Das Augustiner-Chorherrenstift St. Marien zu Lonnig

Johannes Mötsch (Meiningen)
Veröffentlicht am 28.10.2021, zuletzt geändert am 21.12.2021

Ansichtskarte der katholischen Pfarrkirche in Lonnig. (Ortsgemeinde Lonnig)

1. Die Anfänge von Lonnig

Wer durch das Dorf Lon­nig auf dem Mai­feld fährt, das heu­te zur Stadt Polch ge­hört, des­sen Blick fällt un­will­kür­lich auf die Kir­che, denn ein Kir­chen­ge­bäu­de von die­ser Grö­ße und bau­li­chen Qua­li­tät er­war­tet man in ei­nem Dorf mit et­wa 1.200 Ein­woh­nern nicht oh­ne Wei­te­res.

 

An die­ser Stel­le ent­stand um 1142 ein nicht er­hal­te­ner Zen­tral­bau (äu­ße­rer Durch­mes­ser der Ro­tun­de: cir­ca 23 Me­ter), zu dem im Wes­ten ein längs­recht­ecki­ger, zwei­stö­cki­ger Vor­bau ge­hör­te. Öst­lich des Zen­tral­baus wur­de in den bei­den ers­ten Jahr­zehn­ten des 13. Jahr­hun­derts ei­ne heu­te noch vor­han­de­ne Chor­an­la­ge er­rich­tet, be­glei­tet von ei­nem Nord­turm mit fünf Ge­schos­sen und ei­nem Süd­turm, von dem nur das Erd­ge­schoss ge­baut wor­den ist. Dem zu­stän­di­gen Erz­bi­schof in Trier wur­de be­rich­tet, beim Sin­gen im Chor sei man häu­fi­ger Re­gen und Schnee aus­ge­setzt. Die­ser stau­f­er­zeit­li­che Bau ist nie voll­endet wor­den – über Jahr­hun­der­te ha­ben die Got­tes­diens­te in ei­ner Art Pro­vi­so­ri­um statt­ge­fun­den. In den 1830er Jah­ren re­stau­rier­te und er­wei­ter­te der Ko­blen­zer Ar­chi­tek­t Jo­hann Clau­di­us von Las­saulx die­se Kir­che, die 1961 noch ein­mal ver­län­gert wur­de. Die­ser be­deu­ten­de Bau ge­hör­te zu ei­nem von den 1140er Jah­ren bis 1326 am Ort be­ste­hen­den Stift von Au­gus­ti­ner-Chor­her­ren, ei­ner Ge­mein­schaft von Ka­no­ni­kern, die nach der Re­gel des hei­li­gen Au­gus­ti­nus (354-430) leb­ten. Die Ge­schich­te die­ses Stifts soll hier kurz dar­ge­stellt wer­den.

Um 1120 wur­de in Lon­nig, ge­le­gen in der Pfar­rei Ko­bern, auf In­itia­ti­ve des Trie­rer Mi­nis­te­ria­len Wer­ner ei­ne Ka­pel­le er­rich­tet, an der sich bald ei­ne re­li­giö­se Ge­mein­schaft aus Män­nern und Frau­en bil­de­te. Lei­ter war ein Mann na­mens Lu­told. Ver­mu­tun­gen, er sei mit dem Ere­mi­ten Li­utolf iden­tisch, bei dem si­ch Nor­bert von Xan­ten, spä­ter Grün­der des Prä­mons­tra­ten­ser­or­dens und Erz­bi­schof von Mag­de­burg, um 1115 ei­ni­ge Zeit auf­hielt, wer­den sich kaum letzt­lich klä­ren las­sen.

Nach dem Tod Lu­tolds über­trug der Grün­der Wer­ner die Ka­pel­le (wohl zwi­schen 1119 und 1123) dem Propst des Au­gus­ti­ner-Chor­her­ren­stif­tes Sprin­giers­bach. Weil Wer­ner ein Mi­nis­te­ria­le, al­so un­frei­en Stan­des war, konn­te er die­se Über­tra­gung nur mit Zu­stim­mung sei­nes Herrn, des Erz­bi­schofs, vor­neh­men; die­se ist da­her an­zu­neh­men.

Da­mit ge­riet die Zel­le zu Lon­nig in das Kon­flikt­feld zwi­schen dem Erz­bi­schof, der als In­ha­ber de­s Erz­stif­tes Trier auch Lan­des­herr ei­nes welt­li­chen Ter­ri­to­ri­ums war, und dem rhei­ni­schen Pfalz­gra­fen. Die­sem ge­hör­ten ne­ben ei­nem gro­ßen Be­zirk um Kröv, in dem Sprin­giers­bach lag, auch Po­si­tio­nen auf dem Mai­feld (die da­her Pel­lenz hei­ßen), die Bur­gen Co­chem und Treis so­wie das mo­sel­ab­wärts ge­le­ge­ne Al­ken; er war zu­dem Ober­vogt des Erz­stif­tes. Sei­ne Mi­nis­te­ria­len hat­ten das Stift Sprin­giers­bach ge­grün­det. So­wohl der Erz­bi­schof als auch der Pfalz­graf wa­ren be­müht, ih­re Be­sit­zun­gen und Rech­te auf Kos­ten des je­weils an­dern zu er­wei­tern und ab­zu­si­chern. Mit­tel in die­ser Aus­ein­an­der­set­zung wa­ren auch Grün­dung und För­de­rung geist­li­cher In­sti­tu­tio­nen.

1128 be­stä­tig­te Papst Ho­no­ri­us II. (Pon­ti­fi­kat 1124-1130) dem Stift Sprin­giers­bach den Be­sitz der Zel­le im Dorf Lon­nig (Lun­necho); dies ist die ers­te ur­kund­li­che Er­wäh­nung von Lon­nig. Die Lei­tung der Zel­le war kurz zu­vor ei­nem Mann na­mens Bor­no über­tra­gen wor­den, der vor­her Abt in Klos­ter­rath / Rol­duc (Kerk­ra­de, Nie­der­lan­de) ge­we­sen war, die­ses Klos­ter aber nach Aus­bruch von Strei­tig­kei­ten ver­las­sen hat­te und nach Sprin­giers­bach ge­gan­gen war; er kehr­te 1134 nach Klos­ter­rath zu­rück.

2. Die Erhebung zur Abtei

1136 re­gel­te Al­be­ro von Mon­treuil, Erz­bi­schof von Trier, die recht­li­che Stel­lung der Zel­le Lon­nig neu. Er er­hob sie in den Rang ei­ner Ab­tei, das hei­ßt ei­ner selb­stän­di­gen geist­li­chen In­sti­tu­ti­on. Die dor­ti­gen Ka­no­ni­ker soll­ten künf­tig ih­ren Abt frei wäh­len. Gab es im ei­ge­nen Haus kei­nen ge­eig­ne­ten Kan­di­da­ten, konn­te der auch aus ei­nem an­de­ren Kon­vent der Au­gus­ti­ner-Chor­her­ren kom­men. In je­dem Fall be­durf­te der neue Lei­ter der Zu­stim­mung des Erz­bi­schofs.

Bis­her hat­te der Abt von Sprin­giers­bach Auf­sichts­rech­te über die Zel­le Lon­nig wahr­ge­nom­men. Auch wenn der Erz­bi­schof aus­drück­lich fest­stell­te, dass Lon­nig wei­ter zur Sprin­giers­ba­cher Klos­ter­fa­mi­lie ge­hö­ren sol­le, schwäch­te er doch durch die Er­he­bung Lon­nigs zur Ab­tei er­heb­lich den bis da­hin be­ste­hen­den Ein­fluss des Sprin­giers­ba­cher Ab­tes - und so­mit auch den des Pfalz­gra­fen. Die Vog­tei über Lon­nig, das hei­ßt die Aus­übung der welt­li­chen Ge­richts­bar­keit, be­hielt sich der Erz­bi­schof 1136 eben­falls vor; sie wur­de von ei­nem Be­auf­trag­ten wahr­ge­nom­men.

Zur wei­te­ren Ab­si­che­rung er­hiel­ten die Ka­no­ni­ker von Lon­nig im April 1137 in Vi­ter­bo von Papst In­no­cenz II. (Pon­ti­fi­kat 1130-1143) ei­ne Be­stä­ti­gungs­ur­kun­de. De­ren Wort­laut ori­en­tier­te sich an dem, was in den vor­an­ge­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten für Stif­te der Au­gus­ti­ner-Chor­her­ren üb­lich ge­wor­den war: dem Propst und sei­nen Nach­fol­gern wur­de das Recht zur An­lei­tung und Mah­nung der Ka­no­ni­ker ein­ge­räumt. Nie­mand, der im Stift Pro­fess ge­leis­tet hat­te, durf­te es oh­ne Zu­stim­mung des Props­tes und der Mit­brü­der ver­las­sen. Ei­ne Auf­nah­me die­ser Män­ner in an­de­ren geist­li­chen In­sti­tu­tio­nen wur­de aus­ge­schlos­sen. Nach dem Tod des Lei­ters soll­te der Nach­fol­ger durch die Wahl der Ka­no­ni­ker mit Rat from­mer Män­ner aus an­de­ren (Au­gus­ti­ner-Chor­her­ren-) Stif­ten ge­wählt wer­den. Schlie­ß­lich wur­den dem Stift Lon­nig die (nicht auf­ge­zähl­ten) Be­sit­zun­gen be­stä­tigt.

Seitenansicht der katholischen Pfarrkirche in Lonnig. (Ortsgemeinde Lonnig)

 

Auf die­se Wei­se wur­den die 1136 vom Erz­bi­schof ge­schaf­fe­nen Struk­tu­ren in al­ler Form fest­ge­schrie­ben. In der 1139 vom Papst für das Stift Sprin­giers­bach aus­ge­stell­ten Ur­kun­de wird – an­ders als in den frü­he­ren Ur­kun­den – die Toch­ter­grün­dung Lon­nig nicht mehr er­wähnt. Da­für, dass die In­itia­ti­ve da­zu nicht vom Stift Lon­nig, son­dern vom Erz­bi­schof aus­ge­gan­gen war, spricht die Tat­sa­che, dass der Lei­ter Fol­mar sich auch 1137 noch als Propst be­zeich­ne­te, al­so nicht die 1136 vom Erz­bi­schof ein­ge­räum­te Mög­lich­keit wahr­nahm, den Ti­tel ei­nes Ab­tes zu füh­ren. We­ni­ge Jah­re spä­ter trieb der Erz­bi­schof die Ent­wick­lung wei­ter vor­an. In ei­ner am 22.10.1142 aus­ge­stell­ten Ur­kun­de re­fe­rier­te er zu­nächst die Ge­schich­te des Stifts seit der Grün­dung durch den Mi­nis­te­ria­len Wer­ner, die Über­ga­be an Lu­told und da­nach an den Abt von Sprin­giers­bach. Der aber ha­be auf den Rat from­mer Män­ner hin die Zel­le Lon­nig dem hei­li­gen Pe­trus - das hei­ßt der Trie­rer Kir­che - über­tra­gen. Dann hät­ten die dor­ti­gen Brü­der mit Rat des Erz­bi­schofs ei­nen Abt ge­wählt und dem Erz­bi­schof vor­ge­stellt. An­schlie­ßend wie­der­hol­te der Erz­bi­schof die Re­ge­lun­gen, die er 1136 ge­trof­fen hat­te, ins­be­son­de­re die Vogt- und Zehnt­frei­heit des Stifts.

Da­durch, dass Papst Eu­gen III. (Pon­ti­fi­kat 1145-1153) im Jahr 1145 fest­schrieb, dass nur noch die durch Pröps­te, nicht aber die durch Äb­te ge­lei­te­ten Stif­te zum Ge­ne­ral­ka­pi­tel in Sprin­giers­bach zu er­schei­nen hät­ten, wur­de die­se Ent­wick­lung ab­ge­schlos­sen. Sprin­giers­bach und Lon­nig stan­den gleich­be­rech­tigt ne­ben­ein­an­der. Der Erz­bi­schof hat­te das Stift auf dem Mai­feld er­folg­reich wei­ter ge­för­dert und so dem Ein­fluss des Ab­tes von Sprin­giers­bach - und dem hin­ter die­sem ste­hen­den Pfalz­gra­fen - ent­zo­gen.

3. Die Trennung von Frauen- und Männerkonvent

In den ers­ten Jah­ren hat­ten in Lon­nig from­me Frau­en und Män­ner ge­mein­sam ge­lebt. Der in Sprin­giers­bach be­ste­hen­de Frau­en­kon­vent war 1127/1128 vom dor­ti­gen Abt nach An­der­nach ver­legt wor­den. Am 24.10.1143 be­kun­de­te Erz­bi­schof Al­be­ro, er ha­be auf Bit­ten des Lon­ni­ger Ab­tes Fol­mar - der hier erst­mals mit die­sem Ti­tel be­zeich­net wird - den dor­ti­gen Frau­en­kon­vent nach Schön­statt bei Val­len­dar ver­legt. Be­grün­det wur­de dies durch für Frau­en un­er­träg­li­chen und schäd­li­chen Le­bens­be­din­gun­gen in Lon­nig. Der Erz­bi­schof ge­währ­te der neu­en Grün­dung die glei­chen Pri­vi­le­gi­en wie Lon­nig (Vogt- und Zehnt­frei­heit), er über­trug ihr auch die Be­sit­zun­gen in Aden­roth (heu­te Ge­mein­de Brei­ten­au) und Val­len­dar; aus spä­te­ren Ur­kun­den geht her­vor, dass Schön­statt auch in Lon­nig be­gü­tert blieb. Der Abt von Lon­nig blieb wei­ter­hin der geist­li­che Vor­ge­setz­te der Non­nen in Schön­statt.

4. Die Verlegung nach Mayen 1326/1327

Am 13.2.1147 be­stä­tig­te Papst Eu­gen III. dem Abt und der Kir­che St. Ma­ri­en zu Lon­nig die von sei­nem Vor­gän­ger ge­währ­ten Pri­vi­le­gi­en und nahm das Stift in sei­nen be­son­de­ren Schutz. In die­ser Ur­kun­de wer­den auch die Be­sit­zun­gen ge­nannt. Dem­nach be­saß das Stift Lon­nig ei­nen Hof in Men­dig, ein Gut mit Ka­pel­le und Zu­be­hör in Min­kel­feld (heu­te Ge­mein­de Ker­ben) so­wie die vom Erz­bi­schof ge­schenk­ten Be­sit­zun­gen in Val­len­dar und Aden­roth, die aber zur Aus­stat­tung von Schön­statt ge­dient hat­ten. Be­sitz am Ort selbst wird man hin­zu­zu­rech­nen ha­ben. Da­mit war die Grün­dungs­pha­se ab­ge­schlos­sen. 

Aus der Fol­ge­zeit sind nur we­ni­ge Ur­kun­den er­hal­ten ge­blie­ben; die zeit­li­chen Ab­stän­de sind groß. Die recht­li­chen Ver­hält­nis­se wa­ren ja ge­klärt, die Aus­stat­tung mit Gü­tern und Rech­ten ent­sprach der Grö­ße des Kon­vents (1229: sechs „Her­ren“). Strei­tig­kei­ten mit Nach­barn - et­wa dem Pfalz­gra­fen, der sich mehr und mehr aus der Re­gi­on zu­rück­zog - scheint es nicht mehr ge­ge­ben zu ha­ben.

Zu Be­ginn des 13. Jahr­hun­derts kam es zu Strei­tig­kei­ten um Zehnt­rech­te in Lon­nig. Das Stift be­rief sich auf die durch die Päps­te und Erz­bi­schof Al­be­ro aus­ge­stell­ten Ur­kun­den. Erz­bi­schof Jo­hann (Epis­ko­pat 1190-1212) zwang den Ad­li­gen, der die An­sprü­che er­ho­ben hat­te, 1209 zum Ver­zicht; 1210 stimm­te Agnes von Mal­berg (ge­stor­ben 1237) als Lehns­her­rin die­sem Ver­zicht zu.

In den fol­gen­den Jahr­zehn­ten ge­riet das Stift in ei­ne schwe­re Kri­se. Ver­mut­lich hat man sich beim Neu­bau der Kir­che fi­nan­zi­ell über­nom­men. Mehr­fach hat Erz­bi­schof Diet­rich von Wied (Epis­ko­pat 1212-1242) zu­guns­ten des Stifts ein­ge­grif­fen, um des­sen wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on zu ver­bes­sern. Wohl aus den ers­ten Re­gie­rungs­jah­ren des Erz­bi­schofs stammt ei­ne un­da­tier­te Ur­kun­de, die die Ver­hält­nis­se in Lon­nig schil­dert: we­gen der vie­len Krie­ge, die den Weg - die Stra­ße von Ko­blenz nach Trier, die da­mals noch nicht am Mo­sel­u­fer ver­lief - ge­fähr­lich mach­ten, und we­gen der Ar­mut des Stifts sei die Kir­che noch nicht voll­endet. Beim Sin­gen im Chor sei man häu­fig Re­gen oder Schnee aus­ge­setzt, die un­voll­ende­ten Wän­de droh­ten rui­nös zu wer­den. Der Erz­bi­schof, der sich per­sön­lich von den Zu­stän­den über­zeugt hat­te, nahm das Stift in sei­nen Schutz und ge­währ­te für Schen­kun­gen ei­nen Ab­lass von 30 Ta­gen. Aus den so er­ziel­ten Ein­nah­men und den Er­lö­sen der nun­mehr ein­set­zen­den Ver­käu­fe war wohl ei­ne Be­sei­ti­gung der Män­gel mög­lich; die Kir­che blieb aber ein Frag­ment.

Die Ur­kun­den der Fol­ge­zeit le­gen na­he, dass es in­ner­halb des Stifts zu Par­tei­un­gen ge­kom­men ist. Ei­ne Grup­pe - mit dem Pri­or - ver­such­te ei­ne Sa­nie­rung durch Ver­käu­fe, ei­ne an­de­re - zu der der Abt ge­hör­te -, dem durch ei­ne im No­vem­ber 1234 bei Papst Gre­gor IX. (Pon­ti­fi­kat 1227-1241) be­schaff­te Ur­kun­de ge­gen­zu­steu­ern. 1235 be­rich­te­te der Abt dem Papst, ei­ni­ge An­ge­hö­ri­ge des Stifts sei­en ge­gen­ein­an­der hand­greif­lich ge­wor­den, an­de­re hät­ten – ge­gen die Or­dens­re­gel – Pri­vat­ei­gen­tum be­hal­ten und dem Abt ge­gen­über nicht den ge­for­der­ten Ge­hor­sam be­wie­sen. Wie­der an­de­re hät­ten sich durch Si­mo­nie Ka­no­ni­ka­te im Stift ver­schafft. Der Papst be­auf­trag­te den Erz­bi­schof von Trier und den Abt von Lon­nig, die­se Miss­stän­de ab­zu­stel­len. 1237 wird letzt­mals ein Abt (oh­ne Na­mens­nen­nung) er­wähnt. Weil die An­zahl der Ka­no­ni­ker sich ver­mut­lich ver­rin­gert hat­te, schien die­ses Amt wohl nicht mehr sinn­voll. Deut­lich wird so das Bild ei­ner tie­fen Kri­se, zu dem auch die sich fort­set­zen­den Ver­käu­fe pas­sen.

Zu Be­ginn des 14. Jahr­hun­derts muss­ten er­neut Strei­tig­kei­ten in­ner­halb des Stifts ge­schlich­tet wer­den. Künf­tig soll­te der Pri­or jähr­lich am Veits­tag (15. Ju­ni) über Ein­nah­men und Aus­ga­ben an Ge­trei­de und Wein Rech­nung le­gen. Schlüs­sel für den Kas­ten, in dem das Sie­gel auf­be­wahrt wur­de, soll­ten künf­tig der Pri­or, ein als Schlüs­sel­herr (cla­vi­ger) be­zeich­ne­ter Ka­no­ni­ker und der Se­ni­or, al­so das äl­tes­te Mit­glied des Stifts, be­sit­zen. Sie konn­ten nur ge­mein­sam das Sie­gel her­aus­neh­men, al­so im Na­men des Stifts Ur­kun­den be­sie­geln und es so nach au­ßen ver­tre­ten. Kein Mit­glied des Kon­vents soll­te über Mo­bi­li­en und Im­mo­bi­li­en des Stifts ver­fü­gen, so­fern die ihm nicht aus­drück­lich über­las­sen wor­den wa­ren. Die­ser Schieds­spruch wur­de in ei­ner Ka­pi­tel­ver­samm­lung von al­len Be­tei­lig­ten an­ge­nom­men.

Selbst wenn so die in­ne­ren Strei­tig­kei­ten bei­ge­legt wor­den sind - die wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on des Stif­tes war und blieb kri­tisch. Be­grün­det war dies – we­nigs­tens aus Sicht des Stif­tes – durch die geo­gra­phi­sche La­ge weit ent­fernt von Wald, aus dem das le­bens­not­wen­di­ge Bau- und Brenn­holz da­her nur un­ter gro­ßen Kos­ten be­schafft wer­den konn­te. Die auf den Fel­dern des Klos­ters wach­sen­den Früch­te wur­den viel­fach von de­nen ge­plün­dert, die auf der stark be­fah­re­nen Stra­ße vor­bei­zo­gen „und den Na­men Got­tes nicht fürch­ten“.

Die­se pre­kä­re La­ge des Stifts hat wohl den Erz­bi­schof Bal­du­in von Lu­xem­burg, der ei­ne sys­te­ma­ti­sche Po­li­tik zur För­de­rung sei­ner Städ­te be­trieb, da­zu be­wo­gen, das Stift Lon­nig mit Ur­kun­de vom 1.12.1326 an die Pfarr­kir­che von May­en zu ver­le­gen. Die­se hat­te bis da­hin dem Stift St. Flo­rin zu Ko­blenz ge­hört, das an­ge­mes­sen ent­schä­digt wur­de. Im Mai 1327 er­war­ben Pri­or und Kon­vent der Re­gu­lar­ka­no­ni­ker der St. Ma­ri­en­kir­che von Lon­nig in­ner­halb der Mau­ern von May­en (wie man sich jetzt ge­mäß der vom Erz­bi­schof ge­trof­fe­nen Re­ge­lung nann­te) tauschwei­se Grund­stü­cke in May­en, die den ak­tu­el­len Er­for­der­nis­sen ent­spra­chen und den Neu­bau der bis heu­te ste­hen­den Pfarr­kir­che St. Cle­mens zu­lie­ßen. Dort ist das Stift bis zur Sä­ku­la­ri­sa­ti­on an­säs­sig ge­blie­ben. Die Be­nen­nung nach Lon­nig hat man bald auf­ge­ge­ben.

Im Dorf Lon­nig selbst er­in­nern da­her nur noch die äl­te­ren, aus dem Mit­tel­al­ter stam­men­den Tei­le der jetzt dem Apos­tel Ja­ko­bus ge­weih­ten Kir­che an die Zeit, in der dort ein Au­gus­ti­ner-Chor­her­ren­stift an­säs­sig war.

5. Liste der urkundlich belegten Äbte, Prioren und Kanoniker

Bor­no: Pri­or 1127/1128-1134.

Fol­mar: 1137 Propst, wohl 1142 zum Abt ge­wählt, 1143 und 1148 als sol­cher er­wähnt.

Wich­mann: 1180 Abt; mit ihm wer­den der Pri­or Ar­nold so­wie die Pries­ter­ka­no­ni­ker Lam­bert und Fried­rich ge­nannt.

Jo­hann: 1218, 1219 und 1220 als Abt be­legt; mit ihm wird 1218 der Pri­or Za­cha­ri­as ge­nannt.
 
Her­mann, Hein­rich, Pe­ter, En­gel­bert, Gi­sel­bert und Kon­rad wer­den 1229 als Her­ren - das hei­ßt Ka­no­ni­ker - zu Lon­nig ge­nannt.

Oh­ne Na­mens­nen­nung wird 1235 und 1237 ein Abt er­wähnt.

Ein na­ment­lich nicht ge­nann­ter Pri­or wur­de 1256 von ei­nem so­ci­us En­gel­bert be­glei­tet, der wohl mit dem 1229 ge­nann­ten Ka­no­ni­ker iden­tisch ist.

Ein Pri­or mit der In­itia­le H. kommt 1277 vor, er ist wohl mit dem 1292 als ver­stor­ben be­zeich­ne­ten Pri­or Her­mann iden­tisch.

En­gel­bert war 1293 Pri­or. Wenn er mit dem gleich­na­mi­gen, 1229 und 1256 be­leg­ten Ka­no­ni­ker iden­tisch ist, hät­te er ein ho­hes Le­bens­al­ter er­reicht.

Con­rad: 1300 Pri­or. Ein Streit zwi­schen dem Pri­or C. (Con­rad?) und dem Kon­vent wur­de durch die Ka­no­ni­ker Ar­nold und Fried­rich bei­ge­legt.

Hein­rich: Ka­no­ni­ker, 1307.

Fried­rich: Pri­or, 1321.
 
Hein­rich: 1327 Pri­or des Stif­tes Lon­nig zu May­en. Er hat­te das Amt mög­li­cher­wei­se schon bei der Ver­le­gung in­ne.

6. Besitzungen des Stifts Lonnig

An den fol­gen­den Or­ten be­saß das Stift Lon­nig Gü­ter und Rech­te. Ein we­sent­li­cher Teil stammt wohl aus der Grün­dungs­zeit. Auch aus den fol­gen­den Jahr­hun­der­ten sind Schen­kun­gen an das Stift be­legt. Es han­del­te sich um be­bau­te und un­be­bau­te Grund­stü­cke, die meist an Drit­te ver­lie­hen wa­ren, die da­für Ab­ga­ben in Geld und Na­tu­ra­li­en (Ge­trei­de, Wein) zu leis­ten hat­ten.

Aden­roth (Wes­ter­wald­kreis): ei­ne dor­ti­ge Schen­kung an das Stift Lon­nig wur­de 1147 vom Papst be­stä­tigt. Da­mit war 1143 das aus Lon­nig nach Schön­statt ver­leg­te Non­nen­klos­ter aus­ge­stat­tet wor­den; die­ser Be­sitz wird da­her in der Fol­ge­zeit nicht mehr er­wähnt.

Gon­dorf (Kreis May­en-Ko­blenz): hier be­saß das Stift ei­nen Hof, aus dem ei­ne Ab­ga­be an den Orts­herrn fäl­lig war (1351).

Güls (Stadt Ko­blenz): aus Ur­kun­den der Jah­re 1318 und 1321 geht her­vor, dass der ört­li­che Schult­heiß des Klos­ters Sieg­burg und sei­ne Schwes­ter dor­ti­ge Gü­ter an das Stift Lon­nig ge­schenkt hat­ten. Abt und Kon­vent zu Sieg­burg er­teil­ten da­zu ih­re Zu­stim­mung.

Kar­den (Kreis Co­chem-Zell): 1236 wa­ren dem Stift Lon­nig Wein­gär­ten zu Kar­den ge­schenkt wor­den, die 1277 ge­gen ei­nen Zins auf des­sen Le­bens­zeit an ei­nen Vi­kar des Stifts Kar­den ver­lie­hen wur­den. Im 14. Jahr­hun­dert war das Stift im Be­sitz ei­nes Ho­fes zu Kar­den, zu dem auch ei­ne Kel­ter ge­hör­te (die­se lohn­te sich nur für ei­nen grö­ße­ren Be­sitz). Mit dem Hof wa­ren um­fang­rei­che Rech­te und Pflich­ten ver­bun­den, un­ter an­de­rem ein Holz­recht im Trei­ser Wald. 

Ker­ben (Kreis May­en-Ko­blenz): we­gen sei­ner dor­ti­gen Gü­ter hat­te das Stift Lon­nig ei­nen Be­auf­trag­ten zu den jähr­li­chen Ge­richts­ta­gen zu ent­sen­den. Von die­ser Ver­pflich­tung wur­de es vor 1248 be­freit.

Ko­bern (Kreis May­en-Ko­blenz): Wie­sen in der Ge­mar­kung Ko­bern wa­ren 1344 im Be­sitz des Stif­tes Lon­nig.

Innenansicht der Pfarrkirche. (Ortsgemeinde Lonnig)

 

Ko­blenz: 1292 schenk­ten zwei Be­gi­nen dem Stift Lon­nig ein Haus in der Wei­ßer­gas­se. Da­für war ein Jahr­tag für die Schen­ke­rin­nen und wei­te­re Ver­wand­te zu hal­ten. 

Küt­tig (Kreis May­en-Ko­blenz): ei­ne Korn­gül­te von vier Mal­tern aus Gü­tern zu Küt­tig hat das Stift Lon­nig im Jahr 1322 er­wor­ben.

Leu­tes­dorf (Kreis Neu­wied): ge­gen­über von An­der­nach (al­so wohl in Leu­tes­dorf) stand dem Stift Lon­nig ei­ne Ab­ga­be aus ei­nem Wein­gar­ten zu (nicht aber der Wein­gar­ten selbst). Die­se ging 1308 an das Zis­ter­zi­en­ser­klos­ter Ma­ri­en­statt im Wes­ter­wald über. 

Lon­nig: hier be­saß das Stift seit sei­ner Grün­dung ei­nen Hof, des­sen Zu­be­hör nach und nach ver­mehrt wur­de. Zin­se, die der Herr von Ko­bern aus be­stimm­ten Häu­sern und Grund­stü­cken am Ort for­der­te, wur­den 1301 ab­ge­löst.

Min­kel­feld (Kreis May­en-Ko­blenz): ein Gut mit zu­ge­hö­ri­ger Ka­pel­le nennt die päpst­li­che Be­sitz­be­stä­ti­gung von 1147. Rech­te, die der Graf von Vir­ne­burg dar­an hat­te, schenk­te er 1219 dem Stift für sein See­len­heil. Zwölf Mor­gen Land, die das Stift ei­nem Ka­no­ni­ker von St. Kas­tor zu Ko­blenz ver­kauft hat­te, schenk­te die­ser spä­ter dem Stift zur Ab­hal­tung ei­ner Me­mo­rie (Jahr­tag mit Ge­be­ten für den Ver­stor­be­nen). 

Ober­men­dig (Kreis May­en-Ko­blenz): ein Hof mit Zu­be­hör wird in der päpst­li­chen Be­sitz­be­stä­ti­gung von 1147 er­wähnt.

Pel­lenz, Wüs­tung bei Treis (Kreis Co­chem-Zell): Zin­se aus Grund­stü­cken, die an Drit­te ver­lie­hen wa­ren, wer­den 1277 er­wähnt. Das 1329 be­leg­te Holz­recht im Trei­ser Wald ist durch die Rech­te in Pel­lenz zu er­klä­ren. Die­ser Be­sitz ist wohl stets als Zu­be­hör des Ho­fes in Kar­den an­ge­se­hen wor­den.

Plat­ten (Kreis Bern­kas­tel-Witt­lich): Äcker, Wein­gär­ten und Wie­sen zu Plat­ten wur­den 1229 vom Stift Lon­nig an das Klos­ter St. Tho­mas an der Kyll ver­kauft.

Pom­mern (Kreis Co­chem-Zell): hier be­saß das Stift Lon­nig ei­nen Hof, der 1237 in Hän­den ei­nes Gläu­bi­gers war, der in die­sem Jahr ab­ge­fun­den wur­de. Aus dem Hof wur­den ver­mut­lich Wein­gär­ten be­ar­bei­tet, die Ei­gen­tum des Klos­ters St. Trond (im heu­ti­gen Bel­gi­en) wa­ren. Dar­aus schul­de­te das Stift Lon­nig im Jahr 1263 die­sem Klos­ter ei­nen Wein­zins.

Rhein­bach­wei­ler, Stadt Rhein­bach (Rhein-Sieg-Kreis): ein Hof in Wei­ler ist 1219 als Be­sitz des Stifts Lon­nig be­legt; da­bei könn­te es sich auch um den Wei­ler­hof (sie­he dort) han­deln. 1247 tausch­te das Stift Lon­nig Grund­stü­cke zu (Rhein­bach-) Wei­ler mit dem am Ort eben­falls be­gü­ter­ten Zis­ter­zi­en­ser­klos­ter Him­merod. 1256 wur­de der Lon­ni­ger Hof durch ei­nen Trie­rer Dom­herrn er­wor­ben, der ihn für sein See­len­heil an das Klos­ter Him­merod schenk­te.

Val­len­dar (Kreis May­en-Ko­blenz): nach Schön­statt bei Val­len­dar wur­de 1143 das Non­nen­klos­ter aus Lon­nig ver­legt. Der Ort wird noch in der päpst­li­chen Be­sitz­be­stä­ti­gung für Lon­nig aus dem Jahr 1147 ge­nannt. 1210 er­hielt das Stift Lon­nig dort er­neut ei­ne Schen­kung; die­ser Wein­gar­ten und ein an­gren­zen­des Grund­stück wur­den spä­ter nicht mehr er­wähnt, sie dürf­ten – even­tu­ell im Tausch – an das be­nach­bar­te Klos­ter Schön­statt ab­ge­ge­ben wor­den sein.

Wei­ler­hof bei Pyr­mont (Kreis Co­chem-Zell): die­ser Hof war spä­ter im Be­sitz des Stifts May­en. Aus ei­nem Hof Wei­ler stan­den 1219 dem Stift Lon­nig Ab­ga­ben zu. Mög­li­cher­wei­se han­delt es sich um den Wei­ler­hof (in Fra­ge kommt auch Rhein­bach­wei­ler). 

Win­nin­gen (Kreis May­en-Ko­blenz): ein Haus mit Hof­rei­te, zu­vor in Hän­den des Aa­che­ner Ma­ri­en­stifts, von die­sem auch wei­ter­hin be­an­sprucht und 1180 zu­rück­ge­ge­ben.

Quellen

Das Ar­chiv des Stif­tes Lon­nig ist Teil des Ar­chivs des Stif­tes May­en im Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz (Best. 140). Si­gna­tu­ren und Kurz­re­ges­ten der Ur­kun­den fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Lan­des­haupt­ar­chivs.
 
Hein­rich Bey­er / Leo­pold El­tes­ter / Adam Go­erz, Ur­kun­den­buch zur Ge­schich­te der mit­tel­rhei­ni­schen Ter­ri­to­ri­en, 3 Bän­de, Co­blenz 1860-1874.

Adam Go­erz, Mit­tel­rhei­ni­sche Re­ges­ten, 4 Bän­de, Co­blenz 1876-1886.

Literatur

Lon­nig auf dem Mai­feld. Ge­schich­te und Ge­gen­wart, Lon­nig 1994.
 
Pe­ters, Wolf­gang, Ka­no­ni­ker­re­form in der Ei­fel – Sprin­giers­bach, in: Mötsch, Jo­han­nes/Schoebel, Mar­tin (Hg.), Eif­lia Sa­cra. Stu­di­en zu ei­ner Klos­ter­land­schaft 1. Auf­la­ge Mainz 1994, S. 203-220; 2. Auf­la­ge Mainz 1999, S. 205-220. 

Mötsch, Jo­han­nes, Das Au­gus­ti­ner-Chor­her­ren­stift St. Ma­ri­en zu Lon­nig, in: Mötsch, Jo­han­nes/Schoebel, Mar­tin (Hg.), Eif­lia Sa­cra. Stu­di­en zu ei­ner Klos­ter­land­schaft, 1. Auf­la­ge Mainz 1994, S. 221-239, 2. Auf­la­ge Mainz 1999, S. 221-237 [bei­de Fas­sun­gen mit Be­le­gen].

Pau­ly, Fer­di­nand, Sprin­giers­bach. Ge­schich­te des Ka­no­ni­ker­stifts und sei­ner Toch­ter­grün­dun­gen im Erz­bis­tum Trier von den An­fän­gen bis zum En­de des 18. Jahr­hun­derts, Trier 1962.

Aussicht auf Lonnig auf einer Ansichtskarte. (Ortsgemeinde Lonnig)

 
Zitationshinweis

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Mötsch, Johannes, Das Augustiner-Chorherrenstift St. Marien zu Lonnig, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/das-augustiner-chorherrenstift-st.-marien-zu-lonnig/DE-2086/lido/603e019f03a3c3.35589541 (abgerufen am 25.01.2025)