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2. 1 Burg
Die seit 1531(LAV NRW R JB III R Eusk. 2) bezeugte (nach ihren Besitzern benannte) Bleivers- bzw. (seit 1617) Schallenburg (LAV NRW R Eusk. Kapuziner Akt 2)in der Schallenburger Straße (Tafel 2, Grundriss) hat seit ihrer ersten Nennung zu keiner Zeit die Funktion einer Orts- oder Landesburg gehabt, sie war ein ursprünglich befestigter Rittersitz (III 1 Grundherrschaft)
2. 2 Vorstädtische Siedlung, Siedlungsentwicklung, Befestigung
Seit dem 7./8. Jahrhundert (I 2) im Umkreis (1–2 km) der Urpfarrkirche Euskirchens (St. Martin, I 2 und IV 1), die zugehörigen Weiler Kessenich und Disternich (I 6) sowie die Hofsiedlung Rüdesheim mit Hof(pfarr)kirche St. Georg (I 6 und IV sowie insgesamt (Fink). Seit etwa 1270 (III 1 Gerichtsherrschaft) Aufgabe dieser Siedlungen und Neuansiedlung ihrer Bewohner bei der Martinskirche sowie gleichzeitige Befestigungsanlage (Wall und Graben, III 2 zu 1302). Dabei gerät die Kirche innerhalb der neuen Gesamtsiedlung aufgrund der Berücksichtigung des 250 m südöstlich der Kirche gelegenen Villikationszentrums (Mühle und Dinghof) der Herren von Heinsberg (Ortsherren) bzw. der Abtei St. Pantaleon (III 1 Gerichts- und Grundherrschaft) und unter Nutzung des Veybaches in eine nordwestliche Randlage. Viertelweise Ansiedlung der drei genannten Dörfer innerhalb der neuen Siedlung unter Beibehaltung ihrer alten Nachbarschafts- bzw. Honschaftsorganisationen (III 6). Den Gesamtvorgang schildert um 1494 (bei Untersuchung innerstädtischer Pfarrgrenzen) ein aufgenommenes Protokoll eines Euskirchenerer Zeugenaussagen:
So haint etligen davan underrichtonge gedain ind sprechen, dat si van iren vurfaren hain gehoirt, wie dat vier dorper bi Eusskirchen bieinandern geleigen haven, dat eine dorp geheischen Eusskirchen, dat nu de stat ist, dat ander Disternich, dat dierde Kessenich ind dat veirde Roedesheym. De vier dorper sint des oeverkomen mit hulpen der hern, umb dat si in kriegsleuffen, so si am orde sitzen ind vielich sin mochten eine stat gemaicht uis eime dorp, dat nu Eusskirchen ist, de lude der andern dorper sint binnen de stat allenzelen gezoegen mit der woenongen, der eine boeven in de stat, der ander meden in de stat, darna dat ein ieder gebliven konde ind mallich ist in sinre kirspelkirchen ind bi sinre hoenschaft bleven, da he vur gehoirt (Redlich I, S. 112)
Die Siedlungsleitlinien (bzw. Zentren) der Honschaften Disternich und Kessenich waren die innerstädtischen Ausläufer der alten Kirchwege von Disternich und Kessenich zur Martinskirche, die Disternicher und Kessenicher Straße (Tafel 2, Ur-Messtischblatt und Grundriss), wogegen die kleinste, die Rüdesheimer Honschaft in südwestlicher Randlage (am Ausgangspunkt des Kirchweges zur außerhalb, am alten Siedlungsplatz verbliebenen Rüdesheimer Pfarrkirche St. Georg) ein schmales, durch Viehmarkt, Kapellenstraße (mit dem jüngeren, neuen Kirchen- und Gerichtszentrum, III 1 Gerichtsherrschaft, der Antoniuskapelle, IV 4) und Wolfsgäßchen (mit dem Zehnthof der Georgspfarrei) umschriebenes Viertel (Tafel 2, Grundriss) besiedelte. Die Honschaft Euskirchen gab den Namen (der in vorstädtischen Zeit vielleicht sogar nur auf die Martinskirche zu beziehen ist, vgl. hierzu die Belege bei I 3 bis zu 1302) für die Gesamtsiedlung ab und ging in der Honschaft Disternich auf (1710/11 wohnen von insgesamt 229 Familien (StaE B I a 4) 113 in der Disternichter Honschaft, ebda. C VI a). Die Viertel der Disternicher und Kessenicher Honschaften entsprachen dem innerstädtischen Bereich der Martins-, das Viertel der Rüdesheimer Honschaft dem der Georgspfarrei (= sogenannte kleine Pfarrei mit 1536 ca. 100 Kommunikanten intra muros, V 1 und 4)
Aufgrund der Dreizahl der Honschaften nur drei (statt der für diesen Grundriss normalen vier) nach den Honschaften benannte Stadttore (II 3), die (nach ihrer Bauweise) im Zusammenhang mit der zweiten Befestigung, dem Mauerbau Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden sind. 1538 wird die Nordostecke der Stadtbefestigung durch ein vorgelagertes Bollwerk (Tafel 2, Grundriss) verstärkt (v. Below, Landtagsakten I, S. 253)
Stadtbrände: 1533 (mit Pfarrhof St. Martin, Rathaus und Archiv, 561 brandgeschädigte Eeinwohner, V 1), 1624 (36 Häuser, Hospital und Schallenburg, Heimat 8, S. 35) 1646 bei Belagerung und Beschießung durch die kaiserliche Truppen ⅓ der Stadt abgebrannt(ebda. 5, S. 27), 1734 (49 Häuser, 43 Scheunen und Ställe, Pfarrhaus St. Martin und neues Hospital, StaE B VI i 1 und LAV NRW R Münstereifel Jesuiten Akt 13), 1886 (12 Häuser, 25 Scheunen und Ställe, Synagoge,Heimat 3, S. 58); 1944/45 zu über 80% zerstört
Keine Erweiterung des Euskirchener im 13. Jahrhundert umwehrten Siedlungsareals; erster Mauerdurchbruch (Neutor, II 3) zur Verkehrsanbindung (I 1) 1809; seit den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts (vergleichsweise spät) Abbruch der Stadtbefestigung (Dicker Turm mit anschließendem Teilstück der Stadtmauer hinter der Martinskirche erhalten), 1879 Durchbruch der Annaturm-, 1881 der Kirchstraße; zuletzt wurde der südöstliche Teil der Stadtbefestigung beim Bau der Herz-Jesu-Kirche (IV 1) 1906/08 niedergelegt (insgesamt Heimat 5, S. 50 ff). Durch- und Abbrüche als Richtungshinweise für die Siedlungsentwicklung über die Stadtmauer hinaus, wobei insbesondere die seit den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts gebauten Landstraßen (I 1, zuerst Kölner- und Kommerner-, danach auch Münstereifeler Straße) zu Bebauungsleitlinien wurden. Insgesamt aber ein ringförmiges Wachstum (vgl. Tafel 2, Luftbild)
Entscheidende Veränderung des Stadtbildes durch den Bahnhofsbau 1863 ca. 200 m südöstlich der Altstadt mit Schwerpunktverlagerung vom Nordwesten (Martinskirche, Rathaus) zu dem im Zuge der Neu- und Bahnhofsstraße entstandenen Geschäftsviertel (Marktfunktion, IV 5), dem derzeitigen Hauptgeschäftsstraßenzug zwischen Markt und Bahnhof
Leitlinie für die Ansiedlung (außerhalb der mittelalterlichen Stadt) der älteren Fabriken der in Euskirchen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufblühenden Textilindustrie (IV 4 und 5) war der Veybach, insbesondere im Südwesten der Stadt (Tafel 2, Ur-Messtischblatt), jüngere (nicht mehr so auf Wasser angewiesene) Anlagen suchten dagegen Gleisanschluss, daher eine breite Industriezone im Südwesten bis Südosten im Gegensatz zu den weiterhin vorherrschend agrarwirtschaftlich ausgerichteten nördlichen und nordwestlichen Stadtteilen. Zurzeit Bemühungen um eine Sanierung des Altstadtbereichs und um Vollendung einer (ringförmigen) Umgehungsstraße (vgl. insgesamt die Stadtpläne von 1877, 1906 und 1924,Festschrift II, S. 379 ff )
2. 3 Tore
Drei Stadttore (vgl. hierzu auch II 2)
1501 Disternicher, Rodesheimer (= Rüdesheimer) und Keyssenicher (= Kessenicher) Tore (LAV NRW R JB III R Eusk. 172)
1809 Rheinbacher oder Neutor = Durchbruch der Stadtmauer an der Kelk bzw. Neustraße, 1825 bei Ausbau der Kölner Straße abgebrochen (vgl. insgesamt Tafel 2, Grundriss und Heimat 5, S. 25 ff)
2. 4 Türme
1501 großer = 1628 Dicker Turm (LAV NRW R JB III R Eusk. 172 und 173)
1531 Vanckthorn = 1730 Hellenturm (Heimat 5, S. 65 f)
1543 Callenturm (LAV NRW R JB III R Eusk. 2)
1546 Freßen (ebda. 3) = 1697 Blankenheimer Turm (StaE C VI a)
1667 Mullenstroturm (ebda. A 43) = 1790 Annaturm (Heimat 5, S. 58)
2. 5 Straßen, Plätze, Gebäude
Urriss der seit etwa 1270 entstandenen und 1302 zur Stadt erhobenen (III 3) Gesamtsiedlung (mit fast kreisrundem, im Südosten – durch Veybach bedingten – begradigtem Grundriss) wahrscheinlich durch die innerstädtischen Teile der Wege von Kessenich (Kessenicher Straße) und Disternich (Disternicher Straße) zum Heinsberger bzw. Pantaleoner Villikationszentrum (Mühlenhof am Ende der Löhrergasse, s. u., die ursprünglich wahrscheinlich in direkter Verbindung mit der Kessenicher Straße stand) und deren Abzweige zur Martinskirche (Baum- und Hochstraße) bestimmt. Verbindung nach Rüdesheim dagegen sekundär, da dort eigene Pfarrkirche (St. Georg, IV 1) und Villikation (III 1 Grund- und Gerichtsherrschaft). 1628 innerhalb des genannten Dreiecks (Disternicher, Löhrer-, Kessenicher, Baum- und Hochstraße) 99 (von insgesamt 222) Häuser (LAV NRW R JB III R Eusk. 173) und 1801 in 142 (von insgesamt 274) Häusern 753 (von insgesamt 1337) Einwohner (V 1). An der wichtigen Straßengabel der Disternicher Straße und Löhrergasse lagen die zur Heinsberger bzw. Pantaleoner Villikation gehörenden Rittersitze Kürtenhof und neben der Mühle Schallenburg (III 1 Grundherrschaft). Vor der Kirche die ungewöhnlich breite Kirchgasse (Versammlungsplatz), an deren anderem Ende das vor 1533 erbaute Rathaus (s. u.). Der wahrscheinlich zwischen 1302 und 1322 (III 2 und 3) abgesteckte Marktplatz (= alter Markt im Vergleich zum jüngeren Markt bzw. Geißen- oder Viehmarkt am Rüdesheimer Tor; der in der Urkarte von 1829 – Tafel 2, Grundriss – vor der Martinskirche eingetragene Markt ist dort erst im 19. Jahrhundert eingerichtet worden, III 2) lag an der Westseite des ursprünglich wohl durchlaufenden Straßenzuges der Kessenicher Straße und Löhrergasse. Schwache Bebauung und Baureserven in den bis ins 19. Jahrhundert sumpffeuchten Vierteln am Entenpfuhl im Süden und auf der Kelk (Abwässersammelstelle der Gerber) im Nordosten (vgl. Tafel 2, Grundriss). Gerberbetriebe (V 4) bis ins 18. Jahrhundert entlang des Stadtbaches in der Löhrergasse, dann auf der Kelk. Größere Bauernhöfe vornehmlich an den Ausfallstraßen am Disternicher und Kessenicher Tor
Straßen und Plätze
Die insgesamt späte Überlieferung der Straßennamen ist wohl auf den Verlust der städtischen Archivalien beim Stadtbrand von 1533 (II 2) zurückzuführen; vgl. hierzu insgesamt Tafel 2, Grundriss
1368 bei dem marte (StaK Pantaleon 219)
1420 Judengasse (Festschrift II, S. 439) = heute Bischofsgasse
1501 am Wall, up der bach = 1628 Löhrergasse (LAV NRW R JB III R Eusk. 173) = 1801 Kapuzinerstraße (V 1) = 1829 Schallenburger Straße = heutige Klosterstraße, an der Kelk = seit 1828 Neue Straße, am Endenpoill = Entenpfuhl (LAV NRW R JB III R Eusk. 172)
(1533) Pilgramsgaße (Festschrift II, S. 448) = 1628 Vuvengasse (LAV NRW R JB III R Eusk. 173)
1625 am Altenmark (StaE A VI c) = 1829 Markt
1628 daneben Kapellengasse, Hohe Straße, Kessenicher Straße, Spiegelgasse, Zehntgasse (heute Zehnthofgasse), Kessenicher Wall, Burgerstraße = ?, Bleigasse, Mühlengasse = 1801 Kapuzinergasse (V 1) = 1829 Klosterstraße, Colnische Straße = ?, Pylgasse = 1829 Pielsgäßchen
1691 Baumstraße (StaE A VI c)
1711 Verckesmarck[ (Heimat 1, S. 186)= 1801 Geißenmarkt (V 1) = 1829 Viehmarkt
1801 Thurngasse (V 1) = 1829 Anna Thurmgasse
1829 Unterste und Oberste Marktgasse, bald in Annaturmstraße und Rathausgasse umbenannt
2. 5 Gebäude
1471 unser hern hoeve (LAV NRW R JB III R Eusk. 1) = landesherrliche Kellnerei Ecke Hochstraße, Entenpfuhl und Bleigäßchen
1501 burger huyß (ebda. 172) = 1533 abgebranntes Rathaus am Ende der Kirchgasse, in der Mitte zwischen Martinskirche und Markt; Neubau mit offener Säulenhalle im Erdgeschoss (s. u. zu 1521), 1625 abgebrannt, zweistöckiger Neubau, 1900 bzw. 1937 erweitert, 1944 zu 80% zerstört, bis 1952 wiederhergestellt (Festschrift I, S. 346 f)
1521 (Kauf)Halle (LAV NRW R JB III R Eusk. 2) = offene Säulenhalle des Rathauses, in der 4 Fleischbänke standen (ebda.3)
1534 landesherrliches Schuythaus und Zehntscheune (ebda.1) an der Zehnthofgasse erbaut
1680 Färbhaus am Disternicher Tor (StaE A VI c)
2. 6 Rechtsdenkmäler
1558 Hundshäuschen neben dem Rathaus, später auf dem Markt (Heimat 2, S. 434)
1625 Halsband (Pranger) am Kaixhauß erneuert (ebda.)
1709 neues Trillhäuschen unter dem Rathaus aufgestellt (StaE B I g)
Landesherrliches Gefängnis im Fangturm (II 4), Galgen auf dem Richtplatz am Ortholz (= landesherrliches Waldstück 2 km südlich der mittelalterlichen Stadt an der Gemarkungsgrenze, vgl. Tafel 2, Ur-Messtischblatt, Heimat 2, S. 417)
2. 7 Größe des umwehrten Areals
West-Ost ca. 500 m, Nord-Süd ca. 450 m = ca. 22 ha
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Flink, Klaus, Rheinischer Städteatlas Euskirchen. Teil 2: Topographie, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/rheinischer-staedteatlas-euskirchen.-teil-2-topographie/DE-2086/lido/5d760a7f6711a9.25856094 (abgerufen am 05.12.2024)