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Das Gebiet der späteren Grafschaft Wied gehörte zunächst zur Grafschaft des Engersgaues. Erstmals als „Graf von Wied“ wird Graf Metfried (1084-1145) im Jahr 1129 in einer Urkunde des Klosters St. Thomas in Andernach bezeichnet. Bereits zuvor hatte er die Stammburg des Hauses Wied im heutigen Altwied erbaut. Welche Bedeutung das Haus Wied bereits zu dieser Zeit hatte, zeigt sich daran, dass Graf Metfried seinen Kindern wichtige Kirchenämter sichern konnte. So wurde sein zweitgeborener Sohn als Arnold II. Erzbischof von Köln, seine Tochter Hedwig Äbtissin des Reichsstiftes Essen und zwei weitere Töchter wurden Äbtissinnen rheinischer Klöster. Auch in späteren Jahren findet man Mitglieder des Grafenhauses in wichtigen geistlichen Ämtern, namentlich auf dem Stuhl des Erzbischofs von Trier. Dieses erste wiedische Grafenhaus erlosch jedoch bereits im Jahr 1244 und das Gebiet der späteren Grafschaft gelangte durch Heirat an die Herren von Isenburg. Zahlreiche Erbteilungen folgten.
Die Grafschaft erstreckte sich dabei von der heutigen Stadt Neuwied am Rhein bis in die Höhen des Westerwaldes. Hinzu kamen ein paar kleine Enklaven, die in der späteren preußischen Provinz Hessen-Nassau lagen. Erst Wilhelm I. von Isenburg-Braunsberg (1327-1383) gelang es, das Gebiet der Grafschaft Wied wieder in einer Hand zu vereinigen. Er war es auch, der sich ab etwa 1340 wieder als „Graf zu Wied“ bezeichnete. Doch auch diese Linie starb im Jahr 1462 mit dem Ableben des Grafen Wilhelm II. im Mannesstamm aus und wurde über die Nichte des letzten Grafen, die mit Dietrich IV., Herrn zu Runkel, verheiratet war, vererbt.
Der gemeinsame Sohn nahm als Friedrich I. (1462-1487) den Titel eines Grafen zu Wied-Runkel-Braunsberg-Isenburg an und wird allgemein als Stammvater des noch heute existierenden Fürstenhauses Wied angesehen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hielt die Reformation in den gräflichen Landen Einzug. Eine besondere Rolle spielte dabei Graf Hermann (V.) zu Wied, der als Kölner Erzbischof (Episkopat 1515-1547) erfolglos versuchte, die Reformation im Rheinland einzuführen. Lediglich in der Grafschaft Wied konnte sich die Reformation etablieren. Im Jahre 1564 trat Graf Johann IV. (1535-1581) schließlich vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis über. Zu dieser Zeit gehörte die Grafschaft dem Wetterauer Grafenverein an, einem Bündnis evangelisch-reformierter Reichsgrafschaften unter Führung der Grafen von Nassau. Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Grafschaft Wied in eine Nieder- und eine Obergrafschaft geteilt, eine Trennung, die bis 1824 nur mit kurzer Unterbrechung andauern sollte. Die Obergrafschaft existierte fortan unter der Linie Wied-Runkel bis zum 1824. Nur unter Graf Friedrich III. (1631-1698) wurden beide Grafschaften für eine kurze Zeit wiedervereinigt.
Graf Friedrich verzichtete im Jahr 1640 auf die Regentschaft in der Obergrafschaft, die er an einen Sohn aus erster Ehe abgab, und gründete im Jahr 1653 die Stadt Neuwied als neue Residenzstadt der Niedergrafschaft, die nunmehr Wied-Neuwied genannt wurde. Nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges diente die Neugründung vor allem dem Zweck, die entvölkerte Grafschaft wieder zu besiedeln. Diesem Zweck diente auch das Toleranzedikt von 1662, welches allen Bewohnern der Stadt Neuwied Religions-und Bekenntnisfreiheit garantierte, freilich nicht ohne die führende Rolle des evangelisch-reformierten Bekenntnisses in Frage zu stellen. Religiöse Konflikte mit den angrenzenden Erzstiften Köln und Trier blieben in den folgenden Jahren nicht aus. Die Stadtgründung lässt sich damit in einer Reihe mehrerer planmäßiger Stadtgründungen des 17. und 18. Jahrhunderts einordnen, wobei die verhältnismäßig ungünstige Lage der Grafschaft Wied-Neuwied – eingekeilt zwischen katholischen Territorien – die Entwicklung erschwerte. Unter Graf Friedrich Wilhelm (1698-1737) wuchs die Stadt Neuwied nur mäßig, er errichtete allerdings das noch heute existierende Schloss Neuwied als künftige Residenz. Das Verhältnis zwischen Stadt und ländlichen Regionen der Grafschaft war dabei geprägt durch den Konflikt zwischen einer überwiegend bäuerlichen Gesellschaft und einem entstehenden Bürgertum.
Erst unter dem Sohn Friedrich Wilhelms, Graf Friedrich Alexander (1737-1791), prosperierte die Grafschaft. Er erlaubte den Zuzug von Glaubensflüchtlingen, insbesondere gewährte er einer Gruppe der Herrnhuter Brüdergemeine die Ansiedlung in Neuwied. Auch eine Mennoniten-Gemeinde entstand in Neuwied. Mit seiner Regentschaft hielten die Ideen der Aufklärung Einzug in Neuwied, wobei mehrere Versuche, überkonfessionelle Schulen zu gründen oder eine Akademie in Neuwied zu errichten, scheiterten. Überregionale Bedeutung erlangte Graf Friedrich Alexander als Direktor des Niederrheinisch-Westfälischen Grafenkollegiums, wobei er insbesondere um den Ausgleich zwischen den konfessionsverschiedenen Grafenhäusern bemüht war. Auch aus diesem Grund wurden die Grafen zu Wied im Jahr 1784 durch Kaiser Joseph II. (1741-1790, Kaiser 1765-1790) in den Reichsfürstenstand erhoben.
In den Wirren der Koalitionskriege geriet das Fürstentum Wied-Neuwied mehr und mehr zwischen die Fronten. Nach Abdankung des Fürsten Friedrich Carl (1791-1802) gelang es seinem Nachfolger zwar, durch den Reichsdeputationshauptschluss einige ehemals kurkölnische und kurtrierische Gebiete dem Fürstentum hinzuzufügen, doch Fürst Johann August (1802-1836) entschied sich gegen einen Beitritt zum Rheinbund, weshalb das Fürstentum im Jahr 1806 durch Napoleon dem Herzogtum Nassau zugeschlagen wurde. Damit endete die Geschichte des selbständigen Fürstentums Wied-Neuwied.
1815 gelangte das ehemalige Fürstentum auf dem Wiener Kongress an das Königreich Preußen. Die Fürsten zu Wied hatten als Standesherren nur noch untergeordnete politische Bedeutung, pflegten aber gute Beziehung zum Haus Hohenzollern. Mitglieder des Hauses Wied waren bis zum Ende der Monarchie im Preußischen Herrenhaus vertreten und verwandtschaftlich mit den regierenden Häusern verbunden. Besondere Erwähnung verdient in dieser Zeit der bedeutende Naturforscher Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied (1782-1867), der durch seine Reisen nach Brasilien, Nordamerika und Mexiko berühmt wurde.
Literatur (Auswahl)
Krüger, Hans-Jürgen, Das Fürstliche Haus Wied, Grafen zu Isenburg, Herren zu Runkel und Neuerburg, 3. Auflage, Werl 2011.
Reck, Johann Stephan, Geschichte der gräflichen und fürstlichen Häuser Isenburg, Runkel, Wied verbunden mit der Geschichte des Rheintales zwischen Koblenz und Andernach von Julius Caesar bis auf die neueste Zeit, Weimar 1825.
Schlüter, Roland, Calvinismus am Mittelrhein. Reformierte Kirchenzucht in der Grafschaft Wied-Neuwied 1648-1806, Köln [u.a.] 2010.
Troßbach, Werner, Der Schatten der Aufklärung. Bauern, Bürger und Illuminaten in der Grafschaft Wied-Neuwied, Fulda 1991.
Tullius, Wilhelm, Die wechselvolle Geschichte des Hauses Wied, 2. Auflage, Neuwied 2003.
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Schlüter, Roland, Fürstentum Wied-Neuwied, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/fuerstentum-wied-neuwied/DE-2086/lido/5d0215dcc4cc10.19983005 (abgerufen am 09.12.2024)