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Die Stadt Mönchengladbach in ihrem heutigen Umfang besteht seit dem 1.1.1975 aufgrund der kommunalen Neuordnung im Land Nordrhein-Westfalen. Damals wurden die Städte Mönchengladbach und Rheydt sowie die kreisangehörige Gemeinde Wickrath zu einer neuen Stadt zusammengelegt. 1929 hatte es schon einmal einen Zusammenschluss der beiden Städte und einiger Randgemeinden gegeben. Doch wurde dies 1933 auf Betreiben des aus Rheydt stammenden „Reichspropagandaministers" Joseph Goebbels (1897-1945) wieder rückgängig gemacht.
Erstmals erwähnt werden die beiden späteren Städte in einer im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts niedergeschriebenen Quelle über die Gründung der Benediktinerabtei Gladbach im Jahr 974 durch den Kölner Erzbischof Gero (um 900-976) und den Abt Sandrad (920/925-985/986). Darin wird berichtet, dass der Kölner Erzbischof Everger (gestorben 999) vor der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert die Pfarren Gladbach und Rheydt mit der Diözese Lüttich gegen die Pfarreien Venlo (Niederländische Provinz Limburg), Lobberich (Stadtteil von Nettetal) und Tegelen (Stadtteil von Venlo) tauschte. Als zu Anfang des 14. Jahrhunderts die späteren Herzöge von Jülich das Erbe der Grafen von Kessel antraten, kamen beide Orte zu deren Territorium. 1345 belehnte Markgraf Wilhelm von Jülich (um 1299-1361) Ritter Johann von Rheydt (gestorben 1345) mit Burg und Herrschaft Rheydt, die 1500 an Heinrich von Bylandt (gestorben 1513) gingen. Sein Enkel Otto von Bylandt (1531-1591) versuchte, Rheydt aus dem Lehensverband mit Jülich zu lösen und zur reichsunmittelbaren Herrschaft zu machen. Doch scheiterte er, und Rheydt blieb bis zum Einmarsch der Franzosen 1794 eine jülichsche Unterherrschaft. Stadt wurde es erst durch die Verleihung der Rheinischen Städteordnung 1856.
Anders verlief die Geschichte Mönchengladbachs. Es löste sich nach und nach aus der Abhängigkeit von der Abtei und erhielt zwischen 1364 und 1366 Stadtrechte. Es hieß damals zumeist Gladbach, obgleich auch die Bezeichnungen München Gladbach und Mönchengladbach gelegentlich auftauchten. Offiziell wurde die heutige Namensform erst 1960 durch Beschluss der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, um Verwechslungen mit München in Bayern zu vermeiden.
Die vom späten 12. bis zum frühen 14. Jahrhundert bezeugten Gewerbetreibenden in Mönchengladbach waren durchweg noch von der Abtei abhängig. Danach lockerten sich die Bindungen an die Klosterwirtschaft, und die Versorgung der wachsenden Stadtbevölkerung trat in den Vordergrund. Seit dem späten 14.Jahrhundert entwickelte sich Mönchengladbach zu einem Handelszentrum, in dem Juden und Lombarden ansässig waren. Zur gleichen Zeit lässt sich darauf schließen, dass dort Leinenweber arbeiteten. Tuche wurden genauso wie die im 16. Jahrhundert nachweisbaren Feuerwaffen aus Mönchengladbach wurden im Verlagssystem vertrieben. Unter den Webern und Verlegern waren zahlreiche Täufer. Sie wurden ab 1654 vertrieben, was zu einer Schwächung der wirtschaftlichen Entwicklung führte, die noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts spürbar war.
Während sich in Mönchengladbach der Katholizismus unter dem Einfluss der auf Reformen bedachten Abtei weitgehend behaupten konnte, setzte sich in Rheydt der Calvinismus durch, zu dem sich die Frau Ottos von Bylandt, Maria von Bongart (gestorben 1616) offen bekannte. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren 77 Prozent der Bevölkerung reformiert und 22 Prozent katholisch. In Mönchengladbach hingegen bekannten sich damals etwa nur 5 Prozent der Einwohner zum reformierten Glauben. Nach Jahrzehnten der Unterdrückung hatten die dortigen Reformierten ab Anfang des 17. Jahrhunderts ihre Religion öffentlich ausüben dürfen.
Wie in Mönchengladbach spielte auch in Rheydt die Leinenweberei eine wichtige Rolle. In beiden Orten konnte sie sich bis um 1880 halten, stand aber schon seit Ende des 18. Jahrhunderts in Konkurrenz zur Baumwollverarbeitung, die sie schließlich gänzlich verdrängte. In der Franzosenzeit (1794-1814/1915) wanderten verstärkt bergische Kaufleute zu, die Baumwollmanufakturen gründeten. Von besonderer Bedeutung waren die Baumwollspinnereien, in denen 1836 ungefähr ein Viertel aller Baumwollspindeln der Rheinprovinz im Gladbach-Rheydter Industriebezirk liefen. Bis in die 1860-er Jahre war Kinderarbeit in der Textilindustrie keine Seltenheit. Um 1860 wurde der mechanische Webstuhl eingeführt, wodurch die Handweberei bis zum Ende des 19. Jahrhunderts langsam zugrunde ging. Etwa zur gleichen Zeit siedelte sich die Maschinenindustrie an, deren Schwerpunkt die Herstellung von Webautomaten und Spinnmaschinen war. Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Gladbach-Rheydter Raums wird auch durch die Entstehung eines dichten Eisenbahnnetzes um Mönchengladbach deutlich. 1851 wurde die Eisenbahnstrecke von Mönchengladbach über Krefeld in das Ruhrgebiet nach (Duisburg-) Hamborn fertig. Ein Jahr später eröffnete man die Strecke von Mönchengladbach nach Rheydt und 1853 die von (Düsseldorf-) Oberkassel über Neuss nach Mönchengladbach sowie die von Rheydt nach Aachen. 1866 wurde Mönchengladbach über die Eisenbahn mit Venlo in den Niederlanden verbunden. 1879 entstand die für die Textilindustrie so wichtige so genannte Baumwollbahn von Mönchengladbach über Roermond in den Niederlanden bis zum Seehafen von Antwerpen. Der Ausbau der Strecke nach Köln über Grevenbroich erfolgte erst 1899. Damit war der Mönchengladbacher Raum verkehrsmäßig gut erschlossen.
Der Rang der Landwirtschaft war stetig zurückgegangen. Auch das Handwerk spielte nach der Mitte des 19. Jahrhunderts keine große Rolle mehr. Beherrschend blieb die Textilindustrie, zu der noch zu Ende des Jahrhunderts die Konfektionsbetriebe hinzukamen und die mit dem Textilsektor verbundene Maschinenindustrie. In Rheydt entstanden damals zusätzlich Kabel- und elektrotechnische Werke. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Mönchengladbach das „Rheinische Manchester" genannt. Eine Arbeiterbewegung und politische Parteien entwickelten sich erst ab 1860/1870. In beiden Städten war die wirtschaftliche Oberschicht evangelisch-reformiert. Durch Zuwanderung besonders aus dem katholischen Umland nahm die Zahl der Katholiken in Rheydt nach und nach zu, die 1905 schon 53 Prozent der Bevölkerung ausmachten. In Mönchengladbach betrug der Anteil der Katholiken im gleichen Jahr 81,5 Prozent. Nach der kommunalen Neuordnung von 1975 machten sie immer noch über 70 Prozent aus.
Von herausragender Bedeutung für die katholische Arbeiterbewegung in Deutschland wurde der 1890 in Mönchengladbach gegründete „Volksverein für das katholische Deutschland", an dessen Spitze der Mönchengladbacher Unternehmer Franz Brandts trat (1834-1914). Diese Vereinigung schulte die Arbeiter besonders in Mönchengladbach in Seminaren, um sie mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen vertraut zu machen. Spöttisch wurde in diesem Zusammenhang von der „Klippuniversität Gladbach" gesprochen. Ab 1899 erschien in Mönchengladbach die „Westdeutsche Arbeiterzeitung" als Organ der katholischen Arbeitervereine. 1905 entstand der „Volksvereinsverlag" mit eigener Druckerei und 1910 die „Lichtbilderei", die eigene Diaserien und Filme herstellen ließ und damit ganz auf der Höhe der Zeit war. Außerdem baute der Volksverein eine eigene sozialwissenschaftliche Bibliothek auf, die es auf 94.000 Bände brachte, den sozialpolitisch tätigen „Männern des Volksvereins" − wie etwa dem späteren Zentrumspolitiker und Hochschullehrer Franz Hitze (1851-1921), dem Generaldirektor des Volksvereins und Zentrumspolitiker August Pieper (1866-1942), dem Sozialreformer Carl Sonnenschein (1876-1929), dem späteren langjährigen Arbeitsminister in der Weimarer Republik Heinrich Brauns und dem späteren Bischof von Aachen Johannes Joseph van der Velden − für ihre Studien diente und auch über einen Leihverkehr benutzbar war. Durch den Volksverein wurde Mönchengladbach zu einem Begriff in der von der Zentrumspartei angestrebten Sozialpolitik, die den Staat in die Pflicht nahm. 1933 wurde der Volksverein von den Nationalsozialisten aufgelöst.
Eng verbunden mit der wirtschaftlichen Bedeutung Mönchengladbachs und Rheydts waren die Niederlassungen zahlreicher weiblicher Orden, der Alexianer und die Entstehung des Franziskanerklosters in Mönchengladbach 1889, in dem die Kölnische Franziskanerprovinz von 1929 bis 1962 das Ordensstudium unterhielt und eine große Bibliothek von circa 70.000 Bänden aufbaute.
Von überlokaler Bedeutung war die 1901 auf Initiative der Städte Mönchengladbach, Rheydt und anderer gegründete Textilschule. Sie ist heute eine der Zellen, aus der die Hochschule Niederrhein entstanden ist und an die noch der Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik am Standort Mönchengladbach erinnert. In Mönchengladbach sind zwar bis heute größere Betriebe der Textil- und Textilmaschinenindustrie beheimatet, doch nahm ihre Vorrangstellung ab den 1960er Jahre schnell ab. Stattdessen erhielt der tertiäre Sektor (Dienstleistungen) eine immer größere Bedeutung.
Eine Besonderheit der Stadt ist das „Hauptquartier" im Stadtteil Rheindahlen. Es entstand von 1952 bis 1954 und war das größte Bauprojekt, das jemals in Mönchengladbach verwirklicht worden ist. Es wurde von den britischen Streitkräften errichtet und umfasst 400 Hektar. Es ist durchzogen von fast 100 Straßen, die mit nur einer Ausnahme englisch bezeichnet sind. Es hat eigene Versorgungseinrichtungen, Stabsgebäude, Kasernen, Schulen, Kirchen und Wohnhäuser. Es beherbergte zwei Nato- und zwei britische Hauptquartiere. Was nach dem Abzug des Schnellen Nato Eingreifkorps (ARCC) geschieht, das die militärischen Anlagen zurzeit nutzt, ist noch nicht endgültig entschieden. Besonders stolz sind die Mönchengladbacher auf ihren 1900 gegründeten Fußballverein „Borussia". Nach der Aufgabe des traditionsreichen, 1919 eingeweihten Stadions „Bökelberg" (damals noch unter der Bezeichnung „Westdeutsches Stadion") hat der Verein seit 2004 eine moderne Spielstätte im so genannten „Nordpark" mit Platz für 54.000 Besucher. Zuvor war das Gelände militärisch genutzt worden.
Als Konzerthalle wurde 1903 die Kaiser-Friedrich-Halle errichtet, die zu einem großen Teil aus Spenden der Mönchengladbacher Fabrikanten finanziert worden war. Für Theater und Oper dient heute die 1930 errichtete frühere Rheydter Stadthalle, die für diese Zwecke 1984 umgebaut worden ist. Seit 1950 besteht eine Theatergemeinschaft mit Krefeld. Das bedeutendste moderne Bauwerk der Stadt ist das Museum Abteiberg, das nach Plänen des Wiener Architekten Hans Hollein 1977-1982 entstanden ist. An die bewegte Vergangenheit Mönchengladbachs erinnert das Gladbacher Münster mit seinem hochgotischen Chor, den der in Köln als Weihbischof eingesetzte Theologe Albertus Magnus (um 1200-1280) 1275 einweihte und das aus der einstigen Wasserburg hervorgegangene Schloss Rheydt, das im 16. Jahrhundert im Stil der RenaissanceLateinisch-französisch (Wiedergeburt), (1) geistig-kulturelle Bewegung in Europa im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, ausgehend von Italien im 15. Jahrhundert, gekennzeichnet durch eine Rückbesinnung auf Werte und Formen der griechisch-römischen Antike, drückte sich besonders in Literatur, Philosophie, Kunst und Architektur aus, (2) geistig-künstlerische Bewegung, die an ältere Traditionen, insbesondere der griechisch-römischen Antike, anzuknüpfen versucht (zum Beispiel karolingische Renaissance), (3) allgemein Wiederaufleben, neue Blüte. vermutlich von Maximilian Pasqualini (1534-1572) umgebaut worden ist.
Heute (2008) hat Mönchengladbach 266.000 Einwohner.
Quellen
Brasse, Ernst, Urkunden und Regesten zur Geschichte der Stadt und Abtei Gladbach, 2 Bände, Mönchengladbach 1914-1922.
Literatur
Brandts, Rudolf, M.Gladbach. Aus Geschichte und Kultur einer rheinischen Stadt, Mönchengladbach o.J. (1956). Klein, Gotthard, Der Volksverein für das katholische Deutschland 1890-1933, Paderborn u.a. 1996. Löhr, Wolfgang, Kleine Mönchengladbacher Stadtgeschichte, Regensburg 2009. Löhr, Wolfgang (Hg.), Loca Desiderata. Mönchengladbacher Stadtgeschichte, 4 Bände u. 1 Register, Köln/Mönchengladbach 1994-2006. Löhr, Wolfgang, Städteatlas Mönchengladbach (= Rheinischer Städteatlas, Lieferung XII, Band 65), Köln/Bonn 1996. Löhr, Wolfgang, Städteatlas Rheydt (= Rheinischer Städteatlas, Lieferung IX, Band 52), Köln/Bonn 1989. Schmitz, Ludwig, Geschichte der Herrschaft Rheydt, Rheydt 1897 (Nachdruck Mönchengladbach 2001). Strauß, Wilhelm (Hg.), Geschichte der Herrschaft und Stadt Rheydt, Rheydt 1897 (Nachdruck Mönchengladbach 2001).
Online
Schlaglichter der Stadtgeschichte Mönchengladbachs (Website der Stadt Mönchengladbach). [Online]
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Löhr, Wolfgang, Stadt Mönchengladbach, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/stadt-moenchengladbach/DE-2086/lido/57d1207d150105.15349746 (abgerufen am 09.10.2024)