Mannesmann – weit mehr als ein Kapitel rheinischer Geschichte
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1. Weit mehr als ein Kapitel rheinischer Geschichte
Die Mannesmann-Unternehmen und die Generationen von Menschen, die in und für diese Unternehmen arbeiteten und heute immer noch arbeiten, haben die Geschichte des Rheinlands in vielfältiger Weise geprägt. Aber nicht nur die Geschichte des Rheinlands. Seit weit mehr als 100 Jahren ist der Name Mannesmann national und international ein Inbegriff für leistungsfähige deutsche Industrie und Technik. Mannesmann-Erzeugnisse sind auf allen Kontinenten zu finden und die Marke Mannesmann gehört weltweit zu den bekanntesten Industriegütermarken überhaupt. Aus einer revolutionären Erfindung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem Remscheider Familienunternehmen gemacht wurde – dem nahtlos gewalzten Stahlrohr, entwickelte sich ein in Düsseldorf ansässiger Technologiekonzern, der Ende des 20. Jahrhunderts weltweit rund 130.000 Mitarbeiter beschäftigte und rund 24 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete. Dieser Konzern existiert heute nicht mehr. Nach der spektakulären Übernahme durch einen britischen Wettbewerber im Jahr 2000, die bis heute als teuerste Unternehmensübernahme der Welt gilt, wurde er aufgelöst. Aber noch heute produzieren Mannesmann-Unternehmen das Traditionsprodukt, das den Namen Mannesmann einst berühmt machte: das Stahlrohr. Und auch heute noch sind Nachfahren der Familie Mannesmann, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts aus den von ihr gegründeten Mannesmannröhren-Werken ausschied, als Unternehmer aktiv.
2. Die unternehmerischen Aktivitäten der Familie Mannesmann
2.1 Die Remscheider Anfänge
Die Familie Mannesmann stammte ursprünglich nicht aus dem Bergischen Land. Das erste in Remscheid lebende Familienmitglied, Johann Henrich Mannesmann (1750-1815), war 1772 aus Sulenbecke bei Meinerzhagen in der preußischen Grafschaft Mark nach Remscheid gezogen, weil er in der Heimat als nachgeborener Sohn keine Aussicht auf das Erbe des väterlichen Hofs hatte. Als gelernter Schmied fand er Arbeit in dem mit Wasserkraft betriebenen Hammer von Johann Böker im Lobachtal. Bökers Frau war eine geborene Hasenclever, stammte also aus einer Familie, die durch Überseehandel zu Wohlstand gelangt war und in der Region sowie auch weit darüber hinaus großen wirtschaftlichen und politischen Einfluss besaß.
Der tüchtige Fremde, der – wie damals üblich – als lediger Unternehmensangehöriger im Hause seines Brotherrn lebte, sicherte sich durch das Arbeitsverhältnis nicht nur seine Existenz. Er fand in der Unternehmertochter Maria Magdalena (1736-1814) auch die Frau fürs Leben. Bereits ein Jahr nach seiner Ankunft in Remscheid wurde Johann Henrich Mannesmann Vater eines Sohnes, den er auf den Namen Johann Arnold (1773-1827) taufen ließ. Im Kirchenbuch ist als Berufsbezeichnung der Eltern „Kaufleute“ vermerkt. Vermutlich handelte Johann Henrich Mannesmann bereits zu diesem Zeitpunkt im eigenen beziehungsweise im Namen seiner Frau, die das Bürgerrecht besaß, mit Werkzeugen und andere Waren, sogar Textilien. 1779 erwarb Johann Henrich Mannesmann im Namen seiner Söhne Grundbesitz in der Gemarkung Bliedinghausen. Dort errichtete und betrieb er gemeinsam mit seinem Schwager Müller unter dessen Namen eine kleine Feilenschmiede. Das Kapital für den Erwerb der Immobilien und die Beteiligung an der Schmiede hatte er vor allem durch eine Erbschaft erhalten.
2.2 Das Unternehmen A. (& P.) Mannesmann
2.2.1 Gründung als Verlagshandel
Spätestens 1796 machte sich Johann Henrich Mannesmann unter der Firma A. & P. Mannesmann selbständig. Die nach dem Tod seines Schwagers 1785 zunächst unter dem Namen Müller weiter betriebene Feilenschmiede gehörte ihm inzwischen ganz und wurde vermutlich in das neue Unternehmen mit einbezogen. An seiner im Verlagssystem organisierten Tätigkeit änderte sich, wenn man von der hinzugekommenen eigenen Produzententätigkeit absieht, zunächst wenig: Johann Henrich Mannesmann lieferte die geschmiedeten und gehärteten Rohlinge für das damals unverzichtbare Handwerkszeug an die Ausglüher, Schleifer und Hauer, versah sie anschließend mit Griffen, verpackte und verkaufte sie. Er gehörte zwar nicht zu den Überseekaufleuten, die eigene Seeschiffe besaßen, aber auch er und sein Sohn Johann Arnold, der 1796 in das Unternehmen eingetreten war, nahmen bereits in den Jahrzehnten vor Einführung von Dampfeisenbahnen und Dampfschiffen lange, beschwerliche und mitunter gefährliche Reisen zu den Abnehmern auf sich. Das älteste erhaltene Geschäftsbuch belegt ausgeführte Lieferungen seit dem Jahr 1800. Die Mehrzahl der Abnehmer wohnte rechts des Rheins, vor allem im westlichen Europa mit Schwerpunkt Frankreich. Verkauft wurden die Waren unter dem Zeichen der Windmühle, der geschützten Fabrikmarke von A. & P. Mannesmann.
Die Expansion Frankreichs nach Osten und die dadurch verursachte politische und zollrechtliche Grenze am Rhein brachte dem Unternehmen schwierige Zeiten. Zeitweise dachte die Familie sogar an eine Verlagerung des Unternehmens nach Straßburg.
In den Freiheitskriegen kämpfte Johann Arnold Mannesmann mit einer selbst geschmiedeten Waffe gegen die Franzosen und er soll für seine Tapferkeit von Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1815) persönlich zum Offizier ernannt worden sein.
Als Johann Arnold 1827 unerwartet an einem Herzschlag starb, war der älteste Sohn erst 13 Jahre alt. Seine Frau Dorothea, geborene Blechen (1786-1868), führte das Unternehmen daher zunächst sechs Jahre lang allein weiter. Parallel sorgte sie dafür, dass ihre vier Söhne gründlich auf die Unternehmensübernahme und -weiterführung vorbereitet wurden. Sie machten kaufmännische Ausbildungen in befreundeten Handelshäusern in Luxemburg und absolvierten dort in der damaligen Reichsfestung auch ihre Wehrpflicht.
2.2.2 Die Produktion überflügelt das stark expandierende Handelsgeschäft
1833 übernahm der Sohn Arnold (1812-1881) die Leitung des Unternehmens; drei Jahre später änderte er die Firmierung und die Fabrikmarke in A. Mannesmann. Arnold sah sich als Kaufmann; Absatz sowie die Gewinnung neuer Kunden lagen ihm besonders am Herzen. Innerhalb Europas setzte er seine Waren ohne Zwischenhandel ausschließlich im Direktvertrieb ab. Arnold besaß ausgezeichnete Warenkenntnisse, beherrschte die jeweiligen Landessprachen, verfügte über geografisches Wissen, kannte die zoll- und handelsrechtlichen Bestimmungen sowie die trotz der napoleonischen Vereinheitlichung immer noch verschiedenen Münzsorten, Maße und Gewichte und er war gewandt im Umgang mit Menschen. Er verstärkte das Geschäft in Luxemburg und vor allem in Belgien, das sich damals stark industriell wandelte, konnte die französischen Abnehmer zurückgewinnen und Spanien sowie Portugal als neue Märkte erschließen. Darüber hinaus verkaufte Arnold Mannesmann Werkzeuge, Baumaterialien, Küchengeräte und sogar in Köln gemalte Heiligenbilder in Länder Mittel-, Süd- und Osteuropas, in die Niederlande, nach Großbritannien und nach Südamerika.
Ab 1835 wurde Arnold Mannesmann von seinem als gleichberechtigter Partner in das Unternehmen eingetretenen jüngeren Bruder Reinhard (1814-1894) unterstützt. Dieser übernahm die Verantwortung für die Produktion und richtete sie völlig neu aus. Sie gewann innerhalb des Unternehmens zunehmend an Bedeutung und trat bald gleichberechtigt neben den Handel. Der Eintritt der beiden jüngsten Brüder, Robert (1818-1875) und Richard (1820-1898), wirkte sich dagegen im Wesentlichen nur auf die Absatztätigkeit des Unternehmens aus.
Nachdem Reinhard Mannesmann mit erst 26 Jahren die Leitung der Produktion übernommen hatte, wuchsen die erzielten Reingewinne von A. Mannesmann in Folge der von ihm beschrittenen neuen Wege außergewöhnlich: Alle mit der Feilenherstellung zusammenhängenden und zuvor dezentral organisierten Tätigkeiten vereinigte Reinhard Mannesmann nach und nach unter seiner Aufsicht. Dadurch konnte er nicht nur die Qualität der Fabrikate sichern und sogar steigern, sondern auch die Lieferzeiten verkürzen und eine bis dahin nicht gewohnte Termintreue erreichen. Seitdem sind mit dem Namen Mannesmann herausragende Qualität und prompte Lieferung untrennbar verbunden. Wesentliche Voraussetzungen dafür waren zum einen Mitarbeiter, die Herausragendes leisteten, dafür auch eine bessere Entlohnung erhielten und sich einer fortschrittlichen betrieblichen Sozialpolitik sicher sein durften, zum anderen bestes Vormaterial. Auf der ersten Weltausstellung 1851 in London wurden die Feilen von A. Mannesmann als einzige aus dem Deutschen Zollverein ausgezeichnet.
Durch die Einführung des Dampfmaschinenantriebs und englischer Feilenhaumaschinen sicherte Reinhard Mannesmann dem Unternehmen A. Mannesmann auch den technischen Vorsprung. Während er auf diesem Gebiet Pionier in Deutschland war, gelang ihm zudem als erst drittem Unternehmer in Deutschland die Herstellung von Tiegelstahl, einem damals neuartigen und besonders hochwertigen Stahl. Die Feilen von Mannesmann erhielten auf allen Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts die höchsten Auszeichnungen. Die Jury der Ausstellung von 1867 in Paris schlug darüber hinaus vor, Reinhard Mannesmann das Kreuz der Ehrenlegion zu verleihen. Als Kaiser Napoleon III. (1808-1873, Kaiser 1852-1870) dies mit Hinweis auf dessen preußische Staatsangehörigkeit ablehnte, verlieh ihm der preußische König einen hohen Orden und gab die Anweisung, die Marine-Arsenale vorrangig mit Mannesmann-Erzeugnissen auszustatten. 1878 berief Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898, Reichskanzler 1871-1890) Reinhard Mannesmann in den Enquete-Ausschuss, der über die Einführung eines Schutzzolls beriet. Der von ihm erarbeitete Entwurf wurde fast wörtlich in den Gesetzestext übernommen.
Da Reinhard Mannesmann zu der Erkenntnis gelangt war, dass die anstehenden technischen Probleme zu ihrer Lösung mehr als das damals übliche „Tüfteln“ erforderten, ließ er alle sechs Söhne aus seiner Ehe mit Klara, geborene Rocholl (1834-1910) die Hochschulreife erwerben und studieren. Außerdem erlernten sie, abgesehen vom Jüngsten, alle Arbeitsschritte der Feilen- und der Tiegelstahlherstellung. Der älteste Sohn, Reinhard (1856-1922), befasste sich sogar in seiner akademischen Abschlussarbeit mit der Stahlherstellung und erfand ein Verfahren zur Herstellung von Verbund- oder Compoundstahl – außen hart und innen zähweich –, das er sich patentieren ließ. Es führte zur Erweiterung des Erzeugungsprogramms von A. Mannesmann – und ist noch für die Tätigkeit der heutigen Maschinenfabrik A. Mannesmann grundlegend.
Die langfristig bedeutendste und berühmteste Erfindung, die in der Bliedinghausener Feilenfabrik A. Mannesmann entstand, war jedoch das Schrägwalzen von nahtlosen Rohren aus dem massiven Stahlblock. Reinhard Mannesmann machte sie gemeinsam mit seinem Bruder Max (1857-1915). 1885 wurde sie zum Patent angemeldet. Die gesamte Familie Mannesmann unterstützte die Brüder bei ihren langwierigen Entwicklungsarbeiten, vor allem die Brüder Alfred (1859-1944) und Carl (1861-1950). Diese revolutionäre Erfindung und ihre großen wirtschaftlichen Perspektiven waren es schließlich auch, die die Familie Reinhard Mannesmann 1887 zum Ausscheiden aus dem Unternehmen A. Mannesmann und zur Gründung der Mannesmannröhren-Werke veranlasste.
2.2.3 Das Unternehmen A. Mannesmann nach dem Ausscheiden der Familie Reinhard Mannesmann
Die Trennung von den führenden Technikern bedeutete für das Unternehmen A. Mannesmann einen starken Einschnitt. Neben einigen Grundstücken und Gebäuden, die an die neue Röhrengesellschaft abgegeben wurden, verlor das Unternehmen Kapital und Produktions-Knowhow, vor allem aber Ingenieur- und Leitungswissen. Nun mussten sich die Kaufleute der verbliebenen Familienzweige auch um die Produktion kümmern, was ihnen mit Unterstützung durch den Facharbeiterstamm und durch familienfremde Techniker zunächst weitgehend gelang. Mit den Qualitätsfeilen und den gehärteten Maschinenteilen war das Unternehmen bestens eingeführt. Man unternahm besondere Anstrengungen, auf diesem Feld erfolgreich zu bleiben. Die Stahlerzeugung wurde eingestellt, die Produktionsanlagen durch ein Hammerwerk erweitert. Auf den Ausstellungen wurden die Erzeugnisse auch weiterhin prämiert. An neuen Abnehmerländern wurde Russland sowie der Nahe Osten und der ostasiatische Raum dazu gewonnen.
Der Erste Weltkrieg unterbrach nicht allein die für das Unternehmen so wichtigen Exportbeziehungen, sondern kostete auch viele Mitarbeiter das Leben. Von den sieben Söhnen und Enkeln Arnolds, die 1914 zum Kriegsdienst einrückten, kehrten nur zwei zurück. Insbesondere der Tod von Johann Arnold Mannesmann (1881-1914), der durch Studium sowie Mitarbeit im Kontor und durch Kundenbesuche auf die Übernahme der Unternehmensleitung vorbereitet worden war, riss eine nicht mehr zu schließende Lücke. Als letzter seines Familienstammes war schließlich der Amtsrichter Fritz Mannesmann (1871-1960) aus Meinerzhagen Unternehmenschef. Ihm fehlten jedoch sowohl die Kenntnisse des Produzenten als auch des Kaufmannes; er wohnte nicht vor Ort und war durch die Erledigung anderer Aufgaben gebunden. So war trotz der Produkte von gutem Ruf und tüchtiger treuer Mitarbeiter der Niedergang des Unternehmens A. Mannesmann vorgezeichnet. Es schleppte sich durch die schwierigen Nachkriegsjahre und die Weltwirtschaftskrise; schließlich konnten die erforderlichen Reparaturen, die die inzwischen 25 Jahre alten Maschinen und Anlagen erforderten, nicht mehr bezahlt werden. An Neuinvestitionen war gar nicht zu denken.
2.2.4 Die Familie Schenck führt das Unternehmen in die Erfolgsspur zurück
Das nach mehr als 140-jährigem Bestehen auf einem Tiefpunkt angekommene Unternehmen A. Mannesmann wurde schließlich 1939 von dem 31-jährigen Dipl.-Ing. Wilhelm Schenck (1908-1979) aus Düsseldorf übernommen. Dieser war aus der väterlichen Hebezeugfabrik Schenck & Liebe-Harkort ausgeschieden, um Freiraum für ein selbstverantwortetes unternehmerisches Wirken zu erhalten. Er modernisierte die Fabrik, wobei sein besonderes Augenmerk der Herstellung gehärteter Maschinenteile galt. Die verstärkte Nachfrage nach diesen Erzeugnissen, besonders seitens der Unternehmen, die in das Programm der nationalsozialistischen Autarkie- und Rüstungspolitik eingebunden waren, führte zu einer raschen wirtschaftlichen Sanierung.
Nach Kriegsende wurden die Maschinen und Messwerkzeuge beschlagnahmt, die Energie rationiert und der Export verboten. Die Herstellung von Maschinenteilen konnte zunächst nicht weitergeführt werden. Um die Belegschaftsmitglieder und deren Familien vor der schlimmsten Not zu bewahren, beteiligte A. Mannesmann sich am Tauschhandel, vor allem mit Feilen, jedoch auch mit Schneidwerkzeugen und Maschinen, mit denen man Ziegelsteine vom Mörtel befreien konnte, um ihre Wiederverwendung zu ermöglichen. Schließlich durften auch wieder Maschinenteile aus Verbundstahl sowie gehärtete lange Freiformschmiedestücke gefertigt werden. A. Mannesmann war 1945 das erste Unternehmen in Deutschland, das eine große leistungsfähige Nitrieranlage in Betrieb nahm.
1955 entschied sich Wilhelm Schenck zur Aufgabe der traditionsreichen Feilenproduktion von A. Mannesmann, um die räumlichen und finanziellen Ressourcen besser nutzen zu können. Damit trug er zugleich dem Umstand Rechnung, dass die Feile als universelles Werkzeug wegen der passgenauen Massenfabrikation immer weniger nachgefragt wurde. In den 1960er-Jahren wurde der Schmiedehammer außer Betrieb gesetzt, weil er durch seine Erschütterungen die Fertigung der hochpräzisen Maschinenteile, deren Genauigkeit inzwischen nach tausendstel Millimetern gemessen wurde, beeinträchtigte.
Als Wilhelm Schenck 1979 starb, hatte das Unternehmen A. Mannesmann eine Größe und Bedeutung erlangt, die denen zu seinen besten Zeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nachstand. Mit seinen gehärteten Maschinenteilen höchster Präzision nahm es eine weltweite Sonderstellung ein. Schencks Frau Helga, die bereits seit 1939 im Unternehmen mitarbeitete und seit den Kriegsjahren führend tätig war, übernahm die Gesamtleitung des Unternehmens. Unterstützt wurde sie von einem Ingenieur und ab 1987 von ihrem Sohn Max, der schon beim Tod seines Vaters am Unternehmen beteiligt war. Seit 1995 führen Max Schenck und Wilhelm Brunner die A. Mannesmann Maschinenfabrik gemeinsam.
2.3 Weitere Familienunternehmen mit dem Namen Mannesmann
2.3.1 Heute nicht mehr bestehende Unternehmen
Die Auslandspatente für das Mannesmann-Verfahren zum Walzen nahtloser Stahlrohre blieben 1893 beim Ausscheiden aus der Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG im Besitz der Erfinder und sollten die Grundlage für das weitere unternehmerische Engagement der Familie bilden. Reinhard, Robert, Alfred und dann auch Carl Mannesmann gingen in die USA und präsentierten das Verfahren mit großem Erfolg auf der Weltausstellung von 1893 in Chicago. Thomas A. Edison (1847-1931) trug sich nicht nur in ihr Besucherbuch ein, sondern wertete das Verfahren gegenüber der Presse als das Bedeutendste, was auf der Ausstellung zu sehen sei. Die Brüder verkehrten in den gesellschaftlich und wirtschaftlich wichtigen Kreisen, sogar im Weißen Haus. Mit den beiden in Nordamerika errichteten Röhrengesellschaften hatten sie allerdings kein Glück. Brandschäden und andere Unglücke, außerdem eine für die Erfinder negativ verlaufende patentrechtliche Auseinandersetzung mit einem ehemaligen leitenden Mitarbeiter sowie das im Deutschen Reich immer noch schwebende Verfahren mit den Aktionären der Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG ließen die groß angelegten Pläne mit enormen Verlusten scheitern. Auch dem von Max Mannesmann unternommenen Versuch, in Russland eine Röhrenfabrikation zu installieren, war letztlich kein Erfolg beschieden.
Ein in technischer wie finanzieller Hinsicht großer Durchbruch bedeutete dagegen die Erfindung des hängenden Gasglühlichts. An ihr waren fast alle Mannesmann-Brüder seit etwa 1893 beteiligt, der Jüngste, Otto, leistete jedoch den wichtigsten Beitrag. Die Erfindung brachte gegenüber der Konstruktion von Carl Auer von Welsbach (1858-1929) eine Gasersparnis von bis zu 60 Prozent. Alle Gaslichtproduzenten wurden, nachdem die zahlreichen Patentprozesse die Mannesmann-Ansprüche bestätigt hatten, Lizenznehmer der Mannesmann-Licht Gesellschaft. Das noch junge elektrische Glühlicht wurde in seiner Entwicklung um rund zehn Jahre zurückgeworfen. Weitere finanzielle Mittel erhielten die Erfinder durch den Verkauf von Anteilen an der Röhrengesellschaft. Sie erwarben unter anderem Erzbergwerke im In- und Ausland, die sie in der Gesellschaft Mannesmann-Bergwerke vereinigten.
Außerdem beteiligten sie sich an dem Aachener Automobilbauunternehmen MULAG. Max Mannesmann konstruierte leistungsstarke, wirtschaftliche Nutzfahrzeuge, die sich auf den damals beliebten Fernfahrten hervorragend bewährten. Ferner erfand er Gebäude, die industriell vorgefertigt und mittels Kran auf der Baustelle montiert wurden. Zur Nutzung dieser Erfindung wurde das Unternehmen Mannesmann-Haus gegründet. Ab 1906 verlegten Reinhard und bald darauf auch Alfred, Robert und Otto Mannesmann den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nach Marokko, wo sie Farmen und Handelsgesellschaften betrieben und umfangreiche Erzkonzessionen erwarben. Reinhard erkundete parallel die Möglichkeiten zur Gewinnung von Naturkautschuk und von Erzen am oberen Amazonas und gründete dafür die Marañon-Landgesellschaft.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs gründeten Mitglieder der Familie Mannesmann in Remscheid die Mannesmann Waffen- und Munitionswerke und in Wahn bei Köln ein Unternehmen für den Bau von Großflugzeugen. Die Produktion aller im Inland bestehenden Werke wurde gleichfalls auf den Militärbedarf ausgerichtet; dazu gehörten spezielle Fahrzeuge für den Verwundetentransport und sogar ein Hubschrauber. Das Remscheider Familienwerk wurde nach dem Krieg von der Gesellschaft Mannesmann-Fahrzeugwerke auf die Herstellung von Personenkraftwagen – vom zweisitzigen Sportwagen bis hin zum 6-Zylinder mit Maybach-Karosserie –,von elektrisch betriebenen Kühlschränken sowie weiteren elektrischen Anlagen umgerüstet. In unmittelbarer Nachbarschaft entstand eine Fabrik für die Herstellung von Teilen für die Fertighäuser. In Porz-Westhofen wurde in den frühen 1920er-Jahren eine pharmazeutische Produktion unter der Firma Mannesmann Chemische Werke in Gang gesetzt. Die Brüder Alfred und Karl gründeten 1922 die Mannesmann-Handelsgesellschaft in Sofia, die bei Burgas am Schwarzen Meer eine Saline erwarb, den Betrieb ausbaute und schließlich auf der Grundlage eines staatlich garantierten Monopols ganz Bulgarien mit Salz versorgte; außerdem verfügte das Unternehmen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs über eine starke Position im Im- und Export des Landes. Die genannten Remscheider Unternehmen haben die Weltwirtschaftskrise nicht überstanden; die Handelsgesellschaft musste 1945 liquidiert werden.
2.3.2 Die Brüder Mannesmann AG, Remscheid
1931 gründeten Alfred und Carl Mannesmann in Remscheid das Unternehmen Brüder Mannesmann, das Maschinen sowie Maschinenteile für die Holz- und Metallbearbeitung fertigte; später kamen Armaturen und Rohrverbindungen für Wasser- und Gasanlagen hinzu. Einer der Söhne von Carl Mannesmann sowie dessen Sohn führte das Unternehmen später fort. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Herstellung von Maschinenmessern wegen des starken Wettbewerbs auf diesem Gebiet verkauft. Seit der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre dominiert der Handel mit Werkzeugen das Geschäft. Aus aller Welt wurden seitdem Werkzeuge und Armaturen eingekauft und im Inland sowie in einer Vielzahl von auswärtigen Ländern verkauft. Mitte der 1990er-Jahre wurde das Unternehmen in die Form der Aktiengesellschaft, deren Aufsichtsrat von einem Enkel von Carl Mannesmann geführt wird, umgewandelt. Heute ist die Brüder Mannesmann AG eine Finanz- und Managementholding für mehrere Tochtergesellschaften, von denen sechs ihren Sitz in Remscheid haben und zwei, nämlich die Brüder Mannesmann Werkzeuge GmbH und die Brüder Mannesmann Grundbesitz GmbH, den Familiennamen Mannesmann im Unternehmensnamen führen.
2.3.3 Dr.-Ing. Mannesmann Apparatebau/Multiblitz
Dr.-Ing. Dieter A. Mannesmann, der in amerikanischer Kriegsgefangenschaft bei der Entwicklung von Einrichtungen für Luftaufnahmen bei Nacht mitgewirkt hatte, konstruierte 1946/47 ein Elektronen-Blitzgerät, mit dem mehrere Blitze kurz hintereinander erzeugt werden konnten, ohne, wie damals notwendig, die Lampen wechseln zu müssen. Mit dem Prototypen erregte er 1947 während des Rosenmontagszuges in Köln großes Aufsehen unter den Pressefotografen. 1948 gründete er die Dr.-Ing. Mannesmann Apparatebau und produzierte in dem von seinem Vater Alfred in den Jahren von 1912-1914 in (Porz-) Westhofen (heute Stadtteil von Köln) errichteten Wohnhaus das erste Elektronenblitzgerät, für das sich seit der „photokina“ von 1951 rasch weltweit der Name „Multiblitz“ einführte. Später wurde dieser zum Firmennamen. Der „Multi-Blitz“ war das erste Elektronen-Blitzlicht für den Berufsfotografen. Dieter A. Mannesmann war es auch, der den heute weltweit gebräuchlichen Begriff „Leitzahl“ („Guide Number“) prägte und dafür die Berechnungsformel für die Wirkung des Blitzes vorgab.
Nach dem tödlichen Sportunfall des Gründers und Erfinders im Jahr 1956 wurde das Unternehmen bis in die 1980er-Jahre von seiner Witwe Flora, geborene Nestler, weitergeführt und zu einem der bedeutendsten Hersteller von professionellen Lichtlösungen für Fotostudios entwickelt. 1976 präsentierte das Unternehmen mit dem „Mini-Studio 202“ das weltweit erste Kompaktblitzgerät der Foto-Branche. Zu ihrer Unterstützung bei den laufenden Geschäften hatte Flora Mannesmann einen Geschäftsführer eingestellt, der nach und nach die Anteile an der Gesellschaft erwarb. 1985 wurde die Produktion in ein neues Fabrikgebäude in Porz-Eil (Stadtteil von Köln) verlegt und durch eine Glasbläserei sowie die Fertigung von umfangreichem Zubehör ergänzt. Etwa 80 Prozent der ausschließlich in Köln gefertigten Erzeugnisse wurden exportiert. 2013 musste das Unternehmen, weil unerwartet hohe Bestellungen aus dem EU-Raum ausfielen, Insolvenz anmelden. Es gelang dann jedoch ein Jahr später, einen neuen Investor aus dem süddeutschen Raum zu finden, der das Unternehmen unter dem Namen Multiblitz Mannesmann GmbH weiterführt.
3. Mannesmannröhren-Werke und Mannesmann-Konzern
3.1 Schwierige Anfangsjahre
Unmittelbar nach Erteilung des Patents für das Verfahren zum Walzen nahtloser Stahlrohre im Jahr 1886 begannen die Erfinder, Reinhard und Max Mannesmann, sowie ihr Vater Reinhard Mannesmann sen., mit verschiedenen Investoren Werke zur Produktion von Stahlrohren zu gründen. Die Werke entstanden zunächst gesellschaftsrechtlich unabhängig voneinander. Dieses von Anfang an auf weltweite Tätigkeit ausgerichtete Vorgehen und die damit verbundenen hohen Investitionen schreckten die anderen Mitglieder der Familie Mannesmann jedoch ab. Die Familie beschloss wirtschaftlich getrennte Wege zu gehen. Reinhard Mannesmann sen. und seine Söhne verließen das bisherige Familienunternehmen A. Mannesmann, das Remscheider Firmengelände wurde geteilt. Reinhard Mannesmann sen. übernahm den nördlichen Teil mit der Erfinderhalle, in der die Rohrwalzwerke gebaut wurden, und errichtete dort noch im selben Jahr eine erste eigene Halle zum Walzen von Rohren. Das daraus 1887 entstandene Röhrenwerk in Remscheid war das einzige Mannesmannröhren-Werk, das sich jemals ohne fremde Kapitalgeber vollständig im Besitz der Familie Mannesmann befand. Aber auch dies sollte nur für drei Jahre so bleiben.
Alle in den 1880er-Jahren gegründeten Mannesmannröhren-Werke gerieten schnell in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Das innovative Walzverfahren war zwar revolutionär und wirtschaftlich vielversprechend, aber für die industrielle Großproduktion zunächst noch nicht ausgereift genug. Zudem gab es große Probleme, ausreichend qualitativ geeigneten Stahl für den anspruchsvollen neuen Walzprozess zu bekommen.
1890 wurden die in Bous, Komotau und Remscheid gelegenen Röhrenwerke in einer finanziellen Sanierungsaktion zur Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG mit Sitz in Berlin zusammengefasst. Einige Jahre später kam noch ein im britischen Landore gelegenes Werk dazu. Wirtschaftlich ging es nun endlich aufwärts, auch weil Reinhard und Max Mannesmann parallel technisch wichtige Fortschritte gelungen waren. Das Verhältnis zwischen den Investoren und den Erfindern hatte sich inzwischen aber wesentlich verschlechtert. Die um ihr Kapital besorgten Geldgeber fühlten sich über den Wert der Patente getäuscht, außerdem legten die überaus selbstbewussten Brüder Mannesmann in der Unternehmensleitung die Priorität immer noch stärker auf technische als auf kaufmännische Aspekte. Das führte zu zahlreichen Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern. 1893 verließen Reinhard und Max Mannesmann schließlich die Unternehmensleitung und nachdem einige Jahre später auch ein Rechtsstreit über die finanzielle Bewertung der Patente zum Abschluss gebracht werden konnte, endete die Beteiligung der Familie Mannesmann an den Mannesmannröhren-Werken. Die Familienmitglieder verfolgten von nun an eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Unternehmensaktivitäten, von denen allerdings keine in Erfolg und Beständigkeit mit den Mannesmannröhren-Werken vergleichbar werden sollte.
3.2 Aufstieg zum internationalen Montankonzern
Die Gründung der verschiedenen Mannesmannröhren-Werke war von Anfang an auf globalen Absatz ausgerichtet. Diese Strategie verfolgte die Unternehmensleitung nach Zusammenfassung in der Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG systematisch weiter, vor allem durch die Errichtung zusätzlicher ausländischer Produktionsstandorte und Handelsgesellschaften . 1893 verlegte das aufstrebende Unternehmen seinen Sitz nach Düsseldorf und 1908, nach Umwandlung der in Österreich-Ungarn gelegenen Werke in eine Tochtergesellschaft, änderte es seinen Namen in Mannesmannröhren-Werke AG.
Das nahtlose Stahlrohr blieb über Jahrzehnte das wichtigstes Produkt der Mannesmannröhren-Werke , aber bereits in der ersten Hälfte der 1890er-Jahre nahm das Unternehmen in Düsseldorf-Rath in einem speziell dafür errichteten Werk auch die Produktion geschweißter Stahlrohre auf. Durch den Bau eines weiteren, unmittelbar benachbarten Röhrenwerks für nahtlose Rohre wurde Mannesmann zu einem der größten industriellen Arbeitgeber in Düsseldorf. Eine Entwicklung, die sich im 20. Jahrhundert durch andere in Düsseldorf ansässige Mannesmann-Werke und -Unternehmen und die immer größer werdende Konzern-Hauptverwaltung noch deutlich verstärken sollte.
Die Rohre von Mannesmann wurden weltweit überaus erfolgreich verkauft, für Rohrleitungen aller Art, aber auch für Masten und Straßenbeleuchtungen. Die besonderen Eigenschaften der nahtlosen Stahlrohre eröffneten nicht nur dem Leitungsbau, sondern auch dem Maschinen- und Fahrzeugbau völlig neue technische Möglichkeiten.
Nach der Jahrhundertwende entwickelte sich Mannesmann durch Angliederung von eigenen Vormaterialkapazitäten – unter anderem Erz- und Kohlegruben, Kalksteinbrüchen und Stahlwerken – zu einem vertikal strukturierten Montankonzern mit einer eigenen Handelsorganisation. Während der beiden Weltkriege war der Konzern, wie viele Wirtschaftsunternehmen, jeweils in die nationale Rüstungspolitik involviert und insbesondere während der 1940er-Jahre beschäftigte Mannesmann zum Ausgleich des Arbeitskräftemangels auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Auch einige Fälle von Arisierung, das heißt der Übernahme von Unternehmen aus jüdischem Besitz, sind belegt. KZ-Häftlinge beschäftigte Mannesmann nicht. Die Weltkriege markieren aber auch schwere Rückschläge in der langfristigen Konzernentwicklung. Sie führten jeweils zum Verlust des gesamten ausländischen Konzernbesitzes, der bei Mannesmann bereits 1913/14 einen Produktionsanteil von rund 51 Prozent besaß. Zudem gingen bis 1933 über 50 Prozent der deutschen Produktion in den Export.
3.3 Vom Montankonzern zum Technologiekonzern
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Mannesmann-Konzern auf Anordnung der Alliierten zur Reduzierung wirtschaftlicher Macht zunächst in drei selbstständige Unternehmen entflochten, das heißt aufgeteilt. Bis 1955 erfolgte der Wiederzusammenschluss unter der neuen Konzernführungsgesellschaft Mannesmann AG. Parallel baute Mannesmann die deutschen Werke wieder auf und gründete in Brasilien, Kanada und der Türkei neue Röhrenwerke, in Südamerika sogar in Verbindung mit einem eigenen Hochofen- und Stahlwerk. Als Symbol des erfolgreichen Wiederaufbaus galt das Ende 1958 für die Verwaltung fertiggestellte Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf, das unmittelbar am Rhein neben dem bereits 1912 bezogenen Peter-Behrens-Bau errichtet wurde. Es war das erste moderne Hochhaus in Düsseldorf.
1969/70 änderte sich die Struktur des Mannesmann-Konzerns durch die Abgabe der Kohlezechen an die Ruhrkohle und ein Arbeitsteilungsabkommen mit Thyssen grundlegend. Mannesmann übernahm von Thyssen die Rohrproduktion und Rohrverlegung und gab im Gegenzug die eigene Walzstahlherstellung und Blechverarbeitung an Thyssen. Die in diesem Rahmen neu gegründete Mannesmannröhren-Werke AG war einer der größten Rohrproduzenten der Welt.
Als Ergänzung zum Röhrenbereich verstärkte der Konzern in den folgenden Jahren systematisch seine Aktivitäten im Maschinen- und Anlagenbau. Bereits 1968 hatte Mannesmann eine Beteiligung an der G. L. Rexroth GmbH erworben, einem Hersteller von Hydraulikkomponenten. 1975 übernahm der Konzern die restlichen Anteile. Durch hohe Investitionen wurde das Unternehmen weiterentwickelt und zum Weltmarktführer ausgebaut. Darüber hinaus kaufte Mannesmann unter anderem 1972 bis 1974 den Maschinenbau-Konzern Demag und ab 1990 die Krauss-Maffei AG. Ab Ende der 1980er-Jahre erfolgte mit dem Erwerb von Sachs und VDO der Einstieg in die Automobil- und Fahrzeugtechnik.
Die neuen Geschäftsfelder wurden innerhalb des Mannesmann-Konzerns zum größten Teil sehr erfolgreich weiterentwickelt und ausgebaut. Die traditionsreichen Röhrenwerke gerieten dagegen in den 1980er-Jahren immer stärker in den Sog der allgemeinen Stahlkrise. Sie schlossen einen Teil ihrer Werke und mussten in großem Umfang Personal abbauen. Einige Produktionsbereiche wurden in Unternehmenskooperationen mit ehemaligen Wettbewerbern eingebracht.
1990, einhundert Jahre nach Gründung der Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG, leitete die Mannesmann-Verwaltung von Düsseldorf aus einen Konzern mit weltweit rund 124.000 Mitarbeitern. Davon arbeiteten rund 90.000 in Deutschland und 17.500 für die Unternehmensgruppe Mannesmannröhren-Werke.
3.4 Die Telekommunikation und das Ende des Mannesmann-Konzerns
1990 erhielt Mannesmann die Lizenz zum Aufbau und Betrieb des ersten privaten Mobilfunknetzes in Deutschland. Die in Düsseldorf ansässige Mannesmann Mobilfunk GmbH übernahm mit „D2“ eine Pionierrolle in dieser Wachstumsbranche und entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zum Marktführer. 1996 gründete Mannesmann zudem für den deutschen Festnetz-Betrieb ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Deutschen Bahn, aus dem Anfang 1997 das Unternehmen Mannesmann Arcor hervorging. Außerdem gründete oder erwarb der Konzern ganz oder teilweise Telekommunikationsunternehmen in Österreich, Italien, Frankreich und Großbritannien. Er entwickelte sich dadurch innerhalb weniger Jahre zu einem der führenden privaten Telekommunikationsanbieter in Europa.
Um diese Ausrichtung weiter verfolgen zu können, beschloss der Mannesmann-Vorstand 1999 den gesamten Konzern aufzuteilen. Die Mannesmann AG sollte sich auf den Geschäftsbereich Telekommunikation konzentrieren. Die industriellen Aktivitäten wurden – mit Ausnahme der Mannesmannröhren-Werke AG – in der Atecs Mannesmann AG zusammengefasst, die durch Börsengang verselbstständigt werden sollte. Bevor diese Pläne zur Trennung der industriellen Geschäftsbereiche von der Telekommunikation umgesetzt werden konnten, machte jedoch Ende 1999 das britische Mobilfunkunternehmen Vodafone den Aktionären von Mannesmann ein Übernahmeangebot. Dieser Versuch einer feindlichen Übernahme – der bis dahin größten in der Wirtschaftsgeschichte – führte zu einer monatelangen Übernahmeschlacht. Am 4.2.2000 stimmte die Mannesmann-Konzernführung schließlich dem Aufkauf zu. Die nicht verkaufswilligen Aktionäre wurden später durch ein sogenanntes „Squeeze-out“ zwangsweise abgefunden.
Der Mannesmann-Konzern verlor seine Selbstständigkeit nach dem wirtschaftlich erfolgreichsten Geschäftsjahr seiner Unternehmensgeschichte. Der Umsatz im Geschäftsjahr 1999 betrug rund 24 Milliarden Euro, der Konzern beschäftigte weltweit rund 130.000 Mitarbeiter. Die letzte Hauptversammlung unter der Firmierung Mannesmann AG fand am 22.8.2001 statt.
Nach der Übernahme verblieben lediglich die Festnetz- und Internetsparte um Arcor, der Mobilfunkbereich D2 sowie ein Teil der europäischen Telekommunikationsbeteiligungen bei Vodafone. Die anderen Unternehmen des Mannesmann-Konzerns wurden durch Vodafone verkauft. Mannesmann Atecs ging an ein Konsortium von Siemens und Bosch, die die zugehörigen Mannesmann-Gesellschaften untereinander aufteilten und teilweise auch weiterverkauften. Die Mannesmannröhren-Werke und die Rechte an der Marke Mannesmann wurden von der Salzgitter AG erworben.
3.5 Mannesmann als Teil des Salzgitter-Konzerns
Seit 2000 setzen die Mannesmann-Unternehmen die Tradition der Mannesmann-Stahlrohrproduktion innerhalb des Salzgitter-Konzerns fort. Sie sind im Geschäftsbereich Mannesmann zusammengefasst. Ihre Haupterzeugnisse sind Leitungsrohre, geschweißte und nahtlose Präzisionsstahlrohre, nahtlose Edelstahlrohre und Großrohre. Und auch wenn der Mannesmann-Konzern nicht mehr existiert und die in Düsseldorf gelegenen Röhrenwerke inzwischen an das französische Unternehmen Vallourec verkauft wurden, so arbeiten auch heute noch zahlreiche Rheinländer (und natürlich auch Nicht-Rheinländer) für Mannesmann-Unternehmen – im traditionsreichen Gründungswerk Remscheid, in Mülheim an der Ruhr oder auch an einem ganz anderen Mannesmann-Standort – in Deutschland oder einem anderen Land der Welt.
Quellen
Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv, Mülheim an der Ruhr. [online]
Literatur
Wessel, Horst A., Globale Unternehmensaktivitäten im Spannungsfeld von unternehmerischem Gestaltungswillen und (wirtschafts-) politischen Realitäten. Das Beispiel der Familie Mannesmann aus Remscheid, in: Hilger, Susanne/Soénius, Ulrich S. (Hg.), Familienunternehmen im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert, Köln 2009, S. 66-102.
Wessel, Horst A., Kontinuität im Wandel. 100 Jahre Mannesmann 1890-1990, Düsseldorf 1990.
Wessel, Horst A., Mannesmann in Remscheid 1796-2014. Von der Feile zum hochpräzisen Maschinenelement, Remscheid 2014.
Wessel, Horst A., Mit Engagement und Kompetenz für eine runde Sache. Mannesmannröhren-Werke GmbH 1846-2005, Salzgitter 2006.
Wessel, Horst A., Die Techniker der Familie Mannesmann, in: Weber, Wolfhard (Hg.), Ingenieure im Ruhrgebiet, Münster 1999, S. 123-148.
Rennert, Kornelia: Wettbewerber in einer reifen Branche. Die Unternehmensstrategien von Thyssen, Hoesch und Mannesmann 1955 bis 1975, Essen 2015.
Online
Mannesmann-Konzerngeschichte im Internet. [online]
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Rennert, Kornelia, Wessel, Horst A., Mannesmann – weit mehr als ein Kapitel rheinischer Geschichte, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/mannesmann-%25E2%2580%2593-weit-mehr-als-ein-kapitel-rheinischer-geschichte/DE-2086/lido/5d9c7ec9b906e3.25356670 (abgerufen am 03.12.2024)