Dezember 1933)
Eine der letzten in den Akten feststellbare amtlichen Aktivitäten von Oberbürgermeister Heinrich Hüpper war die Unterfertigung des (seinerzeit von jedem Angehörigen des öffentlichen Dienstes verpflichtend auszufüllenden) Fragebogens zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 3.7.1933 sowie ein Sichtvermerk vom 6. Juli auf einem (bereits zitierten) Schreiben von Dr. Heuyng vom 4. Juli. Wenige Tage später war Hüpper nicht mehr im Amt. Das genaue Datum seiner Beurlaubung erhellt sich nicht aus seiner Personalakte und sonstigen Akten, so dass wir versuchen müssen, die Vorgänge anhand anderer Überlieferungen zu rekonstruieren. Am 7.7.1933 traten die Stadtverordneten der Gesamtstadt und die Bezirksverordneten des Stadtteils Krefeld zu einer gemeinschaftlichen Sitzung zusammen. Auf der Tagesordnung standen die Wahlen von zwei Beigeordneten (eine der wenigen noch in deren originäre Zuständigkeit fallenden Angelegenheiten) und die Entgegennahme einer Erklärung der NSDAP. Die Sitzung wurde geleitet vom Beigeordneten Dr. Helm, von der Verwaltung waren ferner anwesend der kommissarische Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen Friedrich Aldehoff und die beiden einzigen noch faktisch im Amt befindlichen Beigeordneten Martin Pohl und Dr. Josef Hollatz. Ob und warum Oberbürgermeister, der sich noch im Amt befunden hat, die Sitzung nicht leitete, ist nicht klar. Die NS-Presse vermerkte nur beiläufig, dass den Vorsitz Beigeordneter Dr. Helm innehatte und nicht „alter Überlieferung gemäß Herr Hüpper“. In der Sitzung wurden Dr. Alois Heuyng zum besoldeten und NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Becker zum unbesoldeten Beigeordneten der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. und des Stadtteils Krefeld gewählt.
Bevor diese Ereignisse am folgenden Tag in der Presse öffentlich gemacht wurden, waren sie schon in Krefeld im Gespräch. Der frühere Krefelder Beigeordnete und nunmehrige Bürgermeister von Kleve, Dr. Johannes Stepkes, weilte an diesem Tag in Krefeld „und hörte von [Bekannten], daß in der heutigen Stadtverordnetenversammlung nicht nur, wie vorgesehen, 2 nat.soz. Beigeordnete, davon einer (ein kaufm. Angestellter) anstelle von Witten als 1. Beigeordneter gewählt, sondern, daß Oberbürgermeister Hüpper abgesetzt worden sei“. Dies könnte als (allerdings fragwürdiges) Indiz dafür gewertet werden, dass Hüpper schon an diesem Tage beurlaubt worden sei. Am Abend des 7. Juli forderte Kreisleiter Wilhelm Becker bei einer Kundgebung der NSDAP, dass die NSDAP den Oberbürgermeister stellen müsse und nannte den Namen des neugewählten Beigeordneten Dr. Heuyng, der am folgenden Tage in der Presse in einer Schlagzeile als „Der kommende Oberbürgermeister“ präsentiert wurde, wobei es im Text dann zutreffender heißt, er sei „für den Posten des Oberbürgermeisters in Aussicht genommen“.
Die Einzelheiten des Wechsels im Amt des Oberbürgermeisters wurden dann zwischen Vertretern aus Krefelds Wirtschaft und Politik, dem Staatssekretär im Preußischen Ministerium des Innern, Ludwig Grauert (1891-1964), und Regierungspräsident Carl Christian Schmid (1886-1955), beide Gäste des Krefelder Reitturnier vom 7.-9.7.1933, am Rande dieser Veranstaltung ausgehandelt. Als Ergebnis wurde Dr. Heuyng durch den Regierungspräsidenten am 10.7.1933 mit Zustimmung des Ministers des Innern „vom 9. Juli des Jahres ab die k[ommissarische]. Stellvertretung des Oberbürgermeisters der Stadt Krefeld-Uerdingen“ übertragen. Hierüber berichtete der Regierungspräsident am 10. Juli dem Ministerium und führte u.a. aus, er habe bei der Anwesenheit von Staatssekretär Grauert am 8. und 9. Juli in Krefeld „seine Genehmigung zur Beurlaubung des bisherigen Oberbürgermeisters Hüpper und zur Bestellung des Syndikus Dr. Heuyng zum k. Stellvertreter des Oberbürgermeisters erwirkt“. Dieser Bericht hilft, auch die Frage des Termins der Beurlaubung von Oberbürgermeister Hüpper zuverlässig zu klären. Die Zustimmung von Staatssekretär Grauert wurde hiernach frühestens am 8. Juli erteilt. Da im erwähnten Bericht ein (weder in den Akten des Regierungspräsidenten noch des Innenministeriums überliefertes) Telegramm des Regierungspräsidenten an das Ministerium vom 8. Juli erwähnt wird, spricht manches dafür, dass hierin auch die Beurlaubung von OB Hüpper angesprochen wurde. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Beurlaubung Hüppers wahrscheinlich am 8. Juli erfolgt sein dürfte, ist die Tatsache, dass Dr. Heuyng „vom 9. Juli … ab“ ernannt worden ist, da eine solche kommissarische Ernennung nur dann vorgenommen werden konnte, wenn der Stelleninhaber beurlaubt oder anderweitig nicht mehr tatsächlich im Amt war. Der so beurlaubte Hüpper wurde am 1. August durch Erlaß des Ministers des Innern gemäß § 6 BerBG („im Interesse des Dienstes“) in den Ruhestand versetzt, noch bevor die Krefelder Stadtverwaltung von sich aus einen entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht hatte; die Versetzung in den Ruhestand wurde ab 1.1.1934 wirksam.
Der Minister des Innern bestätigte durch Erlass vom 14.7.1933 „das bereits mündlich erklärte Einverständnis zu der Beurlaubung des Oberbürgermeisters Hüpper […] und zu der Bestellung des Dr. Heuyng zum kommissarischen Oberbürgermeister“. Der kommissarisch bestellte Oberbürgermeister Dr. Heuyng wurde am 7. September von der Stadtverordnetenversammlung und der Bezirksverordnetenversammlung Krefeld zum Oberbürgermeister gewählt, am 30. Oktober vom Ministerium des Innern in die Stelle eingewiesen und am 27.11.1933 in sein Amt eingeführt. Zugleich bestellte der Minister „mit sofortiger Wirkung den Bürgermeister Aldehoff zum kommissarischen Ersten Beigeordneten der Stadt Krefeld-Uerdingen“, wobei im Hinblick auf das fortgeschrittene Alter von Aldehoff eine gesetzliche Ausnahmeregelung in Aussicht gestellt wurde.
Der Wechsel im Amt des Oberbürgermeisters schlug sich in der laufenden Arbeit der Dezernenten nicht nennenswert nieder, zumal der Oberbürgermeister neben der Leitung der Verwaltung auch vorher schon überwiegend repräsentative Aufgaben wahrgenommen hatte. Das Anfang des Jahres aus (ohne den Oberbürgermeister) neun Dezernenten bestehende Kollegium der Beigeordneten war im Juli auf nur vier noch tatsächlich im Amt befindliche Beamte (Dr. Helm, Dr. Hollatz, Pohl, Dr. Erdtmann, letzterer als Hilfsdezernent) zusammengeschrumpft. So war es nicht unberechtigt, wenn Dr. Helm Anfang August feststellte, auf ihm „laste fast die ganze Verwaltung […], da der neue Oberbürgermeister Dr. Heuyng als Treuhänder der Arbeit sich um die Verwaltungsgeschäfte wenig kümmern könne“.
Die angespannte personelle Situation an der Spitze von Gesamtstadt und Stadtteil Krefeld erkannte auch der neue Oberbürgermeister. Unter Hinweis auf die Beurlaubung von drei Wahlbeamten (Hüpper, Dr. Witten, Mebus), auf das Ausscheiden von Lubszynski und den Tod von Dr. Beyer berichtete er am 7. August an den Regierungspräsidenten und bat um Bestellung des bei der Staatsanwaltschaft in Krefeld beschäftigten Gerichtsassessors Dr. Emil Hürter zum kommissarischen Beigeordneten des Stadtteils Krefeld. Die Angelegenheit hatte in Krefeld eine Vorlaufzeit, so gab es schon vor Anfang August eine Unterredung zwischen Dr. Helm und Dr. Hürter, in deren Folge Hürter einige Unterlagen für die Einstellung und eine Mitteilung über das zu erwartende Gehalt zugeleitet wurden, ferner ließ sich Hürter ab 6. August „zur Dienstleistung bei der Stadtverwaltung Krefeld“ aus dem Justizdienst beurlauben, so dass er bereits am 7. August seinen Dienst bei der Stadt antreten konnte. Am 10. August teilte der Oberbürgermeister den Dezernenten und sämtlichen Dienststellen mit: „Der Regierungspräsident hat … Dr. Hürter … als k. Beigeordneten … bestätigt“, die Volksparole berichtete am 11. August über die bereits erfolgte Bestätigung Hürters, obwohl die schriftliche Bestellung zum kommissarischen Beigeordneten durch den Regierungspräsidenten, die das Datum 11. August trug, bei der Stadt erst am 16. August einging. Hürter wurde am 7.9.1933 zum besoldeten Beigeordneten der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. und des Stadtteils Krefeld gewählt, am 23.11.1933 vom Regierungspräsidenten in die Stellen eingewiesen und in der Sitzung der Stadtverordneten- und der Bezirksverordnetenversammlung am 27. November in sein Amt eingeführt.
In der erwähnten Rundverfügung vom 10. August bestimmte der Oberbürgermeister zugleich, Dr. Hürter übernehme „das Dezernat des Beigeordneten Dr. Helm einschließlich des Versicherungsamtes, mit Ausnahme der Steuersachen, der städtischen Krankenanstalten, der Verwaltungsstelle Fischeln und des Rechnungsamtes“, während auf Dr. Helm das „bisherige Dezernat des Bürgermeisters Dr. Witten einschl. Rechnungsamt, Stadtsteueramt, städt. Krankenanstalten, Stadttheater und Orchester und die Verwaltungsstelle Fischeln“ übergehe. Durch diesen Zuschnitt der Dezernate setzte sich eine stärkere Strukturierung der bislang etwas willkürlich wirkenden Dezernatsverteilung fort, die mit einer Straffung der Ämterstruktur einherging, was sich besonders im Bereich der Zentralverwaltung (Hauptamt, Personalamt) und im juristischen Bereich (Rechtsabteilung/Rechtsamt) manifestierte, deren bislang unterschiedlich firmierende (und auch teilweise von verschiedenen Dezernenten betreuten) Zuständigkeiten nunmehr auch formal innerhalb eines Amtes zusammengefaßt wurden.
Im Zusammenhang mit der Übernahme der bisher von Dr. Witten wahrgenommen Aufgaben des Kämmerers durch Dr. Helm stellt sich auch die Frage, ab wann ihm die bisher ebenfalls von Dr. Witten innegehabte Stellung des I. Beigeordneten des Stadtteils Krefeld mit der Amtsbezeichnung (zweiter) Bürgermeister übertragen wurde. Nomineller erster Vertreter des Oberbürgermeisters des Stadtteils Krefeld sollte der am 7. Juli als ehrenamtlicher Beigeordnete gewählte NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Becker sein, der allerdings kein Dezernat verwaltete und bestenfalls als politischer Kommissar in der Verwaltungsspitze angesehen werden kann. Die faktische Vertretung des Oberbürgermeisters oblag bereits ab Juli 1933 dem 2. Vertreter des Oberbürgermeisters, dem Beigeordneten Dr. Helm. In dessen Personalakte findet sich auf dem vorhefteten Personalbogen der Hinweis, er sei bereits am 1.9.1933 Bürgermeister geworden. Dieses Datum kann insoweit tatsächlich nicht zutreffen, da Helm in amtlichen Unterlagen, etwa in den Niederschriften der Stadtverordnetenversammlung (so noch am 22.12.1933), und in seiner Personalakte, bis Dezember 1933 durchgängig nur als Beigeordneter firmiert. In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27.11.1933 wurde bei der Festsetzung der Reihenfolge der Vertretung des Oberbürgermeisters im Hinblick auf den Stadtteil Krefeld bestimmt, dass die an erster Stelle durch „Beigeordnete[n] des Stadtteils Krefeld Dr. Helm mit der Amtsbezeichnung ‚Zweiter Bürgermeister des Stadtteils Krefeld’“ erfolgt. Hiernach wurden die Bezüge von Dr. Helm im Dezember „endgültig“ nach Besoldungsgruppe B 10 festgesetzt, die Mitteilung hierüber ging am 5.1.1934 an „Herrn Bürgermeister Dr. Helm“, wobei „die Bezüge mit Wirkung vom 1.9.1933 [neu] festgesetzt werden“.
Nach dieser Neuorganisation stellte sich die Dezernatsverteilung ab Mitte August 1933 wie folgt dar:
Dezernat Oberbürgermeister
(kommissarischer Oberbürgermeister Dr. Aloys Heuyng, ab 9.7.1933)
Vertreter des Oberbürgermeisters:
a) in Sachen der Gesamtstadt: komm. Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen Friedrich Aldehoff (ab 14.7.1933, kommissarisch)
b) in Sachen des Stadtteils Krefeld:
1.) ehrenamtlicher Beigeordneter Wilhelm Becker,
2.) Beigeordneter Dr. Robert Helm
Repräsentation (G/K); Stadtverordnetenversammlung und Bezirksverordnetenversammlung Krefeld (G/K); Titel- und Ordenssachen; Kirchensachen (staatl. Aufsicht); Schenkungen und Stiftungen an Korporationen; Stadthalle, soweit Vergebung der Säle in Frage kommt; Stadtarchiv; Kaiser-Wilhelm-Museum; Stadtbibliothek; Naturwissenschaftliches Museum; Heimatmuseum; Presseamt; Provinzial-Feuerversicherung; Schenkungen und Stiftungen an die Stadt (G/K)
[Hilfs-]Dezernat kommissarischer Verwaltungsdirektor Funnemann
[Personalamt:] Beamten- und Angestelltenangelegenheiten (G/K); Beamtendarlehenskasse; Beamtenausbildung und –prüfung; Arbeitertarifsachen (G/K); Fürsorge für die städtischen Arbeiter (G/K); [Personalien der Beamten, Angestellten und Arbeiter]
Dezernat Beigeordneter Dr. Helm
Konzertveranstaltungen; Stadttheater und Orchester; Vertretung der Stadt in dem Verbande gemeinnütziger Theater; [Hauptamt:] Organisation der Verwaltung, Aufsicht über den Geschäftsgang und die Geschäftsführung bei den städtischen Ämtern, Dienstaufsicht über Rathaus und die Verwaltungsstellen Krefeld-Bockum, Krefeld-Oppum, Krefeld-Linn, Krefeld-Fischeln; Rathauskanzlei und Drucksachenverwaltung; Finanz-, allgemeines Kassen und Rechnungswesen, Schulden- und Vermögensverwaltung (G/K); Städtische Bahnen (Straßenbahn und Eisenbahn – wirtschaftliche Angelegenheiten –); Grundstücksverwaltung; Kleingarten- und Kleinpachtangelegenheiten; Hausverwaltung; Baudarlehenskasse; Stadterweiterung, Aufstellung von Bebauungs- und Fluchtlinienplänen, Offenlegung von Straßen (G); Steuersachen, Allgemeines (G/K);Vermessungsamt; Stadterweiterung, Aufstellung von Bebauungs- und Fluchtlinienplänen (G/K); Städt. Krankenhaus; Sparkasse; Rechnungsprüfungsamtamt (G/K)
Dezernat Beigeordneter a.D. Stadtoberbaurat Lubszynski (bis 30.9.1933) G.W.E.-Werke (G); Straßenbahn (Vorstand, Aufsichtsrats- und Tarifsachen); Öffentliche Uhrenanlagen [Tiefbauamt]; Kohlenbeschaffung für die Stadt (G/K); Stadtbäder; Krefelder Eisenbahn (Vorstand, Oberster Betriebsleiter) a
Dezernat Beigeordneter Pohl
Hafen- und Werftverwaltung (G); Hafenkommissar (Staatliche Aufsicht) (G); Kleinbahn ; Krefeld-Uerdingen a.Rh. (G); Rheinschiffahrt (G); Industriesiedlungen; Bahn- und Gelände AG, Vorstand
Dezernat Beigeordneter Oberbaurat Dr. Hollatz
Allgemeine Bauverwaltung; Bauverbot der Gemeindebehörde im Sinne der §§ 11 und 12 des Fluchtliniengesetzes vom 2.7.1875; Friedhofverwaltung; Gartenamt; Hochbauamt mit Bauberatungsstelle; Kanalamt; Gräben und Bachschau; Veranlagung der Kanalnutzungsgebühren; Notstandsarbeiten ( Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge); Tiefbauamt; Baupolizei; Eisenbahnanlagen und Straßenbahnen (außer Vorstands-, Aufsichtsrats- und Tarifsachen); Veranlagung der Anliegerbeiträge nach dem Fluchtlinien- und Kommunalabgabengesetz; Wohlfahrtsamt
Dezernat Beigeordneter Dr. Hürter
Schiedsmannsachen; Haftpflichtangelegenheiten; Städtisches Wirtschaften einschließlich Stadthalle
Rechtsberatung der Dezernate Lubsynski, Pohl, Dr. Hollatz (G/K); [Rechtsabteilung]; Polizeiverwaltung (ohne Baupolizei); Private Versicherungsunternehmen; Versicherungsamt (G); Stadtausschuss (G/K); Schöffen- und Geschworenenliste; [Schulverwaltung]; Standesämter
Dezernat Stadtassessor Dr. Erdtmann
Verwaltungsstelle Krefeld-Traar ; Heimatschutz; Naturdenkmalpflege; Vorbereitung von städtischen und vaterländischen Feiern; Wetterdienst; Landwirtschaftliche Angelegenheiten; Milch- und Trinkbuden; Stadtamt für Leibesübungen; Verkehrsamt und Rundfunkwesen (außer Luftverkehr); Verkehrswerbungen; Öffentliches Anschlagswesen; Luftverkehr [einschl. Luftschutz, auch Amtsstelle für Luftverkehr]; Vertretung der Stadt im Verband Deutscher Flughäfen und [in der] Wissenschaftlichen Gesellschaft für Luftfahrt; Öffentliche Märkte (Marktpreisnotierungen, Markthalle); Reinigungs- und Schirramt; Straßenreinigung nebst Abgaben; Müllabfuhr und Abgaben; Schlachthof; Stadtwaagen; Leihanstalt; Wahlen (G); Statistisches Amt (G): Volks- und sonstige Zählungen (G): Besatzungsamt (Abwicklungsstelle); Feuerlöschwesen ; Krankentransporte; Desinfektionsanstalt
Nach der Neuordnung der Dezernate Dr. Helm und Dr. Hürter (hierdurch waren im Grundsatz bereits die Bereiche Allgemeine Verwaltung, Finanzwesen und Rechtswesen sowie Kultur geordnet) blieb als zu besetzende Personalie die des technischen Dezernenten, insbesondere für die städtischen Werke, dessen Aufgaben ab 1. Oktober (nach dem endgültigen Ausscheiden von Oberbaurat Lubszynski) zunächst dem Bau- und Wohlfahrtsdezernenten Dr. Hollatz übertragen wurden. Die Stadt- und Bezirksverordnetenversammlungen wählten am 27. November den Syndikus der Industrie- und Handelskammer Essen, Dr. Karl Schacht, zum besoldeten Beigeordneten der Stadt Krefeld-Uerdingen a. Rh. und des Stadtteils Krefeld. Da das Verfahren der Einweisung in die Stelle erfahrungsgemäß etwas dauerte, die Wiederbesetzung des technischen Dezernats „aus dienstlichen Gründen“ aber eilbedürftig schien, bat Oberbürgermeister Dr. Heuyng den Regierungspräsidenten am 6. Dezember, „falls erforderlich, [Dr. Schacht] bis zur Einweisung in seine Stelle als Beigeordneter vorläufig zum kommissarischen Beigeordneten bestellen zu wollen“. Dieser Bitte entsprach der Regierungspräsident zeitnah und beauftragte am 14. Dezember „den zum besoldeten Beigeordneter der Stadt Krefeld-Uerdingen a./Rh. und des Stadtteils Krefeld gewählten Dr. Karl Schacht mit der vorläufigen kommissarischen Wahrnehmung der Dienstgeschäfte eines besoldeten Beigeordneten“. Dr. Schacht trat die Stelle am 15. Dezember an; am 23. März 1934 wurde er zum hauptamtlichen Beigeordneten berufen, ihm die Urkunde am 17.5.1934 ausgehändigt.
Im Zusammenhang mit dem Neuzuschnitt des technischen Dezernats Dr. Schacht, dem auch die Hafen- und Werftverwaltung zugeteilt werden sollte, stellte sich die Frage nach der weiteren Verwendung des bisher ausschließlich dafür zuständigen Beigeordneten Martin Pohl. Oberbürgermeister Dr. Heuyng sprach sich dafür aus, Pohl vorzeitig in den Ruhestand versetzen zu lassen, und begründete dies am 5.1.1934 gegenüber dem Regierungspräsidenten damit, „daß die neue Dezernatsverteilung aus wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Gründen eine Verbindung zwischen städtischen Werken, Hafen- und Werftanlagen, Schlachthof, landwirtschaftlichen Angelegenheiten, Presseamt und Verkehrsamt vorsieht. Es würde nicht im dienstlichen Interesse liegen, wenn den dadurch zum Ausdruck gebrachten kommunalpolitischen Linien entgegen eine andere Einteilung vorgenommen würde, zumal der neue Dezernent, Stadtrat Dr. Schacht, auf diesen Gebieten anerkannter Fachmann ist und gerade diese letztere Eigenschaft für seine Wahl ausschlaggebend war.“ Da Beigeordneter Pohl anderweitig in der Verwaltung nicht verwendet werden könne, aber auch wegen dessen angegriffener Gesundheit, beantragte der Oberbürgermeister, Pohl aus dienstlichen Gründen (also nach § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums) in den Ruhestand zu versetzen. Vorausgegangen waren im Dezember im Grunde ergebnislos gebliebene Verhandlungen zwischen der Verwaltungsspitze und Pohl über die Frage der Pensionierung. Pohl, der sich ab dem 27.12.1933 im Erholungsurlaub befand (die Beurlaubung wurde dann verlängert) wurde durch Erlass des Preußischen Ministers des Innern vom 1.3.1934 gemäß § 6 BerBG (mit Wirkung vom 1.7.1934) in den Ruhestand versetzt.
Hiermit hatte das Kollegium der Beigeordneten im Laufe des Jahres 1933 seine Zusammensetzung erhalten, die bis Anfang März 1945 im Grundsatz unverändert bestehen blieb. Auf einzelne Veränderungen wird später einzugehen sein.
5. Die Dezernatsverteilung ab 1.1.1934
Nach der personellen Neuordnung der Verwaltungsspitze im Laufe des Jahres 1933, die mit einer beginnenden Entflechtung und Neuorganisation der Ämterstruktur einherging, stellte sich die Dezernatsverteilung ab 1.1.1934 wie folgt dar:
Oberbürgermeister (I Hg.)
(Oberbürgermeister Dr. Alois Heuyng)
Vertreter des Oberbürgermeisters:
a) in Sachen der Gesamtstadt (I. Beigeordneter der Gesamtstadt und Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen): Friedrich Aldehoff (bis 5.6.1934 kommissarisch)
b) in Sachen des Stadtteils Krefeld (I. Beigeordneter des Stadtteils Krefeld mit der Amtsbezeichnung Bürgermeister): Dr. Robert Helm
Feststellung der Richtlinien der Finanz-, Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik der Stadt und deren Überwachung; Repräsentation der Gesamtstadt und des Stadtteils Krefeld
Wahrnehmung der verfassungsmäßigen Rechte der Stadtverwaltung und Stadtvertretung; Vertretung der Stadt in den kommunalen Spitzenverbänden; Kirchensachen (staatliche Aufsicht); Personalien der Beamten, Angestellten und Arbeiter [Personalamt] – s. Dr. Helm; Organisationsamt (Wirtschaftlichkeits- und Organisationsprüfungen)
Bürgermeister Dr. Helm (I Hm.)
Verwaltungsdirektor Hauptamt (mit Rathausbücherei, Botenmeisterei und Kanzlei)
Personalamt (G/K)
Standesamt (nach 1.4.1934)
Stadtkämmerei
Grundstücks- und Hausverwaltung (G/K)
Stadtsteueramt (G/K)
Stadthauptkasse Einziehungsamt Städtische Sparkasse Rechnungsprüfungsamt (G/K)
Stadtverwaltungsgericht (G) (ab 21.4.1934)
Wahlamt (nach 1.4.1934) (G)
Theater- und Konzertveranstaltungen
Krankenanstalten
Stadtrat Dr. Hollatz (V)
Allgemeine Bauverwaltung
Hochbauamt (einschl. Siedlungsamt)
Baupolizei, Wohnungsaufsicht
Tiefbauamt
Kanalamt
Maschinenamt
Brückenbauabteilung, später Brückenbau
Vermessungsamt
Gartenamt
Friedhöfe und Feuerbestattung [Friedhofverwaltung]
Wohlfahrtsamt
Stadtrat Dr. Schacht (I Scht.) (eingetreten am 15.12.1933)
G.W.E.-Werke Hafen- und Werftverwaltung, Hafenamt
Schlachthof
Stadtbäder
Presseamt
Verkehrsamt
Landwirtschaftliche Angelegenheiten (nach 1.4.1934 Dr. Erdtmann)
Stadtrat Dr. Hürter (I Hü.)
Polizeiverwaltung (ab 1.4.1934 auch die Geschäfte der bisher staatl. Polizeiverwaltung)
Feuerlöschpolizei (ab 21.7.1934)
Chemisches Untersuchungsamt (nach 1.4.1934)
Rechtsamt
Standesämter (bis nach 1.4.1934)
Stadtausschussangelegenheiten/Stadtverwaltungsgericht (bis 21.4.1934) (G)
Schulamt
Museen und Bibliotheken sowie sonstige kulturelle Angelegenheiten, soweit sie nicht anderen Dezernaten zugewiesen sind
Stadthallenverwaltung und städtische Wirtschaften
Kulturamt (ab 5.12.1934)
Stadtassessor Dr. Erdtmann
Wahlamt (nach 1.4.1934 Dr. Helm) (G)
Statistisches Amt
Stadtamt für Leibesübungen Reinigungs- und Schirramt
Feuerwehr und Desinfektion [Feuerlöschpolizei] (bis 21.7.1934)
Leihanstalt
Stadtwaagen (nach 1.4.1934 in das Maschinenamt eingegliedert)
Marktverwaltung
Landwirtschaftliche Angelegenheiten (nach 1.4.1934)
Amtsstelle für Luftverkehr
6. Die Neuordnung der Ämterstruktur (1934/1935)
Die vorstehende, ab 1.1.1934 geltende Dezernatsverteilungsübersicht ist erkennbar übersichtlicher als die zuvor dargestellte von Anfang und Herbst 1933. Dies liegt weniger an der von zehn auf fünf halbierten Zahl der Dezernenten als an der deutlich geringeren Anzahl der von den Dezernenten insgesamt zu betreuenden Zuständigkeiten beziehungsweise Ämter infolge der Zusammenfassung diverser Zuständigkeiten zu einem Amt. Dies läßt sich gut veranschaulichen an zwei zentralen Ämtern der Verwaltung, dem Hauptamt und dem Personalamt. Das Hauptamt bündelte folgende einzelne Zuständigkeiten: Organisation der Verwaltung, Aufsicht über den Geschäftsgang und die Geschäftsführung bei den städtischen Ämtern, Dienstaufsicht über Rathaus und die Verwaltungsstellen Krefeld-Bockum, Krefeld-Oppum, Krefeld-Linn, Krefeld-Fischeln, Krefeld-Traar; Rathauskanzlei und Drucksachenverwaltung. Der Aufgabenbereich des Personalamts umfaßte: Beamten- und Angestelltenangelegenheiten (G/K), Beamtendarlehenskasse, Beamtenausbildung und -prüfung, Arbeitertarifsachen (G/K), Fürsorge für die städtischen Arbeiter (G/K).
Organisatorisch bedeutsam ist die numerische Kennzeichnung der Ämter durch arabische Zahlen. Diese wurde in den Großstädten erkennbar zu unterschiedlichen Zeitpunkten umgesetzt, nach vorliegenden Informationen aus einigen Städten erfolgte diese zum Teil zwischen Ende der 1920er und Mitte der 1930er Jahre, in Köln ab Januar 1928 (mit einer Modifikation Anfang 1933), in Recklinghausen ab 10.12.1929, Gladbach-Rheydt (heute Mönchengladbach) ab etwa 1931, Düsseldorf ab 12.7.1933, in Krefeld dann zum 1.4.1935, für Neuss hingegen konnte kein Datum ermittelt werden. Insofern ist die in Düsseldorf aufgestellte Behauptung, die organisatorische „Umarbeitung“ sei eine Auswirkung der „Übernahme der leitenden städtischen Stellen durch bewährte Nationalsozialisten“ natürlich recht kühn, die dort weiter gegebene sachliche Begründung für die Neuorganisation ist aber (abgesehen von einigem NS-Jargon) zutreffend und trifft auch für die Krefelder Verhältnisse zu: Ziel der „Umarbeitung“ war, dem „Gesamtaufbau der Stadtverwaltung […] eine klare, übersichtliche Einteilung zu geben. Der Verwaltungsapparat der Systemzeit war unorganisch, unsachlich zusammengesetzt und daher vollkommen unübersichtlich. Die Verwaltung war in ihrem Aufbau der Entwicklung der Stadt […] nicht gefolgt. Ohne inneren Zusammenhang waren neu entstandene Ämter und Dienststellen einfach anderen angehängt oder aufgepfropft worden, so daß sich selbst die Beamten nicht zurechtfinden konnten.“
Die Ämter wurden im Verlaufe des Jahres 1934 noch weiter umstrukturiert und systematisiert, so dass zum 1.4.1935 eine Neuorganisation der Ämter und deren mumerische Kennzeichnung in Kraft gesetzt werden konnte. Diese vorläufige Regelung wurde jedoch noch einmal überarbeitet und fand dann folgende Fassung ab 1.10.1935, die mit marginalen Modifizierungen zum 1.7.1939 (vor allem die Nummern einiger Ämter betreffend) im Grundsatz das Grundmuster der Organisation der Stadtverwaltung bis zum 1.1.1965 geblieben ist.
Oberbürgermeister
(Oberbürgermeister Dr. Alois Heuyng)
Vertreter des Oberbürgermeisters:
a) in Sachen der Gesamtstadt (I. Beigeordneter der Gesamtstadt und Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen): Friedrich Aldehoff (bis 30.4.1938), Dr. Emil Hürter (ab 1.5.1938)
b) in Sachen des Stadtteils Krefeld (I. Beigeordneter des Stadtteils Krefeld mit der Amtsbezeichnung Bürgermeister): Dr. Robert Helm
01 – Rechnungsprüfungsamt
Dezernat 1 – Dezernat der Allgemeinen Verwaltung
(Oberbürgermeister Dr. Alois Heuyng; Hilfsdezernent: Verwaltungsdirektor Hermann Meyer ab 1.1.1937)
10 – Hauptamt
11 – Personalamt (G/K)
12 – Standesämter
13 – Statistisches Amt (Februar 1937 Statistisches und Wahlamt) (G)
14 – Verwaltungsstellen der Vororte
15 – Stadtverwaltungsgericht (G)
Dezernat 2 – Finanzdezernat
(Stadtkämmerer Bürgermeister Dr. Robert Helm)
20 – Stadtkämmerei (G/K)
21 – Liegenschaftsamt
22 – Stadtsteueramt (G/K)
23 – Stadthauptkasse
24 – Städt. Sparkasse
25 – Leihanstalt
Dezernat 3 – Dezernat der Polizeiverwaltung und der Rechtsverwaltung
(Stadtrat Dr. Emil Hürter)
30 – Polizeiverwaltung (G/K)
31 – Feuerlöschpolizei (ab 1.11.1936 G)
32 – Chemisches Untersuchungsamt
33 – Rechtsamt
34 – Versicherungsamt (G)
Dezernat 4 – Dezernat für Bildung und Kunst
(Stadtrat Dr. Emil Hürter)
40 – Schulamt
41 – Theater- und Orchesterverwaltung
42 – Museen
43 – Stadtbibliothek
44 – Kulturamt
Dezernat 5/6 – Dezernat für Bauwesen
(Stadtrat Dr. Josef Hollatz)
50 – Allgemeine Bauverwaltung und Planungsamt
51 – Hochbauamt
52 – Baupolizeiamt und Wohnungsaufsicht
53 – Maschinenamt
54 – Tiefbauamt (1.4.1937: Straßenbauamt)
55 – Kanalamt
56 – Vermessungsamt
57 – Gartenamt
58 – Friedhofamt
59 – Stadtplanungsamt
60 – Reinigungs- und Schirramt
61 – Brückenbauamt
Dezernat 7 – Dezernat für Wirtschaft und Verkehr
(Stadtrat Dr. Karl Schacht)
70 – GWE.-Werke (G)
71 – Hafenamt (G)
72 – Stadthallenverwaltung
73 – Schlachthof
74 – Stadtbäder
75 – Presseamt
76 – Verkehrsamt
78 – Amt für landwirtschaftliche Angelegenheiten (780, 781, s. Dez. 8)
Dezernat 8 – Wohlfahrtsdezernat
(Stadtassessor, 1.7.1936 Stadtrat Dr. Otto Erdtmann)
77 – Amt für Luftverkehr (ab September 1936: Städt. Flughafenverwaltung)
780 – Großmarkthalle
781 ¬– Markthalle
80 – Wohlfahrtsamt
81 – Krankenanstalten
82 – Gesundheitsamt (G)
83 – Stadtamt für Leibesübungen
7. Nationalsozialistische Personalpolitik bei den städtischen Ämtern
Die Mehrzahl der Beamten, die den städtischen Ämtern und Dienststellen vorstanden (mit Ausnahme der eine akademische Ausbildung voraussetzenden Leiter der Dienststellen namentlich der Bau- und technischen Dezernate sowie im Kulturbereich), waren aus dem mittleren Dienst aufgestiegen (häufig nach langjährigem Militärdienst als Versorgungsanwärter eingetreten) und bekleideten Stellungen als Inspektoren oder Oberinspektoren. Exponierte Beamte stiegen bis zum Amtmann oder sogar Oberamtmann auf, letztere oft mit der Funktionsbezeichnung Direktor (etwa des Wohlfahrtsamtes) ausgestattet. Hierbei handelte es sich um eine durch seine verwaltungsinterne Ausbildung sehr homogene Gruppe, die innerhalb der meisten Zweige der Verwaltung flexibel verwendet werden konnte und wurde. Primus inter pares war der Bürodirektor (ab 1920 Verwaltungsdirektor), dem der der gesamte innere Dienstbetrieb der Stadtverwaltung unterstand. Quereinsteiger waren äußert selten, etwa wurden vor dem ersten Weltkrieg pensionierte Offiziere als Standesbeamte eingestellt. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges wurde das Prinzip der Rekrutierung der Dienststellenleiter erstmals unterbrochen, als aus politischen Erwägungen Außenstehende zu bestimmten Stellungen berufen wurden, wie der Zentrums-Stadtverordnete Cornelius Ulsamer als Leiter des Arbeitsamtes oder der SPD-Stadtverordnete und Genossenschaftler Artur Mebus zum Leiter des Wucheramtes. Beide verblieben bei der Stadt, Ulsamer wurde später Leiter des Wohlfahrtsamtes und Mebus Beigeordneter.
Mit diesem durchaus bewährten Prinzip brachen die nationalsozialistischen Machthaber in Krefeld zwar nicht grundsätzlich, aber doch in markanten Einzelfällen. Die schon erwähnte Bestellung des Stadtbaddirektors Emil Funnemann zum kommissarischen Verwaltungsdirektor am 22. März und zum Leiter des Personalamts am 30. März und bewegte sich formal noch im Rahmen des Herkömmlichen. Funnemann war zwar noch kein NSDAP-Mitglied, er trat erst am 1.5.1933 der Partei bei, galt aber offenbar als politisch zuverlässig und war durch sein Verhalten während der Separatistenzeit als vaterländisch gesinnt bekannt; außerdem war er in einer Dienststellung, die die Übertragung der Geschäfte des Verwaltungsdirektors ohne weiteres ermöglichte. Er trat an die Stelle des seit 1924 amtierenden Verwaltungsdirektors Hans Kesting, der als Zentrumsmann galt und später beim Rechnungsamt, dann beim Versicherungsamt verwendet wurde.
Allerdings war Funnemann offenbar eine etwas schillernde Persönlichkeit, so dass er im März 1935 sowohl als Personalamtsleiter als auch als Verwaltungsdirektor durch Hermann Meyer ersetzt werden musste. Meyer war Parteimitglied seit 1932, galt also als „Alter Kämpfer“, war Inspektor beim Finanzamt Krefeld und, für seinen Wirkungskreis bei der Stadt nicht unwesentlich, seit 1934 auch Kreispersonalamtsleiter der NSDAP-Kreisleitung; Meyer blieb Verwaltungsdirektor bis 1945. Während seines Kriegsdienstes (1939-1944) wurde Meyer von Alfons Rademaker vertreten, vermutlich auch NSDSAP-Mitglied, seit 1935 Leiter (Direktor) des Statistischen Amts beziehungsweise Statistischen und Wahlamts, 1942 zugleich Leiter des Kriegseinsatz- und Quartieramts, 1944 auch noch Persönlicher Referent des Oberbürgermeisters und ständiger Stellvertreter des Verwaltungsdirektors. Rademaker kam bei Kriegsausbruch eine Schlüsselstellung zu wegen der dem Statistischen Amt angegliederten Mobilmachungsstelle – bei Kriegsende spielte er noch in eine Rolle bei der Flucht der Stadtspitze vor den anrückenden Amerikanern. Die Leitung des Personalamts gab Meyer am 5.10.1937 an Herbert Vogel ab, ebenfalls „Alter Kämpfer“ (Parteigenosse seit 1931), der Anfang 1933 als technischer Hilfsarbeiter bei den GWE-Werken eingetreten war. Nachdem Vogel im Oktober 1939 zum Kriegsdienst eingezogen war (er fiel am 7.8.1942 in Russland) wurde das Personalamt bis 1945 vertretungsweise von Stadtamtmann Heinrich Eschstruth geleitet, seit 1.5.1937 Parteimitglied.
Mindestens zwei prominente Krefelder Nationalsozialisten, die als Quereinsteiger mit der Leitung städtischer Dienststellen versorgt werden sollten, mussten ihre Tätigkeit bei der Stadt unter unrühmlichen, für den Nationalsozialismus gar nicht so untypischen Umständen (sexuelle Verfehlungen, Korruption) beenden. Der Bürovorsteher Heinz Krappen, Stadt- und Bezirksverordneter, wurde am 15.10.1933 zum Direktor (Verwaltungsleiter) der Krankenanstalten ernannt. Vermutlich im Winter 1934/1935 schied er aus diesem Amt aus und verschwand in der Versenkung, nachdem Gerüchte über homosexuelle Aktivitäten Krappens die Runde machten. Der Ingenieur Johannes Coenders, seit 1932 NSDAP-Ortsgruppenleiter, trat am 21. November als Oberingenieur an die Spitze des Maschinenamtes und ersetzte den langjährigen Leiter Josef Ruh, der an die zweite Stelle im Amt rückte. Coenders wurde am 19.10.1939 im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Sabotage und Korruptionsverdacht beurlaubt. Die Beurlaubung wurde zwar am 25.7.1940 aufgehoben, Coenders aber von der Leitung des Maschinenamtes enthoben und mit der Leitung des Werkluftschutzes der Stadtwerke beauftragt, eine Stelle, die er offenbar erst verspätet antrat und kaum ausübte. „Zur Durchführung eines besonderen Einsatzes“ wurde er 1941 für einige Monate von der Reichsleitung der NSDAP nach Luxemburg kommandiert. Am 1.4.1942 schied er definitiv aus dem Dienst der Stadt Krefeld aus.
Von den rund 540 Beamten die seit etwa 1.900 leitende Funktionen in der Stadt Krefeld innehatten, waren etwa 90 Mitglieder der NSDAP, darunter vereinzelte „Alte Kämpfer“ mit einem Eintrittsdatum vor dem 30.1.1933, mehrere „Märzgefallene“ mit dem Eintrittsdatum 1.5.1933, die meisten aber traten der Partei erst nach Aufhebung der Beitrittssperre am 1.5.1937 oder später ein.
Auf der anderen Seite wurden langgediente Beamte, die den neuen Machthabern missfällig waren, für deren Entlassung aber offenbar keine Handhabe bestand, auf weniger wichtigen Stellen weiter verwendet. Die Verwendung des Leiters des Wohlfahrtsamtes, Cornelius Ulsamer, ab April 1933 als Leiter des Friedhofamtes wurde bereits erwähnt. Kaum anders erging es seinem Nachfolger Direktor Richard Lorentzen, der im August 1934 offiziell aus Gesundheitsgründen beurlaubt wurde, dann auf verschiedenen Stellen innerhalb der Kämmerei, des Steueramts und der Steuerkasse verwendet wurde, bis ihm am 1.1.1939 die Leitung der Vorortverwaltungsstelle und die Funktion des Standesbeamten in Krefeld-Linn übertragen wurde. Bei Kriegsende spielte Lorentzen dann noch eine, wie zu zeigen sein wird, nicht unwichtige Rolle als beauftragter Leiter der Restbehörde der Stadtverwaltung. Nicht anders erging es dem Finanzdirektor Karl Hechler, dem bis 1933 unterhalb des Dezernenten die Leitung des gesamten Finanz-, des allgemeine Kassen- und Rechnungswesens sowie der Vermögens- und Stiftungsverwaltung unterstand. Hechler wurde am 7.8.1933 die Leitung der Stadthauptkasse übertragen, die er bis zu seiner Pensionierung Anfang 1940 behielt.
8. Die Entwicklung der Verwaltungsspitze zwischen 1935 und 1945
Die Zusammensetzung der Verwaltungsspitze in Krefeld zwischen Ende 1933 und Frühjahr 1945 war erstaunlich konstant. Veränderungen gab es kaum, und diese waren auch eher organisatorischer Art. Am 1.7.1936 wurde Stadtassessor Dr. Erdtmann zum Stadtrat (Beigeordneten) der Stadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. und des Stadtteils Krefeld ernannt und war nunmehr auch formal ein vollwertiger Dezernent. Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Bürgermeisters des Stadtteils Uerdingen und I. Beigeordneten der Gesamtstadt, Friedrich Aldehoff, der sich erst nach massiver Einflussnahme staatlicher und politischer Stellen dazu entschloss, zum 1.5.1938 zurückzutreten, musste die Verwaltungsspitze partiell neu geordnet werden. Nachfolger Aldehoffs, sowohl in Uerdingen als auch als I. Beigeordneter der Gesamtstadt, wurde Stadtrat Dr. Emil Hürter. Da Dr. Hürter somit aus der Beigeordnetenstelle des Stadtteils Krefeld ausschied, musste für das von ihm innegehabte Rechts- und Kulturdezernat des Stadtteils Krefeld eine Regelung gefunden werden. Diese bestand darin, dass ihm das Polizeidezernat als Aufgabe der Gesamtstadt, direkt unterstellt blieb. Das Rechts- und Kulturdezernat hingegen wurde dem bisherigen Leiter des Rechtsamts, städt. Rechtsrat Günter Sprenkmann, als Hilfsdezernenten übertragen, der zeitgleich zum Oberverwaltungsrat ernannt wurde. Sprenkmann wurde zum 1.7.1939 zum Stadtrat (Beigeordneten) bestellt und ab diesem Zeitpunkt auch Rechts- und Kulturdezernent. Nach der Einberufung Sprenkmanns zum Kriegsdienst im Oktober 1939 wurde er im Rechtsdezernat durch Bürgermeister Dr. Helm, im Kulturdezernat durch Bürgermeister Dr. Hürter (zunächst als Hilfsdezernent des Stadtteils Krefeld) vertreten.
Mit der vorzeitigen Beendigung der Übergangszeit am 1.4.1940 endete auch die Konstruktion der Gesamtstadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. und der beiden Stadtteile Krefeld und Uerdingen. Fortan gab es nur noch die Stadt Krefeld mit einer wieder einheitlichen Verwaltung, entsprechend wurden auch die Stadträte (Beigeordneten) wieder zu Funktionsträgern der Stadt Krefeld. Erster Beigeordneter der Stadt Krefeld wurde Dr. Emil Hürter. Der bisherige Erste Beigeordnete des Stadtteils Krefeld mit der Amtsbezeichnung (2.) Bürgermeister Dr. Robert Helm war fortan Stadtkämmerer der Stadt Krefeld unter Beibehaltung der Bezeichnung „Bürgermeister (z.D.)“. Wegen des Kriegsdienstes der Beigeordneten Sprenkmann und Dr. Erdtmann mussten die laufenden Geschäfte der Verwaltungsspitze unter die verbliebenen Dezernenten (OB Dr. Heuyng, Bürgermeister Dr. Hürter, Stadtkämmerer Dr. Helm, Stadträte Dr. Hollatz und Dr. Schacht) mit zum Teil komplizierten Vertretungsregelungen bewältigt werden. Die letzte Veränderung erfolgte im Mai 1943, als Baudezernent Dr. Hollatz durch den Regierungspräsidenten zur Übernahme des Baudezernats an die Stadtverwaltung Düsseldorf versetzt wurde; an seine Stelle trat der von Minden nach Krefeld abgeordnete Theodor Hennemann.
9. Nachspiel: „Restbehörde“ in Krefeld und „Götterdämmerung“ in Wuppertal
Im November 1944 erörterten in Krefeld Oberbürgermeister und Stadträte (Beigeordnete) die Bildung einer „Restbehörde“ für die Stadtverwaltung Krefeld, die – entsprechend einer Weisung des Reichsministers des Innern – für den Fall der Besetzung Krefelds durch alliierte Truppen in Tätigkeit treten sollte. Als Leiter dieser Restbehörde war (als politisch nicht belasteter Beamter) Stadtamtmann Richard Lorentzen vorgesehen, vormaliger Direktor des Wohlfahrtsamts, seit 1939 Leiter der Verwaltungsstelle und Standesbeamter in Krefeld-Linn. Aufgabe dieser Restbehörde sollte sein, „im Falle einer Feindbesetzung notdürftig die Aufgaben der Verwaltung zur Betreuung der zurückgebliebenen Bevölkerung durchzuführen“. Die übrigen Verwaltungsangehörigen, insbesondere die Spitzen der Verwaltung, sollten sich im Ernstfall rechtzeitig „nach Rechtsrheinisch“ begeben. Lorentzen, der von diesen Plänen inoffiziell informiert war, will nach eigenem Bekunden schon im November 1944 versucht haben für den Eventualfall „vorzuarbeiten“ und „meinen ehemaligen Wohlfahrtsdezernenten [...] Dr. Stepkes gebeten [haben], gegebenenfalls an meiner Stelle die Leitung der Stadtverwaltung zu übernehmen, für welchen Fall ich mich bereit erklärte, als vorläufiger Verwaltungsdirektor usw. den Aufbau der neuen Stadtverwaltung zu veranlassen“. Ähnliche „Vereinbarungen“ will Lorentzen auch mit anderen Beamten getroffen haben, um „im gegebenen Augenblick nicht überrascht zu werden“.
Der „gegebene Augenblick“ kam im Chaos der letzten Kriegstage in Krefeld, als „Ende Februar 1945 das Ende unaufhaltsam näher kam und die allgemeine Erregung aufs Höchste stieg“. Beamte, Parteifunktionäre, Krefelder Bürger, Fremdarbeiter verließen Krefeld in „endlosen Kolonnen in Richtung Rheinbrücke“. Inmitten dieser „in vollem Gange befindlichen Auflösung“ wurde Lorentzen am 1. März „durch ein Auto der Stadtverwaltung ins Rathaus (Volksschule Mariannenstraße) geholt. Verwaltungsdirektor [Alfons] Rademaker erwartete mich und übergab mir [... ein] Schreiben mit dem Bemerken, Oberbürgermeister Dr. Heuyng sei dienstlich verhindert und er [Rademaker] beauftragt, mir mitzuteilen, daß ich mit sofortiger Wirkung die Leitung der in Krefeld verbleibenden Restverwaltung übernehmen müsse. Weitere Erörterungen und die Beantwortung sämtlicher Fragen lehnte er ab mit den Worten: ‚Sie müssen mich jetzt entschuldigen. Ich werde dringend bei der Kreisleitung erwartet. Betrachten Sie sich von diesem Augenblick an als Oberbürgermeister Krefeld’s [sic!] und handeln Sie nach eigenem Ermessen.’“ In dem angesprochenen Schreiben bestellte Oberbürgermeister Dr. Alois Heuyng Lorentzen „im Einvernehmen mit dem Reichsverteidigungskommissar und dem Regierungspräsidenten als Leiter der Restbehörde“. Entsprechend einer Anordnung des Reichsinnenministers seien für „den zurückbleibenden Arbeitsstab Restbehörde alte erfahrene Beamte zu ernennen [...], die nicht wehr- und volkssturmpflichtig sind und in der zurückbleibenden Bevölkerung das zu ihrer Amtsführung erforderliche Vertrauen genießen“. Die Restbehörde setzte sich aus vom Oberbürgermeister in einer gesonderten Liste aufgeführten Beamten zusammen und sollte am folgenden Tage um neun Uhr „im Amtszimmer des Oberbürgermeisters Schule Mariannenstraße“ ihre Arbeit aufnehmen. Die angeordnete Zusammenkunft der Restbehörde fand zwar am 2. März noch statt, zu einer nennenswerten Tätigkeit ist es aber nicht mehr gekommen, denn Krefeld wurde im Laufe des Tages von amerikanischen Truppen besetzt. Am 4. März wurde Lorentzen als Leiter der Restverwaltung noch von den Amerikanern einbestellt und vernommen, sehr unwahrscheinlich ist allerdings, dass er Dr. Stepkes und andere für leitende Verwaltungsposten vorgeschlagen haben soll.
Die Spitzen von Partei und Stadtverwaltung waren im Laufe des 1. März beziehungsweise in der Nacht auf den 2. März und noch an diesem Tage selbst „unter Mitnahme der wichtigsten Akten und Unterlagen auf die rechte Rheinseite ausgerückt“ und hatten in Wuppertal Unterkunft gefunden. Dort – in Barmen, Steinweg 20, IV. Obergeschoß – wurde „die Dienststelle der nach Wuppertal verlagerten Stadtverwaltung Krefeld“ als „Notverwaltung“ gebildet. Bis zum 15. März hatten sich dieser Dienststelle insgesamt 66 „Gefolgschaftsmitglieder“ zur Dienstleistung gemeldet: 27 Beamte, 16 männliche Angestellte, neun Hilfsangestellte, vier weibliche Angestellte, eine Hilfsangestellte und neun Arbeiter. Zudem sollen sich auch zahlreiche Polizeibeamte mit nach Wuppertal begeben haben, über die aber näheres nichts bekannt ist. Von den leitenden Beamten der Stadtverwaltung befanden sich nachweislich in Wuppertal: Oberbürgermeister Dr. Alois Heuyng, Bürgermeister Dr. Emil Hürter, die Stadträte Theodor Hennemann und Dr. Karl Schacht sowie Direktor Alfons Rademaker. Von diesen kehrte Stadtrat Dr. Schacht „noch in der Nacht“ nach Krefeld zurück wegen der „unerfreulichen Wahrnehmungen, die ich bei der Dienststelle in Wuppertal machte“ und weil er der Meinung war, „in Krefeld besser am Platz“ zu sein. Stadtrat Hennemann ließ sich ab 19. März aus familiären Gründen vom Dienst befreien und entschwand Richtung Weserbergland. Auf dieser personellen Grundlage erließ Oberbürgermeister Dr. Heuyng am 17. März noch eine Dezernatsverteilung mit drei Dezernaten, die ihm, Bürgermeister Dr. Hürter und Direktor Rademaker unterstellt waren. An „Krefelder Dienststellen“ wurden errichtet: Verwaltungsdirektor und Geschäftsführung; Hauptamt und Beschaffungsstelle; Personalamt; standesamtliche Angelegenheiten und Krefelder Heimatdienst“; Finanzwesen, Stadtkämmerei, Steuerwesen; Sparkasse; Versicherungswesen; Kriegsschäden und Flüchtlingsfürsorge; Wirtschaft und Ernährung, Wohlfahrtswesen, Kriegsopferfürsorge, Familienunterhalt. Das für die Verwaltung der Notverwaltung nicht benötigte Personal wurde noch zur Wehrmacht oder zu anderweitigem Arbeitseinsatz freigegeben. Nachdem Oberbürgermeister Dr. Heuyng sich an nicht bekanntem Datum, allerdings unter Hinterlassung seiner neuen Adresse, nach Holstein abgesetzt hatte, lag die Leitung der Krefelder Notverwaltung in den Händen von Bürgermeister Dr. Hürter, der offenbar bis zum Einmarsch der Amerikaner seinen Amtspflichten nachkam, die wohl im wesentlichen darin bestanden, die finanzielle Versorgung der Bediensteten zu gewährleisten. Seine letzte überlieferte Amtshandlung datiert vom 11.4.1945; hierbei ging es um die Auszahlung der Gehälter und Löhne. Dr. Hürter (der noch bis Anfang Mai in Wuppertal tätig gewesen sein soll), kehrte dann nach Krefeld zurück und „stellt[e] sich den Alliierten Behörden zur Verfügung“. Die kampflose Übergabe Wuppertals am 16. April beendete diese skurril anmutende Nachgeburt der nationalsozialistischen Krefelder Stadtverwaltung, die allerdings nicht ohne finanzielle Folgen für die Stadt Krefeld blieb: Da man beim fluchtartigen Aufbruch in Krefeld 20 Barschecks der Stadtsparkasse Krefeld über je 500.000 RM vergessen hatten, mussten die Stadtverwaltung in Wuppertal, das dortige Amtsgericht und einige Geldinstitute in finanzielle Vorlage von insgesamt 76.566,44 RM treten. Dieser Betrag wurde der Stadt Krefeld im September 1945 in Rechnung gestellt und anstandslos beglichen.
Quellen
Houben, Heribert (Bearb.), Quellen zur Geschichte Krefelds in der Zeit der Weimarer Republik (Krefelder Archiv NF 7), Krefeld 2012.
Lilla, Joachim (Bearb.), Quellen zu den Krefelder Eingemeindungen unter besonderer Berücksichtigung der kommunalen Neugliederung 1929, Krefeld 1999.
Rheinischer Städteatlas, Lieferung XV, Nr. 81: Krefeld, bearb. von Guido Rotthoff, Köln/ Weimar/ Wien 2003.
Rheinischer Städteatlas, Lieferung IV, Nr. 23: Linn, bearb. von Guido Rotthoff, Köln 1978.
Rheinischer Städteatlas, Lieferung III, Nr. 19: Uerdingen, bearb. von Guido Rotthoff, Köln 1986.
Online
Stadtarchiv Krefeld [Online]
Literatur
Feinendegen, Reinhard/ Vogt, Hans (Hg.), Krefeld - die Geschichte der Stadt 5, Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Gegenwart (1918-2004), Krefeld 2010.
Lilla, Joachim, Wilhelm Warsch (1895–1969). Kommunalbeamter – Parteigründer – Regierungspräsident, in: Geschichte im Westen 25 (2010), S. 105–132.
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Lilla, Joachim, Die Stadtverwaltung Krefeld in der NS-Zeit, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-stadtverwaltung-krefeld-in-der-ns-zeit-/DE-2086/lido/6125e3207b5b72.11886388 (abgerufen am 05.12.2024)