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Der aus der Aachener Marienkirche Karls des Großen hervorgegangene Aachener Dom hat in seiner über zwölfhundertjährigen Geschichte zweimal die Kathedra (Sitz) eines Bischofs beherbergt: in napoleonischer Zeit und seit 1930. So gehörten viele der heutigen Pfarreien ursprünglich entweder zum Erzbistum Köln oder zum alten Bistum (Tongern – Maastricht –) Lüttich, oder gar zu Roermond, Münster oder Trier.
Die Französische Revolution brachte für die Kirche tief greifende Änderungen. Nach Abklingen der antikirchlichen Maßnahmen wurde am 10.9.1801 zwischen dem Ersten Konsul der Republik, Napoleon Bonaparte, und Papst Pius VII. (Pontifikat 1800-1823) ein Konkordat geschlossen, das durch die am 8.4.1802 einseitig von Napoleon erlassenen „Organischen Artikel“ die absolute Hoheit des Staates über die Kirche verankerte.
Am 9.4.1802 wurde bekannt gegeben, dass die katholische Kirche Frankreichs fortan in zehn Erzbistümer und 50 Bistümer organisiert sei. Für die beiden neu eingerichteten Départements Roer und Rhin et Moselle wurde eigens ein neues Bistum, das Bistum Aachen, geschaffen. Zusammen mit den Suffraganen Gent, Lüttich, Mainz, Namur, Tournai und Trier unterstand es dem Erzbistum Mecheln. Es umfasste überwiegend den linksrheinischen Teil des aufgelösten Erzbistums Köln und Gebiete der im Rang erniedrigten früheren Erzbistümer Mainz und Trier sowie der alten Bistümer Lüttich, Roermond und Utrecht. Das etwa 270 Kilometer lange und etwa 75 Kilometer breite Bistum reichte im Norden bis Kranenburg, Kleve und Kalkar, im Süden bis nach Kreuznach. Im Westen bildete die Linie Horst – Sittard – Aachen – Monschau – Gemünd – Pünderich – Kirn, im Osten der Rhein die Grenze. Bis auf wenige kleine Randgebiete umfasste das französische Bistum alle Pfarreien des heutigen Bistums Aachen. Im Süden der heutigen Diözese gehörten die damaligen Arrondissements Blankenheim und Reifferscheid zur neu umschriebenen Diözese Trier, die Kantonalpfarrei Kronenberg zur Diözese Lüttich.
Entscheidend für die Wahl Aachens zum Vorort des Départements Roer und zum Sitz des deutschsprachigen Bistums dürfte die Verehrung Napoleons für Karl den Großen, die Nähe der Badestadt zur Sprachgrenze und das noch aus reichsstädtischer Zeit vorhandene geschichtsträchtige Marienstift gewesen sein. Am 25.7.1802 erfolgte die Inthronisation des am 9.5.1802 ernannten Bischofs Marc Antoine Berdolet (1740-1809), der die staatliche Oberhoheit in kirchlichen Fragen respektierte, sich als Elsässer der deutschen und französischen Kultur verpflichtet fühlte und beide Sprachen beherrschte.
Das neue Bistum war willkürlich aus verschiedenen Diözesen zusammengesetzt. Verwaltungsbehörden fehlten, Pfarreien mussten gegründet, alte neu umschrieben werden. Die große Ausdehnung machte die Errichtung eines Bischöflichen Rates als zweite Verwaltungsbehörde mit Sitz in Koblenz erforderlich. Priesteramtskandidaten bereiteten sich weiterhin im Kölner Seminar auf ihre Weihen vor. In Aachen selbst verfügte Bischof Berdolet am 19.11.1802 die Errichtung eines Domkapitels an dem zur Kathedrale erhobenen Liebfrauenmünster, dem die Regierung am 22.6.1803 zustimmte. Mit seinen Generalvikaren Martin Fonck und Michael Klinkenberg gab Bischof Berdolet dem Bistum mit seiner rund 1 Million Katholiken einschließlich der 4.000 Priester eine funktionsfähige Organisation, die auch die 1802 durchgeführte Säkularisation der Stifter und Klöster zu berücksichtigen hatte. Nach der am 1.3.1804 erfolgten und bis 1808 wiederholt modifizierten Pfarrumschreibung gliederte sich die Aachener Diözese in etwa 80 Haupt- und 750 Hilfspfarreien. Die von Bischof Berdolet vorgenommene Pfarrumschreibung überdauerte im Großen und Ganzen den ersten Bischof und die französische Diözese Aachen bis in die Gegenwart.
Nachdem Bischof Berdolet am 13.8.1809 verstorben war, ernannte Napoleon am 22.11.1810 Jean Denis François Le Camus (1752-1814) zum neuen Bischof von Aachen. Doch blieben dem Ernannten, der am 4.1.1811 seinen Einzug hielt, die päpstliche Bestätigung und die Bischofsweihe versagt, da es zwischen Kaiser und Papst zum Bruch gekommen war.
Mitte Januar 1814 floh Le Camus vor den vordringenden Truppen der Alliierten aus Aachen. Obwohl kein neuer Bischof ernannt und inthronisiert wurde, blieb das Bistum Aachen vorerst bestehen. Durch Breve Pius VII. vom 25.8.1818 wurde es noch um die an Preußen gefallenen Gebiete des damaligen Bistums Lüttich vergrößert. Die Verwaltung des vakanten Bistums lag weiter in den Händen der umsichtigen Generalvikare.
Durch die vom 16.7.1821 datierte päpstliche Bulle „De salute animarum“ war ein Ende des Provisoriums in Sicht. Das mit dem Makel der Revolution behaftete Bistum Aachen sollte aufgelöst und das Erzbistum Köln wieder eingerichtet werden. Die formelle Auflösung des Bistums Aachen erfolgte am 24.3.1825. Dem noch amtierenden Generalvikar Fonck war es gelungen, die Gebiete des bisherigen Bistums Aachen in die neuen politischen Verhältnisse reibungslos einzugliedern. Er schuf mit die Grundlage für den streng kirchlichen Katholizismus des Aachener Raumes.
In der Grenzstadt Aachen, der Stadt Karls des Großen, die über das Mittelalter hinaus ein politisch-kultureller Mittelpunkt des alten Reiches gewesen war und die im 19. Jahrhundert zu einem Zentrum des treukirchlichen Katholizismus aufstieg, blieb die Erinnerung an das kurzlebige, unter Napoleon gegründete Bistum lebendig. In der preußischen Zeit wuchs der Wunsch, nicht nur am Liebfrauenmünster ein Kollegiatstift zu besitzen, sondern aus der übergroßen Erzdiözese Köln auszuscheiden und wieder einen bischöflichen Sitz zu beherbergen.
Die eine neue Aachener Diözese betreffenden Fragen waren Gegenstand der seit 1925 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Preußen geführten Konkordatsverhandlungen. Da seit der Jahrhundertwende die Anzahl der Kölner Diözesanen von rund 2,5 Millionen um etwa 1 Million gestiegen war, entstand vorübergehend sogar der Plan nach einer weiteren Aufteilung des rheinischen Erzbistums. So wurde neben Aachen zusätzlich Mönchengladbach als Bischofssitz genannt. Für Aachen als Bischofssitz sprachen neben historischen und geographischen Gesichtspunkten vor allem finanzielle Vorteile, weil an bestehende Einrichtungen angeknüpft werden konnte.
Das am 14.6.1929 in Berlin unterzeichnete Preußische Konkordat lieferte die staatsrechtliche Voraussetzung für die geplante Errichtung einer Aachener Diözese, die aus dem Regierungsbezirk Aachen sowie den Kreisen Grevenbroich, Gladbach, München-Gladbach, Rheydt, Krefeld (Stadt und Land) und Kempen bestehen sollte. Das Aachener Kollegiatstift, am 28.1.1826 anstelle des aufgelösten französischen Domkapitels eingerichtet, wurde in ein Kathedralkapitel umgewandelt. Ihm gehörten neben dem Propst sechs residierende Kapitulare an. Dazu kamen vier nicht residierende Kapitulare und sechs Vikare. Dem noch nicht gewählten Bischof sollte ein Weihbischof zur Seite stehen. Am Sonntag, dem 31.8.1930, wurde die feierliche Errichtung der Diözese formell vollzogen.
Das neue Bistum umfasste 36 Dekanate mit 432 Pfarreien und 47 Rektoraten. Im Bistum lebten 1.162.182 Katholiken. Insgesamt waren 944 Priester in der neuen Diözese inkardiniert (das heißt zum Dienst verpflichtet). Mit Ausnahme des damaligen Landkreises Kempen-Krefeld, der zum Bistum Münster gehörte, wurde das Gebiet von Köln abgetrennt. Erster Bischof wurde Dr. Joseph Vogt, der als Kölner Generalvikar die notwendige, aber schwierige verwaltungsmäßige Trennung der neuen Diözese vom Mutterbistum in die Wege geleitet hatte. Bischof Vogt, der am 24.3.1931 offiziell von seiner Diözese Besitz ergriff, ernannte Weihbischof und Dompropst Dr. Hermann Joseph Sträter zu seinem Generalvikar. Beide widmeten sich der notwendigen Aufbauarbeit, die schon bald nach der nationalsozialistischen Machtübernahme unterbrochen wurde.
Literatur
Löhr, Wolfgang / Wynands, Dieter, Vom ersten zum zweiten Bistum Aachen, Straßburg 1997.
Wynands, Dieter, Zur Geschichte des alten und des neuen Bistums Aachen, in: Schmalenberg, Hans-Günther (Hg.), Köpfe – Gestalten – Bistum Aachen – Schlaglichter, 2. Auflage, Aachen 1989, S. 95-101.
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Wynands, Dieter P. J., Bistum Aachen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/bistum-aachen-/DE-2086/lido/57d11a029d3842.44397041 (abgerufen am 07.10.2024)