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Karl Jarres war ein bedeutender Kommunalpolitiker im Rheinland und Reichspolitiker der Weimarer Republik.
Karl Jarres wurde am 21.9.1874 in der bergischen Stadt Remscheid als Sohn des evangelischen Kaufmanns Rudolf Jarres und seiner Frau Maria, geborene Busch, geboren. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Bonn, Berlin, London und Paris wurde Jarres 1897 in Erlangen zum Dr. jur. promoviert. Seine steile Karriere in der Kommunalpolitik begann er 1901 mit seiner Anstellung zum Assessor bei der Stadt Düren. 1903 wurde er dort zum Beigeordneten gewählt. Mit seinem Wechsel zur Stadt Köln 1906 gelang Jarres der Sprung von einer kleinstädtischen Verwaltung in die der größten Stadt des Rheinlands. Von dort kehrte er 1910 als hauptamtlicher Bürgermeister nach Remscheid zurück. Jarres bewies weiterhin große berufliche Zielstrebigkeit. Nach nur vier Jahren ließ sich Jarres 1914 zum Oberbürgermeister der Stadt Duisburg wählen.
Mit dem Wechsel zu einer bedeutenden rheinischen Großstadt erreichte Jarres den Höhepunkt seiner kommunalpolitischen Karriere. Sein Aufstieg wurde durch die gleichzeitige Mitgliedschaft für die Stadt Duisburg im Preußischen Herrenhaus unterstrichen. Er gewann nun erheblichen politischen Einfluss weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Für den neuen hauptamtlichen Chef der städtischen Verwaltung und Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung war die Montan- und Arbeiterstadt Duisburg wegen ihrer Wirtschaftsstruktur und Krisenerscheinungen während des Krieges und in der nachfolgenden Zeit eine enorme Herausforderung. Während des Kriegs organisierte er erfolgreich die Versorgung der Bevölkerung. In der Zeit der Revolution verstand er es, die Arbeitsfähigkeit der Stadtverwaltung zu erhalten. Der Protestant Jarres kam mit allen Parteien aus, insbesondere mit der in Duisburg starken katholischen Zentrumspartei. Er selbst war der kleinen rechtsliberalen Deutschen Volkspartei (DVP) nach ihrer Gründung 1918 beigetreten. Seine größten kommunalpolitischen Leistungen waren die Wirtschaftsförderung und die Einrichtung beispielgebender sozialer Einrichtungen. Daneben förderte der Bildungsbürger Jarres das kulturelle Leben.
Durch seine Mitgliedschaft im Preußischen Staatsrat und seine Ämter im Deutschen Städtetag, dem Verband der Großstädte, konnte er die Interessen Duisburgs in der Weimarer Republik effektiv vertreten. Die schwierigste Zeit als Oberbürgermeister erlebte Jarres mit dem Einmarsch französischer und belgischer Truppen Anfang 1923. Er wurde gegen seinen Widerstand im Zuge der Ruhrbesetzung seines Amtes enthoben und zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.
Die Regierungen des Reichs und Preußens sahen in Jarres den wichtigsten Vertrauensmann im Rheinland, auf den sie sich wegen seiner unbedingten Loyalität verlassen konnten, weil für Jarres ein Auseinanderfallen des Deutschen Reichs unter keinen Umständen in Betracht kam. Konsequent stellte er sich gegen den Separatismus mit dem Ziel einer Abtrennung der Rheinlande vom Reich. Aus dieser Haltung heraus verlangte Jarres einen scharfen Kurs des passiven Widerstand gegen die alliierten Besatzungsmächte. Sein energisches Auftreten gegen die Vertreter der belgischen Besatzung machte Jarres reichsweit bekannt.Im November 1923 wurde der „Held der Nation" Reichsminister des Innern unter Reichskanzler Gustav Stresemann (1878-1929). In dieser Funktion gehörte Jarres auch den beiden folgenden Kabinetten Wilhelm Marx bis Januar 1925 an.
Nach dem plötzlichen Tod des Reichspräsidenten Friedrich Ebert (1871-1925) bewarb sich Jarres 1925 im ersten Wahlgang für das Amt des Reichspräsidenten als Kandidat des „Reichsblocks" nationalistischer, konservativer und rechtsliberaler Parteien. Jarres erhielt mit 38,8% die relative, nicht aber die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen. Er verzichtete auf die Kandidatur im zweiten Wahlgang zugunsten des pensionierten und immer noch populären kaiserlichen Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg (1847-1934), um die Wahlchancen der politischen Rechten letztlich erfolgreich zu verbessern.
In die zweite Hälfte der Amtszeit Jarres' als Oberbürgermeister Duisburgs von 1925 bis 1933 fielen die Neuordnung der kommunalen Grenzen im Ruhrgebiet und die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise. Bei der kommunalen Neuordnung Ende der 1920er Jahre schwebte ihm ein Duisburg in den Grenzen vor, wie sie die Stadt erst 1975 erreichte. Die Eingemeindungen von 1929 erfüllten zwar nicht alle Ambitionen Jarres', brachten Duisburg aber einen erheblichen Zuwachs durch den Zusammenschluss mit der Stadt Hamborn und kleineren Gebieten, der kurzzeitig den Namen „Duisburg-Hamborn" trug. Die Weltwirtschaftskrise verhinderte Konsolidierungserfolge der größer gewordenen Stadt. Nun zeigten sich die fatalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Konjunktureinbruchs im Bergbau und in der Eisen- und Stahlindustrie, auf die sich die Stadt immer noch stützte.
Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und Zusammenbruch der Finanzen verlangten von Jarres außerordentliche Fähigkeiten als hauptamtlicher Krisenmanagers einer Großstadt. Seine Wiederwahl im Jahr 1930 war die breite Anerkennung seiner bisherigen Verdienste um die Stadt. Jarres konnte die Früchte seiner Politik nicht mehr im Amt erleben. 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht in der Stadt und drängten Jarres im Mai desselben Jahres mit fadenscheinigen Argumenten aus dem Oberbürgermeisteramt. Im November 1933 wurde Jarres auf eigenen Antrag hin in den Ruhestand versetzt.
Während der nationalsozialistischen Diktatur war Jarres in der Wirtschaft tätig. Er hatte bis 1951 den Vorsitz in Aufsichtsräten mehrerer Unternehmen im Ruhrgebiet inne. Außerdem war er Vorstandsmitglied verschiedener renommierter Industrieunternehmen wie der Demag AG in Duisburg. Mit dem Unternehmer Peter Klöckner unterhielt er eine enge Freundschaft. Bis in den Zweiten Weltkrieg hinein war er Vorsteher des Wasserverbandes Schwammenauel in der Eifel, der dort die große Rurtalsperre baute. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich für den Wiederaufbau der Ruhrindustrie ein, wurde aber nicht mehr in der Politik aktiv. Karl Jarres starb am 20.11.1951 in Duisburg.
Für Karl Jarres gilt besonders, was für die übrigen „großen Oberbürgermeister" charakteristisch war: Er war ein Mann des Übergangs von der Monarchie zur Republik. An ihm zeigte sich, dass „das Oberbürgermeister-Amt in einer Großstadt am Rhein Vorstufe zu einem Ministeramt im Reich oder in Preußen werden konnte." (Walter Först)
Literatur
Dünnebacke, Paul Heinz, Karl Jarres im Kaiserreich und in den ersten Jahren der Weimarer Republik, Münster i.W. 1976.
Först, Walter, Karl Jarres, in: Först, Walter (Hg.), Politik und Landschaft, Köln, Berlin 1969, S. 142-147.
Kruse-Jarres, Jürgen D., Karl Jarres. Ein bewegtes Politikerleben. Vom Kaiserreich zur Bundesrepublik, München 2006.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, Düsseldorf 1994, S. 554-555.
Online
Dünnebacke, Paul Heinz, Artikel "Jarres, Karl", in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 358-359. [Online]
Karl Jarres (Edition "Akten der Reichskanzlei. WeimarerRepublik" online des Bundesarchivs und der Historischen Kommission München). [Online]
S. 554-555
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Weiß, Lothar, Karl Jarres, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-jarres-/DE-2086/lido/578e1c9cd65737.66513734 (abgerufen am 05.12.2024)